Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. April 2000
Aktenzeichen: 24 W (pat) 130/99

(BPatG: Beschluss v. 11.04.2000, Az.: 24 W (pat) 130/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die in den Farben Gelb, Blau und Rot für die Wortbestandteile und in den Farben Weiß, Blau und Grün für den Bild-Bestandteil gehaltene Markesiehe Abb.1 am Endeist am 6. August 1997 zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden. Die Anmeldung bezieht sich jetzt noch auf die Waren der Klassen 1 und 3:

"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke; Seifen, Wasch- und Bleichmittel, Mittel zum Spülen von Geschirr und Wäsche, Putz- und Poliermittel, chemische Mittel zum Reinigen von Holz, Metall, Glas, Kunststoff, Stein, Porzellan und Textilien".

Die Markenstelle der Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, zurückgewiesen. Sie hat diese Entscheidung zuletzt auf die Begründung gestützt, daß der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG fehle, weil sie sich auf Sachaussagen über die angebotenen Waren beschränke. "Turbo" werde im allgemeinen Sprachgebrauch auf verschiedenen Gebieten iSv "schnell, leistungsstark und wirksam" verwandt; "Tabs" sei die englische Abkürzung für "tablets" und sei auch im Deutschen zu einer gängigen Abkürzung für "Tabletten" geworden. Die Worte "2 - Phasen" sei dem inländischen Verkehr bereits durch die Bezeichnung einschlägiger Produkte bekannt. Damit werde lediglich auf die Wirkungsweise der angebotenen Produkte hingewiesen, zB einer Enzymphase und einer Reinigungsphase. Für den unbefangenen Betrachter stelle sich der Bildbestandteil des angemeldeten Zeichens ohne weiteres als naturgetreue Wiedergabe einer aus zwei Schichten bestehenden Tablette ("Tabs") dar. Auch die Zweifarbigkeit dieses "Tabs" sei nicht dazu geeignet, das angemeldete Zeichen unterscheidungskräftig zu machen. Diese farbliche Gestaltung sei auf dem beanspruchten Warensektor bereits gängig. Als Beleg für diese Feststellungen hat die Markenstelle auf "Calgon 2-Phasen Tabs" in Weiß und Blau für Waschmaschinen und auf "Calgonit 2 Phasen Tabs" für Geschirrspülmaschinen hingewiesen sowie auf einen Artikel aus der Zeitschrift "test". Abschließend hat die Markenstelle die Auffassung vertreten, die angesprochenen Verkehrskreise würden das angemeldete Zeichen insgesamt lediglich als warenbeschreibenden Hinweis verstehen, nicht dagegen als einen Hinweis auf das Herkunftsunternehmen der angebotenen Waren.

Gegen diese Entscheidungen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie meint, das angemeldete Zeichen enthalte keine konkrete Warenbeschreibung, sondern sei eine originelle Neuschöpfung und deswegen iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG unterscheidungskräftig. Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) habe eine parallele Anmeldung der Anmelderin mit einem weißblauen Tabs bereits veröffentlicht, das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum in Bern habe eine parallele Anmeldung eingetragen. Im übrigen hätten die nationalen Markenämter in Frankreich und Belgien zwei- und dreidimensionale Darstellungen von "Tabs" ohne jeden Wortbestandteil eingetragen. Im Vergleich dazu sei die angemeldete Kombinationsmarke erst recht unterscheidungskräftig.

Die Anmelderin trägt - ohne nähere Konkretisierung - weiter vor, daß die mit "Tabs" bezeichnete Darreichungs- und Dosierungsform im wesentlichen von ihr selbst und einer bestimmten Konkurrentin entwickelt und auf den Markt gebracht worden und im Zeitpunkt der ersten Markenanmeldungen auf diesem Gebiet noch nicht üblich gewesen seien. Erst in der Zeit nach diesen ersten Anmeldungen habe sich diese neue Dosierungsform weit verbreitet.

Die Anmelderin beantragt (sinngemäß), die angegriffenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.

Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem § 83 Abs 2 MarkenG bzw eine Vorlage beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) an.

Außerdem beantragt die Anmelderin die vorläufige Aussetzung des Verfahrens mit der Begründung, sie habe dreidimensionale Marken in Form von zweifarbigen Tabs beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt angemeldet, deren Eintragung das Amt auch im Beschwerdeverfahren abgelehnt habe. Gegen diese Entscheidungen habe die Anmelderin beim EuGH - Gericht erster Instanz (EuG) - Klage erhoben. Mit Rücksicht auf diese Verfahren möge das hiesige ausgesetzt werden.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, aber nicht begründet. Denn die angemeldete Marke ist von der Eintragung ausgeschlossen, weil ihr iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG jegliche Unterscheidungskraft für die in Anspruch genommenen Waren fehlt.

Das angemeldete Wort-Bild-Zeichen beschränkt sich auf beschreibende Hinweise auf eine mögliche Darreichungsform für die im Warenverzeichnis genannten Waren und entwickelt auch in seiner Eigenschaft als Kombination von Wort- und Bildelementen keine Originalität, die das Gesamtzeichen unterscheidungskräftig machen würde.

Das Wort "TURBO" kommt als übliches Wortelement in der Bedeutung von "schnell, leistungsstark" und "wirksam" (vgl BGH GRUR 1995, 410 "TURBO") in vielfachen Wortzusammensetzungen vor, und zwar sowohl in technischen Zusammenhängen (vgl BPatG Mitt 1998, 308 "Turbomix") als auch im übertragenen Sinn, wie zB in dem Wort "Turbokapitalismus" (vgl DUDEN, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Aufl 1999, Bd 9, S 3997). Das Wort "Tab" - im Plural "Tabs" - wird unabhängig von seiner lexikalischen Erfassung seit mehreren Jahren im deutschen Geschäftsverkehr als Ausdruck für gepreßtes Pulver in Tablettenform gebraucht, und zwar an erster Stelle als Darreichungs- und Dosierungsform für Mittel zum Waschen und Spülen von Wäsche, zum Spülen von Geschirr und zum Enthärten von Wasser für Haushaltszwecke.

Die Wörter "2-PHASEN" weisen in erster Linie darauf hin, daß die angebotenen "Tabs" zwei verschiedene Wirkungen entwickeln, zB Reinigen und Glanz Verleihen bei Geschirr oder Reinigen und Bleichen bei Wäsche. Die starke Verbreitung dieses Konzepts für "Tabs" bei Geschirrspülmitteln hat die Markenstelle bereits in dem angegriffenen Erinnerungsbeschluß hervorgehoben und diesen Umstand im einzelnen belegt. Diese Feststellungen hat die Anmelderin nicht bestritten.

Der neben den Wortbestandteilen des angemeldeten Zeichens abgebildete Gegenstand hat das äußere Erscheinungsbild eines "Tabs". Die nach rechts oben aufsteigenden Bläschen beschreiben den Augenblick, in dem der "Tab" sich im Wasser auflöst. Dieser Prozeß ist für den Gebrauch von "Tabs" notwendig, weil die in ihnen enthaltenen Wirkstoffe erst dann ihre Wirkungen entfalten, wenn sie in Wasser aufgelöst wurden.

Alle Bestandteile des angemeldeten Kombinationszeichens weisen daher auf eine mögliche Darreichungs- und Dosierungsform der angebotenen Waren hin. Die Wortelemente behaupten, daß der abgebildete "Tab" leistungsstark und schnell auf zwei verschiedene Weisen wirkt, der abgebildete "Tab" beschreibt, wie die angebotenen Waren aussehen können. Wort- und Bildelemente des angemeldeten Zeichens sind weder für sich genommen noch in ihrer konkreten Kombination unterscheidungskräftig iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Die Bestandteile - "TURBO-TABS" und "2-PHASEN" - stellen sich beide als reine Wortelemente dar ohne originelle Verfremdung. Auch die naturgetreue Abbildung eines gerade in der Auflösung befindlichen "Tabs" als mögliche Darreichungsform der Waren selbst, ist als solche grundsätzlich nicht dazu geeignet, gegenüber den angesprochenen Verkehrskreisen als Hinweis auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Unternehmen im Unterschied zu Waren aus anderen Unternehmen zu wirken (vgl BGH GRUR 1999, 495, 496 "Etiketten"; GRUR 1997 527, 529 "Autofelge"). Denn die Ware als Objekt der Kennzeichnung kann nicht ihr eigenes Kennzeichnungsmittel sein (vgl Ströbele, GRUR 1999, 1041, 1042). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die angemeldete Marke eine von den üblichen und gewöhnlichen Warenformen deutlich abweichende Gestaltung hätte, die eigentümlich und originell genug wäre, um die Herkunftsfunktion einer Marke zu erfüllen. Das ist nicht der Fall.

Maßgebend für die Beurteilung dessen, was aus der Sicht des angesprochenen Endverbrauchers üblich ist, ist auch der Zeitpunkt der beantragten Eintragung. Das ist im Beschwerdeverfahren der Zeitpunkt, zu dem der abschließende Beschluß ergeht. Sofern die Anmelderin die Rechtsauffassung zum Ausdruck bringen sollte, das Gericht müsse bei seiner Entscheidung auf den Zeitpunkt der Anmeldung und nicht auf den der Beschlußfassung abstellen, kann ihr nicht gefolgt werden. Denn für das Eintragungsverfahren gilt der anerkannte Grundsatz, daß es für die Frage nach bestehenden Schutzhindernissen iSv § 8 Abs 2 Nr 1 - 3 MarkenG sowohl auf den Zeitpunkt der Eintragung als auch auf den Zeitpunkt der Anmeldung ankommt (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 5. Aufl 1997, § 8 Rdn 7 mwNachw). Das folgt auch aus § 37 Abs 2 MarkenG, der bestimmt, daß eine Marke, unter der Voraussetzung, daß der Anmelder einer entsprechenden Verschiebung des Zeitranges zustimmt, eingetragen werden kann, wenn die Schutzhindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1, 2 und 3 MarkenG nach der Anmeldung, aber vor der Eintragung weggefallen sind. Vorliegend ist daher auch maßgeblich, welche Bedeutung die angesprochenen Verkehrskreise dem angemeldeten Bild zum jetzigen Zeitpunkt beilegen.

Die wesentlichen Gestaltungsmerkmale des abgebildeten Gegenstandes sind seine flache Form, der zweifarbige Aufbau in zwei Lagen, von denen die breitere weiß und die schmalere grün ist, und die nach oben aufsteigenden Bläschen. Jedes dieser Gestaltungselemente bewegt sich im Rahmen des Üblichen. "Tabs" werden in Deutschland in einfachen geometrischen Formen angeboten, häufig als flache Quader oder als flache Zylinderformen, aber auch in anderen Ausgestaltungen. Maßgebend für die äußere Form sind die leichte Handhabbarkeit durch den Endverbraucher und das Ziel, möglichst viele "Tabs" in möglichst kleinen Verpackungen unterbringen zu können. Die abgeschrägten Kanten des angemeldeten Gebildes enthalten keine originelle gestalterische Eigenheit. Für das Gesamterscheinungsbild des abgebildeten "Tabs" sind sie unwesentlich. Sofern die angesprochenen Verkehrskreise sie gleichwohl wahrnehmen, werden sie darin in erster Linie eine technische Maßnahme sehen, deren Zweck es ist, ein Abbröckeln der schmalen Kanten zu verhindern, die ohne Abschrägung im äußersten Bereich notwendig dünn und zerbrechlich wären.

Der Aufbau des abgebildeten "Tabs" mit zwei Lagen in verschiedenen Farben entspricht ebenfalls der für "Tabs" üblich gewordenen Gestaltung. Viele "Tabs" werden mit eben diesem Aufbau als sogenannte "Zwei-Phasen-Tabs" vertrieben. Üblich sind Kombinationen einer Lage in der Farbe des verarbeiteten Pulvers - meistens weiß - mit einer zweiten, gefärbten Schicht. Für diese eingefärbte Schicht üblich geworden sind die Grundfarben Farben Gelb, Blau, Rot und Grün in verschiedenen Schattierungen.

Es gibt auch keine sonstigen Anhaltspunkte dafür, daß die angesprochenen Verkehrskreise die Farbgestaltung von "Tabs" als Herkunftshinweis auf bestimmte Unternehmen begreifen würden. Vielmehr werden alle "Tabs", gerade auch diejenigen der Anmelderin, in solchen Verpackungen angeboten und verkauft, die an erster Stelle einen großen und hervorgehobenen Hinweis auf die konkrete Marke dieses Mittels tragen wie zB "ARIEL" oder - im Falle der Anmelderin - "SOMAT" und "PERSIL", und häufig auch die Dachmarke wie zB "Henkel". Daneben hat die - ebenfalls übliche - Abbildung eines "Tabs" auf diesen Packungen ausschließlich warenbeschreibenden Charakter. Die Tatsache, daß ein solches Mittel in Form von "Tabs" angeboten wird, bedeutet für den Verbraucher somit lediglich einen warenbezogenen Hinweis, zB darauf, daß die Dosierung dieses Mittels ohne weiteren Abmeßvorgang durch die Anzahl der verwendeten Tabletten bestimmt wird.

Schließlich hat auch die Darstellung der aufsteigenden Bläschen nichts Ungewöhnliches an sich. Das zeigen bereits die Darstellungen auf den von der Anmelderin eingereichten Verpackungen, mit denen unter den Marken "FAIRY" und "alio" und unter der Bezeichnung "A&P attraktiv und preiswert" "Tabs" für das Reinigen von Geschirr in Geschirrspülmaschinen vertrieben werden. Auf jeder dieser Verpackungen ist ein "Tab" mit aufsteigenden Bläschen dargestellt.

Auch die konkrete Kombination von Wort- und Bildelementen läßt im Fall der angemeldeten Wort-Bild-Marke keinen phantasievollen Gesamteindruck entstehen, der die Marke unterscheidungskräftig machen könnte. Sowohl der Wort- als auch der Bildbestandteil beziehen sich auf denselben Gegenstand, nämlich auf "Tabs" als Darreichungs- und Dosierungsform für die angebotenen Waren. Die Hinweise, die die Marke dazu gibt, bleiben im Rahmen des Gegenständlichen und enthalten keine phantastischen oder künstlerischen Elemente. Die Gesamtheit der Marke stellt sich daher nur als eine Aneinanderreihung schutzunfähiger Angaben dar.

Die Bewertung der angemeldeten Marke als nicht unterscheidungskräftig steht im Einklang mit der sonstigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und mit den einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes. Die Senate des Bundespatentgerichts haben wiederholt festgestellt, daß zweidimensionale Marken, die die beanspruchte Ware selbst darstellen, in der Regel nicht unterscheidungskräftig sein können (vgl BPatG GRUR 1998, 713 ff "Zahnpastastrang"; GRUR 1997, 530 f "Rohrreiniger"; GRUR 1993, 121 "Spreizdübelzeichnung"). Diese Rechtsprechung steht im Einklang mit den entsprechenden Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl BGH GRUR 1995, 732, 734 "Füllkörper"; GRUR 1997, 527, 529 "Autofelge"; GRUR 1999, 495 "Etiketten").

Die stattgebenden Beschlüsse des 26. Senats vom 17. November 1999 in dem Verfahren 26 W (pat) (131/99) und weiteren Parallelverfahren bilden keine Ausnahme von dieser Spruchpraxis. In diesen Verfahren ging es um die Eintragung von zweidimensionalen Darstellungen zweilagiger "Tabs" mit einem andersfarbigen runden Einschluß in der farbigen Schicht. Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung des Bundespatentgerichts und des Bundesgerichtshofs hat der 26. Senat festgestellt, daß das Gestaltungselement des runden andersfarbigen Einschlusses in der eingefärbten Schicht des abgebildeten "Tabs" im einschlägigen Warenbereich der Klassen 1 und 3 ungebräuchlich sei. Gestaltung und Lage des Kerns seien so originell und prägnant, daß dadurch die angemeldete Marke unterscheidungskräftig werde. Die stattgebenden Entscheidungen des 26. Senats beruhen daher nicht auf einer Abweichung von rechtlichen Grundsatzentscheidungen der bisherigen Rechtsprechung, sondern auf der Anwendung dieser Rechtsprechung auf einen konkreten Sachverhalt, der sich von dem vorliegenden wesentlich unterscheidet.

Die Frage nach einer etwaigen Indiz- oder Bindungswirkung von Entscheidungen des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt ist schon deshalb nicht erheblich, weil nach den Erkenntnissen des Senats dieses Amt trotz einer Reihe entsprechender Anmeldungen letztlich keine zwei- oder dreidimensionalen Abbildungen von "Tabs" als Marken eingetragen hat. Vielmehr haben sowohl die Prüfer als auch die Beschwerdekammern dieses Amtes solche Anmeldungen wiederholt zurückgewiesen und zwar ebenfalls mit der Begründung, daß der jeweils angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft fehle (vgl HABM Mitt 1999, 471, 473 "Tabs (viereckig, rot/weiß)").

Hervorzuheben ist auch ein Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 14. Oktober 1999, mit dem der von derselben Anmelderin getätigten Anmeldung einer dreidimensionalen Marke in Form eines weißgrünen "Tabs" die Unterscheidungskraft abgesprochen wurde (vgl SchwBG MarkenR 2000, 55,56 "Tablette weiß/grün").

Sofern - nach dem Vortrag der Anmelderin - das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum in der Schweiz eine parallele Anmeldung und die nationalen Markenämter in Belgien und Frankreich drei- und zweidimensionale Darstellungen von "Tabs" ohne Wortbestandteile eingetragen haben sollen, können dieser Umstände keine Indizwirkung für die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke im deutschen Markenrechtssystem begründen. Eine tatsächliche Indizwirkung ausländischer Voreintragungen ist bislang allenfalls für einen bestimmten Bereich des Freihaltungsbedürfnisses anerkannt worden und zwar insoweit, als die Eintragung einer fremdsprachigen Angabe in einem Land des betreffenden Sprachkreises indiziell dagegen spricht, daß die fragliche Angabe nach dem originären Sprachverständnis eine zur freien Verwendbarkeit benötigte beschreibende Bezeichnung darstellt (Althammer/Ströbele, aaO, § 8, Rdn 59 mwNachw). Die Beurteilung der Unterscheidungskraft bemißt sich dagegen ausschließlich nach der Auffassung der inländischen Verkehrskreise (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 8 Rdn 14), die sich von den Auffassungen ausländischer Verkehrskreise im Einzelfall stark unterscheiden kann. Abgesehen von der Tatsache, daß die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke keine Ermessens-, sondern eine reine Rechtsfrage darstellt, ist im übrigen zu bedenken, daß regelmäßig nur die Verneinung der Schutzfähigkeit einer Anmeldung, nicht jedoch die positive Eintragungsentscheidung schriftlich begründet wird. Die Gründe der handelnden Behörde für die Eintragung sind insoweit häufig nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Die bloße Tatsache der Eintragung gibt auch keinen Aufschluß darüber, ob es sich möglicherweise um ein Versehen oder eine Ausnahmeentscheidung handelt und in welchem Umfang gleichgelagerte Anmeldungen womöglich unangefochten zurückgewiesen wurden (vgl auch BPatGE PAVIS PROMA, 25 W (pat) 174/98 "Tablettenform", demnächst veröffentlicht in BPatGE 41, 211).

Aus den vorstehend dargelegten Gründen war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen, weil der angemeldeten Marke die gem § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehlt.

Für die von der Anmelderin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde ist kein Raum, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 83 Abs 2 MarkenG nicht erfüllt sind. So ist nach Ansicht des Senats nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden. Zur Bejahung dieses Tatbestandsmerkmals des § 83 Abs 2 Nr 1 MarkenG reicht nicht aus, daß die Sache von besonderer Wichtigkeit für die Beteiligten ist (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 83 Rdn 12). Im vorliegenden Fall ist für den Senat auch kein Grund ersichtlich, weshalb der Bundesgerichtshof von seinen wiederholt bestätigten Grundsätzen zur Bewertung naturgetreuer Warenabbildungen abweichen sollte. Insoweit beschränkt sich der Beschluß des erkennenden Senats auf die Beurteilung der konkret angemeldeten Marke auf der Grundlage allgemein anerkannter Rechtsgrundsätze, wobei die Problematik vor allem in der tatsächlichen Bewertung der angemeldeten Form besteht. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Wie ausgeführt vertreten sowohl die Senate des Bundespatentgerichts wie auch ausländische und europäische Rechtsmittelinstanzen zur Frage der Eintragungsfähigkeit von Warenformen im wesentlichen übereinstimmende Auffassungen. Hiervon grundsätzlich abweichende Entscheidungen von Zivilgerichten in Rechtsmittelverfahren sind dem Senat nicht bekannt. Die von der Anmelderin angeführte unterschiedliche Amtspraxis der einzelnen Eintragungsbehörden rechtfertigt schon deshalb keine Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil § 83 Abs 2 Nr 2 MarkenG lediglich die Einheitlichkeit der Rechtsprechung betrifft, während die Sicherung einer einheitlichen Amtspraxis von Verwaltungsbehörden im In- und Ausland nicht Aufgabe des Bundesgerichtshofs ist.

Ebenso ist kein Grund ersichtlich, den Fall dem EuGH gemäß Art 234 EG zur Vorabentscheidung vorzulegen. Im vorliegenden Fall ist nicht die allgemeine Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift unmittelbar entscheidungserheblich; vielmehr handelt es sich ausschließlich um die einzelfallbezogene Subsumtion eines konkreten Sachverhalts unter eine nationale Rechtsvorschrift.

Die Tatsache, daß die Anmelderin zur Zeit Klagen beim EuG betreibt, die sich gegen die Zurückweisung verschiedener Anmeldungen von dreidimensionalen Marken durch das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt richtet, ist schließlich kein Grund für eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens gem § 82 Abs 1 Satz 1 iVm § 148 ZPO. Eine solche Aussetzung setzt gem § 148 ZPO voraus, daß die Entscheidung in dem hiesigen Rechtsstreit ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines jetzt beim EuG anhängigen Verfahrens der Anmelderin bildet. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Gegenstand des europäischen Verfahrens sind die Vorschriften der Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV). Anders als die Vorschriften der Richtlinie 89/104/EWG des Europäischen Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken hat die Gemeischaftsmarkenverordnung keine unmittelbare Bedeutung für die Auslegung des deutschen Markenrechts. Zwar ist eine europarechtskonforme Auslegung der nationalen Vorschriften, mit denen die Markenrechtsrichtlinie umgesetzt wurde, geboten, um eine Harmonisierung der Rechtsanwendung im europäischen Binnenmarkt zu erreichen. Die konkrete Ausgestaltung des nationalen Markenrechts, die stets im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigenden nationalen Verkehrsgepflogenheiten und die nationale Verkehrsauffassung können jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (vgl HABM GRUR Int 1998, 889, 890 f "LASTING PERFORMANCE"; GRUR 1999, 737, 738 f "ToxAlert"; Mitt 2000, 116, 117 "TEEKAMPAGNE").

Ströbele Hacker Werner Ko Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/24W(pat)111-99.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 11.04.2000
Az: 24 W (pat) 130/99


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