Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Juli 2010
Aktenzeichen: 27 W (pat) 156/09

(BPatG: Beschluss v. 06.07.2010, Az.: 27 W (pat) 156/09)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 20. Dezember 2007 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen in den Klassen 8, 9, 14, 16, 18, 21, 24, 25, 28, 33, 35, 41 und 43 angemeldete Wortmarkeexperimentahat die Markenstelle mit Beschluss vom 12. August 2008 teilweise, nämlich für die Dienstleistungen

"Ausbildung, Erziehung und Unterricht in Theorie und Praxis, Unterhaltung, kulturelle Aktivitäten, insbesondere folgende Dienstleistungen: Betrieb von Museen und Science-Centern, hinsichtlich Darbietungen und Ausstellungen von Objekten und Experimenten für kulturelle, erzieherische und Unterrichtszwecke; Veranstaltung und Durchführung von Kursen, Seminaren, Lehrgängen, Workshops (Ausbildung), insbesondere im Bereich der Ausbildung; Demonstrationsunterricht in praktischen Übungen, insbesondere bezüglich der Durchführung interaktiver Experimente", wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Dies ist damit begründet, die angemeldete Marke sei die lateinische Bezeichnung für "Versuche, Experimente". Die Bezeichnung biete sich ohne Weiteres als Inhaltsangabe für die besagten Dienstleistungen an. So sei es naheliegend, dass diese Dienste der Anmelderin im Kern die Vorführung von Experimenten beinhalteten oder Angebote, bei denen die Besucher selbst die Möglichkeit hätten, zu experimentieren. Diese Experimente könnten dabei nicht nur der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten dienen, sondern auch zu Unterhaltungszwecken. In genau diesem Bereich bewegten sich die von der Zurückweisung betroffenen Dienstleistungen. Dem Beschluss beigefügt sind Internetauszüge, die eine entsprechende Verwendung im Inland durch Dritte belegen. Das Publikum werde in der Bezeichnung lediglich einen Sachhinweis dahingehend erkennen, dass die so gekennzeichneten Dienstleistungen Experimente zum Gegenstand hätten. An dem Verständnis dieses lateinischen Begriffs könnten aufgrund der sprachlichen Nähe zu der deutschen Bezeichnung "Experiment(e)" -das am Wortende angeführte "a" stelle nur eine minimale Abwandlung dar -kein Zweifel bestehen.

Die gegen diese Entscheidung eingelegte Erinnerung hat die Markenstelle mit Beschluss vom 12. März 2009 zurückgewiesen. Auch die Erinnerungsprüferin hält die Marke in Bezug auf die versagten Dienstleistungen für nicht unterscheidungskräftig. Es sei zwar davon auszugehen, dass die hier angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise "Experimenta" nicht als Pluralform des lateinischen Wortes "experimentum" erkennen würden, da Latein eine sog. tote Sprache sei, die vom maßgeblichen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher nicht beherrscht werde.

Allerdings werde das Publikum aufgrund der Nähe von "experimenta" zu dem aus dem Lateinischen stammenden und in die deutsche Sprache übernommenen gebräuchlichen Wort "Experiment/e" und angesichts der in Rede stehenden Dienstleistungen ohne Weiteres das angemeldete Zeichen als beschreibenden Hinweis darauf verstehen, dass es bei den angebotenen Dienstleistungen inhaltlich um eigenständiges spielerisches Experimentieren gehe, das technische und naturwissenschaftliche Phänomene nahebringen solle, und daher dem Zeichen einen betriebskennzeichnenden Herkunftshinweis nicht entnehmen.

Die angefügte Endung "a" führe ebenfalls nicht dazu, dass das Publikum das angemeldete Zeichen als ungewöhnlich oder eigentümlich und deshalb als betriebskennzeichnend empfinde. Zum Einen weiche "experimenta" von dem glatt beschreibenden Wort "Experimente" nur geringfügig ab, so dass es nicht als Phantasiebezeichnung wahrgenommen werde. Zum Anderen habe eine Recherche ergeben, dass bereits seit einigen Jahren sog. Science-Center in ganz Deutschland eingerichtet würden, die den Besuchern die Möglichkeit böten, durch eigenständiges Experimentieren naturwissenschaftliche und technische Zusammenhänge zu begreifen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. So seien als "experimenta" bezeichnete Einrichtungen in Freudenstadt und Fehmarn entstanden, aber auch "Phänomentas", "Inspiratas" und "Imaginatas". Darüber hinaus böten Schulbuchverlage Schülerexperimente unter der Bezeichnung "experimenta" an, ebenso Hochschulen und Museen. Neben den dem Erstbeschluss beigefügten Internetbelegen stützt sich die Erinnerungsprüferin insoweit auf weitere von ihr ermittelte Internetauszüge. Die Endung "-a" stelle sich damit eher als übliche Endung für die Art der hier in Rede stehenden Einrichtungen, in denen die beanspruchten Dienstleistungen erbracht würden, dar und lasse "experimenta" nicht als phantasievoll und betriebskennzeichnend erscheinen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle in dem Umfang aufzuheben, in dem die Anmeldung zurückgewiesen wurde, und die angemeldete Marke in vollem Umfang einzutragen.

Die Anmelderin hält die angemeldete Bezeichnung aufgrund der phantasievollen Ausgestaltung der Endung "a" für nicht freihaltungsbedürftig und für unterscheidungskräftig. Ein die Dienstleistungen beschreibender Begriffsgehalt könne nicht angenommen werden. Dem stünden die von der Markenstelle recherchierten wenigen Benutzungsbeispiele nicht entgegen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung teilweise die Eintragung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt.

Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen. Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr.; EuGH GRUR Int. 2005, 1012, Rdn. 27 f. -BioID; BGH GRUR 2006, 850 -FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Sicht des normal Informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist (EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 24 -SAT 2). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass die Verbraucher ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnehmen, wie es ihnen entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431, Rdn. 53 -Henkel). Enthält eine Bezeichnung einen beschreibenden Begriffsinhalt, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird, ist ihr die Eintragung als Marke wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zu versagen. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass die Verbraucher sie als Unterscheidungsmittel verstehen (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 -BerlinCard). Dies gilt auch für fremdsprachige Bezeichnungen, die aus gängigen Ausdrucken einer Welthandelssprache oder der einschlägigen Fachsprache gebildet sind (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 109).

Nach diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke "experimenta" für die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft, da sie bezüglich dieser Dienstleistungen einen ohne Weiteres erkennbaren Begriffsinhalt aufweist, der dazu führt, dass das angemeldete Zeichen nicht als Marke verstanden wird. Auch einer fremdsprachigen Wortmarke, wie der vorliegenden, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn die beteiligten Verkehrskreise die Bedeutung erkennen und in ihr keinen Herkunftshinweis sehen.

Den Bedeutungsgehalt des lateinischen Wortes "experimenta" werden die angesprochenen inländischen Verkehrskreise wegen der Ähnlichkeit mit dem entsprechenden deutschen Begriff "Experimente" ohne weiteres erkennen. Dafür sprechen insbesondere die von der Markenstelle und dem Senat ermittelten Internetausdrucke, die eine Verwendung der Bezeichnung "experimenta" durch Dritte im Inland belegen. Der Begriff "experimenta" wird darin als Hinweis auf eine Veranstaltung verwendet, bei der es um Experimente geht. So wird "experimenta" auch im Zusammenhang mit Schülerexperimenten und damit auch in Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen verwendet, wie dem der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung überreichten Internetausdruck http://www.corex.de/ vom 4. Februar 2010 zu entnehmen ist. Das angesprochene Publikum wird der Bezeichnung "experimenta" im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen nur einen Hinweis auf deren Inhalt bzw. Thema entnehmen.

Aus der Schutzgewährung für andere, nach ihrer Ansicht vergleichbare Marken, kann die Anmelderin keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen -selbst identischer Marken -führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitsatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben (vgl. z. B. BGH BlPMZ 1998, 248 -Today BPatG GRUR 2007, 333 -Papaya). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar. Im Recht der Europäischen Gemeinschaft (Markenrichtlinie, GMV) gilt nichts Abweichendes, wie der Europäische Gerichtshof in den letzten Jahren mehrfach festgestellt hat (vgl. MarkenR 2009, 201 -Schwabenpost; GRUR 2004, 674 -Postkantoor).

Ob der Eintragung zusätzlich das Schutzhindernis der Merkmalsbezeichnung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.

Dr. Albrecht Schwarz Kruppabr/Me






BPatG:
Beschluss v. 06.07.2010
Az: 27 W (pat) 156/09


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