Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. März 2011
Aktenzeichen: 19 W (pat) 61/07

(BPatG: Beschluss v. 07.03.2011, Az.: 19 W (pat) 61/07)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

BPatG 154

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse H02M -hat die am 23. März 2004 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 3. Juli 2007 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegendstand des Patentanspruchs gegenüber dem Stand der Technik nicht neu sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht und stellt den Antrag:

1. den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H02M vom 3. Juli 2007 aufzuheben;

2.

ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen: Patentansprüche 1 bis 10 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2011 überreichten Hauptantrag, Beschreibungsseiten 1 bis 9, eingegangen am 23. März 2004, Seite 13 mit Bezugszeichen, eingegangen am 23. März 2004 und 1 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 2, eingegangen am 2. April 2004.

3.

hilfsweise, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 10 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2011 überreichten Hilfsantrag 2, Beschreibungsseiten; Seite mit Bezugszeichen und 1 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 2, wie im Hauptantrag benannt;

4.

weiterhin hilfsweise, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 10 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2011 überreichten Hilfsantrag 3, Beschreibungsseiten, Seite mit Bezugszeichen und 1 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 2, wie im Hauptantrag benannt;

5.

weiterhin hilfsweise, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 10 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2011 überreichten Hilfsantrag 4, Beschreibungsseiten, Seite mit Bezugszeichen und 1 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 2, wie im Hauptantrag benannt;

6.

weiterhin hilfsweise, ein Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 11 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2011 überreichten Hilfsantrag 5, Beschreibungsseiten, Seite mit Bezugszeichen und 1 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 2, wie im Hauptantrag benannt.

Der Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Vorrichtung mit mindestens zwei Energiespeichern zur Versorgung einer Datenverarbeitungseinheit mit Energie, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens einer der Energiespeicher eine Vorrichtung zum Anheben des Potentials aufweist, wobei das Potential abhängig von einer in der Vorrichtung vorhandenen Spannung angehoben wird, wobei die Vorrichtung zum Anheben des Potentials derart ausgebildet ist, dass der Zeitpunkt an dem das Potential angehoben wird, verzögert wird."

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet:

"Vorrichtung mit mindestens zwei Energiespeichern zur Versorgung einer Datenverarbeitungseinheit mit Energie, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens einer der Energiespeicher eine Vorrichtung zum Anheben des Potentials aufweist, wobei die Vorrichtung zum Anheben des Potentials derart ausgebildet ist, dass die Rate mit der das Potential angehoben wird, frei wählbar ist."

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 lautet:

"Vorrichtung mit mindestens zwei Energiespeichern zur Versorgung einer Datenverarbeitungseinheit mit Energie, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens einer der Energiespeicher eine Vorrichtung zum Anheben des Potentials aufweist, wobei die Vorrichtung zum Anheben des Potentials eine Ladungspumpe (10) ist, wobei die Ladungspumpe derart eingerichtet ist, dass der Ladezeitpunkt des Energiespeichers, der auf höherem Potenzial betrieben wird, gesteuert wird."

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 lautet:

"Vorrichtung mit mindestens zwei Energiespeichern zur Versorgung einer Datenverarbeitungseinheit mit Energie, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens einer der Energiespeicher eine Vorrichtung zum Anheben des Potentials aufweist, wobei die Vorrichtung zum Anheben des Potentials eine Ladungspumpe (10) ist, wobei die Ladungspumpe derart eingerichtet ist, dass der Ladestrom begrenzt und geregelt werden kann."

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 5 lautet:

"Kontaktlose Chipkarte mit mindestens zwei Energiespeichern zur Versorgung einer Datenverarbeitungseinheit mit Energie, wobei mindestens einer der Energiespeicher eine Vorrichtung zum Anheben des Potentials aufweist, wobei die Chipkarte einen Spannungsregler aufweist, wobei der Spannungsregler derart angeordnet ist, dass er die Vorrichtung zum Anheben des Potentials eines Energiespeichers, der auf höherem Potential betrieben wird, mit Spannung versorgt und den anderen Energiespeicher mit Spannung versorgt."

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Anmeldung betrifft eine Vorrichtung zur Versorgung einer Datenverarbeitungseinheit mit Energie, insbesondere zum Einsatz in kontaktlosen Chipkarten. Die Beschreibungseinleitung führt dazu aus, dass es bekannt sei derartige Energieversorgungen mit einem zusätzlichen Stützkondensator zu versehen. Nachteilig sei bei diesem Stand der Technik, dass die Spannung am Stützkondensator Spannungsschwankungen unterliege. Nachteilig sei weiterhin, dass der Stützkondensator so groß wie möglich dimensioniert werden müsse, und dabei der Chipflächenbedarf für den Stützkondensator zunehme.

Aufgabe der Erfindung sei es deshalb, eine Vorrichtung zur Versorgung der Datenverarbeitungseinheit mit Energie anzugeben, wobei die Energie lückenlos bereitgestellt wird und die notwendige Chipfläche minimiert ist (Offenlegungsschrift Abs. 0009).

Diese Aufgabe werde mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst.

2.

Für diesen Gegenstand sieht der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfahrung in der Entwicklung von Stromversorgungen, insbesondere für Chipkarten, als Fachmann.

3.

Einzelne Merkmale des jeweiligen Anspruchs 1 bedürfen näherer Erläuterung:

Für die Vorrichtung zum Anheben des Potentials gibt die Beschreibung eine Ladungspumpe als Ausführungsbeispiel an. Andere Spannungswandler, zum Beispiel Transformatoren oder Gleichspannungswandler, kennt der Fachmann hierfür ebenfalls. Zu der Anhebung abhängig von einem Potential gibt die Beschreibung (Offenlegungsschrift Abs. 0012) an, dass das elektromagnetische Feld erst dann zum Anheben eines Potentials eingesetzt wird, wenn eine Mindestspannung in der Vorrichtung vorhanden ist. Der Senat legt diese Funktion dem dem Verständnis Anspruchs 1 zu Grunde, also Einund Ausschalten des Spannungswandlers abhängig von der Versorgungsspannung mit einer Mindestspannung als Schwellwert. Daraus ergibt sich auch die beanspruchte Verzögerung beim Einschalten und die von der Anmelderin geltend gemachte Entkopplung der Ladevorgänge für die beiden Kondensatoren (Hauptantrag).

Zu der Rate, mit der das Potential angehoben wird (Hilfsantrag 2), gab die Patentanmelderin an, dass damit die Aufladegeschwindigkeit bzw. der Ladestrom des Spannungswandlers gemeint sei. Bei einer Ladungspumpe könne dafür die Frequenz der Hilfsspannung eingestellt werden. Das mag zwar eine mögliche Ausführungsform des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 darstellen, findet aber in den Unterlagen keine Stütze.

Den gesteuerten Ladezeitpunkt nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 sieht der Fachmann als gleichbedeutend mit der Verzögerung nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag.

4. Der Entscheidung liegt folgender Stand der Technik zugrunde:

Aus der DE 697 14 784 T2 (E1), Fig. 4 ist eine Schaltung zur Spannungsversorgung einer Chipkarte (S. 1, Abs. 2) bekannt, die eine Ladungspumpe 16 (S. 4, le. Z.; Fig. 5) aufweist. Der damit gespeiste Kondensator Chv wird über einen Schalter 17 der Spannungsversorgung zugeschaltet, wenn die Versorgungsspannung nicht mehr ausreicht (Fig. 4, S. 7, Abs. 2). Der in Fig. 3 gezeigte Kondensator Cst wird in den Figuren 4 bis 7 nicht mehr dargestellt.

Mit den Worten des Anspruchs 1 (Abweichungen kursiv) ist damit bekannt eine:

Vorrichtung mit einem Energiespeicher Chv zur Versorgung einer Datenverarbeitungseinheit (Chipkarte) mit Energie, wobei der Energiespeicher Chv eine Vorrichtung 16 zum Anheben des Potentials aufweist, wobei das Potential abhängig von einer in der Vorrichtung vorhandenen Spannung angehoben wird.

Ein zweiter Energiespeicher, sowie Umstände wie und wann das Potential angehoben wird, werden nicht erwähnt. Der Senat folgt insoweit der Anmelderin, die den Kondensator Cst nur im Zusammenhang mit dem dort beschriebenen Stand der Technik nach Figur 1 bis 3 sieht.

Die WO 01/93411 A1 (E2) bezieht sich auf eine Pufferschaltung für elektronische Geräte, um Datenverluste zu vermeiden (S. 1, Abs. 1, 2, S. 6, Abs. 2). Das ist also ebenfalls eine Vorrichtung zur Versorgung einer Datenverarbeitungseinheit mit Energie. Sie weist nach Fig. 2 drei Energiespeicher C1, C2, CP auf, wobei mindestens einer der Energiespeicher CP eine Vorrichtung zum Anheben des Potentials - den Hochsetzsteller V1, L1, D1 AST -aufweist (S. 5, Abs. 5).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Wenn der Kondensator Chv in der DE 697 14 784 T2 (E1) nur bedarfsweise zugeschaltet werden soll, wie auf Seite 7, Absatz 2 beschrieben, dann muss die Spannung Vst für den Normalbetrieb stabilisiert werden, was in der Regel nicht ohne Kondensator geht. Das Gleiche gilt, wenn die Schaltung ausschließlich über den Kondensator Chv gespeist wird, und der Schalter 17 pulsweitenmoduliert die Spannungsregelung übernimmt (S. 7, Abs. 3). Ein stabilisierender Kondensator für den Normalbetrieb ist somit für den Fachmann, wenn schon nicht mitzulesen, so doch in nicht erfinderischer Weise aus seinem Fach-Grundwissen zu ergänzen.

Dass der zweite Kondensator nur dann über die Ladungspumpe geladen werden darf, wenn die zur Verfügung stehende Energie und die Versorgungsspannung ausreichend hoch sind, ist selbstverständlich und Teil der Funktion eines solchen Reserve-Speicherelements. Damit ergibt sich auch in naheliegender Weise die Steuerung der Ladungspumpe in Abhängigkeit von der Versorgungsspannung, und als unmittelbare Folge davon die zeitliche Verzögerung.

Um zur Vorrichtung nach Anspruch 1 nach Hauptantrag zukommen, bedurfte es somit keiner erfinderischen Überlegungen.

Um die Lehre des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 zu realisieren bedarf es einiger Vorkenntnisse und Überlegungen: so muss der Fachmann erkennen, dass es bei der Rate, mit der das Potential angehoben wird, um den Ladestrom bzw. die Ladegeschwindigkeit und nicht etwa um die Spannungsübersetzung (z. B. Anzahl der Ladestufen bei einer Ladungspumpe) geht. Außerdem muss er erkennen, dass damit die Ladegeschwindigkeit beziehungsweise der Strom nach oben begrenzt werden soll, um Einschaltstromstöße zu vermeiden. Schließlich muss er noch wissen, dass das bei einer Ladungspumpe durch Veränderung bzw. Einstellung der Hilfsspannungsfrequenz möglich ist. Für einen Fachmann, der dies alles zu seinem Fachwissen und Können zählt, ist eine derartige Begrenzung der Ladegeschwindigkeit bzw. des Stroms ohne Weiteres naheliegend. Die Notwendigkeit einer Strombegrenzung bei einem solchen Ladevorgang ist ihm geläufig und ergibt sich spätestens dann, wenn Einschaltstromstöße zu Schäden führen. Letzteres legt deshalb auch die Strombegrenzung beziehungsweise Stromregelung gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 nahe.

Für den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 gilt die Beurteilung des Anspruchs 1 nach Hauptantrag, denn er geht inhaltlich nur durch die aus der DE 697 14 784 T2 (E1) bekannte Ladungspumpe über diesen Anspruch hinaus.

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 5 richtet sich auf einen Spannungsregler und seine Anordnung in einer Chipkarte. Einen Spannungsregler sieht der Fachmann nach Überzeugung des Senats als unumgänglich an, denn die Elektronik fordert eine geregelte Spannung. Ob dieser Regler noch den zweiten Energiespeicher mit versorgen soll, oder nach diesem Speicher angeordnet und durch ihn versorgt wird, ist das Ergebnis einer Abwägung von Vorund Nachteilen (zum Beispiel der Vorteil einer geregelten Spannung für die Ladungspumpe gegen die Notwendigkeit eines zweiten Spannungsreglers 12 und dessen Abstimmung mit dem Spannungsregler 4), die der Fachmann abhängig von den jeweiligen Anforderungen im Rahmen seines fachmännischen Handelns trifft. Der Schaltwandler SWA in Fig. 1 der WO 01/93411 A1 (E2) ist beispielsweise an der entsprechenden Stelle angeordnet und versorgt dort sowohl den Hochsetzsteller HSS mit dem Kondensator CP als auch die Kondensatoren C1 und C2. Etwas Erfinderisches kann der Senat darin nicht erkennen.

Den von der Anmelderin geltend gemachten Vorteil einer Strombegrenzung durch den Spannungsregler kann der Senat nicht nachvollziehen. Ein Spannungsregler steuert bei entladenem Kondensator sein Stellglied auf. Für eine Strombegrenzung müsste er es zusteuern, um den Strom zu vermindern. Es gibt zwar auch Spannungsregler mit integrierter Strombegrenzung; ein solcher ist aber nicht offenbart.

5. Damit sind der Anspruch 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 2 bis 5, sowie die jeweils auf sie rückbezogenen Ansprüche nicht patentfähig.

Die Verfahrensansprüche 8 nach Hauptantrag und nach Hilfsantrag 2 bis 4, sowie der Anspruch 9 nach Hilfsantrag 5 entsprechen in der Sache dem jeweiligen Anspruch 1 und gehen nicht darüber hinaus. Für sie gilt somit die gleiche Beurteilung. Mit ihnen sind auch die auf sie zurückbezogenen Ansprüche nicht patentfähig.

Bertl Dr. Kaminski Dr. Scholz Metternich Pü






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Az: 19 W (pat) 61/07


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