Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 5. Februar 2013
Aktenzeichen: I-6 W 63/12

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 05.02.2013, Az.: I-6 W 63/12)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 21.11.2012 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Klägerin hat mit ihrem Klageantrag zu 1) drei Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 17.11.2011, mit der die zu den Tagesordnungspunkten A1, A2 und A3 gestellten Anträge auf Erhöhung des Stammkapitals der Beklagten um € 9.316.526,-, anschließende Reduzierung des Stammkapitals um eben diesen Betrag und Ermächtigung des Vorstands, über die Einzelheiten dieser Maßnahmen zu entscheiden, abgelehnt worden sind, angefochten und mit ihrem Klageantrag zu 2) die Feststellung begehrt, dass die Hauptversammlung der Beklagten vom 17.11.2011 die zu den vorbezeichneten Tagesordnungspunkten beantragten Beschlüsse antragsgemäß gefasst hat. Hierüber haben die Parteien am 26.08.2012 mündlich verhandelt. Am 24.09.2012 ist Rechtsanwalt Dr. A. aus Düsseldorf zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Beklagten bestellt und die Beklagte mit einem allgemeinen Verfügungsverbot belegt worden. Das Landgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 21.11.2012 festgestellt, dass das Verfahren gemäß § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen ist. Dieser Beschluss ist der Klägerin am 26.11.2012 zugestellt worden. Mit am 28.11.2012 als Telefax beim Landgericht eingereichtem Schriftsatz vom 28.11.2012 hat die Klägerin erklärt, nur noch die mit dem Klageantrag zu 1) verfolgte Anfechtungsklage weiterzufolgen, jedoch die mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte positive Beschlussfeststellung zurückzunehmen. Zugleich hat sie mit diesem Schriftsatz sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 21.11.2012 eingelegt und beantragt, einen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen. Die Beklagte hat bislang der teilweisen Rücknahme der Klage nicht zugestimmt (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 07.12.2012 und Verfügung des Landgerichts vom 03.12.2012). Der Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 20.12.2012 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Der Klageantrag zu 2) ist nach wie vor rechtshängig. Die von der Klägerin mit der Beschwerdeschrift erklärte teilweise Klagerücknahme hat die Rechtshängigkeit des Klageantrags zu 2) nicht beseitigt. Gemäß § 269 Abs. 1 ZPO würde dies die Einwilligung der Beklagten voraussetzen, weil am 26.08.2012 bereits eine mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht stattgefunden hat. Die Beklagte hat jedoch ihre Einwilligung bislang nicht erteilt. Die Einwilligung der Beklagten wird auch nicht gemäß § 269 Abs. 2 Satz 4 ZPO fingiert, weil bereits vor der erst mit Schriftsatz vom 28.11.2012 erfolgten Erklärung der teilweisen Klagerücknahme das Verfahren gemäß § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen worden ist, wie die nachfolgenden Ausführungen zu 2. zeigen werden. Dies hat gemäß § 249 Abs. 1 ZPO wiederum zur Folge, dass trotz der Verfügung des Landgerichts vom 03.12.2012, mit dem die Beklagte aufgefordert worden ist, sich zu der teilweisen Klagerücknahme zu erklären, die gemäß § 269 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf zwei Wochen begrenzte Frist für einen Widerspruch noch nicht begonnen hat, zu laufen.

2. Das Landgericht geht zu Recht davon aus, dass das Verfahren gemäß § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen ist. Ein Verfahren wird gemäß § 240 Satz 1 ZPO nur dann unterbrochen, wenn es die Insolvenzmasse betrifft. Entsprechendes gilt gemäß § 240 Satz 2 ZPO für das Vermögen der Schuldners, wenn darüber wie hier ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis erlangt hat. Die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen einen in der Hauptversammlung gefassten Beschluss betrifft die Insolvenzmasse, wenn die erfolgreiche Anfechtung zu einer Verringerung der Teilungsmasse oder einer Erhöhung der Schuldenmasse führen würde (Schumacher in MünchKommInsO, 2. Auflage, Vor §§ 85 - 87, Rz. 39; im Ergebnis ebenso, wenngleich ohne ausdrückliche Unterscheidung zwischen Teilungs- und Schuldenmasse: BGH, Versäumnisurteil vom 19.07.2011 - II ZR 246/09, Rz. 9, der die vorgenannte Stimme in der Rechtsliteratur zustimmend zitiert). Das gilt für eine positive Beschlussfeststellungsklage entsprechend. Führt demnach die begehrte Beschlussfeststellung zu einer Verringerung der Teilungsmasse oder zu einer Erhöhung der Schuldenmasse, betrifft das Verfahren im Sinne des § 240 ZPO die Insolvenzmasse.

a) Die Anfechtung des Beschlusses der Hauptversammlung der Beklagten vom 17.11.2011, mit dem der Beschlussantrag zu Tagesordnungspunkt A2 und der Antrag, stattdessen die Annahme dieses Beschlussantrags festzustellen, abgelehnt worden sind, betreffen das Vermögen der Beklagten, das der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters unterliegt. Die nicht erfolgreiche Ablehnung dieses Beschlussantrags bzw. die antragsgemäße Beschlussfassung würden entsprechende Auszahlungsansprüche der Aktionäre begründen und damit die Schuldenmasse der Beklagten erhöhen, da durch sie das Grundkapital zum Zwecke der Rückzahlung an die Aktionäre herabgesetzt werden soll. Anders als die Beschwerde meint, steht der Masserelevanz nicht entgegen, dass der Vorstand der Beklagten die für die vorausgehende Kapitalerhöhung möglicherweise gemäß § 209 AktG erforderliche Kapitalerhöhungsbilanz noch nicht erstellt hat. Wie der Rechtsgedanke des § 41 InsO zeigt, spielt es für die Beurteilung der Frage, ob die Schuldenmasse erhöht wird, keine Rolle, ob die neu begründeten Verbindlichkeiten bereits fällig sind.

b) Die Anfechtung der Ablehnung der zu den Tagesordnungspunkten A1 und A3 gestellten Beschlussanträge und die Feststellung, dass die Hauptversammlung diese Beschlussanträge angenommen hat, betreffen zwar nicht unmittelbar das Vermögen der Beklagten, auf das sich die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters bezieht. Das Verfahren ist gleichwohl auch hinsichtlich dieser Klageanträge unterbrochen, weil die Beschlussanträge zu den Tagesordnungspunkten A1 und A3 mit dem Beschlussantrag zu Tagesordnungspunkt A2, der im Falle seiner Annahme nach den obigen Ausführungen unmitttelbar die Schuldenmasse der Beklagten erhöhen würde, eine unmittelbare sachliche Einheit bilden, so dass eine gesonderte rechtliche Beurteilung der einzelnen Beschlussanträge nur zu einer sinnentstellenden Interpretation führen würde. Der Sache nach geht es bei dem Tagesordnungspunkt A um die Frage, ob die Aktionäre Kapital zurückgezahlt erhalten sollen, indem das Grundkapital durch Auflösung einer Kapitalrücklage erhöht und anschließend wieder erniedrigt wird. Die Abhandlung dieses einheitlichen Anliegens in drei unterschiedlichen Beschlussanträgen hat somit redaktionelle Gründe. Der Sache nach hätte die Tagesordnung auch nur einen Beschlussantrag vorsehen können, da die Beschlussanträge zu A2 und A3 ohne vorherige Annahme des Beschlussantrags zu A1 keinen eigen Sinn ergeben.

III.

Da die Kosten eines Beschwerdeverfahrens gemäß § 252 ZPO Teil derjenigen Kosten sind, die gemäß § 91 ZPO der Partei auferlegt werden, die in der Hauptsache unterliegt (BGH, Beschluss vom 12.12.2005 - II ZB 30/04), ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 05.02.2013
Az: I-6 W 63/12


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