Landgericht Hamburg:
Urteil vom 14. Oktober 2005
Aktenzeichen: 406 O 166/05

(LG Hamburg: Urteil v. 14.10.2005, Az.: 406 O 166/05)

Tenor

I. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 14. September 2005, Az. 406 O 166/05, wird bestätigt.

II. Der Antragsgegnerin fallen auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zur Last.

Tatbestand

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Internet-Versandhandels von Computer- und Elektroartikeln (Anlage ASt 1 und ASt 2).

Auf ihrer Website "...de" hält die Antragsgegnerin auch ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen zum Abruf bereit. Dort heißt es u.a.:

"§ 6 Widerrufsrecht

a) Nur als Verbraucher im Sinne von § 13 BGB hat der Kunde innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der Ware das Recht, seine Willenserklärung auf Abgabe der Bestellung zu widerrufen. Eine Begründung ist nicht erforderlich, der Widerruf hat schriftlich oder durch Rücksendung der bestellten Ware zu erfolgen. Im Falle eines schriftlichen Widerrufs ist der Kunde verpflichtet bereits erhaltene Waren unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von 7 Tagen an ... zurückzusenden. Die Rücksendung geschieht auf Kosten und Gefahr von ... Bei einer Bestellung bis zu einem Wert von 40,00 EUR trägt jedoch der Kunde die Kosten der Rücksendung es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht.

b) Der Kunde hat für Untergang, Verbrauch, Veräußerung, Belastung, Verarbeitung, Umgestaltung oder Verschlechterung der Ware Wertersatz zu leisten. Dies gilt auch für Verschlechterung durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Ware oder Rücksendung ohne Originalverpackung. Bitte heben Sie daher die Originalverpackung auf und benutzen die das Gerät erst, wenn Sie sich entschieden haben, von ihrem Widerrufsrecht keinen Gebrauch zu machen. Hat der Kunde die Ware vor Ausübung des Widerrufsrechts in Gebrauch genommen, so ist I. berechtigt, vom Kunden Wertersatz zu verlangen. Eine Ersatzpflicht besteht nicht, wenn der Kunde die Ware lediglich prüft und nicht darüber hinausgehend nutzt.

c) Ein Widerrufsrecht nach § 6b besteht nicht in den folgenden Fällen

- bei Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind oder die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind.

-bei der Lieferung von Audio- oder Videoaufzeichnungen,

-bei der Lieferung von Software, sofern die gelieferten Datenträger vom Kunden oder einem Dritten entsiegelt worden sind,

- in sonstigen Fällen des § 312 d Abs. 4 BGB (Anlage ASt 3).

Mit Schreiben vom 5. September 2005 ließ die Antragstellerin die Antragsgegnerin diesbezüglich abmahnen (Anlage ASt 4). Die nachfolgende Korrespondenz führte nicht zu einer einvernehmlichen Regelung (Anlagen ASt 5 bis ASt 8).

Daraufhin erwirkte die Antragstellerin die vorliegende einstweilige Verfügung vom 14. September 2005, mit welcher der Antragsgegnerin bei Vermeidung der der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde,

a) Verbrauchern im Wege des Fernabsatzes Audio- und/oder Videoaufzeichnungen anzubieten und/oder zu verkaufen, soweit das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht für die Lieferung von versiegelten Audio- und/oder Videoaufzeichnungen auch dann ausgeschlossen wird, wenn diese nicht vom Kunden entsiegelt wurden und/oder

b) Verbrauchern im Wege des Fernabsatzes Software anzubieten und/oder zu verkaufen, soweit das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht für die Lieferung von versiegelter Software auch dann ausgeschlossen wird, wenn diese nicht vom Kunden entsiegelt wurde, wie geschehen unter der Domain "....de".

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch vom 21.September 2005.

Sie ist der Ansicht, dass die von ihr verwendeten AGBs nicht zu beanstanden seien. Das Widerrufsrecht erlösche auch dann, wenn die Entsiegelung nicht von dem Verbraucher selbst, sondern nach erfolgter Lieferung- von einem Dritten vorgenommen werde.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 14. September 2005 den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 14 September 2006 zu bestätigen.

Die Antragstellerin meint, der mit der einstweiligen Verfügung zuerkennte Unterlassungsanspruch sei gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 S. 1 UWG, §§ 312 c Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 240 EGBGB, § 1 BGB-InfoV begründet. Die Hinweise der Antragsgegnerin zu dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- bzw. Rückgaberechts seien unzureichend. Insbesondere entfalte das Widerrufsrecht nicht dadurch, dass bei Lieferungen von versiegelten Audio- oder Videoaufzeichnungen bzw. Software die Versiegelung von einem Dritten aufgebrochen werde.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 14. Oktober 2005 Bezug genommen.

Gründe

Der Widerspruch der Antragsgegnerin ist zulässig, aber unbegründet.

Der Erlass der einstweiligen Verfügung vom 14. September 2005 erweist sich auch bei Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens als zu Recht erfolgt.

I.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu I.a. ist gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 S. 1 UWG, §§ 312 c Abs. 1 S. 1, § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB, Art 240 EGBGB, § 1 BGB-InfoV begründet.

Der in § 6 der AGB der Antragsgegnerin enthaltene Hinweis, dass ein Widerrufsrecht bei Lieferung von Audio- und Videoaufzeichnungen generell nicht bestehe, entspricht nicht der Regelung des § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB. Danach steht ein Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen zur Lieferung von Audio- und Videoaufzeichnungen nur dann nicht, wenn die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu I.b. ist ebenfalls gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 S. 1 UWG, §§ 312 c Abs. 1 S. 1, § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB, Art. 240 EGBGB, § 1 BGB-InfoV begründet.

Der in § 6 der AGB der Antragsgegnerin enthaltene Hinweis bzgl. des Widerrufsrechts bei Lieferung von Software entspricht nicht der Regelung des § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB. Danach besteht ein Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen zur Lieferung von Software nur dann nicht, wenn die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind.

Dem unmissverständlichen Gesetzeswortlaut ist die Deutung der Antragsgegnerin, wonach auch die Entsiegelung durch einen Dritten das Widerrufsrecht entfallen lasse, nicht zu entnehmen. Zudem wird in den hier streitgegenständlichen AGB der Antragsgegnerin nicht ausdrücklich erklärt, das die Entsiegelung von Dritten "nach erfolgter Lieferung an den Verbraucher" vorgenommen werden müsse.

Die Antragstellerin wendet sich in dem vorliegenden Rechtsstreit nur insoweit gegen den behaupteten Ausschluss des Widerrufsrechts, als dieses auch dann ausgeschlossen sein soll, wenn die gelieferten Aufzeichnungen von einem Dritten entsiegelt worden seien.

Die durch die Antragsgegnerin begangenen Verstöße gegen §§ 312 c Abs. 1 S. 1, 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB, Art. 240 EGBGB, § 1 BGB-InfoV sind auch wettbewerbswidrig im Sinne von § § 3, 4 Nr. 11 UWG. Denn unlauter handelt, wer seinen Vertragspartner über ein diesem durch Gesetz eingeräumtes Widerrufsrecht entgegen den gesetzlichen Bestimmungen nicht vollständig oder nicht richtig belehrt. Bei den Vorschriften der §§ 312 c Abs. 1 S. 1, 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB, Art. 240 EGBGB, § 1 BGB-InfoV handelt es sich zudem um solche, die dem Verbraucherschutz dienen und insoweit gemäß § 11 Nr. 4 UWG dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Der Wettbewerb wird durch das streitgegenständliche Verhalten der Antragsgegnerin auch mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Durch die unzureichenden Hinweise der Antragsgegnerin auf das ihren Kunden zustehende Widerrufsrecht bewirkt die Antragsgegnerin zum einen erhebliche Nachteile für die Verbraucher und verschafft sich zum anderen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Mitbewerbern.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist im Hinblick auf die Natur des Eilverfahrens entbehrlich.






LG Hamburg:
Urteil v. 14.10.2005
Az: 406 O 166/05


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