Verwaltungsgericht Würzburg:
Urteil vom 19. Juni 2012
Aktenzeichen: W 4 K 11.491

(VG Würzburg: Urteil v. 19.06.2012, Az.: W 4 K 11.491)

Tenor

I. Die Ziffer 3.1.5 des Bescheids des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 24. Mai 2011 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens haben die Klägerin 4/5, der Beklagte 1/5 zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einzelne Nebenbestimmungen einer wasserrechtlichen Anlagengenehmigung und gegen die Kostenfestsetzung für die Einholung eines wasserwirtschaftlichen Gutachtens.

1.

Mit Schreiben vom 11. April 2011 beantragte die Klägerin beim Landratsamt Rhön-Grabfeld die Erteilung einer wasserrechtlichen Anlagengenehmigung für den Aufbau einer T-DSL-Telekommunikationslinie in Oberstreu. Das Vorhaben erstreckt sich vom östlichen Ortsrand (Nähe Mockmühle) bis zum Sportplatz im Ortsbereich von Oberstreu. Die vorgesehene Leitungstrasse kreuzt die Streu (Gewässer II. Ordnung) in einem bereits in einer Brücke vorhandenen Leerrohr, verläuft teils entlang einer Hochwasserschutzanlage und innerhalb des 60-Meter-Bereichs sowie des Überschwemmungsgebiets der Streu. Die Klägerin beabsichtigt, auf der geplanten Trasse zwei PVC-Rohre in einer Regeltiefe von 60 cm überwiegend im Gehweg, teils auch am Fahrbahnrand, zu verlegen.

Mit Gutachten vom 2. Mai 2011 nahm das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen als amtlicher Sachverständiger zu dem Vorhaben Stellung und berechnete dafür eine Gebühr von 540,00 EUR (Inanspruchnahme von Bediensteten des gehobenen Dienstes im Umfang von 9 h zu je 60,00 EUR). Das Landratsamt Rhön-Grabfeld, das die Gebühr verauslagt hatte, forderte die Klägerin mit Kostenrechnung vom 17. Mai 2011 zur Erstattung auf.

Mit Bescheid vom 24. Mai 2011 erteilte das Landratsamt Rhön-Grabfeld der Klägerin die beantragte wasserrechtliche Anlagengenehmigung. Nach Ziffer 3 des Bescheids wurde die wasserrechtliche Erlaubnis € unter Bezugnahme auf Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG € unter anderen mit folgenden €Auflagen, Bedingungen und Vorbehalten€ erteilt:

€3.1. Anzeigepflichten, Betrieb, Allgemein

(€)

3.1.5 Die Unternehmerin kann keine Schadensersatzansprüche gegen den Freistaat Bayern oder Dritte geltend machen, wenn an der Anlage Schäden durch Hochwasser, Geschiebe, Eistrieb oder Sohl- und Uferveränderungen entstehen sollten.

3.1.6 Die Unternehmerin hat bei natürlicher sowie künstlicher Veränderung des Flussbettes die Anpassung der Anlagen an die neuen Verhältnisse selber zu tragen. Dies gilt auch für notwendige Anpassungen im Zuge von wasserbaulichen Maßnahmen und notwendigen Gewässerunterhaltungen des Freistaates Bayern.

3.2. Bauausführung

(€)

3.2.2 m Bereich des nördlichen Dorfgrabenweges (Fl.-Nrn. ...50/1 und ...13/1) sind die Leerrohre und Kabel im westlichen Bereich der Straße zu verlegen. Es ist ein Abstand zur Hochwasserschutzmauer von mindestens 3 m einzuhalten.

(€)

3.2.4 Aufgegrabene Bereiche sind wieder ordnungsgemäß zu befestigen.€

Nach Ziffer 4.2 des Bescheids setzte das Landratsamt Rhön-Grabfeld gegenüber der Klägerin Auslagen in Höhe von 540,00 EUR (Gutachterkosten des Wasserwirtschaftsamts Bad Kissingen) fest.

2.

Mit ihrer am 22. Juni 2011 erhobenen Klage beantragt die Klägerin sinngemäß,

die Ziffern 3.1.5, 3.1.6, 3.2.2, 3.2.4 und 4.2 des Bescheids des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 24. Mai 2011 aufzuheben.

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, Ziffer 3.1.5 enthalte einen unzulässigen Haftungsausschluss. Die Ziffern 3.1.6, 3.2.2 und 3.2.4 seien rechtswidrig, weil ihnen die Rechtsgrundlage fehle. Insbesondere könne Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG nicht herangezogen werden, weil das Telekommunikationsgesetz (TKG) insoweit abschließende und vorrangige Regelungen enthalte. Bei Ziffer 3.1.6 lägen auch die Voraussetzungen von Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG nicht vor. Ziffer 4.2 sei rechtswidrig, weil die Beauftragung eines amtlichen Sachverständigen nicht erforderlich gewesen sei. Das Landratsamt hätte die Ergebnisse des Gutachtens aufgrund eigener Sachkunde gewinnen können.

3.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, bei Ziffer 3.1.5 handele sich nur um einen Hinweis auf die geltende Rechtslage. Zu Ziffer 3.1.6 sei auszuführen, dass die Unterhaltungslasten bei Veränderungen des Flussbetts klar abzugrenzen seien. Die Vorgaben nach den Ziffern 3.2.2 und 3.2.4 seien zum Schutz der vorhandenen Hochwasserschutzmauer bzw. zur Vermeidung von Abschwemmungen und Ausspülungen erforderlich. Auch Ziffer 4.2 sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Einholung des Gutachtens sei erforderlich gewesen; die Höhe der Kosten sei angemessen.

4.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2012 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1.

Die Klage ist zulässig.

Soweit sich die Klägerin gegen die Ziffern 3.1.5, 3.1.6, 3.2.3 und 4.2 des Bescheids vom 24. Mai 2011 wendet, ist die Klage als Anfechtungsklage statthaft. Die Kostenfestsetzung nach Ziffer 4.2 ist ein Verwaltungsakt i.S.v. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Die Regelungen in den Ziffern 3.1.5, 3.1.6 und 3.2.3 sind Auflagen i.S.v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG, d.h. mit einem Verwaltungsakt verbundene Bestimmungen, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Insbesondere bei Ziffer 3.1.5. des Bescheids handelt es sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur um einen Hinweis auf die geltende Rechtslage. Die Bestimmung regelt vielmehr einen umfassenden Haftungsausschluss der Klägerin gegenüber dem Beklagten und Dritten und legt ihr damit das Dulden eines Schadens ohne Ersatzansprüche auf (vgl. BayVGH v. 22.11.1977 Az. 143 VIII 74 BayVBl. 1978, 468, 470). Als Auflagen können die genannten Ziffern wie Verwaltungsakte selbständig mit der Anfechtungsklage angegriffen werden (BVerwG v. 3.5.1974 Az. 4 C 42/72 - juris).

Soweit sich die Klägerin gegen Ziffer 3.2.2 des Bescheids vom 24. Mai 2011 wendet, kann offen bleiben, ob es sich um eine Auflage i.S.v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG (in diesem Fall wäre die Klage als isolierte Anfechtungsklage statthaft) oder um eine Inhaltsbestimmung (dann wäre die Klage als Verpflichtungsklage auf Erteilung der Genehmigung ohne die streitgegenständliche Bestimmung statthaft) handelt. Denn die Klage ist insoweit jedenfalls unbegründet (vgl. 2.3 der Urteilsgründe).

2.

Die Klage ist lediglich hinsichtlich Ziffer 3.1.5 des Bescheids vom 24. Mai 2011 begründet. Im Übrigen € hinsichtlich der Ziffern 3.1.6, 3.2.2, 3.2.4 und 4.2 € ist sie unbegründet.

2.1.

Es ist zunächst nicht zu beanstanden, dass der Klägerin eine wasserrechtliche Genehmigung im Sinne von § 36 WHG i.V.m. Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG für das von ihr beantragte Vorhaben erteilt worden ist.

Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung ist § 36 Satz 3 WHG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 BayWG. Nach Art. 20 Abs. 1 Satz 1 BayWG dürfen Anlagen im Sinne des § 36 WHG, die nicht der Benutzung, der Unterhaltung oder dem Ausbau dienen, an Gewässern erster oder zweiter Ordnung nur mit Genehmigung der Kreisverwaltungsbehörde errichtet, wesentlich geändert oder stillgelegt werden. Genehmigungspflichtig sind Anlagen, die weniger als sechzig Meter von der Uferlinie entfernt sind oder die die Unterhaltung oder den Ausbau beeinträchtigen können (Art. 20 Abs. 1 Satz 2 BayWG).

Vorliegend sind die sich daraus ergebenden Voraussetzungen für die wasserrechtliche Genehmigungspflicht des Vorhabens erfüllt. Bei der Streu handelt es sich um ein Gewässer zweiter Ordnung (Art. 2 Abs. 1 Nr. 2, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BayWG i.V.m. § 1 Kenn-Nr. 6.2.22 der Verordnung über die Gewässer zweiter Ordnung (GewZweiV)). Die Errichtung der nach § 36 Satz 2 Nr. 2 WHG ausdrücklich in den wasserrechtlichen Anlagenbegriff einbezogenen Leitungsanlage dient in erster Linie dem allgemeinen Versorgungsinteresse der Bevölkerung und damit weder der Benutzung, der Unterhaltung noch dem Ausbau der Streu. Die beantragte Leitungsanlage ist ausweislich der Planunterlagen weniger als 60 m von der Uferlinie der Streu entfernt. Soweit die Leitungstrasse teilweise auch in einer Entfernung von mehr als 60 m von der Uferlinie der Streu verläuft, lässt dies die wasserrechtliche Genehmigungspflicht des einheitlich zu beurteilenden Vorhabens unberührt.

2.2.

Die wasserrechtliche Genehmigung kann nach Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG mit Nebenbestimmungen verbunden werden. Danach darf unter anderem die Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung an Auflagen nur geknüpft werden, soweit das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die in Abs. 2 aufgezählten Gründe, es erfordern. Bei der Entscheidung ist auch das öffentliche Interesse an der Errichtung oder am Fortbestand der Anlage zu berücksichtigen (Art. 20 Abs. 4 Satz 3 BayWG).

Bei der Formulierung €Wohl der Allgemeinheit€ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nach dem jeweiligen Anwendungsbereich ausgelegt werden muss. Im Rahmen des Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG ist dabei in erster Linie auf die in Art. 20 Abs. 2 BayWG i.V.m. § 36 WHG genannten Belange (€keine schädlichen Gewässerveränderungen zu erwarten€, €Gewässerunterhaltung nicht mehr erschwert wird, als nach den Umständen erforderlich€) abzustellen. Als ordnungsrechtliche Vorschrift schließt Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG ferner Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ein. Der Begriff €Wohl der Allgemeinheit€ umfasst demnach nicht nur wasserwirtschaftliche, sondern auch sonstige, sicherheitsrechtliche Belange wie Leben, Gesundheit und Eigentum (vgl. BayVGH v. 7.5.2007 Az. 22 ZB 06.3101; v. 14.1.1986 Az. 8 B 80 A.1734 - beide juris).

Das Wohl der Allgemeinheit muss es weiterhin €erfordern€, die Genehmigung mit Auflagen zu versehen. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn es andernfalls nicht nur unwesentlich erschwert würde, die vom Wohl der Allgemeinheit aus zu beachtenden Zwecke zu erfüllen. Dabei genügt es, wenn mit Wahrscheinlichkeit eine nicht unwesentliche Beeinträchtigung in solchen Zeiträumen zu erwarten ist, die für eine vernünftige Vorausplanung maßgebend sind. Die Erforderlichkeit gibt daneben das Maß für die Wahl der Mittel nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor (zum Ganzen: Sieder/Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 2010, RdNr. 115 zu Art. 59 BayWG a.F.).

2.3.

Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen ist die Bestimmung in Ziffer 3.1.5 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG liegen nämlich nicht vor. Das Wohl der Allgemeinheit erfordert nicht die in Ziffer 3.1.5 enthaltene Regelung, wonach eine Unternehmerin keine Schadensersatzansprüche gegen Dritte geltend machen kann, wenn an der Anlage Schäden durch Hochwasser, Geschiebe, Eistrieb oder Sohl- und Uferveränderungen entstehen sollten. Diese Bestimmung enthält einen umfassenden privatrechtlichen Haftungsausschluss, der mit der ordnungsrechtlichen Funktion von Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG nicht im Einklang steht (Sieder/Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 2010, RdNr. 13 zu Art. 59 BayWG a.F.). Im Rahmen des Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG lässt sich der Begriff €Wohl der Allgemeinheit€ über die aufgeführten Belange hinaus nicht mit rein haftungsrechtlichen bzw. fiskalischen Interessen ausfüllen. Eine einseitige Festsetzung eines Haftungsausschlusses ist auch nicht erforderlich. Die Ausgestaltung der Haftungsverhältnisse ist vielmehr den jeweiligen Grundstückseigentümern und Nutzungsberechtigten im Rahmen einer privatrechtlichen Vereinbarung vorbehalten.

2.3.

Die weiteren Nebenbestimmungen sind allerdings rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

2.3.1.

Insbesondere gilt dies für die Nebenbestimmung in Ziffer 3.1.6. des wasserrechtlichen Genehmigungsbescheids.

Insoweit sind die Voraussetzungen von Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG erfüllt, weil das Wohl der Allgemeinheit es nach den vorerwähnten Grundsätzen erfordert, dass die Klägerin bei natürlicher sowie künstlicher Veränderung des Flussbetts die Anpassung der Anlagen an die neuen Verhältnisse, auch für notwendige Anpassungen im Zuge von wasserbaulichen Maßnahmen und notwendigen Gewässerunterhaltungen des Freistaates Bayern, selbst zu tragen hat. Der öffentliche Zweck der Vorschrift deckt eine Anpassung der Anlage auf eigene Kosten des Vorhabensträgers, sofern die später erforderlich werdende Änderung am Gewässer im öffentlichen Interesse liegt (vgl. Sieder/Zeitler, Bayerisches Wassergesetz, 2010, RdNr. 103 zu 59 a.F.). Aus dem Umstand, dass im Bayerischen Wassergesetz die Frage der Kostentragung für die Verlegung einer Anlage bei Veränderung des Gewässers nicht geregelt ist, ergibt sich kein Verbot einer nach Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG vorbehaltenen Auflage (vgl. auch VGH Baden Württemberg v. 20.3.1978 Az. VII 1992/77 zu § 76 Abs. 2 Satz 1 WG - juris). Die Belastung der Klägerin mit den gesamten eventuell anfallenden Kosten ist aus Sicht der Kammer weder unverhältnismäßig noch willkürlich. Sie entspricht vielmehr dem Gedanken, dass der Träger der Unterhaltungslast durch eine Anlage nicht mit Mehrkosten belastet werden soll (vgl. Art. 22 Abs. 3 BayWG; VGH Baden Württemberg v. 20.3.1978 Az. VII 1992/77 zu § 48 Abs. 2 WG - juris).

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang einwendet, die Anwendbarkeit von Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG sei schon durch §§ 68 ff. des Telekommunikationsgesetzes (TKG) € namentlich durch das Zustimmungserfordernis nach § 68 Abs. 3 Satz 1 TKG € ausgeschlossen, vermag sie damit nicht durchzudringen. Denn die Auslegung der §§ 68 ff. TKG führt nicht dazu, dass die Anwendbarkeit von Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG ausgeschlossen wäre:

Dem Wortlaut nach ist den §§ 68 ff. TKG eine solche Ausschlusswirkung nicht zu entnehmen. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 TKG ist der Bund befugt, Verkehrswege für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien unentgeltlich zu benutzen, soweit dadurch nicht der Widmungszweck der Verkehrswege dauernd beschränkt wird (Nutzungsberechtigung). Gem. § 68 Abs. 1 Satz 2 TKG gelten als Verkehrswege öffentliche Wege, Plätze und Brücken sowie die öffentlichen Gewässer. Weiterhin bedürfen die Verlegung neuer Telekommunikationslinien und die Änderung vorhandener Telekommunikationslinien der schriftlichen Zustimmung der Träger der Wegebaulast (§ 68 Abs. 3 Satz 1 TKG). Hinsichtlich einer Ausschlusswirkung dieser sowie weiterer Vorschriften von Teil 5(€Vergabe von Frequenzen, Nummern und Wegerechten€), Abschnitt 3 (€Wegerechte€) des Telekommunikationsgesetzes gegenüber der wasserrechtlichen Anlagengenehmigung und deren Nebenbestimmungen wird keine ausdrückliche Aussage getroffen.

Darüber hinaus spricht die Gesetzessystematik gegen eine in §§ 68 ff. TKG angelegte Ausschlusswirkung des Wegerechts gegenüber Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG. Zum einen regelt der Gesetzgeber konkurrierende Zustimmungs- bzw. Genehmigungsanforderungen im Regelfall ausdrücklich (vgl. etwa § 13 BImSchG und Art. 56 BayBO). Daran fehlt es hier. Zum anderen bezieht der Gesetzgeber in § 36 Satz 2 Nr. 2 WHG ausdrücklich Leitungsanlagen in den wasserrechtlichen Anlagenbegriff ein und lässt dies nach § 36 Satz 3 WHG (€Im Übrigen gelten die landesrechtlichen Vorschriften.€) zum Maßstab der durch Art. 20 BayWG lediglich näher ausgestalteten wasserrechtlichen Genehmigungspflicht werden. Eine Ausschlusswirkung des Telekommunikationsgesetzes würde die vom Gesetzgeber vorgesehene wasserrechtliche Genehmigungspflicht für Leitungsanlagen und damit § 36 Satz 2 Nr. 2 WHG in erheblichen Teilen seines Anwendungsbereichs unterlaufen.

Weiterhin behandelt die Gesetzesbegründung zu §§ 68 ff. TKG (BT-Drucks. 13/3609 zu §§ 49 ff. a.F.) die Frage einer Ausschlusswirkung gegenüber der wasserrechtlichen Anlagengenehmigung und deren Nebenbestimmungen nicht. Dies hätte indes nahegelegen, wenn der Gesetzgeber eine solche Ausschlusswirkung außerhalb des Gesetzeswortlauts hätte regeln wollen. Vielmehr spricht die Gesetzesbegründung lediglich davon, dass dem Bund das unentgeltliche Nutzungsrecht öffentlicher Wege für öffentliche Telekommunikationszwecke auf Grundlage des Art. 87 f Abs. 1 GG zugewiesen wurde und ihm dieses Recht bereits nach § 1 des Telegrafenwegegesetzes (TWG) der Telegrafenverwaltung zustand € dies jedoch nur in Abgrenzung zu anderen Bereichen wie z.B. Energie oder Wasser (BT-Drucks. 13/3609 zu § 49 Abs. 1 a.F.). Auch daraus lässt sich auf den Willen des Gesetzgebers schließen, die Prüfung und Genehmigung besonderer Anforderungen bei der Errichtung oder Änderung von Telekommunikationsanlagen den zuständigen Fachbehörden € hier dem Landratsamt Rhön-Grabfeld € vorzubehalten.

Schließlich ergibt sich auch unter teleologischen Aspekten keine Ausschlusswirkung der §§ 68 ff. TKG. Sinn und Zweck dieser Vorschriften ist es, die Benutzung von Verkehrswegen für die öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien zu regeln. Das TKG beschränkt sich hiernach allein auf das Wegebaurecht. Anders als unter dem Telegrafenwegegesetz, wonach die Benutzung eines Verkehrswegs zur Errichtung oder Änderung von Telekommunikationslinien einer gesonderten Planfeststellung bedurfte (§ 7 TWG), zielt das nunmehrige Zustimmungserfordernis nach § 68 Abs. 3 Satz 1 TKG nicht darauf, die nach anderen Rechtsvorschriften erforderlichen behördlichen Genehmigungen, auch nicht die wasserrechtliche Genehmigung nach § 36 WHG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Satz 1 BayWG, zu ersetzen (vgl. VG Leipzig v. 8.10.2011 Az. 6 K 71/99 TMR 2002, 316; Schütz in: Beck`scher TKG-Kommentar, § 68 RdNr. 44). Vielmehr sollen diese Genehmigungen im Einzelfall zusätzlich einzuholen sein, sofern dies aufgrund besonderer Anforderungen (z.B. aufgrund Straßenverkehrs-, Naturschutz-, Denkmalschutz- oder Wasserrechts) erforderlich ist. Gerade in diesem Zusammenhang können deren Nebenbestimmungen die im Einzelfall erforderlichen anlagenbezogenen Anforderungen vorgeben. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die regelmäßig betroffenen Belange € außer dem Kommunikationsbelang € solche der Kommunen und Länder sind, deren Behörden über die insoweit erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungshintergründe verfügen (so auch BT-Drucks. 13/4438, S. 16).

2.3.2.

Hinsichtlich der Ziffer 3.2.2 ist die Klage unabhängig von der Einordnung der darin enthaltenen Bestimmung als Auflage oder Inhaltsbestimmung unbegründet. Handelt es sich um eine Auflage, ist sie rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ist von einer Inhaltsbestimmung auszugehen, besteht kein Anspruch der Klägerin auf Erteilung der wasserrechtlichen Genehmigung ohne die streitgegenständliche Bestimmung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn die streitgegenständliche Bestimmung wird in beiden Fällen den Anforderungen von Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG gerecht.

Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG wird, wie erwähnt, nicht durch das Telekommunikationsgesetz verdrängt, weil dem Telekommunikationsgesetz eine entsprechende Ausschlusswirkung weder nach Wortlaut, Gesetzessystematik und Gesetzesbegründung noch nach Sinn und Zweck der §§ 68 ff. TKG zu entnehmen ist (vgl. hierzu 2.3.1. der Urteilsgründe).

Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG sind vorliegend erfüllt. Das Wohl der Allgemeinheit erfordert es, dass die Leerrohre und Kabel im Bereich des nördlichen Dorfgrabenwegs (Fl.Nr. ...50/1 und ...13/1 der Gemarkung Oberstreu) im westlichen Bereich der Straße zu verlegen sind und dass ein Abstand zur Hochwasserschutzmauer von mindestens drei Metern einzuhalten ist. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Wasserwirtschaftsamts Bad Kissingen vom 2. Mai 2011. Die darin vorgenommene wasserwirtschaftliche Würdigung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass aus Gründen des Hochwasserschutzes und der Standsicherheit der Anlagen nur ein der Nebenbestimmung entsprechender Trassenverlauf möglich sei. Angesichts der fachlichen Autorität der Wasserwirtschaftsämter als kraft Gesetzes eingerichteter wasserwirtschaftlicher Fachbehörden (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) kommt ihren Gutachten ein besonderes Gewicht zu. Sie haben in der Regel größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets, insbesondere der Beobachtung und Erfassung der örtlichen Gewässerverhältnisse, und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen (BayVGH v. 21.3.2012 Az. 8 CS 11.2989; v. 19.3.2012 Az. 8 ZB 10.2343; v. 31.8.2011 Az. 8 ZB 10.1961 - alle juris).Dem Gutachten ist die Klägerin, die die Ausführungen des Wasserwirtschaftsamts schlicht bestritten hat, nicht substanziiert entgegentreten.

2.3.3.

Auch die in Ziffer 3.2.4 des Bescheids enthaltene Auflage, dass aufgegrabene Bereiche wieder ordnungsgemäß zu befestigen sind, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie beruht ebenfalls auf Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG, deren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind.

Auch insoweit kann € anders als die Klägerin meint € nicht von einem Vorrang des Telekommunikationsgesetzes ausgegangen werden. Insbesondere vermag § 71 Abs. 3 TKG, wonach der Nutzungsberechtigte nach Beendigung der Arbeiten an den Telekommunikationslinien den Verkehrsweg unverzüglich wieder instand zu setzen hat, sofern nicht der Unterhaltspflichtige erklärt hat, die Instandsetzung selbst vornehmen zu wollen, die Vorschrift des Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG nicht zu verdrängen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das Telekommunikationsgesetz nach Wortlaut, Gesetzessystematik und Gesetzesbegründung sowie nach Sinn und Zweck der §§ 68 ff. TKG keine gegenüber Art. 20 Abs. 4 Satz 2 BayWG ausschließende Wirkung entfaltet (vgl. 2.3.1. der Urteilsgründe). Zum anderen ist § 71 Abs. 3 TKG wegen seiner auf das Wegebaurecht beschränkten Zielrichtung nicht geeignet, den gegebenenfalls an ein Vorhaben zu stellenden wasserrechtlichen Anforderungen inhaltlich in vollem Umfang Rechnung zu tragen. Gerade die streitgegenständliche Bestimmung (€zu befestigen€) zeigt, dass die wasserrechtlichen Anforderungen durchaus weitergehen können, als die Anforderungen von § 71 Abs. 3 TKG (€instand zu setzen€).

Dass das Wohl der Allgemeinheit die streitgegenständliche Bestimmung erfordert, versteht sich von selbst. Den entsprechenden Ausführungen und Schlussfolgerungen des Wasserwirtschaftsamts Bad Kissingen ist die Klägerin ebenfalls nicht substanziiert entgegengetreten.

2.3.4.

Schließlich ist auch Ziffer 4.2 des Bescheids rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Kostenfestsetzung ist Art. 1 Abs. 1 KG. Danach erheben die Behörden des Staates für ihre Tätigkeiten, die sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornehmen (Amtshandlungen), Kosten (Gebühren und Auslagen) nach den Vorschriften dieses Abschnitts. Die sich hieraus ergebenden Voraussetzungen für die Kostenfestsetzung liegen vor.

Die Klägerin unterliegt der persönlichen Kostentragungspflicht. Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG ist zur Zahlung der Kosten verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst, im Übrigen diejenige Person, in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wird. Kostenschuldner ist die Person, die für die Amtshandlung tatsächlich in verantwortlicher Weise ursächlich gewesen ist (Stimpfl, Praxis der Kommunalverwaltung, 2008, Verwaltungskostenrecht, Anm. 5.2.1). Dies trifft auf die Klägerin als Antragstellerin im wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren zu. Soweit die Klägerin offenbar nicht davon ausgegangen ist, dass im Verlauf des Verwaltungsverfahrens ein wasserrechtliches Gutachten eingeholt werden würde, ist dies für ihre persönliche Kostenpflicht aufgrund des Veranlasserprinzips ohne Belang.

An der sachlichen Kostentragungspflicht der Klägerin bestehen ebenfalls keine Zweifel. Zu den Auslagen der an der Amtshandlung beteiligten Behörden und Stellen gehören, soweit im Kostenverzeichnis keine Ausnahmen vorgesehen sind, die anderen Behörden oder anderen Personen für ihre Tätigkeit zustehenden Beträge (Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG). Darunter fällt auch der dem Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen als amtlichem Sachverständigen zustehende Betrag für die Anfertigung des wasserrechtlichen Gutachtens. Insoweit ist weder eine Ausnahme im Kostenverzeichnis vorgesehen noch besteht sachliche Kostenfreiheit nach Art. 3 Abs. 1 KG.

Der festgesetzte Betrag von 540,00 EUR ist der Höhe nach angemessen. Die zugrunde liegende Berechnung nach Zeitaufwand für die Inanspruchnahme von Bediensteten des gehobenen Dienstes im Umfang von 9 h zu je 60,00 EUR (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Umweltgebührenordnung € UgebO) ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, dass die zu erstattenden Aufwendungen wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß Art. 16 Abs. 5 KG nicht zu erheben bzw. zu kürzen sind.

Sie kann der Kostenfestsetzung insbesondere nicht entgegenhalten, die Beauftragung des Wasserwirtschaftsamts Bad Kissingen sei nicht erforderlich gewesen und das Landratsamt Rhön-Grabfeld hätte die Ergebnisse des Gutachtens aufgrund eigener Sachkunde gewinnen können. Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG bedient sie sich dazu der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält. Nach Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayVwVfG kann sie unter anderem schriftliche Äußerungen von Sachverständigen einholen. Es entspricht der üblichen Vorgehensweise, dass eine Behörde den Sachverständigen einer Fachbehörde hinzuzieht, sofern die Beurteilung eines Sachverhalts besondere Sachkunde erfordert (vgl. Nr. 77.4.4 VwVBayWG). Davon ist vorliegend aufgrund der Art, des Umfangs und der Lage des Vorhabens € teilweise in einem durch Rechtsverordnung festgesetztem Überschwemmungsgebiet € auszugehen. Insbesondere die Auswirkungen eines wasserrechtlichen Vorhabens bei Überschwemmungen bedürfen einer fachkundigen Beurteilung.

Bei richtiger Sachbehandlung hätte das Landratsamt Rhön-Grabfeld zwar davon abgesehen, die rechtswidrige Ziffer 3.1.5 des Bescheids aus dem Gutachten zu übernehmen. Allerdings wären die Kosten in diesem Fall nicht niedriger ausgefallen. Denn die Entstehung der Kosten für das wasserrechtliche Gutachten hing angesichts der Vielzahl der vorgesehenen Bestimmungen nicht maßgeblich von einer einzelnen Regelung ab. Es ist insbesondere davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Nebenbestimmung den der Kostenrechnung zugrunde liegenden Zeitfaktor nicht erheblich beeinflusst hat. Es bestand für das Landratsamt aufgrund dieser Bestimmung auch kein Anlass, das Gutachten im Ganzen oder zu erheblichen Teilen als unbrauchbar anzusehen.

3.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wobei die Kammer das Obsiegen der Klägerin mit 1/5 und das des Beklagten mit 4/5 bewertet.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.540,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Hinsichtlich der angegriffenen Nebenbestimmungen ergeht die Streitwertfestsetzung nach §§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Der Sach- und Streitstand bietet insoweit keine genügenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts, so dass ein Betrag von 5.000,00 EUR anzusetzen ist. Hinsichtlich der Kostenfestsetzung betrifft der Antrag der Klägerin eine bezifferte Geldleistung, so dass deren Höhe von 540,00 EUR maßgeblich ist (§ 52 Abs. 3 GKG). Die Beträge sind aufgrund der objektiven Klagenhäufung zu addieren (Ziffer 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327)).






VG Würzburg:
Urteil v. 19.06.2012
Az: W 4 K 11.491


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