Landesarbeitsgericht Köln:
Beschluss vom 26. Juni 2007
Aktenzeichen: 7 Ta 75/07

(LAG Köln: Beschluss v. 26.06.2007, Az.: 7 Ta 75/07)

1. Der Antrag in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, der darauf gerichtet ist, ein bestimmtes BR-Mitglied während einer bestimmten Zeit für die Teilnahme an einer bestimmten Schulungsveranstaltung „von der beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts freizustellen“, ist vermögensrechtlicher Natur. Der Streitwert entspricht den Vergütungsansprüchen des BR-Mitglieds für die Dauer der Schulungsteilnahme.

2. Erst recht handelt es sich bei der Forderung nach Erstattung der Schulungskosten um eine vermögensrechtliche Streitigkeit.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin/Beteiligten zu 2) vom 08.03.2007 hin werden der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 23.02.2007 und der Nichtabhilfebeschluss vom 14.03.2007 abgeändert:

Der Streitwert für das Beschlussverfahren ArbG Köln 10 BV 139/06 wird auf insgesamt 1.445,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I. In dem vorliegenden arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren stritten die Beteiligten in erster Linie um den Antrag des Betriebsrats, ein bestimmtes Betriebsratsmitglied während einer bestimmten Zeit für die Teilnahme an einer bestimmten Schulungsveranstaltung "von der beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts freizustellen". Zusätzlich begehrte der Betriebsrat, die Arbeitgeberin zu verpflichten, die durch die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds an der fraglichen Schulung entstehenden Kosten zu tragen. Das Beschlussverfahren endete aufgrund einer außergerichtlichen Einigung durch übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten.

Das Arbeitsgericht setzte den Gegenstandswert zunächst auf Antrag der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 06.02.2007 auf 1.500,-- EUR fest. Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte des Betriebsrats aus eigenem Recht Beschwerde ein. Mit Beschluss vom 23.02.2007 half das Arbeitsgericht der Beschwerde des Antragstellervertreters ab und setzte den Gegenstandswert auf 4.000,-- EUR fest. Zur Begründung führte es aus, bei Streitigkeiten um die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsmaßnahme gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG handele es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit. Für eine Wochenveranstaltung sei der Regelwert von 4.000,-- EUR anzusetzen. Da es sich vorliegend lediglich um eine viertägige Schulungsmaßnahme gehandelt habe, sei der Gegenstandswert für den Freistellungsantrag zu 1) anteilig zu kürzen und auf 3.200,-- EUR festzusetzen. Berücksichtige man sodann die Schulungskosten, nämlich die Seminargebühr in Höhe von 600,-- EUR und die Kosten für Hotel und Verpflegung in Höhe von 338,-- EUR, so sei die Festsetzung des Gegenstandswert auf insgesamt 4.000,-- EUR angemessen.

Gegen diesen Streitwertbeschluss vom 23.02.2007 legt nunmehr die Antragsgegnerin unter dem 08.03.2007 Beschwerde ein.

Die Antragsgegnerin macht geltend, dass die durch die beiden streitgegenständlichen Anträge verursachten Kosten konkret messbar seien. Deshalb könne der Regelwert von 4.000,-- EUR, bei dem es sich lediglich um einen Hilfswert handele, nicht zum Ansatz kommen. Das betroffene Betriebsratsmitglied habe während der Schulungsveranstaltung Gehaltsansprüche in Höhe von 411,-- EUR gehabt. Rechne man im Hinblick auf den Antrag zu 2) die Seminargebühr und die Übernachtungskosten hinzu, sei der Streitwert auf insgesamt 1.349,-- EUR festzusetzen.

II. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Der Wert der im vorliegenden Beschlussverfahren zur Entscheidung gestellten Sachanträge entspricht den dadurch bei der Arbeitgeberin verursachten finanziellen Belastungen und beträgt für den Freistellungsantrag 411,-- EUR (Gehalt des freigestellten Betriebsratsmitglieds während der Dauer der Schulungsteilnahme), für den weiteren Antrag 1.034,-- EUR. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Seminargebühren in Höhe von 600,-- EUR zuzügl. 16 % MWSt. sowie den Hotel- und Verpflegungskosten in Höhe von 338,-- EUR.

Das Beschwerdegericht vermag sich der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass es sich bei der vorliegenden Streitigkeit um eine solche nichtvermögensrechtlicher Art handele, nicht anzuschließen. Nichtvermögensrechtliche Streitgegenstände sind solche, die überwiegend nicht das Vermögen oder Einkommen der Beteiligten betreffen, sondern Rechtsgüter berühren, die für die Beteiligten ideelle Werte darstellen. Als Beispiele werden die Geltendmachung von Persönlichkeitsrechten, von Grundrechten, Adoptionen oder Personenstandsanerkennungen (Fraunholz in Riedel/Sußbauer, Kommentar zum RVG, 9. Aufl. § 23 Rdnr. 51), die Unterlassung belästigender Telefonanrufe (BGH VersR 85, 185) oder etwa der Ausschluss aus einem Verein (OLG Köln MDR 84, 153) genannt.

Es kommen in der Praxis auch Fälle vor, bei denen ein und derselbe Streitgegenstand, also dasselbe Recht oder Rechtsverhältnis, sowohl vermögensrechtlicher als auch nichtvermögensrechtlicher Natur ist. In solchen Fällen wird der Gegenstand nur einmal bewertet, und zwar entweder als vermögensrechtlicher oder als nichtvermögensrechtlicher Gegenstand, je nach dem, welche der beiden Eigenschaften des Gegenstandes überwiegt (Fraunholz, a.a.O., Rdnr. 52).

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich vorliegend schwerpunktmäßig um vermögensrechtliche Streitgegenstände. Zwar sind die Rechtsbeziehungen der Beteiligten des vorliegenden Beschlussverfahrens, aus denen der Antragsteller/Betriebsrat die geltend gemachten Ansprüche herleitet, betriebsverfassungsrechtlicher Natur und damit zunächst nichtvermögensrechtlicher Art. Aus der betriebsverfassungsrechtlichen Grundbeziehung können aber auch im Einzelfall streitige Ansprüche abgeleitet werden, bei denen unmittelbare, konkret bezifferbare wirtschaftliche Auswirkungen im Vordergrund stehen und die daher schwerpunktmäßig vermögensrechtlicher Natur sind. Dies ist beispielsweise evident dann der Fall, wenn der Betriebsrat auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 BetrVG von dem Arbeitgeber verlangt, ihm bestimmte Sachmittel zur Verfügung zu stellen, die ihm für die Durchführung seiner Betriebsratstätigkeit erforderlich erscheinen (Schäder, Streitwert-Lexikon Arbeitsrecht, S.93). So dürfte z.B. der Streit um die Anschaffung eines PC für die Betriebsratstätigkeit unzweifelhaft vermögensrechtlicher Natur seien, auch wenn sich die Anspruchsgrundlage im Betriebsverfassungsrecht findet, nämlich in dessen § 40.

Nicht anders verhält es sich aber auch mit den Streitgegenständen im vorliegenden Fall. Besonders sinnfällig wird dies hinsichtlich des Antrags zu 2., der ausdrücklich darauf gerichtet ist, dass der Arbeitgeber bestimmte Kosten tragen soll (ebenso: LAG Baden-Württemberg vom 11.05.2004, 3 Ta 83/04; Schäder a.a.O.).

Nichts anderes kann aber auch für den Antrag zu 1. gelten, mit dem der Betriebsrat vom Arbeitgeber begehrt, eines seiner Mitglieder für die Teilnahme an einer bestimmten Schulungsveranstaltung von der beruflichen Tätigkeit "ohne Minderung des Arbeitsentgelts" freizustellen (ebenso: LAG Hamm LAGE § 8 BRAGO Nr.27). Streitig ist der Freistellungsanspruch von der Natur der Sache her gerade nur deshalb, weil das Betriebsratsmitglied zum Zwecke der Teilnahme an der Schulung von seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit werden soll, ohne die entsprechenden arbeitsvertraglichen Vergütungsansprüche zu verlieren oder umgekehrt, weil der Arbeitgeber verpflichtet werden soll, für die Dauer der Freistellung von der Arbeitsleistung die Vergütung fortzuzahlen, ohne hierfür die an sich arbeitsvertraglich geschuldete Gegenleistung beanspruchen zu können. Streitgegenstand des Antrags zu 1. im eigentlichen Sinne ist somit gerade die - bezahlte - Freistellung von der Arbeitsleistung, also der Eingriff in das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung, nicht aber die Teilnahme an einer bestimmten Schulung als solche. Fände die Schulungsteilnahme beispielsweise in der Freizeit des Betriebsratsmitglieds statt, hätte die Arbeitgeberin von vorneherein überhaupt keine rechtliche Handhabe, auf das Ob der Teilnahme Einfluss zu nehmen.

Der Wert der bezahlten Arbeitsfreistellung entspricht der arbeitsvertraglich geschuldeten Vergütung für den entsprechenden Zeitraum.

Bei der Bemessung des Gesamtwertes war noch zu beachten, dass die Seminargebühr nach den vorgelegten Unterlagen nicht 600,-- EUR, sondern 696,-- EUR (inkl. MWSt.) betragen hat.

III. Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht statthaft.

(Dr. Czinczoll)






LAG Köln:
Beschluss v. 26.06.2007
Az: 7 Ta 75/07


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