Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 25. Januar 1995
Aktenzeichen: 6 U 178/94

(OLG Köln: Urteil v. 25.01.1995, Az.: 6 U 178/94)

1. Ein Interessen- bzw. Fachverband der privaten Krankenversicherer ist klagebefugt i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG (n.F.).

2. Bausparkassen, die mangels konkurrierenden Leistungsangebots nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zu einem Krankenversicherer (hier: Ersatzkasse) stehen, sind gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG (n.F.) klagebefugt, wenn dieser Anschreiben an seine Mitglieder Werbematerial einer mit den Klägern konkurrierenden Bausparkasse beifügt.

3. Es verstößt gegen die guten Sitten im Wettbewerb, wenn eine Ersatzkasse, der als Körperschaft des öffentlichen Rechts seitens der Mitglieder ein besonderes Vertrauen entgegen gebracht wird, in Anschreiben an diese Werbeunterlagen einer Bausparkasse beifügt und diese Beilage als ,Beitrag zur Kostendämpfung" sowie - unter Bezugnahme auf ihr eigenes Tätigkeitsfeld - Bauspar-Verträge als ,Krankenversicherung ... für Ihr Haus ... bezeichnet". Eine solche Förderung fremden Wettbewerbs ist geeignet, den Wettbewerb unter den Bausparkassen wesentlich zu beeinträchtigen.

Tenor

1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 05.07.1994 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 203/94 - wird zurückgewiesen.2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.3. Beschwer: DM 500.000,00

Gründe

Die Berufung ist zwar zulässig. In der Sache hat sie allerdings

keinen Erfolg.

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil die

vorangegangene Unterlassungsverfügung vom 14.04.1994 zu Recht

bestätigt.

Die gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 UWG klagebefugten

Antragsteller können von der Antragsgegnerin gemäß § 1 UWG

Unterlassung der konkret beanstandeten Beilage von Werbeschreiben

der Bausparkasse S.H. (im folgenden: BSH) in an ihre Mitglieder

gerichteten Anschreiben verlangen.

Die Klagebefugnis des Antragstellers zu 1. folgt aus § 13 Abs. 2

Nr. 2 UWG.

Da der Antragsteller zu 1. gerade als Interessen- bzw.

Fachverband der privaten Krankenversicherer gegründet ist, um die

allgemeinen Interessen der privaten Krankenversicherung und seiner

Mitgliedsunternehmen zu fördern, liegen die Voraussetzungen der

seit 01.08.1994 gültigen Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG -

installiert durch das UWG-Ànderungsgesetz vom 25.07.1994

(Bundesgesetzblatt I, 1738 f.) - vor, wonach dem Verband eine

erhebliche Anzahl von Gewerbetreibenden angehören muß, die Waren

oder gewerbliche Leistungen auf dem selben Markt vertreiben wie der

Verletzer (vgl. Erläuterungen zum Entwurf eines Gesetzes zur

Ànderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb -

UWG-Ànderungsgesetz - in WRP 1994, 369 ff., 378).

Die Klagebefugnis der Antragstellerinnen zu 2. bis 5. ergibt

sich aus § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG.

Dem steht es nicht entgegen, daß die Antragstellerinnen zu 2.

bis 5. als Bausparkassen keine der "Ware oder gewerblichen

Leistung" der Antragsgegnerin, einer gesetzlichen

Krankenversicherung, vergleichbare Ware oder Leistung vertreiben,

daher insoweit zwischen ihnen kein Wettbewerbsverhältnis besteht.

Es reicht aus, wenn der auf Unterlassung in Anspruch Genommene für

die geschäftlichen Belange eines anderen eintritt, der mit dem

Betroffenen in einem Wettbewerbsverhältnis steht (BGH in GRUR 1990,

611 ff., 612 f. - "Werbung im Programm" m.w.N.; Baumbach-Hefermehl,

Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., Rdnr. 15 zu § 13 UWG). Dadurch, daß

die Antragsgegnerin den Anschreiben an ihre Versicherten die

Werbeblätter der BSH beigelegt hat, hat sie zweifelsohne den

Wettbewerb eben dieses Unternehmens, mit welchem die

Antragstellerinnen zu 2. bis 5. in unmittelbarer Konkurrenz stehen,

gefördert.

Die somit insgesamt klagebefugten Antragsteller können auch den

sich aus § 1 UWG herleitenden Unterlassungsanspruch mit Erfolg

gegen die Antragsgegnerin geltend machen.

Dabei bedarf es im gegebenen Fall nicht der Entscheidung, ob ein

den Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG auslösender

Wettbewerbsverstoß sich unter dem Gesichtspunkt des

"Wettbewerbsvorsprungs durch Rechtsbruch" etwa deshalb ergibt, weil

die Antragsgegnerin - indem sie ihren Anschreiben die

Werbeunterlagen der BSH beifügte und damit deren

Wettbewerbsposition förderte - unter Verstoß gegen § 30 SGB IV den

ihr darin zugewiesenen Aufgabenkreis verlassen, mithin gegen ein

ihr auferlegtes gesetzliches Verbot verstoßen hat. Dies ist hier

deshalb nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, weil ein

derartiger Unterlassungsanspruch jedenfalls wegen der

mißbräuchlichen Ausnutzung besonderen Vertrauens durch Einsatz

amtlicher bzw. amtsähnlicher Autorität der Antragsgegnerin zu

bejahen ist (vgl. Baumbach-Hefermehl, a.a.O., Rdnr. 189 und 190 zu

§ 1 UWG).

Die Antragsgegnerin ist als Trägerin der gesetzlichen

Krankenversicherung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 4

Gesundheitsreformgesetz). Als solche wird ihr in nicht

unerheblichem Umfang von ihren Mitgliedern ein besonderes Vertrauen

entgegengebracht. Gerade im Hinblick auf ihre Stellung als Person

des öffentlichen Rechts, welcher in der Vorstellung ihrer

Mitglieder der Eindruck einer zumindest behördenähnlichen

Institution korrespondiert, wird ihr eine besondere Neutralität

unterstellt, die ihre Mitglieder allgemein in hohem Maße geneigt

macht, ihren Empfehlungen nachzukommen (vgl. OLG Düsseldorf, VersR

1974, Seite 536 ff., 538; Baumbach-Hefermehl, a.a.O., Rdnr.

937).Gestützt wird dies zusätzlich - wie das Landgericht zu Recht

hervorhebt - durch den Umstand, daß die Antragsgegnerin im

besonders sensiblen und daher ein hohes Maß an Vertrauen ihrer

Mitglieder einbindenden Bereich der Krankenversicherung zur

Sicherung eines durch gesetzliche Vorgaben geregelten Standards

tätig wird. Daß dies alles ein besonders Ansehen bzw. ein

besonderes Maß an Autorität begründet, bedarf keiner weitergehenden

Erläuterung. Es spielt dabei auch keine Rolle, ob diese Autorität

an die Stellung der Antragsgegnerin anknüpft oder aber

leistungsbezogen ist. Maßgeblich ist allein, daß Autorität

vorhanden ist, die mißbräuchlich zu Zwecken des Wettbewerbs

eingesetzt wird (vgl. OLG Frankfurt/Main in WRP 1971, Seite 71 ff.,

72).

Es ist zwar nicht grundsätzlich wettbewerbswidrig, wenn eine mit

Einfluß ausgestattete Autoritätsperson sich in die Werbung fremder

Unternehmen zu Gunsten deren Waren- oder Leistungsabsatz einspannen

läßt (vgl. BGH in GRUR 1984, Seite 665 ff., 666 f. - "Werbung in

Schulen" -). Dazu kann es im Einzelfall jedoch dann werden, wenn

sich die Autoritätsperson derart in die Absatzwerbung einspannen

läßt, daß die solcherart Umworbenen hiermit durch unsachliche

Einflußnahme für den Kauf oder die Annahme einer Leistung "reif"

gemacht und "eingefangen" werden (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.,

Seite 538; Baumbach-Hefermehl, a.a.O., Rdnr. 190 und 937 zu § 1

UWG). Da in diesen Fällen die besondere Autorität nicht nur von dem

einspannenden Unternehmen, sondern auch von der Autoritätsperson

selbst mißbräuchlich eingesetzt wird, um diese kraft besonderen

Vertrauens gegebene Stellung dazu auszunutzen, einem bestimmten

Mitbewerber einen nicht auf Leistungswettbewerb beruhenden, sondern

von sachfremden Erwägungen getragenen Vorsprung zu verschaffen,

handelt auch die Autoritätsperson selbst wettbewerbswidrig (vgl.

Baumbach-Hefermehl, a.a.O., Rdnr. 190, 937).

So liegt der Fall hier:

Indem die Antragsgegnerin ihren Schreiben an ihre Mitglieder die

Werbeunterlagen der BSH beifügte, konnte dies bei einem nicht

unbeachtlichen Teil der Mitglieder dazu führen, daß diese sich nur

aufgrund des Umstands, daß die Unterlagen von der Antragsgegnerin

mitübersandt wurden, mit der Werbung der BSH näher befaßten. Ob es

sodann tatsächlich zu Abschlüssen mit der BSH kam, ist

unbeachtlich. Es reicht aus, daß das verfahrensbetroffene Handeln

geeignet ist, der BSH einen Vorsprung zu verschaffen, was bereits

durch die den Werbebeilagen gewidmete erhöhte Aufmerksamkeit der

Mitglieder bewirkt wird. Aus der Sicht der die

verfahrensbetroffenen Anschreiben nebst Werbebeilagen erhaltenden

Mitglieder liegt es auch nahe, daß die Antragsgegnerin nicht

irgendeiner "xbeliebigen" Bausparkasse als Werbetransportmittel

dienen werde, sondern daß es sich hierbei um ein solches Angebot

handele, daß es "wert" sei, von der Antragsgegnerin übermittelt zu

werden, also ein vertrauenswürdiges, dem Ansehen und der

Wertgeltung der Antragsgegnerin entsprechendes Angebot

bekanntgemacht werde.

Die Antragsgegnerin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht

mit Erfolg darauf berufen, sie habe sich in keinerlei Bezug zu den

mitübersandten Werbeunterlagen der BSH gesetzt, sich daher nicht in

deren Werbung "einspannen" lassen. Ein derartiger Bezug wird durch

das in dem Anschreiben enthaltene Postskriptum eindeutig

hergestellt. Darin wird - worauf das Landgericht auch insoweit mit

Recht abgestellt hat - die Beilage der BSH als ein Beitrag zur

Kostendämpfung erwähnt, ohne daß unmißverständlich klargestellt

ist, daß die Einnahmen aus der Werbemaßnahme selbst zur

Kostendämpfung beitragen sollen. Aus der hier maßgeblichen Sicht

des durchschnittlich aufmerksamen Lesers bleibt zumindest offen, ob

nicht die Einnahmen aus den mit der BSH sodann abgeschlossenen

Bausparverträgen die kostendämpfenden Beiträge darstellen. Hinzu

kommt vor allem aber, daß die BSH selbst in ihren Werbeunterlagen

eine Verknüpfung mit dem der Antragsgegnerin kraft Gesetzes

zugewiesenen Tätigkeitsfeld - der Krankenversicherung nämlich -

herstellt, indem sie die beworbenen Bausparversicherungen als "...

Krankenversicherung ... für Ihr Haus ..." bezeichnet.

Dies alles würdigend hat die Antragsgegnerin die

verfahrensbetroffenen Werbebeilagen nicht nur schlicht beigefügt,

sondern hat sie unter Aufgabe ihrer sachlichen Distanz einen Bezug

zu ihrer eigenen, durch ihre öffentlichrechtliche Tätigkeit

bestimmten Autorität hergestellt.

Der Senat kann dabei die Wirkung der verfahrensbetroffenen

Schreiben nebst Werbebeilage aus eigener Sachkenntnis beurteilen.

Selbst wenn die Mitglieder des Senats nicht zu dem der gesetzlichen

Krankenversicherungspflicht unterliegenden Personenkreis gehören,

so zählen sie doch zur Gruppe der Krankenversicherungsnehmer

allgemein, an welche das vorbezeichnete Anschreiben apelliert.

Im Hinblick auf den der BSH gegenüber den anderen Bausparkassen

verschafften Wettbewerbsvorteil, der unter anderem durch die Anzahl

der von den Anschreiben erreichten Haushalte mitbestimmt wird, ist

die verfahrensbetroffene Handlung schließlich auch geeignet, eine

wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs zu begründen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung

rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 25.01.1995
Az: 6 U 178/94


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