Oberlandesgericht Hamburg:
Beschluss vom 25. November 2010
Aktenzeichen: 4 W 269/10

(OLG Hamburg: Beschluss v. 25.11.2010, Az.: 4 W 269/10)

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers zu 7. vom 2. September 2010 wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Kammer 19 für Handelssachen, vom 16. August 2010 in der Fassung des Beschlusses vom 8. Oktober 2010 abgeändert.

Die von dem Kläger zu 7. an die Staatskasse zu zahlenden Gerichtsgebühren werden vorbehaltlich anzurechnender und dem Kläger zu 7. gutzubringender Vorauszahlungen auf

€ 4.359,00

festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde ist gemäß § 66 Abs. 2 und 3 GKG zulässig und in dem aus dem Tenor des Beschlusses ersichtlichen Umfang begründet. Das Landgericht hat dem Kläger zu 7. auf der Grundlage des Beschlusses des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 27.05.2010 anteilige Gerichtskosten auferlegt, die tatsächlich nicht entstanden sind. Entgegen dem Kostenansatz vom 17.06.2009 (Kostenrechnung vom 18.06.2009) sind nicht insgesamt Gerichtskosten in Höhe von € 74.544,00, sondern lediglich solche in Höhe von € 30.460,00 entstanden, von denen die dem Vergleich vom 19.10.2007 Beigetretene einen Betrag in Höhe von € 21.742,00 zu zahlen hat, so dass auf den Kläger zu 7. lediglich 50% der restlichen Gerichtskosten, mithin € 4.359,00 entfallen.

Zu Recht greift der Kläger zu 7. die Annahme an, die vor der Verbindung der acht Rechtsstreitigkeiten entstandenen Gerichtskosten hätten sich sämtlich deswegen nicht nach KV Nr. 1211 GKG auf eine 1,0 Gebühr reduziert, weil der nach Verbindung der acht Anfechtungsklagen entstandene eine Rechtsstreit durch den Vergleich vom 19.10.2007 nicht vollständig beendet worden sei, nachdem der Kläger zu 7. und der Nebenintervenient zu 1. ihn fortgeführt hätten, so dass eine Ermäßigung der bis zur Verbindung bereits entstandenen Gerichtskosten nach KV Nr. 1211 GKG nicht in Betracht komme. Dem kann nicht gefolgt werden.

Zwar tritt eine Ermäßigung nach KV 1211 grundsätzlich nur dann ein, wenn das Prozessverfahren wegen sämtlicher Anträge und wegen aller Beteiligten insgesamt beendet wird (Nr. 1211 KV: Beendigung des gesamten Verfahrens ...); ansonsten bleibt die Gebühr nach KV 1210 GKG bestehen (Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., Rn 3 zu KV 1211 GKG m.w.Nachw.). Eine Prozessverbindung nach §§ 147 ZPO, 246 Abs. 3 Satz 6 AktG führt auch dazu, dass die zuvor einzelnen Verfahren zu einem einzigen Verfahren verschmelzen, weshalb angenommen werden könnte, dass die Vorschrift der Nr. 1211 KV GKG, wenn dort von der Beendigung des gesamten Verfahrens die Rede ist, auf das nach Verbindung durch Verschmelzung entstandene eine Verfahren abstellt.

Das steht indes nicht im Einklang mit dem Umstand, dass € worauf das Landgericht und der angegriffene Kostenansatz ausgegangen sind € die vor der Verbindung entstandenen Gebühren bestehen bleiben und keine neue Kostenberechnung nach einem nach der Verbindung entstandenen Streitwert stattfindet. Letzteres ist einhellige Auffassung (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., Rn. 10 zu § 147 ZPO m.w.Nachw.; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., Rn. 3 zu § 40 GKG; Meyer, GKG, 10. Aufl. Rn. 10 zu § 45 GKG; Oestreich/Hellstab/Trenkle, GKG-FamGKG, Rn. 7 zu § 32 GKG und Rn. 31 zu Nr. 1211 KV GKG) und gilt auch dann, wenn eine Verbindung € etwa nach § 246 Abs. 3 AktG € zwingend vorgeschrieben ist (Meyer, a.a.O.; OLG Koblenz MDR 2005, 1017). Das steht mit dem Umstand im Einklang, dass der Veranlasser des Verfahrens Schuldner der dadurch entstandenen Kosten, also auch der vor der Verbindung bereits entstandenen Kosten seiner jeweiligen Klage ist. Insoweit besteht wegen der vor der Verbindung angefallenen Gebühren keine gesamtschuldnerische Haftung (Oe/He/Tr, a.a.O., Rn. 7 zu § 32 GKG).

Ist dem so, dann kann aber auch nicht jeder einzelne Kläger durch die Verbindung in die Haftung für die vor der Verbindung entstandenen und nicht von ihm, sondern durch die Klag-erhebung weiterer Kläger veranlassten Gebühren genommen werden. Bleibt die Verfahrensverbindung für die bereits vor der Verbindung entstandenen Gebühren ohne Einfluss, so kann nur das vor der Verbindung begründete Rechtsverhältnis Gegenstand der Betrachtung des Eingreifens eines Ermäßigungstatbestandes nach Nr. 1211 KV GKG sein. Gerade im vorliegenden Fall verbundener Anfechtungsprozesse nach § 246 AktG, bei denen die Verbindung auch einer großen Zahl einzelner Prozesse mit 50, 100 oder mehr Klägern ohne weiteres vorkommt, würde ansonsten dem einzelnen Kläger die Möglichkeit genommen, nach der Verbindung durch sein prozessuales Verhalten den Ermäßigungstatbestand der Nr. 1211 KV GKG herbeiführen. Das widerspräche nicht nur dem mit Nr. 1211 KV GKG verfolgten Ziel der Kostengerechtigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit (Hartmann, a.a.O, Rn. 2 zu KV 1211). Es würde auch den einzelnen Kläger, der anders als in den Fällen, in denen mehrere Streitgenossen von Anfang an einen gemeinsamen Rechtsstreit führen, unbillig mit Prozesskosten belasten.

Tritt daher einer der in KV 1211 genannten Ermäßigungstatbestände nur für einen oder mehrere Kläger eines verbundenen Verfahrens ein, so orientiert sich die Frage danach, ob im Sinne der genannten Vorschrift das €gesamte Verfahren€ beendigt wird, jedenfalls wegen der durch die Verbindung nicht angetasteten Gebühren nach Nr. 1210 KV GKG nicht an dem durch die Verfahrensverbindung erstmals geschaffenen Gesamtverfahren, sondern allein an dem einzelnen vor der Verbindung begründeten Prozessrechtsverhältnis, durch das die in Rede stehenden Gebühren begründet worden sind und für dessen Gebühren die übrigen Kläger nicht haften. Hätte sich das einzelne Verfahren ohne Verbindung durch Vergleich erledigt, wäre eine Ermäßigung der dazu angefallenen Gebühren ohne weiteres eingetreten. Das kann als Folge der Verbindung solange nicht anders sein wie die Verbindung keine Veränderung des einmal eingetretenen Gebührentatbestandes bewirkt. Bezogen auf das einzelne Prozessrechtsverhältnis und die dadurch vor Verbindung entstandenen Gebühren ist das Verfahren bei Vorliegen eines der Ermäßigungstatbestände im Sinne von Nr. 1211 KV GKG folglich insgesamt beendet und ermäßigen sich die vor der Verbindung angefallenen 3 Gerichtsgebühren der Nr. 1210 KV GKG auf eine Gebühr.

In der Folge errechnet sich der Anspruch der Gerichtskasse gegen den Kläger zu 7. auf Erstattung der Gerichtskosten auf der Grundlage der Kostengrundentscheidung des 11. Zivilsenats vom 27.05.2010 wie folgt:

Gerichtskosten erster Instanz insgesamt:

nach KV 1211 auf eine 1,0 Gebühr ermäßigte Gebühr nach §§ 3, 34 GKG für die vor der Verbindung betriebenen Verfahren 419 O 106 € 111 und 113/07 insgesamt € 21.592,003,0 Gebühren nach §§ 3, 34 GKG, 1210 KV für das vor der Verbindung betriebene Verfahren 419 O 112/07 (Kläger zu 7.) € 8.868,00Gesamt: € 30.460,00 Davon tragen die Beigetretene 7/8 der Gerichtskosten nach § 3 Abs. 2 GKG, Nr. 1211 KV GKG, mithin wie bereits vom Landgericht zutreffend errechnet € 21.742,00Verbleiben restliche€ 8.718,00Hiervon hat der Kläger zu 7. nach dem Beschluss vom 27.05.2007 50%, mithin€ 4.359,00zu tragen. Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (66 Abs. 8 GKG).






OLG Hamburg:
Beschluss v. 25.11.2010
Az: 4 W 269/10


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