Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. April 2000
Aktenzeichen: 34 W (pat) 61/98

(BPatG: Beschluss v. 14.04.2000, Az.: 34 W (pat) 61/98)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 65 B des Deutschen Patentamts vom 3. Juni 1998 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung:

Vorrichtung und Verfahren zum Kaltverformen eines Metall/Kunststoffverbundes zu einer Formpackung.

Anmeldetag: 23. Juni 1995.

Die Priorität der Anmeldung in der Schweiz vom 21. März 1995 ist in Anspruch genommen.

(Aktenzeichen der Erstanmeldung: 00798/95-3).

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 14, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2000, Beschreibung Seiten 1 und 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2000, Beschreibung Seiten 2, 2a, 2b, 3 bis 5 und 7 bis 14, eingegangen am 10. April 2000, zwei Blatt Zeichnung, Figuren 1 bis 4, eingegangen am 10. April 2000.

Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Prüfungsstelle die Anmeldung wegen mangelnder Patentfähigkeit ihres Gegenstandes zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit den im Tenor dieses Beschlusses genannten Unterlagen zu erteilen, ferner, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Die Anmelderin hat im Beschwerdeverfahren vierzehn neugefaßte Patentansprüche vorgelegt und ist der Meinung, daß der im Verfahren befindliche Stand der Technik nach den Druckschriften DE 26 56 421 C2, DE 39 40 346 C1 und DE 32 02 020 A1 die Gegenstände dieser Ansprüche nicht nahelege.

Patentanspruch 1 lautet:

Vorrichtung zum Kaltverformen eines Metall/Kunststoff-Verbundes zu einer Formpackung mit Gesenköffnungen für jeweils einen Stempelkörper aufweisender Matrize und einem dieser zugeordneten Niederhalter, der zum klemmenden Halten des Metall/Kunststoff-Verbundes auf die diesem zugekehrte Oberfläche der Matrize auflegbar vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Matrize (10) und der Niederhalter (18) einander gegenüberliegende rahmenartige Randbereiche (14, 20) aufweisen und die Matrize innerhalb ihres Randbereiches mit einem Schulterbereich (16), der die Gesenköffnungen (12) enthält und umgibt, versehen ist sowie die Oberfläche des Schulterbereichs um ein Maß (a) von 0,01 mm bis 10 mm tiefer liegt als die Oberfläche des Randbereiches der Matrize, und daß der Randbereich (20) des Niederhalters (18) und der Randbereich (14) der Matrize (10) in Arbeitstellung über dem Metall/Kunststoff-Verbund einander anliegen und der Schulterbereich (16) der Matrize in Abstand (a) zu den gegenüberliegenden Flächen des Niederhalters liegt.

Ansprüche 2 bis 12 sind auf Patentanspruch 1 rückbezogen.

Patentanspruch 13 lautet:

Verfahren zum Herstellen von kaltverformten Formpackungen aus einem Metall/Kunststoff-Verbund durch Ziehen des Verbundes mittels einer Gesenköffnungen aufweisenden Matrize und eines Niederhalters, die den Verbund festlegen, sowie mit Stempelkörpern für die Gesenköffnungen, die den Verbund verformen, unter Verwendung der Vorrichtung nach einem der voraufgehenden Patentansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Metall/Kunststoff-Verbund zwischen einander gegenüberliegenden Randbereichen von Matrize und Niederhalter klemmend und unverstreckbar in Abstand von 0,01 mm bis 10 mm zur Oberfläche eines Schulterbereiches der Matrize festgelegt und anschließend über Schultern der sich innerhalb des Schulterbereiches in der Matrize befindenden Gesenköffnungen verformt wird, wobei der Verbund über die Oberfläche des Schulterbereiches gleitend oder fließend gezogen und/oder gestreckt wird.

Anspruch 14 ist auf das Verfahren nach Patentanspruch 13 rückbezogen.

Wegen Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

1. Zu formalen Bedenken gegen das geltende Patentbegehren besteht kein Anlaß.

Anspruch 1 ist gebildet aus Merkmalen der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 9.

Die kennzeichnenden Merkmale der Ansprüche 2 bis 14 entsprechen im wesentlichen den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 10 (Teil), 10 (Teil), 12 (Teil), 12 (Teil), 8, 2, 5, 6 (Teil), 6 (Teil), 3, 7 sowie 13 und 14.

2. Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 ist gegeben: Im Stand der Technik fehlt ua das Merkmal, daß die Matrize innerhalb ihres Randbereiches mit einem Schulterbereich versehen ist, der die Gesenköffnungen enthält und umgibt. Es wird auf die nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit verwiesen.

3. Die zweifellos gewerblich anwendbare Vorrichtung zum Kaltverformen eines Metall/Kunststoff-Verbundes zu einer Formpackung beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

Formpackungen aus metallfolienhaltigen Laminaten lassen sich wegen der verhältnismäßig geringen Streckbarkeit der verwendeten Metallfolien nur mit geringer Steigung der Seitenwandungen der Vertiefungen in einem Kaltverformungsverfahren herstellen, s Beschreibung der vorliegenden Anmeldung S 1 Abs 3.

In der nächstkommenden Entgegenhaltung, der DE 26 56 421 C2, ist eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1 gezeigt und beschrieben, mit welcher aus einem Metall/Kunststoff-Verbund Packungen hergestellt werden, die Vertiefungen zur Aufnahme der Ware, zB Arzneizäpfchen, aufweisen. Die Druckschrift lehrt, zur Erzielung eines beim Tiefziehvorgang der Vertiefungen benötigten Werkstoffüberschusses vor deren Formung zunächst Querkanäle in dem eingesetzten Folienstück zu bilden, s ua Sp 6 Z 45 ff. Bei dem anschließenden (Kalt-) Verformvorgang der Vertiefungen wird Material aus diesen Querkanälen nachgezogen, wobei der Metall/Kunststoff-Verbund gleichzeitig auch gestreckt werden kann, s Sp 6 Z 56 bis 61.

Die so hergestellten fertigen Packungen weisen ua am Rand Reste der Querkanäle bzw Falten auf, s Fig 7, die bei der in der Entgegenhaltung beschriebenen Verpackung von Arzneizäpfchen hinnehmbar sein können, bei vielen anderen Anwendungsfällen aber störend sind, zB dann, wenn der Randbereich der Formpackung zum Aufsiegeln eines Deckels herangezogen werden soll.

Hiervon ausgehend ist die der Anmeldung zugrundegelegte Aufgabe, eine Vorrichtung und ein Verfahren zu entwickeln, die es ermöglichen, metallfolienhaltige Verbunde durch Kaltverformen zu Formpackungen bzw Formteilen faltenfrei und mit großer Seitenwandsteigung zu erzeugen, s Beschreibung S 2a Abs 2.

Die Lösung dieser Aufgabe ist bezüglich der Vorrichtung durch die Merkmale des Kennzeichens des Anspruchs 1 gegeben.

Der grundlegende Gedanke der Erfindung liegt darin, ein Fließen des Packungsmaterials aus den Abschnitten zwischen dem Randbereich der Matrize und den Rändern der Gesenköffnungen in die Vertiefungen hinein zu ermöglichen. Hierdurch wird ein lokales Überstrecken des Metall/Kunststoff-Verbundes vermieden.

Die DE 26 56 421 C2 konnte dem Fachmann ersichtlich weder eine Anregung für den Grundgedanken der Erfindung noch für die getroffene konstruktive Ausformung dieses Gedankens geben.

Auch bei zusätzlicher Berücksichtigung der weiteren Entgegenhaltungen DE 39 40 346 C1 und DE 32 02 020 A1 konnte der Fachmann nicht ohne erfinderische Tätigkeit zum Anmeldungsgegenstand gelangen. Diese Druckschriften betreffen beide keine Vorrichtung zum Kaltverformen eines Metall/Kunststoff-Verbundes, sondern haben Vorrichtungen zum Herstellen von Formpackungen aus warm verformbarem Material zum Inhalt.

Der DE 39 40 346 C1 ist zu entnehmen, daß sowohl in einer Vorformstation als auch in einer Tiefziehstation die Folie bei geschlossenem Werkzeug jeweils am Stationsrand eingespannt ist. In der Fig 1 der Entgegenhaltung ist gezeigt, daß die Matrize und der Niederhalter einander gegenüberliegende rahmenartige Randbereiche aufweisen und der Niederhalter innerhalb seines Randbereiches mit einem Schulterbereich versehen ist. Die Ausbildung dieses Schulterbereichs im Niederhalter dient dazu, daß der zur Sterilisation von oben in das Formwerkzeug zugeführte Wasserdampf die Oberseite des Behältermaterials (Innenseite der fertigen Behälter) vollflächig und gleichmäßig beaufschlagen kann.

Dies vermochte dem Fachmann keinen Hinweis zu geben, bei einer Vorrichtung zum Kaltverformen eines Metall/Kunststoff-Verbundes zu einer Formpackung zur Verbesserung des Fließens des Behältermaterials einen Schulterbereich in dem anderen Teil des Formwerkzeugs - nämlich der Matrize - anzuordnen und darüberhinaus die weiteren Merkmale des Kennzeichens vorzusehen.

Die DE 32 02 020 A1 führt von der Erfindung weg, da bei ihr das Folienmaterial zwischen Matrize und Niederhalter (unterer Prägestempel 5a und oberer Gegenstempel 5b) in Arbeitsstellung außerhalb der Bereiche der Öffnungen der Matrize vollständig eingeklemmt wird, s Fig 2.

Anspruch 1 ist daher gewährbar.

4. Unteransprüche 2 bis 12 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands nach Patentanspruch 1 und sind daher ebenfalls gewährbar.

5. Das vorstehend zu Anspruch 1 Gesagte gilt in analoger Weise auch für das Verfahren nach Anspruch 13 "zum Herstellen von kaltverformten Formpackungen aus einem Metall/Kunststoff-Verbund ... unter Verwendung der Vorrichtung nach einem der voraufgehenden Patentansprüche". Anspruch 13 ist daher ebenfalls gewährbar.

6. Unteranspruch 14 betrifft eine zweckmäßige Ausgestaltung des Verfahrens nach Patentanspruch 13 und wird von diesem getragen.

7. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist geboten, weil billig.

Eine einmalige Anhörung auf Antrag der Anmelderin ist im Prüfungsverfahren in aller Regel sachdienlich, s BPatGE 18, S 30. Die Sachdienlichkeit war vorliegend gegeben, da nach Äußerung der Anmelderin auf den Erstbescheid der Prüfungsstelle noch Meinungsverschiedenheiten über die Bewertung des Stands der Technik fortbestanden.

Lauster Hövelmann Dr. Frowein Ihsen Bb






BPatG:
Beschluss v. 14.04.2000
Az: 34 W (pat) 61/98


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