Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 1. April 2003
Aktenzeichen: 5 U 54/01

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 01.04.2003, Az.: 5 U 54/01)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22. Januar 2001 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Mit Ausnahme der durch die Nebenintervention verursachten Kosten, die der Nebenintervenient zu tragen hat, werden die Kosten des Berufungsverfahrens der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 Euro abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beide Parteien dürfen die Sicherheitsleistung durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbringen.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, soweit in Ziffer V 2 der Entscheidungsgründe über die Frage der Berichtspflicht des Vorstandes der Beklagten vor Ausnutzung des genehmigten Kapitals entschieden worden ist.

Gründe

Die Beklagte ist eine börsennotierte Großbank. In ihren Hauptversammlungen vom 30.05.1997 und 21.05.1999 wurde durch satzungsändernde Beschlüsse genehmigtes Kapital geschaffen (§§ 202 ff. AktG), wobei der Vorstand der Beklagten jeweils ermächtigt wurde, das Bezugsrecht der Aktionäre auszuschließen (§ 4 Abs. 4, 7 und 8 der Satzung). Auf dieser Grundlage fasste der Vorstand der Beklagten am 01.09.2000 mit Zustimmung des Präsidialausschusses des Aufsichtsrats Beschlüsse, durch die das Grundkapital der Beklagten unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre erhöht wurde.

Zum einen handelte es sich um eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen, wobei zur Zeichnung der neuen Aktien allein die V. Deutsche LV AG zugelassen wurde. Der Ausgabepreis betrug 36,82 Euro pro Aktie. Er wurde aus dem Durchschnittskurs der fünf vorangegangenen Börsentage ermittelt und lag über dem Börsenkurs vom 01.09.2000, der sich auf 35,05 Euro belief.

Die andere Kapitalerhöhung erfolgte gegen Sacheinlagen. Zur Zeichnung wurde das Versicherungsunternehmen G. S.p.A. zugelassen. Als Sacheinlage wurden 30 Millionen Aktien des B. S. Central H. (im Folgenden: BSCH Bank) eingebracht, wodurch die bereits bestehende Beteiligung der Beklagten an der BSCH Bank von 1,5 Prozent auf 2,3 Prozent aufgestockt wurde.

Die Klägerin, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 15.10.2002 10.000 Aktien der Beklagten hielt, versuchte zunächst in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, die Eintragung der beiden Kapitalerhöhungen in das Handelsregister zu verhindern, solange nicht der Vorstand der Beklagten den Aktionären einen Bericht mit näheren Informationen über die Gründe der Kapitalerhöhung erstatte, insbesondere den Bezugsrechtsausschluss und den Ausgabenbetrag für die neuen Aktien näher begründe. Gleichzeitig vertrat sie die Ansicht, beide Kapitalerhöhungen seien rechtswidrig, weil der Vorstand der Beklagten die von den Hauptversammlungen erteilten Ermächtigungen missbräuchlich ausgeübt, einen zu niedrigen Ausgabebetrag und eine zu geringe Gegenleistung als Sacheinlage festgesetzt und insgesamt mit den beiden Beschlüssen der Beklagten und ihren Aktionären schweren Schaden zugefügt habe.

Das Landgericht Frankfurt am Main wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Urteil vom 25.09.2000 zurück (Aktenzeichen 3/1 O 129/00).

Die Kapitalerhöhungen wurden am 28.09.2000 (Barkapitalerhöhung) und am 11.10.2000 (Erhöhung gegen Sacheinlagen) in das Handelsregister eingetragen.

Die Berufung der Klägerin in dem einstweiligen Verfügungsverfahren wies der Senat durch Urteil vom 12.12.2000 zurück, weil für die Verfügungsanträge, die die Klägerin wegen der zwischenzeitlichen Eintragung der Kapitalerhöhungen neu formuliert hatte, kein Verfügungsgrund bestand (Aktenzeichen 5 U 146/00).

Im vorliegenden Hauptsacheverfahren hat die Klägerin im Wesentlichen ihre Argumente aus dem Eilverfahren wiederholt. Sie und der Nebenintervenient haben insbesondere die Ansicht vertreten, der Vorstand einer Aktiengesellschaft sei vor einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss, die er aufgrund einer Ermächtigung durch die Hauptversammlung beschließt, gemäß § 203 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG verpflichtet, den Aktionären einen schriftlichen Bericht über den Grund für den Ausschluss des Bezugsrechts zu erstatten und habe darin auch den vorgesehenen Ausgabebetrag zu begründen. Das Wort €sinngemä߀ in § 203 Abs. 2 Satz 2 AktG habe die Bedeutung, dass anstelle der in § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG erwähnten Hauptversammlung die Aktionäre vor Ausnutzung des genehmigten Kapitals zu unterrichten seien, weil erst in diesem Zeitpunkt die Einzelheiten für die Kapitalerhöhung festgelegt werden. Die Unterrichtung in diesem Zeitpunkt sei insbesondere wegen der Lockerung der Berichtspflicht gegenüber der Hauptversammlung bei Schaffung des genehmigten Kapitals notwendig. In der betreffenden Entscheidung BGHZ 136/133 ff. habe der Bundesgerichtshof unter anderem die Möglichkeit einer Unterlassungsklage gegen die Gesellschaft im Falle einer missbräuchlichen Ausnutzung des genehmigten Kapitals erwähnt. Das setze voraus, dass die Aktionäre zuvor über alle Einzelheiten der geplanten Kapitalerhöhung informiert werden müssten, da sie nur dann eine Unterlassungsklage ordnungsgemäß begründen könnten.

Die Klägerin hat die Verurteilung der Beklagten zur unverzüglichen schriftlichen Unterrichtung der Aktionäre in dem vorerwähnten Sinne € spätestens zehn Tage nach Zustellung des Urteils in dieser Sache € beantragt. Sie hat ferner Verurteilung der Beklagten zur Berichterstattung vor einer weiteren Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss, die in einer Ad-hoc Mitteilung vom 01.09.2000 angekündigt worden war, sowie die Verurteilung zur Berichterstattung vor der Beschlussfassung über weitere Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital mit Bezugsrechtsausschluss begehrt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Klageerhebung für rechtsmissbräuchlich gehalten, weil die M-Vv.- und Grundstücks-GmbH die Klägerin allem Anschein nach nur als €Vehikel€ für ihre Gerichtsverfahren erworben und gezielt zum Zweck all dieser Verfahren angeblich mit 10.000 Commerzbank-Aktien ausgestattet habe, um das Risiko, ihr € der Beklagten € Schadensersatz in Milliardenhöhe leisten zu müssen, auf die weniger finanzkräftige Klägerin abzuwälzen.

In der Sache hat sich die Beklagte nicht für verpflichtet gehalten, ihre Aktionäre vor Ausnutzung eines genehmigten Kapitals über Einzelheiten der Kapitalerhöhung zu unterrichten. Soweit die erforderlichen Informationen nicht schon in dem Vorstandsbericht enthalten seien, der bei Schaffung des genehmigten Kapitals der Hauptversammlung vorgelegt werden muss, genüge die nachträgliche Unterrichtung in der nächsten ordentlichen Hauptversammlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in erster Instanz und wegen der genauen Formulierung der Klageanträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil eine Pflicht zur Berichterstattung vor Ausnutzung des genehmigten Kapitals nicht bestehe. Auf die Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 30.01.2001 zugestellte Urteil am 27.02.2001 Berufung eingelegt und hat das Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist € zuletzt bis zum 25.06.2001 € am 01.06.2001 begründet.

Die Klägerin und der Nebenintervenient wiederholen und vertiefen ihre früheren Argumente und führen zusätzlich aus, die vom Landgericht und von der Beklagten vertretene Auffassung verstoße auch gegen europäisches Recht; denn nach Artikel 29 Abs. 4 und 5 der zweiten Kapitalrichtlinie vom 13.12.1976 müsse der Vorstand vor Ausnutzung des genehmigten Kapitals einen schriftlichen Bericht über die Gründe für den Ausschluss des Bezugsrechts erstatten und den vorgeschlagenen Ausgabepreis begründen. Für den Fall, dass der Senat diese Auffassung nicht teilt, beantragt die Klägerin die Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Vorab Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 234 Abs. 2 EG Vertrag zu den auf Seite 11 der Berufungsbegründung (Bl. 509 d. A.) im Einzelnen formulierten Fragen.

Im Übrigen beantragt die Klägerin, unter Abänderung des am 22. Januar 2001 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Aktenzeichen 3/1 O 134/00, die Beklagte wie folgt zu verurteilen:

1. a) Die Beklagte hat unverzüglich, spätestens zehn Tage nach Zustellung des Urteils in dieser Sache, ihre Aktionäre schriftlich über den Bezugsrechtsausschluss und dessen Grund bei den am 28. September 2000 und 11. Oktober 2000 in das Handelsregister eingetragenen Kapitalerhöhungen zu unterrichten und dabei auch den festgesetzten Ausgabebetrag zu begründen, insbesondere einen Vorstandsbericht nach § 203 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG zu erstatten.

b) Die Beklagte hat vor der Beschlussfassung der Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital mit Bezugsrechtsausschluss, die sie in ihrer Ad-hoc-Mitteilung vom 1. September 2000 angekündigt hat, ihre Aktionäre schriftlich über den Bezugsrechtsausschluss und dessen Grund zu unterrichten und dabei auch den vorgeschlagenen Ausgabebetrag zu begründen sowie den vorerwähnten Vorstandsbericht zu erstatten, soweit die Kapitalerhöhung dadurch erfolgt, dass unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre die BSCH Bank die Kapitalerhöhung zeichnet, insbesondere soweit deren Einlage teils gegen Barzahlung, teils gegen Sacheinlage der im Besitz der BSCH befindlichen C. Bank, Mgb., erfolgt.

Hilfsweise zum Antrag 1 b: Die Beklagte hat die im Klageantrag genannte Kapitalerhöhung zu unterlassen, wenn sie nicht vor der Kapitalerhöhung ihre Aktionäre in dem im Antrag bezeichneten Umfange unterrichtet.

Höchst hilfsweise hierzu: Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, vor der Kapitalerhöhung gemäß Antrag 1 b ihre Aktionäre in dem im Antrag genannten Umfang zu unterrichten.

c) Die Beklagte hat auch vor der Beschlussfassung über weitere Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital mit Bezugsrechtsausschluss ihre Aktionäre im vorbezeichneten Umfang zu unterrichten.

Hilfsweise hierzu: Die Beklagte hat Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital mit Bezugsrechtsausschluss zu unterlassen, wenn sie nicht zuvor ihre Aktionäre im vorbezeichneten Umfang unterrichtet.

Höchst hilfsweise hierzu: Es wird festgestellt, dass die Beklagte vor der Beschlussfassung über weitere Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital mit Bezugsrechtsausschluss ihre Aktionäre im vorbezeichneten Umfang zu unterrichten hat.

Hauptantrag und Hilfsanträge zu 1 c sollen sich sowohl auf Fälle des bereits genehmigten Kapitals als auch auf künftige Fälle von durch Hauptversammlungsbeschluss genehmigtem Kapital beziehen.

Die Beklagte widerspricht der Klageänderung in den erstmals im Verhandlungstermin vom 15.10.2002 in den Rechtsstreit eingeführten Hilfsanträgen und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Einholung einer Vorab Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht für erforderlich, weil sich die Klägerin für ihre Auslegung des Artikel 29 der zweiten Kapitalrichtlinie nur auf eine völlig allein stehende Mindermeinung von Hirte stützen könne.

Den Antrag zu 1 a hält die Beklagte für unbegründet, weil ihr Vorstand bereits in der Hauptversammlung vom 25.05.2001 eingehend über die Ausnutzung des genehmigten Kapitals berichtet habe. Die Hauptanträge zu 1 b und c seien unzulässig, da sie als Leistungsanträge zu unbestimmt seien. Im Übrigen tritt die Beklagte den Rechtsansichten der Klägerin im Einzelnen entgegen und sieht sich in ihren Auffassungen durch ein umfangreiches Rechtsgutachten von Hr. bestätigt (Anlage BB 2 zur Berufungserwiderung = Bl. 572 ff. d. A.).

Außerdem verweist die Beklagte auf einen im Juli 2001 vorgelegten Bericht der Regierungskommission €Corporate Governance€, die nur eine nachträgliche Berichtspflicht bei Ausschluss des Bezugsrechts durch den Vorstand befürwortet und die Einführung einer Pflicht zur Vorab Information ausdrücklich abgelehnt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 01.06.2001 mit Anlagen (Bl. 499 € 536 d. A.) und vom 12.12.2002 mit Anlage (Bl. 766 u. 767 d. A.), auf den Schriftsatz des Nebenintervenienten vom 10.10.2002 mit Anlagen (Bl. 722 € 750 d. A.) sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 14.02.2002 mit Anlagen (Bl. 545 € 660 d. A.), vom 20.09.2002 (Bl. 690, 691 d. A.), vom 29.10.2002 (Bl. 758 € 762 d. A.) und vom 30.01.2003 (Bl. 771/772 d. A.) Bezug genommen.

Nach der mündlichen Verhandlung vom 15.10.2002 haben sich die Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

I. Der Antrag zu 1 a ist teilweise unzulässig, teilweise unbegründet.

1. Wie bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert, ist der Antrag unzulässig, soweit die Klägerin damit erstrebt, dass alle Aktionäre in dem beantragten Umfang unterrichtet werden sollen. Es gibt keine gesetzliche Prozessstandschaft, die der Klägerin die Befugnis einräumt, vermeintliche Rechte anderer Aktionäre wahrzunehmen und im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Es handelt sich insoweit um eine unzulässige Popularklage.

2. Soweit die Klägerin auf Auskunftserteilung an sich selbst klagt, ist der Antrag zulässig, aber nicht begründet.

a) Allerdings scheitert die Begründetheit nicht schon daran, dass die Klageerhebung rechtsmissbräuchlich sei, wie die Beklagte meint. Zwar hat die Beklagte gewisse Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Ausstattung der Klägerin mit Aktien der Beklagten zum Zwecke der Prozessführung vorgetragen. Aber das reicht angesichts der gesamten Umstände und des jetzt nach Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister weiterverfolgten Prozessziels der Klägerin nicht aus, um die Klage als rechtsmissbräuchlich anzusehen.

b) Was die streitige Informationspflicht der Beklagten gemäß dem Berufungsantrag 1 a betrifft, kann offen bleiben, ob die Klägerin ein Recht auf Unterrichtung vor der Beschlussfassung des Vorstandes über die Kapitalerhöhungen hatte und ob eine Verletzung der vermeintlichen Berichtspflicht dazu führt, dass der Vorstand nachträglich (aber noch vor der nächsten Hauptversammlung) einen solchen Bericht erstatten muss. Denn wenn man die Berichtspflicht unterstellt, ist sie bereits erfüllt.

Schon im einstweiligen Verfügungsverfahren 3/1 O 129/00 hatte die Beklagte die Gründe für den Ausschluss des Bezugsrechts ausführlich dargelegt und die Angemessenheit des Ausgabebetrages bei der Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen begründet.

Die nächste ausführliche Begründung erfolgte in der Klageerwiderung vom 15.11.2000 im vorliegenden Rechtsstreit (Bl. 276 ff., insbesondere Bl. 277 € 286 d. A.). Darin hat die Beklagte noch einmal die mit den Kapitalerhöhungen verfolgten Ziele dargelegt, die den Ausschluss des Bezugsrechts notwendig machten, und sie hat auch die Höhe des Ausgabebetrages noch einmal gerechtfertigt. Dabei ist sie sogar auf Gegenargumente der Klägerin eingegangen, worauf die Klägerin € auch bei unterstellter Berichtspflicht € keinen Anspruch gehabt hätte.

Eine weitere Information erfolgte dadurch, dass der Vorstand der Beklagten in der Einladung zur Hauptversammlung vom 25.05.2001 die mit den Kapitalerhöhungen verfolgten Ziele sowie die Angemessenheit des Ausgabepreises noch einmal € kurz zusammengefasst € dargelegt und im Übrigen auf das Gutachten von Prof. Hr. Bezug genommen hat (Bl. 570/571 d. A.). Dabei hat der Vorstand darauf hingewiesen, dass das Gutachten in den Geschäftsräumen der Beklagten ausliege, dass es zusätzlich in der Hauptversammlung ausgelegt werde und dass jeder Aktionär auf Verlangen unverzüglich und kostenlos eine Abschrift des Gutachtens erhalte (Seite 12 der Einladung zur Hauptversammlung, Bl. 571 d. A.). Dieses Gutachten enthält auf den Seiten 21 bis 75 umfangreiche Ausführungen zu den tatsächlichen und rechtlichen Aspekten der Kapitalerhöhung unter Einschluss aller gesetzlichen Vorgaben, die als Maßstab für die Angemessenheit des Ausgabebetrages (Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen) und für die Angemessenheit des Wertes der Gegenleistung (Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen) in Betracht kommen. Auch auf diese Weise hat die Klägerin Begründungen erhalten, die weit über das hinausgehen, was sie bei unterstellter Berichtspflicht hätte verlangen können.

Die nächste Unterrichtung erfolgte in der Hauptversammlung vom 25.05.2001, denn der Vorstandsvorsitzende der Beklagten hat in seiner Rede die Kapitalerhöhungen nochmals begründet und hat dabei sowohl die Notwendigkeit des Bezugsrechtsausschlusses als auch die Angemessenheit des Ausgabebetrages und des als Sacheinlage eingebrachten Aktienpakets € jedenfalls in groben Zügen € dargelegt (S. 4 u. 5 der abgedruckten Rede = Bl. 623/624 d. A.).

Schließlich hat die Klägerin das Gutachten von Hr. noch einmal als Anlage zur Berufungserwiderung der Beklagten erhalten (Bl. 572 € 618 d. A.).

II. Der Hauptantrag zu 1 b ist unzulässig. Das gilt auch insoweit, als die Klägerin Leistungen an sich selbst verlangt.

Der Antrag ist auf eine zukünftige Leistung gerichtet. Prozessual kommt hierfür allein § 259 ZPO in Betracht, denn die Voraussetzungen der §§ 257 und 258 ZPO liegen eindeutig nicht vor. Aber auch § 259 ZPO setzt voraus, dass der Anspruch, dessen rechtzeitige Erfüllung gefährdet ist, bereits besteht. Dagegen gilt § 259 ZPO nicht für Ansprüche, die erst in Zukunft entstehen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 259 Rdnr. 3 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 259 Rdnr. 1).

Ein eventueller Anspruch der Klägerin auf Berichterstattung im Fall einer zukünftigen Kapitalerhöhung unter den im Hauptantrag zu 1 b genannten Umständen ist bisher nicht entstanden. Es ist darüber hinaus sehr unwahrscheinlich, dass ein solcher Anspruch zukünftig jemals entstehen wird; denn die Beklagte trägt vor, dass die frühere Überlegung eines Erwerbs der C.-Bank Mgb. durch Ausnutzung des genehmigten Kapitals längst endgültig aufgegeben worden sei und dass ihr Vorstand die Verhandlungen hierüber schon im Oktober 2000 endgültig abgebrochen habe (S. 4/5 der Berufungserwiderung = Bl. 548/549 d. A.).

III. Auch die beiden Hilfsanträge auf Unterlassung und auf Feststellung, die die Klägerin zum Berufungsantrag 1 b gestellt hat, sind unzulässig.

1. Für den Antrag, der Beklagten die im Berufungsantrag zu 1 b genannte Kapitalerhöhung zu untersagen, wenn die Beklagte nicht vor der Kapitalerhöhung ihre Aktionäre in dem dort bezeichneten Umfang unterrichtet, besteht aus den oben zu Ziffer II bereits dargelegten Gründen kein Rechtsschutzbedürfnis, soweit die Klägerin überhaupt prozessführungsbefugt ist. Allein die spekulative Überlegung der Klägerin, es sei nicht ausgeschlossen, dass die im Oktober 2000 abgebrochenen Gespräche mit der BSCH Bank noch einmal aufgenommen werden könnten, kann ein Rechtsschutzbedürfnis nicht begründen. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt für ein Interesse der damaligen Gesprächspartner, die früheren Pläne noch einmal aufzugreifen.

2. Sinngemäß gilt das Gleiche für den zweiten Hilfsantrag, mit dem die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, vor einer Kapitalerhöhung gemäß dem Berufungsantrag zu 1 b ihre Aktionäre entsprechend zu unterrichten. Es fehlt ein rechtliches Interesse der Klägerin an alsbaldiger Feststellung der von ihr angenommenen Informationspflicht der Beklagten aus dem im Antrag zu 1 b genannten Anlass (§ 256 Abs. 1 ZPO).

3. Wegen der Unzulässigkeit beider Hilfsanträge stellt sich die Frage nicht, ob die in diesen Anträgen liegende Klageerweiterung, der die Beklagte widersprochen hat, sachdienlich ist. Die Einführung unzulässiger Anträge in den Rechtsstreit kann schon deshalb nicht sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO sein, weil eine Klageänderung in zweiter Instanz nur dann sachdienlich sein kann, wenn der Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausgeräumt und dadurch ein weiterer Rechtsstreit vermieden wird (BGH NJW 1985/1841, 1842; ständige Rechtsprechung). Wenn über einen Antrag nicht in der Sache entschieden werden kann, weil er unzulässig ist, kann damit nicht der eigentliche Streitstoff ausgeräumt werden.

IV. Auch der Hauptantrag zu 1 c ist unzulässig.

Dieser Antrag ist wie der Hauptantrag zu 1 b auf zukünftige Leistungen gerichtet. Es geht auch hier nicht um einen Anspruch, der später fällig wird, aber bereits heute besteht. Wegen einer zukünftigen Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital, von der man noch nicht weiß, ob und wann sie erfolgt und wie die Bedingungen sein werden, steht der Klägerin nicht schon heute ein Informationsanspruch zu, selbst wenn man die Berichtspflicht des Vorstandes bei Ausnutzung des genehmigten Kapitals grundsätzlich bejaht. Das gilt sowohl für Kapitalerhöhungen aufgrund des bereits genehmigten Kapitals als auch € erst recht € für solche, für die bisher noch gar kein Hauptversammlungsbeschluss ergangen ist.

V. Der erste Hilfsantrag zum Berufungsantrag 1 c ist teilweise zulässig, aber nicht begründet. Mit diesem Antrag sollen der Beklagten Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital mit Bezugsrechtsausschluss untersagt werden, wenn die Beklagte nicht zuvor ihre Aktionäre in dem Umfang, wie in den Berufungsanträgen 1 a und 1 b angegeben, unterrichtet.

1. Der Antrag ist unzulässig, soweit die Klägerin die Unterlassung gegenüber anderen Aktionären begehrt. Insoweit kann auf die Ausführungen oben zu Ziffer I 1 verwiesen werden.

Soweit der Antrag auf die Klägerin bezogen ist, führt der auch hier erklärte Widerspruch der Beklagten gegen die Klageänderung nicht zur Unzulässigkeit, denn diese Klageerweiterung ist sachdienlich. Der maßgebliche Teil des bisherigen Streitstoffs in beiden Instanzen ist auch für den Hilfsantrag verwendbar, denn es geht auch hier um die grundsätzliche Frage der Berichtspflicht des Vorstandes vor Ausnutzung des genehmigten Kapitals. Die Zulassung des neuen Hilfsantrags ist auch geeignet, den Kern des gesamten Streitstoffs zu erledigen und damit einem weiteren Rechtsstreit vorzubeugen.

Die Klägerin hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag. Die Beklagte hat die am 01.09.2000 von ihrem Vorstand beschlossenen Kapitalerhöhungen ohne die von der Klägerin verlangte Unterrichtung durchgeführt. Sie vertritt die Auffassung, auch in Zukunft hierzu nicht verpflichtet zu sein. Das durch die Hauptversammlungsbeschlüsse von 1997 und 1999 genehmigte Kapital ist noch nicht ausgeschöpft. Unter diesen Umständen ist zu erwarten, dass der Vorstand der Beklagten bei einer weiteren Kapitalerhöhung aufgrund des bereits genehmigten Kapitals den Aktionären wieder keinen Bericht mit Begründung des Bezugsrechtsausschlusses und des Ausgabebetrages erstatten wird. Auch wenn der augenblickliche Börsenkurs der Aktien der Beklagten und die gesamtwirtschaftliche Lage in nächster Zeit keine weitere Kapitalerhöhung erwarten lassen, besteht in Anbetracht des genehmigten Kapitals, das noch bis zum 30.04.2004 ausgeschöpft werden kann, aus Sicht der Klägerin eine ausreichende Wiederholungsgefahr.

2. Der Unterlassungsantrag ist jedoch nicht begründet, denn die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin vor Ausnutzung des genehmigten Kapitals über die in den Berufungsanträgen genannten Punkte zu informieren und einen Vorstandsbericht zu erstatten.

Die Frage der Berichtspflicht in dem genannten Zeitpunkt ist in der juristischen Literatur umstritten. Befürwortet wird sie unter anderem von Lutter, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., § 203 Rdnr. 31; ders. in JZ 1998/50, 52; Hirte EWiR 1997/1013, 1014 mit Hinweisen auf frühere Stellungnahmen zum gleichen Problem; ders. in Großkommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., § 203 Rdnr. 84 ff.

Die gegenteilige Auffassung vertreten unter anderem Hefermehl/Bungeroth in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, Band IV, 1993, § 203 Rdnr. 27; Hr., Aktiengesetz, 5. Aufl., § 203 Rdnr. 36 u. 37, im Gegensatz zu den früheren Auflagen; Henze, Aktienrecht, Höchstrichterliche Rechtsprechung, 5. Aufl. (2002), Rdnr. 1010 u. 1011.

a) Der Senat schließt sich der Auffassung an, die eine Berichtspflicht vor Ausnutzung des genehmigten Kapitals ablehnt. Er sieht sich dabei in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.06.1997, die unter der Bezeichnung €Siemens/Nold€ Eingang in die juristische Literatur gefunden hat (BGHZ 136/133 ff. = NJW 1997/2815).

Zwar hat der Bundesgerichtshof in diesem Urteil nicht ausdrücklich erklärt, ein Vorstandsbericht sei im Zeitpunkt der Ausnutzung des genehmigten Kapitals nicht erforderlich, aber er ist vom überwiegenden Teil der mit diesem Problem befassten Autoren so verstanden worden (vgl. Ihrig, WiB 1997/1181, 1182; Cahn, ZHR Nr. 164 (Jahrgang 2000), 113 ff., 118; Volhard, AG 1998/398 ff., 402/403; Bosse, ZIP 2001/104 ff., 106). Auch die Autoren, die die gegenteilige Auffassung vertreten, haben das betreffende Urteil des Bundesgerichtshofs so verstanden wie der Senat und die vorgenannten Autoren (vgl. insbesondere Lutter, JZ 1998/50, 52; auch Hirte, EWiR 1997/1013, 1014).

Der entscheidende Gesichtspunkt liegt nach Ansicht des Senats darin, dass das Instrument des genehmigten Kapitals nur dann seinen Zweck erfüllen kann, wenn es dem Vorstand die Möglichkeit eröffnet, rasch und flexibel auf dem nationalen und internationalen Kapitalmarkt reagieren zu können, um Kooperationen mit anderen Unternehmen durch wechselseitige Beteiligungen zu festigen oder neu zu schaffen, andere Unternehmen zu erwerben oder sonstige Maßnahmen zu treffen, die nur unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre durchführbar oder sinnvoll sind.

Der Bundesgerichtshof hat diesen Gesichtspunkt in seinem Urteil vom 23.06.1997 besonders hervorgehoben. Zwar ging es dort um die Anforderungen an den Bericht, den der Vorstand gegenüber der Hauptversammlung zu erstatten hat, die über das genehmigte Kapital beschließen soll, sowie um die Anforderungen an den Hauptversammlungsbeschluss, durch den der Vorstand zur Kapitalerhöhung € gegebenenfalls unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre € ermächtigt wird. Aber für den Streitpunkt, der den Kern des vorliegenden Rechtsstreits bildet, gelten die gleichen Überlegungen. Es wäre schwer verständlich, wenn die Anforderungen an den Inhalt des Hauptversammlungsbeschlusses im Interesse der Flexibilität gelockert würden, andererseits die Flexibilität durch das Erfordernis einer detaillierten Begründung im Zeitpunkt der Ausnutzung des genehmigten Kapitals wieder zunichte gemacht würde.

Die Klägerin und der Nebenintervenient meinen zwar, die Flexibilität werde nicht beeinträchtigt; denn es gehe nur um einen Zeitverlust von ca. zwei Wochen, nämlich um die Zeit, die für die Abfassung, den Druck und die Versendung des Berichts an die Aktionäre einkalkuliert werden müsse. Das ist jedoch unrealistisch, denn gleichzeitig heben die Klägerin und der Nebenintervenient immer wieder hervor, dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 23.06.1997 auch ausgeführt habe, der Vorstand müsse bei einem Verstoß gegen die Vorgaben des Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung damit rechnen, dass die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens zum Gegenstand einer Feststellungs- oder € soweit noch möglich € einer Unterlassungsklage gemacht werde (BGHZ 136/133, 141). Daraus ziehen sie den Schluss, dass der Bundesgerichtshof von einer Berichtspflicht im Zeitpunkt der Ausnutzung des genehmigten Kapitals ausgegangen sein müsse, weil anderenfalls der Hinweis auf eine mögliche Unterlassungsklage keinen Sinn ergäbe.

Es kann davon ausgegangen werden, dass nicht nur die Klägerin und der Nebenintervenient, sondern nahezu alle Aktionäre, die eine Berichtspflicht des Vorstandes vor Ausnutzung eines genehmigten Kapitals begrüßen würden, die Möglichkeit einer Unterlassungsklage € und im Vorfeld eine entsprechende einstweilige Verfügung € vor Augen haben, um auf diese Weise eine Kapitalerhöhung, die sie € aus welchen Gründen auch immer € ablehnen, blockieren zu können. Eine andere Betrachtungsweise wäre unrealistisch, denn welchen Sinn sollte die Vorab-Information haben, die inhaltlich ebenso gut in der nächsten Hauptversammlung erteilt werden könnte, wenn es keine Möglichkeit gäbe, eine unerwünschte Kapitalerhöhung zu verhindern oder sie so zu verzögern, dass sie nicht mehr unter den vom Vorstand vorgesehenen Bedingungen durchgeführt werden kann.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, es sei wünschenswert, dass Kapitalerhöhungen, die nicht den Vorgaben der Ermächtigung durch die Hauptversammlung entsprechen, unterbleiben, und Kapitalerhöhungen, die im Einklang mit dem Hauptversammlungsbeschluss ständen, seien ohnehin vor gerichtlichen Blockaden sicher. Der vorliegende Rechtsstreit ist ein Beispiel dafür, mit welcher Intensität, mit welchem argumentativen Aufwand und wie ausdauernd darüber gestritten werden kann, ob eine Kapitalerhöhung dem Wohle der Gesellschaft dient oder für sie schädlich ist. Dass eine Kapitalerhöhung, bei der das Bezugsrecht ausgeschlossen wird, unter Berücksichtigung des gesamten Sachverhalts im Interesse der Gesellschaft liegen muss, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das wichtigste Kriterium für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme. Es liegt auf der Hand, dass es in vielen Fällen für ein Gericht unmöglich ist, unter Berücksichtigung aller Argumente, die ihm von den Parteien unterbreitet werden, ohne langwierige Beweisaufnahme eine tragfähige Überzeugung zu gewinnen.

Die Klägerin und der Nebenintervenient liefern auch zu diesem Gesichtspunkt ein anschauliches Beispiel für die zu erwartenden Probleme bei gerichtlicher Überprüfung einer durch den Vorstand beschlossenen Kapitalerhöhung vor deren Eintragung in das Handelsregister. Sie begnügen sich nämlich nicht damit, auf der Grundlage der ausführlichen Darlegung der Gründe für die im Herbst 2000 durchgeführten Kapitalerhöhungen eine andere Bewertung vorzunehmen als die Beklagte, sondern sie meinen, dass schon die Darlegungen als solche nicht die Voraussetzungen erfüllen, die an einen ordnungsgemäßen Vorstandsbericht gestellt werden müssten. Bei den bisherigen Informationen handele es sich nicht um eine Berichterstattung, sondern nur um den Versuch, den wahren Sachverhalt zu verschleiern (S. 3 des Schriftsatzes der Klägerin vom 01.12.2000 = Bl. 377 d. A.). Nach Ansicht des Nebenintervenienten hat sich die Beklagte im Hinblick auf die Hauptversammlung vom 25.05.2001 €nur in Allgemeinplätzen verbreitet, die in keiner Weise den Standard des nach § 186 Abs. 4 i. V. m. § 203 AktG erforderlichen Berichts erfüllen€ (S. 3 des Schriftsatzes vom 10.10.2002 = Bl. 724 d. A.). Wie oben zu Ziffer I 2 b bereits ausgeführt, enthielt die Einladung zur Hauptversammlung vom 25.05.2001 unter anderem den Hinweis auf das von Hr. erstattete Gutachten, und hierin wurden auf 88 Seiten nicht nur die rechtlichen Aspekte der im Herbst 2000 durchgeführten Kapitalerhöhung, sondern auch die tatsächlichen und wirtschaftlichen Hintergründe eingehend behandelt.

Es liegt auch bei diesem Streitpunkt auf der Hand, dass es sich nicht um eine besonders ungewöhnliche Argumentationsweise der Klägerin und des Nebenintervenienten handelt, die man als Ausnahmefall außer Betracht lassen könnte, sondern dass die Frage, ob der Vorstand wahrheitsgemäß und vollständig über die Gründe der Kapitalerhöhung berichtet hat, in sehr vielen Fällen zu einem ersten zentralen Streitpunkt gemacht würde, bevor man zu der weiteren Streitfrage käme, ob die Vorgaben des Hauptversammlungsbeschlusses eingehalten wurden.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich aus § 203 i. V. m. § 186 AktG nichts für die von ihr vertretene Berichtspflicht herleiten. Die Verweisung in § 203 Abs. 1 Satz 1 AktG auf die §§ 185 € 191 AktG ist für die streitgegenständliche Problematik ohne Bedeutung, denn von den §§ 185 € 191 AktG befasst sich lediglich § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG mit der Berichtspflicht des Vorstandes, und für diese Vorschrift gibt es eine spezielle Verweisung in § 203 Abs. 2 Satz 2 AktG, die die im vorliegenden Verfahren streitigen Fälle erfasst (Ermächtigung des Vorstandes zur Entscheidung über den Ausschluss des Bezugsrechts durch satzungsändernden Beschluss der Hauptversammlung).

Die sinngemäße Geltung des § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG bedeutet nur, dass der Vorstand der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht über den Grund für die nach seiner Ansicht erforderliche Ermächtigung zum teilweisen oder vollständigen Ausschluss des Bezugsrechts vorlegen muss und dass der Bericht auch Ausführungen zum vorgesehenen Ausgabebetrag enthalten muss. Letzteres kann zwangsläufig nur in abstrakter Form € zum Beispiel im Sinne von § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG € geschehen. Das alles betrifft jedoch nur den Bericht für die Hauptversammlung. Das Wort €sinngemä߀ in § 203 Abs. 2 Satz 2 AktG beruht darauf, dass § 186 Abs. 4 AktG originär nur Kapitalerhöhungen betrifft, die die Hauptversammlung selbst beschließt, während sich § 203 AktG mit der Schaffung eines genehmigten Kapitals befasst. Dagegen besagt das Wort €sinngemä߀ nicht, dass der Vorstand auch in dem Zeitpunkt, in welchem er von der Ermächtigung Gebrauch machen will, den Aktionären einen schriftlichen Bericht mit dem in § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG vorgesehenen Inhalt liefern müsse (vgl. auch Bosse, ZIP 2001/104, 106; Natterer, ZIP 2002/1672 ff., 1675/1676).

c) Die gegenteilige Auffassung muss zu einer weiteren Analogie greifen, die aus § 203 AktG nicht zu entnehmen ist, die aber von den Befürwortern der Berichtspflicht aus dem Schutzbedürfnis der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre hergeleitet wird.

Das Interesse der Gesellschaft an rascher und flexibler Reaktion auf vorteilhafte Marktsituationen hat jedoch nach Ansicht des Senats Vorrang vor dem Bedürfnis der Aktionäre nach weitergehendem Schutz. Denn die Aktionäre sind bereits auf andere Weise gegen eine missbräuchliche Ausnutzung der Ermächtigung so geschützt, dass es nicht gerechtfertigt ist, die verbleibende Gefahr dadurch zu beseitigen, dass umgekehrt die vom Vorstand geplanten Maßnahmen gefährdet werden.

Weitgehend geschützt sind die Aktionäre durch diejenigen Umstände, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 23.06.1997 bereits aufgezählt hat:

Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrats gemäß § 204 Abs. 1 Satz 2 AktG;

Verpflichtung des Vorstandes, der nächsten Hauptversammlung über die Kapitalerhöhung zu berichten und diesbezügliche Fragen zu beantworten;

Gefahr der Verweigerung der Entlastung, wenn der Vorstand die Vorgaben für die Kapitalerhöhung nicht einhält oder seiner nachträglichen Berichtspflicht nicht gewissenhaft nachkommt;

Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder bei Verstößen im vorgenannten Sinne.

Hätte der Bundesgerichtshof als zusätzlichen Schutz auch einen Vorstandsbericht vor Ausnutzung des genehmigten Kapitals für notwendig gehalten, so hätte er dies mit Sicherheit erwähnt. Aus dem Hinweis auf eine mögliche Feststellungs- oder Unterlassungsklage folgt nichts anderes, denn es kann Fälle geben, in denen eine rasche Durchführung der Kapitalerhöhung nicht möglich ist und die Aktionäre € auch ohne Vorstandsbericht € über die geplante Maßnahme genügend erfahren, um sich mit einer Unterlassungsklage zur Wehr zu setzen. Auch hierfür ist der vorliegende Fall wieder ein anschauliches Beispiel. Die Klägerin und der Nebenintervenient hatten schon lange vor der Eintragung der Kapitalerhöhungen in das Handelsregister so viele Informationen, dass sie in dem einstweiligen Verfügungsverfahren eingehend darlegen konnten, warum nach ihrer Ansicht weder die Erhöhung gegen Bareinlagen noch die Erhöhung gegen Sacheinlagen von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt und darüber hinaus beide Maßnahmen für die Gesellschaft und deren Aktionäre schädlich seien.

d) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.06.1997 betraf einen Fall, in dem bereits die Hauptversammlung das Bezugsrecht ausgeschlossen hatte, während im vorliegenden Fall der Vorstand ermächtigt wurde, das Bezugsrecht auszuschließen. Das spielt jedoch bei der Auswertung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs für den vorliegenden Rechtsstreit keine Rolle, denn schon die Leitsätze des Urteils vom 23.06.1997 zeigen, dass der Bundesgerichtshof die beiden Alternativen gleichbehandelt.

e) Ein weiterer Unterschied zwischen dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall und dem vorliegenden Rechtsstreit liegt darin, dass es dort um die Ermächtigung zu einer Kapitalerhöhung gegen Geld- oder Sacheinlagen ging (dort als €genehmigtes Kapital II€ bezeichnet), wobei der Schwerpunkt auf der Möglichkeit zum Erwerb von Unternehmensbeteiligungen gegen Aktien der Gesellschaft lag (Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen), während der hier behandelte Unterlassungsantrag der Klägerin auch die Ermächtigung des Vorstandes zu reinen Barkapitalerhöhungen betrifft (§ 4 Abs. 8 der Satzung der Beklagten). Aber auch das rechtfertigt keine unterschiedliche Beurteilung, denn die Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofs ist nicht speziell auf Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlagen zugeschnitten, und die Ausdehnung auf Barkapitalerhöhungen ist auch sachlich gerechtfertigt (vgl. Hofmeister, NZG 2000/713, 715 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur; Bungert, NJW 1998/488, 490). Außerdem zeigen wiederum die amtlichen Leitsätze, dass die Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs für beide Arten von Kapitalerhöhungen gelten.

f) Auch europäisches Recht steht einem Bezugsrechtsausschluss durch den Vorstand bei Ausnutzung des genehmigten Kapitals ohne vorherigen Bericht an die Aktionäre nicht entgegen. Aus Artikel 29 der zweiten Kapitalrichtlinie vom 13.12.1976, der ausschließlich auf Kapitalerhöhungen gegen Bareinlagen anwendbar ist, ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nichts anderes. Artikel 29 Abs. 4 verlangt einen schriftlichen Bericht des Verwaltungs- oder Leitungsorgans der Gesellschaft an die Hauptversammlung, wenn diese den Ausschluss des Bezugsrechts beschließen soll. Dem entspricht § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG, der bei Umsetzung der EG Richtlinie durch Gesetz vom 13.12.1978 in das Aktiengesetz eingefügt worden ist (BGBl. 1978 I/1959, 1960).

Artikel 29 Abs. 5 der Richtlinie erlaubt es den Mitgliedsländern, Rechtsvorschriften zu erlassen, nach denen die Satzung oder die Hauptversammlung dem Organ, das bei genehmigtem Kapital zur Entscheidung über die Erhöhung berufen ist, auch die Befugnis einräumen kann, das Bezugsrecht zu beschränken oder auszuschließen. Von Berichtspflicht ist in diesem Absatz nicht die Rede. Daraus wird überwiegend der Schluss gezogen, dass europarechtlich im Fall der Ermächtigung des Vorstandes zum Ausschluss des Bezugsrechts im Voraus überhaupt kein Bericht erstattet werden muss, auch nicht gegenüber der Hauptversammlung (vgl. Kimpler, DB 1994/767, 770; Kindler, ZGR 1998/35, 63; Hofmeister, NZG 2000/713, 716; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht (1999), Rdnr. 201; wohl auch Natterer, ZIP 2002/1672, 1676; Bosse, ZIP 2001/104, 105).

Auch Hirte, der unter europarechtlichen Aspekten eine Berichtspflicht des Vorstandes vor Ausnutzung des genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss befürwortet, räumt ein, dass sowohl der Wortlaut als auch die Entstehungsgeschichte von Artikel 29 der Richtlinie €gegen eine Erstreckung der Berichtspflicht auf die Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts sprechen€ (vgl. Hirte, DStR 2001/577, 580). Er meint jedoch, es sei durchaus möglich, dass sich der europäische Gesetzgeber der bloßen Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts nicht mit der gleichen Sorgfalt gewidmet habe wie dem Direktausschluss. Deshalb verlören Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Norm an Überzeugungskraft.

Auf diesem Wege kommt Hirte schließlich zu dem Ergebnis, man €sollte€ Artikel 29 Absatz 5 in der Weise auslegen, dass die Norm für den Fall einer Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts eine sinngemäße Anwendung der Vorschrift über die Berichtspflicht verlangt und €sinngemä߀ heiße, dass im Zeitpunkt der Ausnutzung der Ermächtigung zu berichten sei (a.a.O., S. 581).

Dieser vereinzelten Meinung vermag sich der Senat nicht anzuschließen, weil es nicht darauf ankommt, was europarechtlich nach Ansicht Hirtes hätte geregelt werden sollen, sondern was die betreffende Richtlinie tatsächlich geregelt hat.

Aus diesem Grunde besteht auch kein Anlass, eine Vorab-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen. Dabei kann offen bleiben, ob die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf den hier zu beurteilenden Streitstoff derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Denn diesen Maßstab für eine Vorlagepflicht nach Artikel 177 Absatz 3 EWG Vertrag (heute Artikel 234 Absatz 3 EG Vertrag) hat der Europäische Gerichtshof nur für den Fall aufgestellt, dass die Entscheidung, die in einem Verfahren ergeht, in dem eine Frage des Gemeinschaftsrechts gestellt worden ist, nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann (vgl. EuGH NJW 1983/1257). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn der Senat hat für diesen Teil der Entscheidung die Revision zugelassen.

VI. Die Klägerin hat alle Haupt- und Hilfsanträge zu 1 c auch für zukünftige Ermächtigungsbeschlüsse gestellt. Während für den Unterlassungsantrag bezüglich des bereits genehmigten, aber bisher noch nicht ausgenutzten Kapitals ein Rechtsschutzinteresse (teilweise) zu bejahen war (siehe oben Ziffer V 1), fehlt dieses in Bezug auf bisher noch gar nicht genehmigtes Kapital. Insoweit besteht gegenwärtig keine Gefahr, die einen Unterlassungsantrag rechtfertigen könnte.

VII. Mit dem zweiten Hilfsantrag zum Berufungsantrag 1 c begehrt die Klägerin die Feststellung der Berichtspflicht der Beklagten vor einer Beschlussfassung des Vorstandes über eine weitere Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital. Auch dieser Antrag soll sowohl Vorstandsbeschlüsse aufgrund bereits genehmigten Kapitals als auch Fälle aufgrund späterer Ermächtigungsbeschlüsse durch zukünftige Hauptversammlungen erfassen. Bezüglich beider Zielrichtungen ist der Feststellungsantrag unzulässig.

1. Soweit der Antrag die vermeintliche Berichtspflicht vor Ausnutzung des bereits genehmigten Kapitals betrifft, fehlt ein Feststellungsinteresse, weil bereits im Rahmen der vorrangigen Unterlassungsklage (oben Ziffer V) über die Berichtspflicht entschieden wird.

2. Soweit sich der Feststellungsantrag auf zukünftige Kapitalerhöhungen bezieht, für die noch keine Ermächtigungsbeschlüsse existieren, fehlt ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO).

VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, und die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 708 Ziffer 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO.

Soweit der Senat über die umstrittene Berichtspflicht des Vorstandes in der Sache entschieden hat (oben Ziffer V 2), hat er die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 1 ZPO n. F. zugelassen, da die Rechtssache in Anbetracht der unterschiedlichen Meinungen in der juristischen Literatur und der noch fehlenden (ausdrücklichen) höchstrichterlichen Entscheidung grundsätzliche Bedeutung hat.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 01.04.2003
Az: 5 U 54/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8ee20dfcb8e7/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_1-April-2003_Az_5-U-54-01




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