Landgericht Köln:
Urteil vom 14. Januar 2009
Aktenzeichen: 28 O 647/08

(LG Köln: Urteil v. 14.01.2009, Az.: 28 O 647/08)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern zu je 1/2 auferlegt.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten zur Nutzung von Zitaten des Schauspielers A im Rahmen eines Theaterstücks.

Die Klägerin ist die verwitwete Ehefrau des Schauspielers A. Der Kläger ist dessen Sohn.

Der Schauspieler A verfasste die Bücher "B 1", "B 2" und "B 3". Auch war er Partner in einem Interview, das in der Zeitschrift "Y" vom 15.03.1979 erschien und beteiligt an einer Talkshow des WDR vom 00.00.00 ("Z"). Hinsichtlich der von A stammenden Texte wird auf das Anlagenkonvolut K3 Bezug genommen.

Die Beklagten betreiben gemeinsam das "P". Dieses Theater führte das Stück "A - C1" auf verschiedenen Bühnen deutschlandweit auf. Das Theaterstück wurde - nach dem bestrittenen Vortrag der Beklagten - durch den C Theaterverlag verlegt. Rechte zur Übernahme von Originaltexten As wurden zuvor weder dem C Verlag noch den Beklagten eingeräumt.

Der Beklagte zu 1. ist der Regisseur, der Beklagte zu 2. der Schauspieler des Einmannstücks. Im Rahmen des Theaterstücks werden zahlreiche Passagen aus den vorgenannten Texten von A übernommen und teilweise leicht abgewandelt, teilweise unverändert bei den Aufführungen wiedergegeben. Die zitierten Texte entsprechen ca. 1/3 des gesamten Textes des Theaterstücks, das eine Gesamtlänge von ca. 50 Minuten hat. Die Zitate werden dabei über das gesamte Stück verteilt in verschiedenen Passagen von unterschiedlicher Dauer dargestellt. Hinsichtlich der Übernahmen wird auf die Anlagen K3, K5 und K6 Bezug genommen. Hinsichtlich des gesamten Theaterstücks wird auf den als Anlage K4 vorgelegten Mitschnitt einer Aufführung in I aus Juli 2008 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 13.08.2008 wurden die Beklagten abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Diese gaben eine solche nicht ab.

Die Kläger behaupten, sie seien die alleinigen Erben des A. Sie sind der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Texte des Erblassers Sprachwerke darstellten. Auch seien die Änderungen und das Einfügen der Zitate nicht als freie Bearbeitung in Sinne des § 24 UrhG zu betrachten. Die Übernahmen seien auch als Zitate nicht zulässig. Ein Zitatrecht sei nicht gegeben, da die Unabhängigkeit des Stückes der Beklagten von den Zitaten fehle, die Zitate unzulässig nicht als Belege verwendet würden und ununterscheidbar in das Stück integriert seien. Darüber hinaus fehle - unstreitig - die Quellenangabe. Darüber hinaus seien Änderungen der Texte im Rahmen des Zitatrechts nicht zulässig und die Länge der Zitate überstiege den gebotenen Umfang. Letztlich würde auch die Abwägung mit der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu keinem anderen Ergebnis führen.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 02.02.2009 haben die Kläger vorgetragen, dass sie und insbesondere der Kläger zu 1. eine wirtschaftliche Auswertung der Texte vornähmen. So sei ein Theaterstück ("sie haben so viel liebe gegeben, herr A") verfasst worden, an dessen Einnahmen die Kläger partizipierten und an dem A als Miturheber anzusehen sei. Auch aus verschiedenen Aufführungen, die in Passagen Ausschnitte aus Texten von A enthielten, flössen ihnen Einnahmen aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen zu. Auf die als Anlagen K8 bis K13 vorgelegten Verträge und Rechnungen wird Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, das Theaterstück "A - C1" aufzuführen und/oder aufführen zu lassen, solange darin Texte oder Interview-Äußerungen von A wie in den Anlagen K5 und K6 verwendet werden;

2. die Beklagten zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, wo und wann das Theaterstück "A - C1" von ihnen aufgeführt wurde, wie viele Sitzplätze vorhanden und wie viele Zuschauer jeweils anwesend waren und welche Einnahmen dadurch erzielt wurden und hierüber Rechnung zu legen;

3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, den Klägern den Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die Handlungen gemäß Antrag zu 1. entstanden sind.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten die Stellung der Kläger als alleinige Erben mit Nichtwissen, da ein Verwalter - unstreitig - Rechte an den Texten geltend machte. Das Theaterstück sei im C Theaterverlag verlegt worden. Von diesem habe der Beklagte zu 1. die entsprechenden Rechte erworben.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Nutzung der Zitate im Rahmen einer freien Bearbeitung zulässig sei, soweit überhaupt insgesamt bei den einzelnen Äußerungen die Schöpfungshöhe erreicht sei. Selbst wenn eine freie Bearbeitung nicht angenommen würde, sie die Nutzung der Zitate im Rahmen von § 51 UrhG zulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die von ihnen eingereichten Urkunden, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Klage ist unbegründet, da weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch Auskunfts- oder Feststellungsansprüche aufgrund der Nutzung von Texten des Schauspielers A im Rahmen des Theaterstücks "A - C1" besteht. In die Rechte der Kläger wird nicht eingegriffen, da das aufgeführte Theaterstück im Ergebnis eine freie Benutzung der streitgegenständlichen Textpassagen darstellt. Im Einzelnen:

1. Der Unterlassungsanspruch der Kläger gegen die Beklagten ergibt sich nicht aus §§ 97, 2 UrhG.

a. Dabei kann offen bleiben, ob die Kläger zur Geltendmachung der entsprechenden Rechte berechtigt sind. Die Berechtigung kann sich daraus ergeben, dass die Kläger nach ihrem Vortrag die alleinige Erben (zu je ½) des Schauspielers A sind. Als solche wären sie zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadenersatzansprüche aktivlegitimiert, da die Nutzungsrechte für jegliche Auswertungshandlungen, also auch die Auswertung im Rahmen eines Theaterstücks, des verstorbenen Schauspielers A nach dessen Tod auf die alleinige Erben gemäß § 29 UrhG übergegangen sind. Unstreitig war A Urheber der streitgegenständlichen Texte.

Ob die Kläger als alleinige Erben des A anzusehen sind, ist zwischen den Parteien umstritten. Insoweit legen die Kläger zwar das Testament des Schauspielers vor, aus dem sich die Stellung der Erben ergibt. Jedoch geht aus einer E-Mail und auch aus den mit nachgelassenem Schriftsatz vom 02.02.2009 vorgelegten Verträgen hervor, dass Verträge über die Nutzungsrechte durch die "A Productions, Herrn H an Dritte eingeräumt werden. So wird die "A Productions" in einem Vertrag mit dem S. W Verlag GmbH ausdrücklich als "Rechtegeber" benannt. Dies kann Zweifel an der Rechteinhaberschaft der Kläger begründen. Ob die Kläger aktivlegitimiert sind, kann jedoch letztlich offen bleiben, da eine Verletzungshandlung nicht gegeben ist.

b. Die streitgegenständlichen Textpassagen sind als Sprachwerke anzusehen, da sie - auch jede übernommene Passage für sich betrachtet - individuelle geistige Schöpfungen durch Sprache darstellen (§ 2 Abs. 2 UrhG). Dabei ist zu berücksichtigen, dass unter Umständen auch ein bescheidenes Maß solch geistiger Betätigung genügen kann (BGH, GRUR 1981, 352 [353] - Staatsexamensarbeit; GRUR 1991, 130 [133] - Themenkatalog). Das erforderliche Wirken kann sich grundsätzlich auf den Inhalt, die Formulierung, die Sammlung, die Einteilung und die Anordnung des Stoffes beziehen, so dass sich die erforderliche geistige Schöpfung grundsätzlich aus zwei Gesichtspunkten ergeben kann: einmal aus einer eigenschöpferischen Gedankenformung und

-führung des dargestellten Inhalts, zum anderen aus der besonders geistvollen Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes (vgl. OLG Düsseldorf in NJOZ 2002, 2454 ff, m.w.N.). Während der zweite Gesichtspunkt auf die äußere Formgestaltung, die Art und Weise der Darstellung abstellt, stellt der erste Gesichtspunkt Bezüge zum Werkinhalt her.

Die Frage, ob ein Schriftwerk einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzt, bemisst sich nach dem geistigschöpferischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung, und zwar im Gesamtvergleich gegenüber vorbekannten Gestaltungen. Lassen sich nach Maßgabe des Gesamtvergleichs mit dem Vorbekannten schöpferische Eigenheiten feststellen, so sind die der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit gegenüberzustellen.

Von den vorstehenden Erwägungen ausgehend sind die streitgegenständlichen Textpassagen als Sprachwerke anzusehen. Dies ist bei den längeren Ausschnitten aus Büchern des Schauspielers A ohne weiteres der Fall. Aber auch soweit nur einzelne Sätze übernommen wurden, liegen Sprachwerke vor. Zwar kommt es hier darauf an, ob die konkrete entlehnte Textpassage für sich selbst eine persönlich geistige Schöpfung darstellt, also für sich selbst Urheberrechtsschutz genießt. Voraussetzung für den Schutz von Werkteilen gegen Verletzungshandlungen ist es, dass der entlehnte Teil für sich genommen den Schutzvoraussetzungen des § 2 UrhG genügt, also eine geistige Schöpfung darstellt (vgl. OLG Düsseldorf in NJOZ 2002, 2454, m.w.N.). Bei übernommenen einzelnen Sätzen oder Textpassagen aus einem Schriftwerk ist hierbei zunächst zu fragen, ob sie noch ausreichenden Raum für die Individualität bieten, auf der der (etwaige) Urheberschutz des Gesamtwerkes beruht. Insoweit ist auch die Gesamtleistung mit in den Blick zu nehmen. Allerdings braucht sich die besondere Eigenart des Werkes als Ganzes nicht notwendigerweise in dem Werkteil zu offenbaren; ausreichend - aber auch erforderlich - ist, dass der Werkteil als solcher eine persönlich geistige Schöpfung ist. Soweit Werkteile hiernach selbst keine persönliche geistige Schöpfung darstellen, ist ihre Benutzung urheberrechtlich erlaubt.

Vor diesem Hintergrund liegt eine Übernahme von schutzfähigen Elementen durch die Beklagten in ihr Theaterstück vor: Wie auch die Beklagten ausdrücklich einräumen, verfügte der Schauspieler A insgesamt über eine eigentümliche Sprache. Diese "höchst eigentümliche Art zu sprechen" kommt auch nach dem Vortrag der Beklagten "in jedem einzelnen seiner Sätze zum Ausdruck" (Bl. 78 d.A.). Dem schließt sich die Kammer an, so dass die notwendige Schöpfungshöhe auch für die einzelnen Sätze anzunehmen ist. Hierfür spricht auch, dass die entnommenen Zitate insbesondere für die Einstellungen und Auffassungen des Schauspielers A relevant sind und diese deutlich zum Ausdruck bringen. Diese sind darüber hinaus prägnant und einprägsam formuliert.

c. Diese Texte haben die Beklagten durch die Aufführung des Theaterstücks öffentlich wiedergegeben (§ 19 UrhG).

d. Die öffentliche Wiedergabe der Texte stellt im Ergebnis eine freie Benutzung (§ 24 UrhG) der Ausgangstexte des Künstlers A dar.

Bei der Frage, ob eine zulässige freie Benutzung in Sinne des § 24 UrhG oder eine unzulässige Bearbeitung eines Werkes (§ 23 UrhG) vorliegt, ist zu untersuchen, durch welche - die urheberrechtliche Schutzfähigkeit begründenden - objektiven Merkmale die zitierten Textpassagen geprägt sind, und danach durch einen Vergleich der Vorlagen mit dem Theaterstück zu bestimmen, in welchem Umfang urheberrechtlich schutzfähige Elemente der Vorlagen für die Gestaltung des Stücks übernommen worden sind (vgl. BGH, GRUR 1981, 267, 269 - Dirlada). Sodann kann eine nach § 24 UrhG zulässige freie Benutzung eines geschützten älteren Werkes nur angenommen werden, wenn das neue Werk gegenüber dem benutzten Werk selbständig ist. Maßgebend dafür ist der Abstand, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält. Dabei ist kein zu milder Maßstab anzulegen. Eine freie Benutzung setzt daher voraus, dass angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen (vgl. BGH in GRUR 1994, 191 - Asterix - Persiflagen, m.w.N.). In der Regel geschieht dies dadurch, dass die dem geschützten älteren Werk entlehnten eigenpersönlichen Züge in dem neuen Werk in der Weise zurücktreten, dass das neue Werk nicht mehr in relevantem Umfang das ältere benutzt, so dass dieses nur noch als Anregung zu neuem, selbständigem Werkschaffen erscheint.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Zitate nicht nur als Anregungen dienten, sondern auch aufgrund ihres Umfanges von ca. 1/3 einen wesentlichen Teil des Theaterstücks ausmachen und es auch der Intention der Beklagten entspricht, die Person des Schauspielers A - teilweise - mit dessen Originaltexten zu charakterisieren.

Eine freie Benutzung ist indes nicht nur dann anzunehmen, wenn die aus dem geschützten älteren Werk entlehnten eigenpersönlichen Züge in dem neuen Werk in einem eher wörtlichen Sinn verblassen und demgemäß in diesem so zurücktreten, dass das ältere in dem neuen Werk nur noch schwach und in urheberrechtlich nicht mehr relevanter Weise durchschimmert. Wäre eine freie Benutzung nur in dieser Weise möglich, wären der künstlerischen Auseinandersetzung mit noch geschützten Werken, sei es in der Form der Parodie, sei es in anderer Form zu enge Schranken gesetzt (vgl. BGH GRUR 1971, 588, 589 - Disney-Parodie). Denn eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem älteren Werk kann es erforderlich machen, dass das ursprüngliche Werk und seine Eigenheiten, soweit sie Gegenstand der Auseinandersetzung sind, in dem neuen Werk erkennbar bleiben. Der für eine freie Benutzung erforderliche Abstand zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes kann - selbst bei deutlichen Übernahmen gerade in der Formgestaltung - auch dadurch gegeben sein, dass das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des älteren Werkes aufgrund des eigenschöpferischen Schaffens einen so großen inneren Abstand hält, dass das neue Werk seinem Wesen nach als selbständig anzusehen ist. Auch in einem solchen Fall "verblassen" in einem weiteren Sinn die entlehnten eigenpersönlichen Züge des älteren Werkes in dem neuen; sie werden von dessen eigenschöpferischem Gehalt "überlagert" (vgl. BGH in GRUR 1994, 191, m.w.N.). Für eine freie Benutzung kann dabei auch die Übertragung eines Werkes in eine andere Werkart sprechen (vgl. Dreier/Schulze, UrhG, 3. Auflage, § 24 Rn. 19).

In der Regel wird der dazu erforderliche innere Abstand zu entlehnten eigenpersönlichen Zügen eines älteren Werkes bei einer weitgehenden Übernahme in der Formgestaltung nur dann gegeben sein, wenn sich das neue Werk mit dem älteren auseinandersetzt, wie dies etwa bei einer Parodie der Fall ist. Zwingend ist dies jedoch nicht. Auch in anderen Fällen kann eine freie Benutzung gegeben sein (vgl. BGH a.a.O., m.w.N.). Gerade in einem solchen Fall ist aber eine strenge Beurteilung angebracht, ob das neue Werk derart durch eigenschöpferische Leistung einen inneren Abstand zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen gewonnen hat, dass von einem selbständigen Werk gesprochen werden kann. Eine abhängige Bearbeitung eines geschützten Werkes ist nicht stets schon anzunehmen, wenn das neue Werk auf das ältere deutlich Bezug nimmt (vgl. BGH a.a.O., m.w.N.). Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob mit einer Bezugnahme die Übernahme eigenpersönlicher Merkmale verbunden ist. Im Rahmen der Einzelfallabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass ein geringfügiger Eingriff in die Urheberrechte gegenüber der Kunstfreiheit zurücktreten kann. Das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen der Auslegung des Zitatrechts (§ 51 UrhG) ausgeführt, dass das Verwertungsinteresse des Berechtigten bei nur geringen wirtschaftlichen Nachteilen hinter den Interessen der Kunstfreiheit zurücktreten muss (BVerfG in GRUR 2001, 149, 151 - Germania 3).

Die hierbei entwickelten Grundsätze sind auch im Rahmen der Einzelfallentscheidung bei der Frage, ob eine freie Benutzung vorliegt, zu berücksichtigen. Denn auch bei der freien Benutzung handelt es sich - wie auch bei dem Zitatrecht - um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift. In beiden Vorschriften werden jeweils die Rechte des Urhebers, die letztlich auf Art. 14 GG zurückgehen (vgl. BVerfG a.a.O.), eingeschränkt, um eine Auseinandersetzung mit dem Werk durch Dritte zu ermöglichen. Die für die Auslegung der Vorschriften zugrunde zu legenden grundrechtlich geschützten Positionen sind insgesamt vergleichbar. Die durch das Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze sind daher sowohl bei der Abwägung im Rahmen des Zitatrechts als auch bei der Frage, ob eine Bearbeitung oder eine freie Benutzung vorliegt (vgl. hierzu auch: Bullinger in Wandtke/Bullinger, UrhG, 3. Auflage, § 24 Rn. 13), zu berücksichtigen.

Vor diesem Hintergrund ist im Kontext einer eigenständigen künstlerischen Gestaltung die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG in die Erwägungen einzubeziehen, wenn die Darstellung der Textpassagen nicht lediglich der Ausnutzung eines fremden Arbeitsergebnisses dient, sondern der Verdeutlichung übereinstimmender Meinungen und zum besseren Verständnis der eigenen Ausführungen bestimmt ist. In diesem Zusammenhang ist ein Künstler berechtigt, urheberrechtlich geschützte Sprachwerke in sein Werk aufzunehmen, soweit sie als solche Gegenstand und Gestaltungsmittel seiner eigenen künstlerischen Aussage bleiben (vgl. BVerfG a.a.O.). Gerade wenn sich die eigene Ausdrucksform mit einer Person der Zeitgeschichte - wie sie der Schauspieler A darstellt - auseinandersetzt, kann es ein von der Kunstfreiheit umfasstes Anliegen sein, die eigene Darstellungsweise dadurch zu kennzeichnen, dass Teile anderer Sprachwerke hierin aufgenommen werden. In solchen Fällen ist aufgrund einer Würdigung im Einzelfall zu entscheiden, ob die Einbeziehung fremder Sprachwerke tatsächlich lediglich eine Anreicherung eines Werkes durch fremdes geistiges Eigentum ist, oder sie von der Kunstfreiheit umfasst wird.

Das BVerfG (a.a.O.) hat hierzu ausgeführt:

"Die künstlerische Verarbeitung fremder Texte ist eben nicht auf eine kritische Erörterung der darin enthaltenen Aussage beschränkt, sondern kann sich in verschiedenen Formen vollziehen, die der Künstler nach seinen ästhetischen Vorstellungen auswählt. Die Zulässigkeit der Verwendung des fremden Textes im Rahmen eines Kunstwerks hängt nicht davon ab, ob der Künstler sich damit "auseinander setzt", maßgeblich ist vielmehr allein, ob es sich funktional in die künstlerische Gestaltung und Intention seines Werks einfügt und damit als integraler Bestandteil einer eigenständigen künstlerischen Aussage erscheint."

Im Rahmen der vorgenannten Abwägung ist die Frage, ob eine freie Benutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes vorliegt, nicht vom Standpunkt eines Durchschnittsbetrachters dieses Werkes aus zu beurteilen. Denn wenn der notwendige - und im Hinblick auf die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) auch gebotene - Freiraum gerade für anspruchsvolleres künstlerisches Schaffen nicht zu sehr eingeengt werden soll, kann die Frage, ob eine freie Benutzung vorliegt, nur vom Standpunkt eines Betrachters aus beurteilt werden, der die Vorlage kennt, aber auch das für das neue Werk erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt (vgl. BGH a.a.O., m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen liegt in dem streitgegenständlichen Theaterstück eine freie Bearbeitung im Sinne des § 24 UrhG. Zwar ergeben sich die eigenpersönlichen Züge der jeweils zitierten Textpassagen sowohl aus dem Inhalt als auch aus der Art der Formulierung und der Sprachwahl des Ausgangstextes. Im Gesamtkontext der Darstellung der Beklagten - wie sie dem eingereichten Mitschnitt zu entnehmen ist - stellt jedoch bereits die Anordnung und teilweise Umformulierung der zitierten Textstellen kein bloßes Stilmittel, sondern ein eigenständiges künstlerisches Schaffen dar. So wird beispielsweise der Text "B 1" nicht bezogen auf Jesus Christus wiedergegeben; vielmehr bezieht sich das streitgegenständliche Theaterstück ausdrücklich auf den Schauspieler A selbst. Darüber hinaus wird die streitgegenständliche Textpassage durch das Einfügen und Verändern einzelner Worte auf die Person des A zugeschnitten. Das erste Zitat lautet im Originaltext wie folgt:

"Angeklagt wegen Verführung, anarchistischer Tendenzen, Verschwörung gegen die Staatsgewalt."

Dieser Satz lautet im Theaterstück:

"Angeklagt wegen Verführung, anarchischer Tendenzen, Beleidigung, Volksaufwiegelung, Verschwörung gegen die Staatsgewalt, Kulturschändung, Brandstiftung, Sittenwidrigkeit, Jähzorn, unschicklicher Ekstasen, Verbalorgien, hemmungsloser Libido".

U. a. dieses Zitat zeigt, dass die entlehnten Textstellen im Zusammenhang mit der künstlerischen Auseinandersetzung mit der Person verwandt wurden. Denn die Textstelle des Buches "B 1" sollte sich in erster Linie auf das Leben von Jesus Christus beziehen und nicht auf den Schauspieler A selbst. Durch die partielle Übernahme der Wortwahl und des Steckbriefes und die erhebliche Erweiterung der angeblichen "Verbrechen" wird im Theaterstück deutlich, dass eine besondere Auseinandersetzung mit der Person A gewollt ist. Hier werden die (vermeintlichen) Charaktereigenschaften des Schauspielers aufgegriffen, was gerade der Auseinandersetzung mit seiner Person dient. Durch die teilweise Übernahme der Wortwahl und des Steckbriefaufbaus kann das Theaterstück ein besonderes Maß an Authenzität erreichen, ohne dass lediglich eine Anreicherung des Theaterstücks mit fremden Zitaten erfolgt.

Die gilt auch für weitere Zitate. Ein weiteres Zitat aus dem Buch "B 1" lautet wir folgt:

"Decknamen: Menschensohn, Friedensbringer, Licht der Welt, Erlöser."

Dieses Zitat wird in das Theaterstück mit folgendem Text eingebunden:

"Decknamen: Deklamator, Flammenwerfer, Berufsirrer, Exzentriker, wildernder Orpheus, Bösewicht, Genie, Erotomane, rezitierter Urknall, Dämon, Besessener, Mörder vom Dienst, Kulturschänder."

Auch diese Textstelle zeigt, die Auseinandersetzung mit der Person und in besonderer Form mit dem Werk des Schauspielers A. So werden seine Rollen und sein Wirken als Schauspieler in die Decknamen mit aufgenommen und wiedergegeben. Die häufig durch den Schauspieler dargestellten "Bösewichte" und "Mörder" werden, anders als bei der Beschreibung des Jesus Christus durch A aufgenommen. Hier zeigt sich auch, dass die Texte insoweit lediglich als Anregung für das Schaffen dienen, da die Änderung der gesuchten Person im Steckbrief nicht lediglich durch einen Austausch der Personen vorgenommen wurde, sondern auch die jeweiligen Beschreibungen in wesentlichen Teilen geändert und angepasst wurden.

Teilweise werden bei den Zitaten lediglich einzelne Sätze übernommen; andere Passagen werden gekürzt dargestellt und damit der Person des A charakterisierend angepasst. So lautet eine Textstelle im Text des Schauspielers A wie folgt:

"Sie werden euch auslachen und verhöhnen und anspucken und schlagen und verfolgen und misshandeln und einsperren und töten.

Habt keine Angst vor denen, die den Körper töten. Eure brennenden Herzen können sie nicht ersticken."

Die Textstelle wird im Theaterstück wie folgt zitiert:

"Sie werden euch auslachen und verhöhnen und anspucken und verfolgen, misshandeln, schlagen, einsperren, foltern und töten.

Eure brennenden Herzen können sie nicht ersticken."

Hieraus wird deutlich, dass durch die geänderte Bezugsperson eine Auseinandersetzung mit der Person A und seinem Lebenswerk insgesamt Gegenstand des Theaterstücks ist. Dies zeigt sich hier insbesondere an der bewussten Auslassung des Satzes "Habt keine Angst vor denen, die den Körper töten", die sich nur auf Jesus Christus beziehen konnte.

Darüber hinaus sind die übernommenen Textstellen insgesamt über das gesamte Theaterstück verteilt. Die Zitate aus den verschiedenen Werken As werden nicht lediglich aneinandergereiht, sondern in eine neue Reihenfolge gebracht und so der Dramaturgie des Theaterstücks angepasst. Sie werden in eigene Texte eingebunden, um auf diese Weise die Auseinandersetzung mit der Person des A weiter zu verdeutlichen bzw. zu ermöglichen. Das Einbinden der Zitate in den zusammenhängenden Kontext des Theaterstücks, ohne dass dem Zuschauer auffällt, dass die einzelnen Zitate durch den Urheber ursprünglich nicht aneinander gereiht waren und auch keinen Bezug zueinander hatten, stellt ebenfalls eine eigene schöpferische Leistung dar, die für ein Verblassen des ursprünglichen Textes spricht. Dass dieser erkennbar bleibt und auch erkennbar bleiben soll, spielt dabei - wie dargelegt - keine entscheidende Rolle.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist auch die Änderung der Werkart für die Frage, ob eine freie Benutzung vorliegt, im Rahmen der künstlerischen Auseinandersetzung mit der Person A zu berücksichtigen. Auch diese Transformation spricht - insbesondere unter der Einbeziehung der Kunstfreiheit - für die Annahme einer freien Benutzung. Denn auch durch die Darstellungsweise zeigt sich, dass die ursprünglichen Texte nicht lediglich durch das Theaterstück übernommen werden, sondern diese mit einer eigenen künstlerischen Intention durch die Beklagten versehen werden. Wie bereits dem Tonmitschnitt zu entnehmen ist, spielt nämlich auch die Art der Darstellung des Inhaltes im Rahmen des Theaterstücks eine wesentliche Rolle. So stellen die Beklagten durch die Ausdrucksformen, die in Lautstärke und Betonung der einzelnen Textteile ihren Niederschlag gefunden haben, die vermeintliche Gefühlswelt bzw. die Gemütslage des Schauspielers A weiter dar. Es kommt im Rahmen der Aufführung beispielsweise die Erregung des gespielten A über einen hustenden Zuschauer durch die Stimmfarbe und die Lautstärke deutlich zum Ausdruck. Dies gilt auch für die übernommene Darstellung des "Steckbriefes". Auch hier beginnt die Darstellung mit einer eher ruhigen Darstellung des Inhaltes des Steckbriefes und endet darin, dass sich der Schauspieler über diesen - für den Zuschauer allein aufgrund der Betonungen leicht erkennbar - in hohem Maße echauffiert.

Gerade vor dem Hintergrund, dass die Beurteilung der Frage, ob eine freie Benutzung (§ 24 UrhG) oder eine Bearbeitung (§ 23 UrhG) vorliegt von dem Standpunkt eines Zuschauers vorgenommen werden muss, der beide Texte kennt (s. o.), wird für diesen die gewollte Nähe zum tatsächlichen Auftreten As deutlich und ermöglicht in besonderem Maß die künstlerisch gewollte und von der Kunstfreiheit umfasste Auseinandersetzung mit dem (Lebens-) Werk des Schauspielers A.

Auch die Tatsache, dass die Zitate einen Umfang von etwa 1/3 des Theaterstücks ausmachen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn wie dargelegt, werden zum einen nicht lediglich Zitate unreflektiert übernommen und aneinander gereiht, sondern umgestellt und umformuliert, in einen anderen Kontext gesetzt sowie durch die Darstellungsweise in einer anderen Form präsentiert. Vor diesem Hintergrund bleiben die eigenpersönlichen Züge des Ausgangswerkes zwar erkennbar, verblassen werden jedoch vor dem eigenschöpferischem Gehalt des Theaterstücks. Diese "überlagert" die Ausgangstexte in einem Maß, das eine freie Benutzung begründet.

Darüber hinaus kann entsprechend der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts (vgl. GRUR 2001, 149, 151 - Germania 3) angenommen werden, dass die wirtschaftlichen Interessen der Kläger nicht erheblich beeinträchtigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein merklicher Umsatzrückgang hinsichtlich der Bücher, aus denen Textstellen entnommen wurden, durch das Theaterstück nicht zu erwarten ist. Eine wirtschaftliche Auswertung von Äußerungen in Interviews ist kaum möglich.

Jedoch auch soweit nach dem Vortrag der Kläger eine Auswertung von Zitaten durch die Darstellung im Rahmen von Theaterstücken stattfindet, sind die zu erwartenden Einbußen nicht erheblich. Denn die Aufführung eines Theaterstücks ist - anders als bei einem öffentlichen Zugänglichmachen (§ 19a UrhG) - nur einem engen Personenkreis zugänglich. Insoweit verfängt die Argumentation der Kläger auch nicht, dass ein Theaterstück über die Person A anderen Theaterstücken, die sich ebenfalls mit dem Lebenswerk des Schauspielers auseinandersetzen, potentielle Zuschauer "wegnimmt". Denn die hieraus nur möglichen geringen Einbußen sind im Rahmen der Abwägung mit der Kunstfreiheit in Kauf zu nehmen. Hiervon geht auch das Bundesverfassungsgericht aus; die vorgenannte Entscheidung hatte sich ebenfalls mit der Frage auseinander zu setzen, welche Einbußen im Rahmen einer Theateraufführung in Kauf zu nehmen sind. Auch bei der dort streitgegenständlichen Darstellung wurden Textstellen aus Werken eines Dritten (Bertolt Brecht) übernommen und ohne die Zustimmung der Erben in ein eigenes Werk eingebunden.

Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Kriterien insbesondere auch der Kunstfreiheit auf der Seite der Beklagten und der Rechte aus Art. 14 GG auf der Seite der Kläger geht die Kammer im Rahmen eines Gesamtabwägung davon aus, dass die Kunstfreiheit insgesamt die Rechte der Kläger überwiegt, und daher von einem Verblassung der Ursprungswerkes auszugehen ist. Folglich liegt in der Übernahme der Texte As in das Theaterstück der Beklagten eine freie Benutzung der Sprachwerke gemäß § 24 UrhG.

e. Ob die Verwendung der streitgegenständlichen Zitate auch in entsprechender Anwendung des § 51 UrhG zulässig sein kann, braucht nicht entschieden zu werden. Insoweit müsste jedoch auch im Rahmen der Frage, ob ein zulässiges Zitat vorliegt, eine Abwägung hinsichtlich der sich gegenüberstehenden Grundrechte stattfinden. Gerade im Lichte der Kunstfreiheit können auch umfangreiche Zitate nach § 52 Nr. 2 UrhG zulässig sein. Denn nur so kann eine Auseinandersetzung mit dem Werk des jeweiligen Autors ermöglicht werden (vgl. OLG Brandenburg, OLGR 1996, 292). Ob dies dann von der Pflicht entbinden kann, ein Zitat als solches zu kennzeichnen (vgl. BverfG a.a.O.; OLG Brandenburg a.a.O.), kann jedoch ebenso offen bleiben wie die Fragen, ob im Rahmen des Zitatrechts eine Bearbeitung unter der Berücksichtigung der Kunstfreiheit zulässig sein kann und ob der zulässige Umfang des Zitatrechts überschritten ist.

2. Da eine Rechtsverletzung der Rechte der Kläger nicht vorliegt, kommen Ansprüche auf Schadenersatz oder Auskunft ebenfalls nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 30.000,00 EUR.






LG Köln:
Urteil v. 14.01.2009
Az: 28 O 647/08


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