Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 30. Oktober 2006
Aktenzeichen: 6 W 181/06

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 30.10.2006, Az.: 6 W 181/06)

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 361,20 EUR

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Festsetzbarkeit einer Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG.

Die Antragstellerin erwirkte im Beschlussverfahren eine einstweilige Verfügung, gegen die die Antragsgegnerin Kostenwiderspruch einlegte (Bl. 44 f. d.A.). Das Landgericht fasste den Beschluss, gemäß § 128 Abs. 3 ZPO im schriftlichen Verfahren über den Kostenwiderspruch zu entscheiden (Bl. 46 d.A.) und entschied, nachdem die Parteien weitere Schriftsätze gewechselt hatten, durch Urteil (Bl. 94 ff. d.A.), die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt abzuändern und die Kosten des Eilverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen. Eine mündliche Verhandlung fand nicht statt.

Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Antragsgegnerin neben einer 1,3 Verfahrensgebühr eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 361,20 EUR geltend gemacht. Der Rechtspfleger hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19.07.2006 (Bl. 169 f. d.A.) die Festsetzung einer Terminsgebühr abgelehnt, da im Verfahren über den Kostenwiderspruch eine mündliche Verhandlung nicht zwingend vorgeschrieben sei. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie ist der Meinung, im Verfahren über einen Kostenwiderspruch sei eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben; § 128 Abs. 3 ZPO sei insoweit nicht anwendbar.

Der Einzelrichter hat gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Rechtspfleger hat die Festsetzung einer Terminsgebühr zu Recht abgelehnt.

Eine Terminsgebühr ist nicht angefallen. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG eine Terminsgebühr auch ohne mündliche Verhandlung entsteht, sind hier nicht erfüllt.

Ein Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, hat nicht stattgefunden, da eine nur noch die Kosten betreffende Entscheidung, wie sie hier getroffen wurde, gemäß § 128 Abs. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Der Antragsgegnerin ist zuzugeben, dass im Schrifttum € auch nach dem Inkrafttreten der Neufassung des § 128 Abs. 3 ZPO am 01.01.2002 € verbreitet die Ansicht vertreten wird, über einen Kostenwiderspruch sei aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Auflage, Kap. 55 Rdnr. 13; Hess in Ullmann jurisPK-UWG, § 12 Rdnr. 135; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Auflage, Rdnr. 203; s.a. Harte/Henning/Retzer, UWG, § 12 Rdnr. 485 mit der Bemerkung, eine entsprechende Anwendung von § 128 Abs. 3 ZPO werde nicht diskutiert). Soweit sich die Antragsgegnerin außerdem auf Schmukle (in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Auflage, Kap. 54 Rdnr. 28) berufen hat, hat sie allerdings unvollständig zitiert. Dort heißt es zwar, dass die Entscheidung über einen Kostenwiderspruch "nach einhelliger Meinung" aufgrund mündlicher Verhandlung ergehe; dieser Ansicht wird jedoch sodann unter Hinweis auf § 128 Abs. 3 ZPO entgegengetreten.

Der eben dargestellten überwiegenden Literaturmeinung kann nicht gefolgt werden. Zwar ist nach Einlegung eines Widerspruchs grundsätzlich aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden (§§ 924 Abs. 2 Satz 2, 925 Abs. 1 ZPO). Das Gebot der mündlichen Verhandlung ist insofern aber nicht strenger als der im Urteilsverfahren allgemein geltende Mündlichkeitsgrundsatz (§ 128 Abs. 1 ZPO) und unterliegt daher den in den Folgeabsätzen des § 128 ZPO normierten Einschränkungen. Die Vorschriften über das Erkenntnisverfahren (§§ 128 ff. ZPO) finden auch im Eilverfahren Anwendung, sofern sich aus den §§ 916 ff. ZPO und den Besonderheiten des vorläufigen Rechtsschutzes nicht etwas anderes ergibt (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Auflage, vor § 916 Rdnr. 3). Im Eilverfahren gilt der Grundsatz der mündlichen Verhandlung nur eingeschränkt (vgl. §§ 922, 937 Abs. 2 ZPO). Soweit er gilt, wie insbesondere für das Verfahren nach Widerspruch, gibt es keine tragfähige Grundlage für die Annahme, der Mündlichkeitsgrundsatz beherrsche das Verfahren nun sogar in strikterer Weise, als nach den allgemeinen Regeln für das Erkenntnisverfahren vorgeschrieben.

Die Voraussetzungen des § 128 Abs. 3 ZPO sind hier erfüllt. Im Verfahren nach einem Kostenwiderspruch ist nur noch über die Kosten zu entscheiden. Die Vorschrift des § 128 Abs. 3 ZPO bezieht sich auch und gerade auf Entscheidungen, die durch Urteil zu treffen sind; andernfalls hätte sie neben § 128 Abs. 4 ZPO keine Bedeutung. Für das Verfahren nach Kostenwiderspruch ist demnach eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben. Im vorliegenden Fall ist auch keiner der weiteren Ausnahmetatbestände erfüllt, die in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG genannt sind. Denn das Landgericht hat weder nach § 307 noch nach § 495 a ZPO entschieden.

Schließlich ist Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG bei einer im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 3 ZPO getroffenen Entscheidung über einen Kostenwiderspruch auch nicht analog anzuwenden. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass bereits in der letzten Fassung des § 35 BRAGO, der Vorgängerregelung, an die der Gesetzgeber mit Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG anknüpfen wollte, für ein Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß § 128 Abs. 3 (n.F.) ZPO keine Terminsgebühr vorgesehen war. Die frühere Nennung des § 128 Abs. 3 (a.F.) ZPO in § 35 BRAGO war anlässlich der Änderung des § 128 Abs. 3 ZPO durch das ZPO-Reformgesetz vom 27.07.2001 entfallen.

Des weiteren bietet die Einbeziehung des § 307 ZPO in den Gebührentatbestand der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG keine taugliche Grundlage für eine analoge Anwendung auf das Verfahren nach Kostenwiderspruch. Zwar liegt einer Entscheidung nach § 307 ZPO ein Anerkenntnis zugrunde, das nicht in einer mündlichen Verhandlung erklärt worden sein muss. Insofern besteht eine Gemeinsamkeit mit einem Kostenwiderspruch, in dem gleichfalls ein Anerkenntnis in der Hauptsache gesehen werden kann. Gleichwohl wird in dem auf einen Kostenwiderspruch ergehenden Urteil, ähnlich wie bei einem Beschluss gemäß § 91 a ZPO, nur über die Kosten entschieden, während mit einem Urteil nach § 307 ZPO über die Hauptsache entschieden und ein entsprechender Titel geschaffen wird. Dieser Unterschied schließt die Feststellung einer planwidrigen Regelungslücke aus und steht damit einer analogen Anwendung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG auf das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 3 ZPO nach Einlegung eines Kostenwiderspruchs entgegen.

Schließlich lassen sich auch aus der Einbeziehung des § 495 a ZPO in den Gebührentatbestand keine weitergehenden Schlüsse im Hinblick auf das Verfahren nach §€128 Abs. 3 ZPO ziehen. Ein wesentlicher Unterschied besteht bereits darin, dass im Fall des § 495 a ZPO die Parteien durch entsprechenden Antrag eine mündliche Verhandlung erzwingen können, während die Entscheidung über die Verfahrensweise unter den Voraussetzungen des § 128 Abs. 3 ZPO allein dem Gericht obliegt. Der Anfall einer Terminsgebühr im (schriftlichen) Verfahren nach § 495 a ZPO entspricht demnach der Intention des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich der Terminsgebühr so festzulegen, dass der Neigung entgegengewirkt wird, einen gerichtlichen Verhandlungstermin nur um einer anwaltlichen Gebühr willen anzustreben (vgl. hierzu BGH, JurBüro 2006, 73, 74 f.).

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hatte (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen.

Für die Entscheidung über den Anfall einer Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG ist es bei einem Verfahrensablauf wie dem hier vorliegenden von maßgebender Bedeutung, ob § 128 Abs. 3 ZPO auch im Verfahren nach einem Kostenwiderspruch anwendbar ist. Dieser Frage ist angesichts der überwiegenden Auffassung im Schrifttum, nach einem Kostenwiderspruch sei eine mündliche Verhandlung notwendig, grundsätzliche Bedeutung beizumessen.






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