Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 28. Juni 2002
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 18/01

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 28.06.2002, Az.: VI-U (Kart) 18/01)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 7.12.2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zu-rückgewiesen. Die im zweiten Rechtszug erhobene Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden der Beklagten auf-erlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jedoch kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheits-leistung in Höhe von 100.000 Euro abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.

Die Sicherheiten können durch Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bewirkt werden.

Tatbestand

Die Klägerin produziert und vertreibt Kunststoff-Spundfässer. Die Beklagte - das deutsche Tochterunternehmen des italienischen Fassherstellers M... S.p.A., M... - betätigt sich auf demselben Gebiet. Die Klägerin ist Inhaberin des europäischen Patents 0 515 390, welches ein Spundfass aus thermoplastischem Kunststoff (sog. L-Ring-Fass mit 220 Litern Inhalt) betrifft und ihr unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist. Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Rechnungslegung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht wegen einer Verletzung ihres Patents in Anspruch genommen.

Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung und der Patentschrift am 29.12.1993 geht auf die Anmeldung vom 21.12.1990 (unter Inanspruchnahme deutscher Prioritäten vom 15.2.1990 und vom 23.5.1990) und die Veröffentlichung der Anmeldungsschrift vom 2.2.1992 zurück. Wegen der Patentansprüche (namentlich wegen des Anspruchs 1) wird auf die Patentschrift verwiesen (Anl. K 1). Aufgabe der Erfindung war es, eine konstruktive Ausge- staltung des Oberbodens (Deckels) eines Kunststoff-Spundfasses anzugeben, die eine möglichst weitgehende Entleerung des Inhalts in statischer Schrägposition des Fasses erlaubt (siehe die Abbildungen GA 229 und 237 als Ausführungsbeispiel des Patents; zur gleichen Problemlösung durch das anderweitige europäische Patent 0 287 966 siehe im Übrigen die Abbildungen GA 232 und 238).

Den Ausgangspunkt für die Erfindung bildete die Anfang 1990 erhobene Forderung von Unternehmen der chemischen Industrie oder des Verbandes der chemischen Industrie (VCI), ein Kunststoff-Fass mit verbesserter Restentleerung zu entwickeln. Dem kamen die Klägerin sowie die anderen in Deutschland ansässigen Fasshersteller K..., v... L... und S... mit Lösungsvorschlägen nach. Die Wahl fiel auf den von der Klägerin unterbreiteten und daraufhin patentrechtlich geschützten Vorschlag (siehe auch Anl. B 2), der seinen Niederschlag in den von vier Unternehmen der chemischen Industrie abgezeichneten "VCI-Rahmenbedingungen für das neue L-Ring-Fass - Stand 31.7.90" vom 1.8.1990 fand (Anl. B 3). Diese lauten auszugsweise:

"...

Restentleerung:

< 100 ml Wasser, bei Überkopfmethode 0 - 20 ° Neigung;

...

Fassbauart:

Hochgelegter Oberboden, L-Ring, neue kompakte Ausführung, für alle Fassgreifer geeignet, Unterboden ohne L-Ring bzw. Stauchrand, ...

...

Patentrechtliche Freistellung oder Abstimmung der Hersteller europaweit ist Voraussetzung zur Freigabe der neuen Fassbauart vom VCI.

Bildlich einheitliche Bauart, nur mit herstellverfahrenbedingten Abweichungen zulässig."

Unter dem 6.8.1990 gab die Klägerin hierzu folgende Erklärung ab (Anlage zu Anl. B 5):

"Zu Punkt 11:

... M... wird alle europäischen Schutzrechte, die das neue L-Ring-Fass betreffen, den Firmen

K...,

v... L... und

S...

zugänglich machen, soweit Rechte Dritter hierdurch nicht verletzt werden."

Die Klägerin erteilte den genannten drei Unternehmen Freilizenzen. Anderen im europäischen Ausland ansässigen Fassherstellern gewährte sie entgeltliche Lizenzen. Den Antrag der Muttergesellschaft der Beklagten, ihr ebenfalls eine Lizenz zu erteilen, lehnte die Klägerin im Jahr 1996 hingegen ab (Anl. B 6; Übersetzung in die deutsche Sprache GA 121). Auch die Beklagte verfügt über keine Lizenz. Sie machte gleichwohl von der Lehre der geschützten Erfindung Gebrauch (siehe Abbildungen Anl. K 5 und Ausführungszeichnungen Anl. K 6).

Unter Beteiligung der Beklagten oder deren Muttergesellschaft kam es in der Vergangenheit unter anderem zu folgenden patentrechtlichen Streitigkeiten mit der Klägerin: Die italienische Muttergesellschaft der Beklagten erhob Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent, die das Bundespatentgericht durch Urteil vom 14.10.1997 (Az. 1 Ni 22/96) abwies (Anl. K 2 - rechtskräftig nach Zurückweisung der Berufung durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9.5.2000, Az. X ZR 45/98; siehe Anlage zu GA Band II).

Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits fand auf Antrag der Klägerin außerdem ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung statt, in welchem das Landgericht Düsseldorf der Beklagten durch Urteil vom 9.2.1999 (Az. 4 O 395/98; Anl. K 7) unter anderem untersagte, Spundfässer aus thermoplastischem Kunststoff gemäß dem Anspruch 1 des Klagepatents herzustellen und in Verkehr zu bringen (dieses Verfahren betraf die Ausführungsform "SR 220 Super Roll, Version 2" der Beklagten). Auf die am 9.3.1999 erfolgte Zustellung dieses Urteils ließ die Beklagte durch ihre Bevollmächtigten der Klägerin unter dem 23.3.1999 folgende Abschlusserklärung abgeben (siehe Anlage zu GA Band II):

"... erklären wir ..., dass ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber gleichwohl verbindlich, aus pragmatischen Erwägungen die einstweilige Verfügung vom 9.2.1999 als endgültige und zwischen den Parteien verbindliche Regelung des Streitverhältnisses anerkannt wird, und dass auf die Rechtsbehelfe der §§ 924, 926 und 927 ZPO verzichtet wird."

Den tatsächlichen Hintergrund hierfür bildete der Umstand, dass die Beklagte die Herstellung und den Vertrieb eines Kunststoff-Fasses "HR" aufgenommen hatte, was die Klägerin ihr in dem Verfahren 4 O 507/99 des Landgerichts Düsseldorf (nicht rechtskräftig) jedoch ebenfalls untersagen ließ (vgl. Anl. B 18).

Auf die Abschlusserklärung hat die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit nunmehr Ansprüche auf Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen der Benutzung ihres Patents erhoben. Sie hat im Geschäftsverhalten der Beklagten eine Verletzung ihres Patents gesehen.

Die Beklagte ist dem Klagebegehren entgegen getreten. Sie hat eine Benutzung der Lehre des Klagepatents zwar nicht in Abrede gestellt, hat sich im Wesentlichen aber darauf berufen, die Klägerin sei ausweislich von Nummer 11. der (insoweit oben zitierten) "VCI-Rahmenbedingungen" verpflichtet, allen europäischen Fassherstellern, also auch ihr, der Beklagten, eine Freilizenz einzuräumen. Die Vorenthaltung einer Lizenz durch die Klägerin stelle sich überdies als kartellrechtswidrig dar. Hilfsweise hat die Beklagte beantragt, im Fall einer Verurteilung zur Rechnungslegung einen Wirtschaftsprüfervorbehalt vorzusehen.

Das Landgericht hat die Beklagte

I. verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die nachfolgend bezeichneten Handlungen seit dem 29.1.1994 begangen hat, nämlich

Spundfässer aus thermoplastischem Kunststoff mit einem im Nahbereich des Oberbodens an der Fasswandung angeordneten umlaufenden Trage- und Transportring und mit wenigstens einem im Randbereich des Oberbodens angeordneten Spundlochstutzen, der in einem Spundlochstutzengehäuse derart eingesenkt ist, dass die Stirnfläche des Spundlochstutzens bündig mit oder geringfügig unterhalb der Außenfläche des Oberbodens abschließt,

bei denen der Oberboden zusätzlich zum bzw. neben dem Spundlochstutzengehäuse ein im Wesentlichen kreisabschnittsförmiges Flächenteil bzw. eine Abschrägung aufweist, die symmetrisch beidseitig zum Spundlochstutzen ausgebildet ist und - in Normalposition des Fasses betrachtet - flach schräg nach innen in den Fasskörper abgeschrägt verlaufend eingezogen ist, wobei die Abschrägung ihre tiefste Stelle auf der Seite des Fassmantels im Nahbereich des Spundlochstutzens aufweist und dort in die tiefer liegende Ebene des Spundlochstutzengehäusebodens bzw. in den Spundlochstutzen einmündet,

hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen hat,

und zwar unter Erteilung bestimmter, im Urteilsausspruch aufgeführter Angaben, wozu auf das Urteil des Landgerichts verwiesen wird (Urteilsabdruck S. 3 und 4).

II. Darüber hinaus hat das Landgericht antragsgemäß festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. bezeichneten, seit dem 29.1.1994 begangenen Handlungen entstanden sei und noch entstehen werde.

Auf die Entscheidungsgründe des Urteils, mit dem das Landgericht den kartellrechtlichen Einwand der Beklagten abschlägig beschieden hat, wird Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Außerdem hat sie eine auf Gestattung einer kostenlosen Benutzung ihres Patents gerichtete Widerklage erhoben. Den Rechnungslegungsanspruch haben die Parteien nach zwischenzeitlicher Erfüllung durch die Beklagte im Senatstermin übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Die Beklagte vertieft ihr Vorbringen, wonach die Klägerin aus kartellrechtlichen Gründen verpflichtet sei, eine Benutzung der Lehre des Klagepatents durch sie, die Beklagte, zu dulden. Sie macht geltend, die Klägerin übe infolge der Inhaberschaft an dem Patent eine - durch Absprachen gesicherte - marktbeherrschende Stellung sowohl hinsichtlich des Zugangs zum Markt für Kunststoff-Spundfässer (mit einem Fassungsvermögen von 220 Litern), welche den "VCI-Rahmenbedingungen" genügen, als auch auf dem Angebotsmarkt für derartige Fässer aus. Der Verband der chemischen Industrie habe Kunststoff-Fässer in der dem Schutzrecht entsprechenden Ausführungsform durch seine Rahmenbedingungen zum "Normfass" erhoben. Diese "Norm" lasse sich ohne Benutzung des Klagepatents nicht einhalten. Jedenfalls sei eine "Umgehungslösung" mit dem erheblichen und daher unzumutbaren Risiko einer Verletzung des Klagepatents behaftet. Da Unternehmen der chemischen Industrie sich ausschließlich oder zumindest überwiegend an der "Norm" orientierten, seien Hersteller in ihrer Lage, die sich auf dem Angebotsmarkt für die genannten Fässer betätigen wollten, darauf angewiesen, von der Klägerin eine Lizenz zu erhalten. Kunststoff-Fässer anderer Bauart seien auf dem Markt hingegen praktisch unverkäuflich. Durch die ablehnende Haltung der Klägerin, ihr, der Beklagten, eine Lizenz zu erteilen, werde sie unbillig behindert und zudem ohne sachlich gerechtfertigten Grund ungleich behandelt, da die Klägerin an andere, und zwar deutsche und ausländische Unternehmen, Lizenzen vergeben habe. Die Klägerin verstoße auf Grund ihrer Weigerung gegen nationales und europäisches Kartellrecht. In Folge dessen stehe ihr der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Vielmehr sei sie - was gleichzeitig die Widerklage rechtfertige - zur Einräumung eines kostenlosen Benutzungsrechts an der Lehre des Klagepatents verpflichtet.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,

sowie widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen, ihr, der Beklagten, die kostenlose Benutzung des europäischen Patents 0 515 390 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu gestatten.

Hilfsweise hat die Beklagte die Aussetzung des Berufungsverfahrens und die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu der Frage angeregt, ob die gegen sie, die Beklagte, gerichtete Geltendmachung eines Anspruchs auf Schadensersatz aus dem deutschen Teil des europäischen Patents 0 515 390 gegen die Art. 81, 82 sowie 28 EG verstößt.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.

Die Klägerin rügt die Unzulässigkeit der Widerklage und tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten entgegen. Sie verneint die behauptete Marktbeherrschung und verweist die Beklagte auf Möglichkeiten eines geschäftlichen Vertriebs von Kunststoff-Fässern anderer und die Lehre des Klagepatents nicht in Anspruch nehmender Bauart (so zum Beispiel des klassischen L-Ring-Fasses, des Valerex-Fasses der Firma v... L... oder von Fässern gemäß dem europäischen Patent 0 287 966). Was die Benutzung des Klagepatents anbelange, sei der Beklagten allenfalls die rechtliche Möglichkeit eröffnet, vor dem Bundespatentgericht Klage auf Erteilung einer Zwangslizenz nach § 24 PatG für die Zukunft zu erheben. Jedoch sei sie rechtlich nicht verpflichtet, der Beklagten eine solche oder überhaupt eine Lizenz zu erteilen. Der festgestellte Schadensersatzanspruch beziehe sich im Übrigen auf einen in der Vergangenheit liegenden rechtswidrigen Gebrauch der Lehre des Klagepatents. Es könne nicht gegen Kartellrecht verstoßen, wenn sie, die Klägerin, für diese Benutzung eine Vergütung in der Form einer Schadensersatzleistung begehre.

Beide Parteien nehmen im Übrigen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen sowie auf die vorbezeichneten Aktenbestandteile Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist unbegründet.

Im Berufungsrechtszug ist - nachdem die Parteien den im angefochtenen Urteil zuerkannten und die Rechnungslegung durch die Beklagte betreffenden Klageanspruch übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben - lediglich noch über den vom Landgericht festgestellten und mit dem Rechtsmittel der Beklagten angegriffenen Schadensersatzanspruch sowie über die Widerklage zu entscheiden. Auf den der Rechnungslegung geltenden Anspruch ist dagegen nur noch im Zusammenhang mit der Kostenentscheidung einzugehen. Die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten ist vom Landgericht indessen zu Recht festgestellt worden. Es bleibt deswegen auch die - zulässige - Widerklage ohne Erfolg.

A) Die zulässige Klage ist begründet.

I. Das Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der begehrten Schadensersatzfeststellung ist nicht zu verneinen. Die Abschlusserklärung der Beklagten vom 23.3.1999 lässt dieses Interesse nicht entfallen. Die Abschlusserklärung stellt mit rechtlicher Wirkung für die Parteien lediglich den Unterlassungsausspruch des Verfügungsurteils des Landgerichts Düsseldorf vom 9.2.1999 (Az. 4 O 395/98) einer rechtskräftigen Verurteilung der Beklagten gleich. Einer Unterlassungsklage der Klägerin fehlte es demnach am Rechtsschutzinteresse. Dies gilt jedoch nicht für die Klage auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten. Dahin hat bereits das Landgericht zutreffend entschieden (Urteilsgründe S. 20).

In der Sache selbst ist die Rechtsgrundlage des festgestellten Schadensersatzanspruchs in § 139 Abs. 2 S. 2 PatG in Verbindung mit Abs. 1 dieser Vorschrift zu sehen. Die Beklagte ist der Klägerin hiernach zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die patentierte Erfindung zumindest fahrlässig benutzt hat, und der Klägerin hierdurch wahrscheinlich ein Schaden entstanden ist. Die Beklagte hat eine die Merkmale des Patentanspruchs 1 verwirklichende Ausführungsform des L-Ring-Fasses der Klägerin beworben (siehe Anl. K 5 und K 6). Dies ist zwischen den Parteien außer Streit und vom Landgericht festgestellt worden (Urteilsabdruck S. 19), ohne dass die Beklagte dies mit ihrem Rechtsmittel angegriffen hat. Auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil wird verwiesen.

II. Beklagte hält der Schadensersatzforderung der Klägerin indes einredeweise einen auf die Gewährung einer unentgeltlichen - hilfsweise einer entgeltlichen - Lizenz an der geschützten Erfindung gerichteten Gegenanspruch entgegen, dessen Erfüllung die Klägerin jedoch ablehnt, so wie sie bereits im Jahre 1996 die Gewährung einer Lizenz an die italienische Muttergesellschaft der Beklagten abgelehnt hat (vgl. Anl. B 6 und Übersetzung GA 121).

Hätte die Beklagte einen Anspruch auf Erteilung einer unentgeltlichen Lizenz, dann könnte in der Tat ein Schadensersatzanspruch der Klägerin entfallen. Die Einrede gründet sich in rechtlicher Hinsicht auf § 242 BGB, denn die Beklagte hätte in der Form einer Schadensersatzleistung für die Benutzung der patentierten Erfindung dann keine Vergütung zu entrichten, vielmehr müsste die Klägerin ihr eine gezahlte Vergütung unmittelbar zurückerstatten, wenn sie, die Beklagte, einen Anspruch auf Erteilung einer Freilizenz gegen die Klägerin hätte. Die Einrede ist jedoch unbegründet, da sich die Beklagte wegen des in der Vergangenheit erfolgten Gebrauchs der Lehre des Klagepatents auf ein Benutzungsrecht nicht mit Erfolg berufen kann.

a) Die Einrede ist jedoch nicht bereits deswegen unbegründet, weil die Beklagte den Schadensersatzanspruch der Klägerin anerkannt hätte, und zwar durch das Abschlussschreiben ihrer Bevollmächtigten vom 23.3.1999. Das im Senatstermin vorgelegte Abschlussschreiben enthält kein Anerkenntnis von Schadensersatzansprüchen; hierauf hat bereits das Landgericht hingewiesen (Urteilsabdruck S. 20). Mit einer Abschlusserklärung ist ein Schuldanerkenntnis hinsichtlich einer Schadensersatzverpflichtung rechtlich auch nicht notwendig verbunden (vgl. Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, Rdn. 334).

b) Der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Freilizenz ergibt sich nicht aus Nummer 11. der im Tatbestand auszugsweise wiedergegebenen "VCI-Rahmenbedingungen für das neue L-Ring-Fass" (Anl. B 3) in Verbindung mit der schriftlichen Erklärung der Klägerin vom 6.8.1990 zu Nummer 11. der "VCI-Rahmenbedingungen" (Anl. zu Anl. B 5). Die Beklagte war an dem Abschluss eines Vertrages mit dem Inhalt einer Freigabe der patentierten Erfindung zur Benutzung durch andere Hersteller von Kunststoff-Fässern - wenn ein derartiger Vertragsabschluss in den genannten Schriftstücken denn seinen Niederschlag gefunden hat, was zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden kann - selbst nicht beteiligt. Ein auf die Gewährung einer Freilizenz gerichtetes eigenes Forderungsrecht könnte der Beklagten demnach nur zugesprochen werden, wenn es sich bei der unterstellten vertraglichen Einigung um einen Vertrag zu Gunsten Dritter handelte, und dieser so auszulegen wäre, dass die angesprochene Freilizenz jedem deutschen oder im europäischen Ausland ansässigen Hersteller von Kunststoff-Fässern, der sich darum bewarb, von der Klägerin erteilt werden sollte. Eine derartige Auslegung und weit reichende Verpflichtung der Klägerin ist - mit dem Landgericht (vgl. Urteilsabdruck S. 23 f.) - indessen abzulehnen.

Nach Inhalt und Sinn der - unterstellten - Verpflichtung zur Einräumung einer Freilizenz hatte die Klägerin nur den drei anderen an der Entwicklung eines neuen Kunststoff-Fasses beteiligten Fassherstellern K..., v... L... und S... Benutzungsrechte zu gewähren, nicht aber jedem anderen interessierten Hersteller, der sich auf dem Markt betätigen wollte. Dies geht unterstützend auch aus der eidesstattliche Versicherung des Leiters der Patentabteilung der Klägerin, Dr. H..., vom 13.1.1999 hervor (Anlage zu Anl. B 5). Der Ausdruck "europaweit" in den "VCI-Rahmenbedingungen" (dort in Nummer 11.) bezog sich hiernach nur auf die räumliche Ausdehnung der zu gewährenden Freilizenzen, nicht aber auf den Kreis der möglichen Bewerber um eine solche Lizenz. Ihren inneren Grund findet diese Beschränkung darin, dass die genannten drei Fasshersteller nach Aufforderung von Unternehmen der chemischen Industrie oder des VCI als Wettbewerber an der Entwicklung eines neuen Kunststoff-Fasses beteiligt waren. Sie unterbreiteten damals jeweils eigene Lösungsvorschläge, was der Vertreter der Beklagten im Senatstermin am 30.1.2002 auch nicht in Abrede gestellt, sondern eingeräumt hat. In Folge dessen hatten diese Unternehmen jedenfalls in gewissem, nicht näher bekanntem Umfang auch Aufwendungen für die Entwicklung getätigt. Diese Aufwendungen stellten sich als nutzlos heraus, nachdem die Wahl auf den Beitrag der Klägerin gefallen war. Die "VCI-Rahmenbedingungen" waren deshalb an die Gewährung von Freilizenzen an die genannten drei Hersteller von Kunststoff-Fässern gekoppelt, die sich seinerzeit an der Entwicklung beteiligt hatten. Die Einräumung von Lizenzen ist vor diesem Hintergrund zu verstehen. Für alle übrigen Fasshersteller versteht sich die Erteilung einer Freilizenz dagegen nicht von selbst. Im Gegenteil bildet den Normalfall eine Benutzung (nur) auf Grund einer entgeltlichen Lizenz. Anderenfalls hätte die Klägerin auch keine Chance, ihre Entwicklungskosten zu amortisieren, was ihr zuzugestehen ist.

c) Die Beklagte hat ebenso wenig Anspruch auf eine Lizenzerteilung aus kartellrechtlichen Gründen.

1. Hierauf abzielende kartellrechtliche Ansprüche sind in Folge der nach § 24 PatG bestehenden rechtlichen Möglichkeit einer Klage auf Erteilung einer Zwangslizenz gegen die Klägerin vor dem Bundespatentgericht (siehe zur Zuständigkeit insoweit Benkard/Rogge, 9. Aufl., § 24 PatG, Rdn. 25; Busse/ Schwendy, 5. Aufl., § 24 PatG, Rdn. 60) nicht ausgeschlossen. § 24 PatG und die Bestimmungen des Kartellrechts sind nebeneinander anwendbar (ebenso Busse/Schwendy, a.a.O., Rdn. 63; Emmerich in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 17, Rdn. 166; Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 19, Rdn. 218; 253; Markert in Immenga/Mestmäcker, GWB, § 20, Rdn. 248; a.A. Benkard/Rogge, a.a.O., Rdn. 19).

2. Über den Anspruch der Beklagten auf Erteilung einer Freilizenz oder - hilfsweise - einer entgeltlichen Lizenz aus kartellrechtlichen Vorschriften kann nicht ohne Rücksicht auf die rechtliche Wirkung der in den Tatbestand eingerückten Abschlusserklärung der Beklagten vom 23.3.1999 im Anschluss an das im Verfügungsverfahren 4 O 395/98 vor dem Landgericht Düsseldorf ergangene und auf Unterlassung eines Gebrauchs der patentierten Erfindung gerichtete Urteil vom 9.2.1999 entschieden werden. Die Abgabe einer Abschlusserklärung durch den Schuldner eines im Verfahren der einstweiligen Verfügung ergangenen Titels hat den Sinn, den Verfügungstitel einem rechtskräftigen Hauptsachetitel gleichwertig zu machen. Es soll dadurch eine Hauptsacheklage überflüssig werden. Zu diesem Zweck erkennt der Schuldner den Verfügungstitel als in Bestandskraft und Wirkung einem rechtskräftigen Hauptsachetitel gleichwertig an und verzichtet auf alle Möglichkeiten eines Vorgehens gegen diesen Titel und/oder gegen den durch ihn gesicherten Anspruch, die auch im Fall eines rechtskräftigen Hauptsacheurteils ausgeschlossen wären (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 43, Rdn. 3, 6, 8 m.w.N.).

Auf Grund der unter dem 23.3.1999 erteilten Abschlusserklärung der Beklagten steht - wie nach einem zwischen den Parteien ergangenen rechtskräftigen Hauptsacheurteil - mithin fest, dass die Beklagte eine Benutzung des Klagepatents zu unterlassen hat. Wer die Benutzung eines Patents (rechtskräftig) zu unterlassen hat, kann die Gewährung einer den Gebrauch des Schutzrechts gerade ermöglichenden Lizenz mit Erfolg nicht beanspruchen. Denn ein dahingehender Anspruch setzt voraus, dass der Anspruchsteller an einer Benutzung des Schutzrechts rechtlich, namentlich durch eine wirksame Unterlassungsverpflichtung, nicht gehindert ist. Im vorliegenden Fall steht einer Benutzung der patentierten Erfindung das - durch die Abschlusserklärung der Beklagten im Rechtssinn rechtskräftig gewordene - Unterlassungsgebot auf Grund des im Verfügungsverfahren ergangenen Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 9.2.1999 entgegen. Die Abschlusserklärung der Beklagten hat nach wie vor Bestand. Einen Fortfall ihrer Wirkungen hat die Beklagte nicht geltend gemacht. Die Rechtswirkung der Abschlusserklärung hat der Senat im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Senatstermin zum Gegenstand eines Hinweises an die Beklagte gemacht.

Die Abschlusserklärung der Beklagten vom 23.3.1999 entfaltete die genannte Wirkung jedoch erst von ihrem Zugang bei der Klägerin an (zum Zugangserfordernis vgl. Teplitzky, a.a.O., Rdn. 9 m.w.N.). Die Abschlusserklärung ist der Klägerin unstreitig zeitnah zugegangen. Für die Zeit danach hat die Beklagte in Folge dessen keinen Anspruch auf eine Benutzung des Klagepatents und - auch aus kartellrechtlichen Vorschriften - keinen Anspruch auf Gewährung einer Freilizenz oder einer entgeltlichen Lizenz. Der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EG bedarf es zur Feststellung dieser Rechtsfolge nicht.

3. Der Beklagten steht jedoch auch für die Zeit bis zum Zugang der Abschlusserklärung vom 23.3.1999 bei der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung einer Freilizenz aus kartellrechtlichen Vorschriften nicht zu. Hierzu kann offen bleiben, welche Bestimmungen des nationalen oder des europäischen Kartellrechts, auf die die Beklagte sich beruft, zur Begründung eines Anspruchs auf Erteilung einer Lizenz gegen die Klägerin heranzuziehen sind. Aus den oben unter A. II. b) dargestellten Gründen ist die Ablehnung einer Freilizenz gegenüber der Beklagten und ihrer Muttergesellschaft sachlich gerechtfertigt, weil der Klägerin eine Amortisation ihrer Entwicklungskosten über eine entgeltliche Lizenz auch kartellrechtlich nicht versagt werden kann. Die Erteilung von drei Freilizenzen an die drei bestimmten, oben genannten Unternehmen hatte die dargestellten besonderen Gründe, die für die Beklagte nicht gelten. Es ist daher weder eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung noch eine unbillige Behinderung der Beklagten ( vgl. § 26 Abs. 2 a. F., § 20 Abs. 1 u. F. GWB) noch ein Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (vgl. Art. 81 Abs. 1 EG), daß die Klägerin es ablehnt, der Beklagten eine Freilizenz zu erteilen, die sie im übrigen auch zahlreichen anderen in- und ausländischen Lizenznehmern nicht gewährt hat.

Die Beklagte kann sich - hilfsweise - auch nicht darauf beruht, ihr hätte zumindest eine entgeltliche Lizenz in der Vergangenheit gewährt werden müssen.

Eine Benutzung des Klagepatents war der Beklagten ungeachtet kartellrechtlicher Vorschriften, welche ihr einen Anspruch auf Gewährung einer Lizenz verleihen könnten, nämlich nur in den Fällen einer Gestattung durch Lizenzerteilung seitens der Klägerin oder dann erlaubt, wenn von der zuständigen Kartellbehörde oder durch ein Kartellgericht ausgesprochen worden wäre, dass ihr eine Lizenz einzuräumen sei. Dergleichen ist im Streitfall jedoch nicht gegeben. Die Beklagte hat die Lehre der patentierten Erfindung vielmehr gebraucht, ohne die Klägerin um die Erteilung einer Lizenz ersucht oder - dieses im Fall einer Ablehnung - ein Verfahren vor einer Kartellbehörde oder einem Kartellgericht beschritten zu haben, in welchem die Einräumung einer Lizenz hätte angeordnet werden können. Die Beklagte hat sich in der Vergangenheit folglich eine Selbsthilfe angemaßt, die nach der durch die Rechtsordnung vorgegebenen Wertung, mit der eine Durchsetzung vermeintlicher oder wirklicher Rechtspositionen im Wege einer Selbsthilfe grundsätzlich unvereinbar ist, allenfalls unter den Voraussetzungen gerechtfertigt gewesen wäre, die § 229 BGB für die private Selbsthilfe normiert. Diese Voraussetzungen liegen indessen nicht vor, da die Beklagte die Möglichkeit, staatlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, nicht genutzt hat. Sie hat ebenso wenig dargelegt, dass und aus welchen Gründen sie zur Durchsetzung des behaupteten Anspruchs auf eine Lizenzerteilung darauf angewiesen war, zur Selbsthilfe zu greifen. Die Beklagte kann sich deswegen auch in Bezug auf den Zeitraum vor Zugang ihrer Abschlusserklärung bei der Klägerin nicht mit Erfolg auf ein entgeltliches Benutzungsrecht an der Lehre der Erfindung berufen, das auf kartellrechtliche Vorschriften gestützt ist. Auch in diesem Zusammenhang muss eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs gemäß Art. 234 EG nicht eingeholt werden.

B) Die Widerklage der Beklagten ist unbegründet.

Der Widerklage fehlt es - da diese im Widerspruch zur Abschlusserklärung der Beklagten vom 23.3.1999 steht - entgegen der Auffassung der Klägerin zwar nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Sie ist auch nicht wegen Fehlens zureichender Bestimmtheit als unzulässig zu erachten. Die auf die Zukunft gerichtete Widerklage hat wegen ihrer sachlichen Unvereinbarkeit mit dem Inhalt der Abschlusserklärung jedoch keinen Erfolg. Auf Grund der Abschlusserklärung der Beklagten steht das Unterlassungsgebot des Verfügungsurteils des Landgerichts Düsseldorf vom 9.2.1999 einer rechtskräftigen Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung einer Benutzung des Klagepatents gleich. Dies schließt einen Anspruch der Beklagten auf Erteilung einer unentgeltlichen Lizenz an der patentierten Erfindung aus. Hierzu ist auf die vorstehenden Ausführungen (unter A) II. c) 2., S. 13 f.) zu verweisen.

Der Senat hat die Revision für die Beklagte gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen.

Die Kostentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 Abs. 1, 91 a ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für den Berufungsrechtszug und Wert der Beschwer der Beklagten:

a) Klage: 75.000 Euro,

b) Widerklage 1.000.000 Euro

1.075.000 Euro

D... Richter am OLG K.. ist ortsabwesend und daher verhindert zu unter- schreiben

J..






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 28.06.2002
Az: VI-U (Kart) 18/01


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