Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Dezember 2005
Aktenzeichen: 10 W (pat) 24/04

(BPatG: Beschluss v. 15.12.2005, Az.: 10 W (pat) 24/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Bei der vorliegenden Gerichtsentscheidung handelt es sich um einen Beschluss des Bundespatentgerichts vom 15. Dezember 2005, Aktenzeichen 10 W (pat) 24/04. In dem Beschluss wird festgelegt, dass der Beschluss der Prüfungsstelle 11.49 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Mai 2002 aufgehoben wird. Zudem wird festgestellt, dass die Patentanmeldung mit der Aktennummer 101 59 198.5 am 4. Dezember 2001 rechtswirksam eingereicht wurde.

In den Gründen der Entscheidung wird darauf hingewiesen, dass der Anmelder am 4. Dezember 2001 einen Antrag auf Erteilung eines Patents für eine "Reaktionseinrichtung zur Verarbeitung biologischen Materials" beim Deutschen Patent- und Markenamt gestellt hat. Dem Antrag waren die Patentansprüche 1 bis 53 beigefügt. Das Patentamt wies in zwei Bescheiden im Januar und Februar 2002 darauf hin, dass dem Antrag keine ausreichenden Unterlagen beigefügt waren und die Anmeldegebühr nicht bezahlt wurde.

Die Prüfungsstelle des Patentamts stellte daraufhin in einem Beschluss im Mai 2002 fest, dass durch den eingegangenen Antrag keine rechtswirksame Patentanmeldung vorliege und das Aktenzeichen gelöscht werde. Der Anmelder legte daraufhin Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und argumentierte, dass für die Zuerkennung eines Anmeldetages gemäß § 35 Absatz 2 des Patentgesetzes keine formelle Beschreibung des Anmeldungsgegenstandes erforderlich sei. Er beantragte die Aufhebung des Beschlusses vom 10. Mai 2002 und die Feststellung einer rechtswirksamen Patentanmeldung mit Zuerkennung eines Anmeldetages.

Das Bundespatentgericht kam zu dem Urteil, dass die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt wurde und auch im Übrigen zulässig ist. Das Gericht stellte fest, dass eine zurückerhaltene Anmeldung, die wirksam eingereicht und später zurückgenommen wurde oder als zurückgenommen gilt, ein Prioritätsrecht begründen kann. Das spätere Schicksal der Anmeldung ist für das Prioritätsrecht unerheblich. Daher hatte der Anmelder ein schutzwürdiges Interesse an der Entscheidung des Gerichts.

Schließlich entschied das Bundespatentgericht, dass die am 4. Dezember 2001 eingereichten Unterlagen ausreichend sind, um einen Anmeldetag zu gewähren. Es wurde festgestellt, dass eine formelle Beschreibung in der vorgeschriebenen Form nicht erforderlich ist und eine schriftliche Formulierung des Anmeldungsgegenstands, die eine technische Lehre offenbart, genügt. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurde jedoch abgelehnt, da keine besonderen Umstände vorliegen, die eine Rückzahlung rechtfertigen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 15.12.2005, Az: 10 W (pat) 24/04


Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle 11.49 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Mai 2002 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Patentanmeldung 101 59 198.5 am 4. Dezember 2001 rechtswirksam eingereicht worden ist.

Gründe

I Am 4. Dezember 2001 stellte der Anmelder beim Deutschen Patent- und Markenamt Antrag auf Erteilung eines Patents betreffend eine "Reaktionseinrichtung zur Verarbeitung biologischen Materials". Dem Antrag waren die Patentansprüche 1 bis 53 beigefügt.

Das Patentamt wies mit Bescheid vom Januar 2002 darauf hin, dass dem Antrag auf Erteilung eines Patents keine Unterlagen beigelegen hätten, in denen der Anmeldungsgegenstand ausreichend beschrieben werde. Damit liege noch keine rechtswirksame Patentanmeldung vor. Mit Bescheid vom Februar 2002 wies das Patentamt weiter darauf hin, dass die Anmeldegebühr bis zum 31. März 2002 zu zahlen sei.

Der Anmelder hat auf die Bescheide nicht erwidert und auch die Anmeldegebühr nicht bezahlt.

Die Prüfungsstelle 11.49 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 10. Mai 2002 festgestellt, dass durch den am 4. Dezember 2001 eingegangenen Antrag auf Erteilung eines Patents keine rechtswirksame Patentanmeldung zustande gekommen sei; das Aktenzeichen werde gelöscht. Zur Begründung ist ausgeführt, dem Antrag auf Erteilung seien keine Unterlagen mit Angaben beigefügt gewesen, welche dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen seien. Solche Angaben seien gemäß § 35 Abs 2 PatG erforderlich, damit eine Anmeldung rechtswirksam sei und dieser ein Anmeldetag zuerkannt werden könne.

Hiergegen wendet sich der Anmelder mit der Beschwerde. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus, für die Zuerkennung eines Anmeldetages gemäß § 35 Abs 2 PatG sei es nicht erforderlich, dass der anzumeldende Gegenstand in der vorgeschriebenen Form gemäß der PatAnmV beschrieben sei. Ausreichend sei, dass der Gegenstand der Anmeldung offenbart sei und die Anmeldung erkennen lasse, für welchen Gegenstand Schutz begehrt werde. Es bestehe kein Zweifel, dass die Darstellung von Erfindungsmerkmalen in Form von Patentansprüchen den Gegenstand einer Anmeldung ausreichend charakterisieren und beschreiben könne. Sowohl die Vorrichtungsansprüche (1 bis 43) als auch die Verfahrensansprüche (44 bis 53) offenbarten, jeweils für sich genommen, die für den Fachmann nacharbeitbare Lehre der Erfindung.

Der Anmelder beantragt, den Beschluss vom 10. Mai 2002 aufzuheben und festzustellen, dass eine rechtswirksame Patentanmeldung unter Zuerkennung eines Anmeldetages gemäß § 35 Abs 2 PatG vorliegt, die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

Die Beschwerde ist dem Bundespatentgericht im April 2004 mit dem Hinweis des Patentamts vorgelegt worden, dass die Anmeldung wegen Nichtzahlung der Anmeldegebühr erloschen sei.

Auf den Hinweis des Gerichts, dass das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzahlung der Anmeldegebühr gegebenenfalls gegenstandslos sei, macht der Anmelder ein schutzwürdiges Interesse an einer Beschwerdeentscheidung geltend. Er trägt vor, die durch die Zuerkennung eines Anmeldetages entstehenden Prioritätsrechte bestünden unabhängig vom weiteren Schicksal der Anmeldung, Art 4 A Abs 3 PVÜ. Aus diesem Grunde sei die Feststellung des Patentamts, dass die Anmeldung wegen Nichtzahlung der Anmeldegebühr als zurückgenommen gelte, für die Frage der Zuerkennung eines Anmeldetages unerheblich. Eine Versagung der Überprüfung durch das Gericht stelle für den Anmelder einen nicht hinzunehmenden Rechtsnachteil (durch Verlust des Prioritätsrechts) und damit einen Eingriff in seine Grundrechte gemäß Art 19 Abs 4 GG dar.

II 1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt ihr nicht deshalb, weil die Patentanmeldung schon zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzahlung der Anmeldegebühr als zurückgenommen gilt, das Rechtsschutzbedürfnis. Ein solches kann aus den vom Anmelder geltend gemachten Gründen nicht verneint werden. Der patentamtliche Beschluss, wonach keine rechtswirksame Anmeldung vorgelegen habe, geht rechtlich über die gesetzliche Rücknahmefiktion hinaus. Eine Anmeldung, die wirksam eingereicht und später zurückgenommen worden ist oder als zurückgenommen gilt, kann ein Prioritätsrecht begründen, eine rechtsunwirksame Anmeldung, der kein Anmeldetag zukommt, dagegen nicht. Voraussetzung für die Entstehung und Inanspruchnahme einer Priorität ist die vorschriftsmäßige Hinterlegung einer ersten Anmeldung, wobei die Erfüllung der Formerfordernisse genügt, die das Erstanmeldeland für die wirksame Begründung des Anmeldetags fordert (vgl Schulte, PatG, 7. Aufl, § 41 Rdn 11 ff). Das spätere Schicksal der Erstanmeldung ist nach Art 4 A Abs 3 PVÜ für das Prioritätsrecht ohne Bedeutung. Der Anmelder hat daher ein schutzwürdiges Interesse an der Entscheidung, ob die vorliegende Patentanmeldung eine solche vorschriftsmäßige Hinterlegung darstellt.

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Patentanmeldung ist am 4. Dezember 2001 rechtswirksam eingereicht worden, denn die an diesem Tag eingereichten Anmeldungsunterlagen sind für die Zuerkennung eines Anmeldetages ausreichend.

Gemäß § 35 Abs 2 Satz 1 PatG ist der Anmeldetag der Patentanmeldung der Tag, an dem die Unterlagen nach § 34 Abs 3 Nr 1 und 2 PatG - das sind der Name des Anmelders und der Antrag auf Erteilung des Patents, in dem die Erfindung kurz und genau bezeichnet ist - sowie nach § 34 Abs 3 Nr 4 PatG, soweit sie jedenfalls Angaben enthalten, die dem Anschein nach als Beschreibung anzusehen sind, beim Patentamt eingegangen sind. Dazu ist eine formelle Beschreibung in der vorgeschriebenen Form nicht erforderlich. Ausreichend ist eine schriftliche Formulierung des Anmeldungsgegenstands, die eine technische Lehre offenbart (vgl Busse, PatG, 6. Aufl, § 35 Rdn 19; BGH BlPMZ 1979, 151 - Etikettiergerät II).

Diese Voraussetzungen hat der Anmelder mit seinen am 4. Dezember 2001 eingereichten Unterlagen erfüllt. Insbesondere steht nicht entgegen, dass er am Anmeldetag zur Beschreibung des Anmeldungsgegenstandes ausschließlich Patentansprüche eingereicht hat (vgl Schulte, aaO, § 35 Rdn 60; Senatsbeschluss 10 W (pat) 58/00 vom 18. September 2000, veröffentlicht in juris). Denn eine Offenbarung der beanspruchten Erfindung kann den Patentansprüchen, die detailliert ausformuliert sind und die Merkmale der beanspruchten Reaktionseinsrichtung sowie des beanspruchten Verfahrens zur Verarbeitung mehrer biologischer Materialien im einzelnen angeben, ohne weiteres entnommen werden.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist dagegen nicht begründet. Die Beschwerdegebühr ist mit Rechtsgrund entrichtet. Besondere Umstände, die die Rückzahlung gemäß § 80 Abs 3 PatG aus Billigkeitsgründen rechtfertigen könnten, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Da der Anmelder nur in diesem Nebenpunkt erfolglos war, konnte über die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (vgl Schulte, aaO, § 78 Rdn 14).

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BPatG:
Beschluss v. 15.12.2005
Az: 10 W (pat) 24/04


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