Landgericht Bonn:
Urteil vom 10. Januar 2012
Aktenzeichen: 11 O 49/11

(LG Bonn: Urteil v. 10.01.2012, Az.: 11 O 49/11)

Tenor

1.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern,

z u u n t e r l a s s e n ,

a) im geschäftlichen Verkehr Verbraucher unaufgefordert und ohne ihre vorherige ausdrückliche Einwilligung anzurufen bzw. anrufen zu lassen, um für Telekommunikationsdienstleistungsverträge und / oder für Verträge über den Empfang von digitalem Fernsehen zu werben;

und / oder

b) im geschäftlichen Verkehr Verbraucher unaufgefordert anzurufen bzw. anrufen zu lassen, um für Telekommunikationsdienstleistungsverträge zu werben, wenn der angerufene Verbraucher eine vorgedruckte Erklärung gemäß der nachfolgend in Kopie abgebildeten Anlage K 1 unterschrieben hat.

( Abbildung vorgedruckte Erklärung - Seite 3 - Kopie Anlage K1 )

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 200,00 € nebst

Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins-satz ab dem 18.08.2011 zu zahlen.

3.

Die Kosten des Rechtsstreites werden der Beklagten auferlegt.

4.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist in der von dem Bundesamt für Justiz in Bonn geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen. Er beanstandet folgende Anrufe von Mitarbeitern der Beklagten bei Verbrauchern, um diesen Telekommunikationsdienstleistungsverträge der Beklagten anzubieten:

- Ein Anruf vom 10.02.2011 bei dem Zeugen M, um diesem einen „F.“-Vertrag anzubieten, bei dem über das Internet digitales Fernsehen empfangen werden kann.

- Ein Anruf vom 27.04.2011 mit dem dem Zeugen N ein Festnetzanschluss mit Internet für monatlich 29,95 € angeboten wurde.

- Ein Anruf vom 13.04.2011 bei dem Zeugen S.

- Ein Anruf vom 01.07.2011 mit dem dem Zeugen K ein Vertrag für einen Festnetzanschluss plus Internet angeboten wurde.

Mit Schreiben vom 30.03.2011 (Anlage K2 = Bl... - ... d.A.) hat der Kläger die Handlung vom 10.02.2011 abgemahnt und die Beklagte erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. In dem anschließenden vorgerichtlichen Schriftwechsel der Parteien hat die Beklagte unter anderem zu dem Anruf vom 01.07.2011 auf einen zwischen ihr und dem Zeugen K bestehenden Mobilfunkvertrag (Anlage K1 = Bl... d.A.) sowie der darin unter der Rubrik „Vertragspartner / Allgemeine Geschäftsbedingungen / Datenschutzerklärung“ enthaltenen Erklärungen verwiesen. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das Kreuz in dem Kästchen vor der dortigen Textpassage „per Telefonanruf“ nicht von dem Zeugen K gesetzt worden ist, sondern sich bereits in dem ihm vorgelegten Ausdruck des Vertragsformulars befand, das von dem Zeugen K unterschrieben worden ist.

Der Kläger behauptet, der Zeuge N habe bei dem Telefonat darauf hingewiesen, kein Einverständnis zu einem solchen Anruf erteilt zu haben, worauf die Anruferin erklärt habe, es sei ausreichend, dass der Zeuge mal Kunde der U gewesen sei. Der Zeuge K sei bereits am 05.04.2011 von einem Mitarbeiter der Beklagten angerufen worden, der ihm einen Festnetzvertrag angeboten habe. Bei diesem Gespräch habe der Zeuge K ausdrücklich erklärt, dass er künftig keine weiteren Anrufe wünsche. Bei dem Telefonat vom 01.07.2011 habe der Zeuge K erklärt, dass er kein Interesse habe und dies auch schon bei vorherigen Anrufen zum Ausdruck gebracht habe. Der Anrufer - Herr C - habe erwidert, gegenüber der Beklagten müsse schriftlich erklärt werden, wenn keine Anrufe gewünscht seien; allein die mündliche Erklärung genüge nicht; man befinde sich in einem Vertragsverhältnis, da könne die Beklagte „ganz normale“ Beratungsgespräche durchführen.

Der Kläger beantragt,

I. Die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken den Geschäftsführern, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr Verbraucher unaufgefordert und ohne ihre vorherige ausdrückliche Einwilligung anzurufen bzw. anrufen zu lassen, um für Telekommunikationsdienstleistungsverträge und / oder für Verträge über den Empfang von digitalem Fernsehen zu werben

und / oder

im geschäftlichen Verkehr Verbraucher unaufgefordert anzurufen bzw. anrufen zu lassen, um für Telekommunikationsdienstleistungsverträge zu werben, wenn der angerufene Verbraucher eine vorgedruckte Erklärung gemäß Anlage K 1 unterschrieben hat.

II. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 200,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Zeugen M, N und S hätten an Gewinnspielen teilgenommen und dort ihre Einwilligung zu einer telefonischen Kontaktaufnahme erteilt. Dies sei durch den Zeugen N im Jahr 2010 bei einem Online-Gewinnspiel auf der Internetseite www.H.net (Anlage B1 = Bl... d.A.) erfolgt und durch den Zeugen S bei einem Online-Gewinnspiel auf der Seite www.T.info (Anlage B4 = Bl... d.A.). Mit dem Zeuge K seien die Alternativen einer künftig gewollten Kontaktaufnahme im Rahmen der Beratung über den Abschluss des Mobilfunkvertrages (Anlage K1 = Bl... d.A.) erörtert worden; das Kreuz sei bei der von dem Kunden gewünschten Kontaktaufnahmemöglichkeit gesetzt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten geschäftlichen Handlungen aus den §§ 7 Abs.1 Satz 1 und Abs.2 Ziffer 2., 8 Abs.1 und Abs.3 Ziffer 3. UWG. Der Zahlungsanspruch folgt aus § 12 Abs.1 Satz 2 UWG.

1. Die im Tatbestand wiedergegebenen Anträge des Klägers zu I. stellen gegenüber dem ursprünglichen Klageantrag zu I. in der Fassung der Klageschrift vom 05.08.2011, der inhaltlich Ziffer 1. a) des Urteilstenors entsprach, eine gemäß § 264 Ziffer 2. ZPO zulässige, rein qualitative Änderung des Klageantrages bei gleich bleibendem Klagegrund dar (vgl. nur Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 264 Rd.3 bis 3b). In dieser geänderten Antragsfassung ist weder eine Teilklagerücknahme noch eine gegebenenfalls streitwerterhöhend wirkende Erweiterung des Klagebegehrens enthalten (vgl. dazu Zöller/Greger, aaO., Rd.3c bis 4a).

Die mit der Klageschrift zur Begründung für den darin formulierten Unterlassungsantrag vorgetragenen Verletzungshandlungen (vgl. zum Begriff: v.Ungern-Sternberg GRUR 2009, 1009, 1011 unter IV.3.) bilden einen einheitlichen Streitgegenstand. Dies folgt aus dem auch im Wettbewerbsrecht geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, wonach der Streitgegenstand eines Verfahrens einerseits durch den konkreten - hier unverändert einheitlichen - Klageantrag und andererseits durch den Lebenssachverhalt bestimmt wird, aus dem der Kläger die von ihm begehrte Rechtsfolge ableitet (vgl. BGH GRUR 2006, 421, 422 Rd.25ff. = BGHZ 166, 253ff. = NJW-RR 2006, 1118ff. - „Markenparfümverkäufe“; Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 12 Rd.2.23; Götz, GRUR 2008, 401 jeweils m.w.N.). Definiert sich aber der Begriff des Lebenssachverhaltes aus einem tatsächlichen Geschehen, das bei natürlicher Betrachtungsweise nach der Verkehrsauffassung einen einheitlichen Vorgang darstellt (vgl. nur Zöller/Vollkommer, ZPO, aaO., Einleitung Rd.83; v.Ungern-Sternberg GRUR 2009, 1012f. unter IV.5.a) jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen), dann bilden die hier mit der Klageschrift vom 05.08.2011 gleichzeitig vorgetragenen gleichartigen Verletzungshandlungen in Form von Werbeanrufen ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung gegenüber den Zeugen M, N, S und K einen einheitlichen Klagegrund (vgl. BGH GRUR 2006, 421, 422 Rd.26; v.Ungern-Sternberg, aaO., 1013f. unter IV.5.b); ders. GRUR 2011, 375, 382f. jeweils m.w.N.). Denn allen Telefonaten fehlte nach dem Klägervortrag das entscheidende rechtfertigende Element (vgl. nur Köhler/Bornkamm, aaO., § 7 Rd.134) der vorherigen ausdrücklichen Einwilligung, so dass allein hierdurch schon die für alle Telefonate einschlägige gleiche Anspruchsgrundlage (§§ 7 Abs.1 Satz 1 und Abs.2 Ziffer 2., 8 Abs.1 UWG) erfüllt war (vgl. dazu auch Zöller/Vollkommer, aaO., Einleitung Rd.76; Köhler/Bornkamm, aaO., § 12 Rd.2.23 am Ende).

Soweit der Kläger im Anschluss an die von der Beklagten aufgeworfenen Zulässigkeitsüberlegungen aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 17.08.2011 - I ZR 108/09 - Rd.30 = WRP 2011, 1454ff. - „TÜV II“; BGH, Hinweisbeschluss vom 24.03.2011 - I ZR 108/09 - Rd.6ff. = GRUR 2011, 521ff. -„TÜV I“) mit Schriftsatz vom 09.11.2011 ausgeführt hat, „dass die jeweiligen Sachverhalte kumulativ zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden“ (Bl... d.A.), ist diese Äußerung auslegungsbedürftig (§ 133 BGB). Denn für eine kumulative, also dem Gericht gleichzeitig zur Entscheidung unterbreitete, Geltendmachung der streitgegenständlichen Anrufe bestand in Anbetracht der eingangs bereits aufgezeigten Einheitlichkeit des vorgetragenen Lebenssachverhaltes und des Klagebegehrens kein verständiger Grund. Vielmehr bestanden selbst bei schematischer Anwendung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. dazu das Urteil des Kammer vom 15.11.2011 - 11 O 18/11 - m.w.N.) schon deshalb keine Bedenken gegen die Bestimmtheit der Klage (§ 253 Abs.2 Ziffer 2. ZPO), weil die mit der Klageschrift vorgetragenen Anrufe als einzelne Verletzungshandlungen unter verständiger Würdigung (§ 133 BGB) als in dieser - zeitlich und von der Klageschrift vorgegebenen - Reihenfolge formulierte (konkludente) verdeckte Hilfsanträge auszulegen waren (vgl. nur Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, Kapitel J Rd.13 und Kapitel K Rd.17). Betreffend die Anrufe bei den Zeugen M, N und S entspricht die ausdrückliche Klarstellung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2011 (vgl. Sitzungsprotokoll, Bl... d.A.) dieser Sichtweise. Die gleichzeitig vorgenommene Änderung der Fassung des Klageantrages betreffend den Anruf bei dem Zeugen K war vor diesem Hintergrund allein der Präzisierung des Streitgegenstandes geschuldet (vgl. dazu das Urteil der Kammer, aaO.). Sie beinhaltet mithin weder eine Teilklagerücknahme noch eine Erweiterung des Klagebegehrens.

2. Die beanstandete Werbeanruf vom 10.02.2011 gegenüber den Zeugen M begründet die unter Ziffer 1. a) des Tenors dieses Urteils ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung der Beklagten, da die Beklagte eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Zeugen M nicht in überprüfbarer Weise vorgetragen hat (§ 138 Abs.1 und Abs.2 ZPO). Denn die Beklagte trägt die Darlegungs- und Beweislast für eine wirksame vorherige ausdrückliche Einwilligung des telefonisch beworbenen Verbrauchers (vgl. BGH GRUR 2011, 936, 938 Rd.30 = NJW 2011, 2657ff. - „Doubleoptin-Verfahren“; Köhler/Bornkamm, aaO., § 7 Rd.134). In Anbetracht des Schutzzweckes des § 7 Abs.2 Ziffer 2. UWG (vgl. dazu Köhler/Bornkamm, aaO., § 7 Rd.143 m.w.N.) setzt dieser Nachweis aber voraus, dass der Werbende die konkrete Einverständniserklärung des betroffenen Verbrauchers vollständig dokumentiert (BGH, aaO., 938 Rd.31 und 939 Rd.34 sowie die Entscheidungsbesprechungen von Hoffmann NJW 2011, 2623, 2628 unter V.11.; Klinger juris PR-ITR 17/2011 Anmerkung 2.; Leible/Günther GRUR 2011, 940 unter 5.; Omsels juris PR-WettbR 9/2011 Anmerkung 3.).

Mit ihrem in der Klageerwiderung unter Ziffer I.1. (Bl... d.A.) ausdrücklich unter den Vorbehalt einer abschließenden Recherche gestellten Hinweis darauf, dass in den Systemen der Beklagten hinsichtlich des Kunden M ein sogenanntes „positives Werbekennzeichen“ für die Kontaktaufnahme per Telefon enthalten sei, wird die Beklagte diesen prozessualen Anforderungen schon auf der Darlegungsebene nicht gerecht. Wann und in welcher Art und Weise eine Einwilligung dieses Zeugen erklärt worden sein soll, ist völlig offen. Für die mit Schriftsatz vom 20.12.2011 angebotene Vernehmung des Zeugen M besteht deshalb keine Grundlage.

3. Die lediglich hilfsweise (vgl. oben unter Ziffer 1.) zur Begründung der unter Ziffer 1. a) des Tenors dieses Urteils ausgesprochenen Unterlassungsverpflichtung vorgetragenen Werbeanrufe vom 27.04. und 13.04.2011 gegenüber den Zeugen N und S bedürfen aus den Gründen zu Ziffer 2. keiner Entscheidung.

4. Der gegenüber dem Zeugen K erfolgte Werbeanruf vom 01.07.2011 begründet die unter Ziffer 1. b) des Tenors dieses Urteils ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung der Beklagten, da die Unterzeichnung der vorgedruckten Erklärung in Form der Anlage K 1 keine wirksame vorherige ausdrückliche Einwilligung des Zeugen K im Sinne von § 7 Abs.2 Ziffer 2. UWG darstellt.

Anschließend an die Schutzzwecküberlegungen unter Ziffer 2. unterliegt eine von dem Werbenden vorformulierte Einwilligungserklärung der Zulässigkeitskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 305ff. BGB (OLG Köln MMR 2009, 470f.; Köhler/Bornkamm, aaO., § 7 Rd.137; Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl. 2010, § 7 Rd.54 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn der Verwender dem Kunden die Wahl zwischen mehreren Alternativen - hier in Form des Ankreuzens der auf dem Vertragsformular (Anlage K 1) unter der Rubrik „Vertragspartner / Allgemeine Geschäftsbedingungen / Datenschutzerklärung“ enthaltenen Kästchen - überlässt (OLG Köln, aaO.; Köhler/Bornkamm, aaO., § 7 Rd.137; Lettl WRP 2009, 1315, 1328; vgl. allgemein auch: Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl. 2012, § 305 Rd.8 jeweils m.w.N.). Erst Recht aber finden diese Kontrollmaßstäbe dann Anwendung, wenn der Kunde eine bereits von dem Verwender angekreuzte Einwilligungsklausel unterschreibt, wie dies nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten hier der Fall gewesen ist (vgl. Piper/Ohly/Sosnitza, aaO., § 7 Rd.54). Denn damit nimmt der Verwender einseitig eine rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht für sich in Anspruch, die sich auch unter Berücksichtigung des (streitigen) Beklagtenvortrages einer vorherigen Erörterung der Kontaktaufnahmemöglichkeiten mit dem Zeugen K qualitativ nur marginal von einer generell unwirksamen „Optout-Klausel“ (vgl. nur Köhler/Bornkamm, aaO., § 7 Rd.141; Lettl WRP 2009, 1315, 1329 m.w.N.) unterscheidet. Denn in beiden Fällen muss der Kunde vor seiner Unterschriftsleistung die entsprechende Einwilligungsklausel, sei es durch ein Streichen des Passus oder ein Ankreuzen der Option, nicht mit einer telefonischen Kontaktaufnahme einverstanden zu sein, wieder entfernen. Damit kehrt diese Formular- und Vertragspraxis das in § 7 Abs. 2 Ziffer 2. UWG im Interesse eines notwendigen Verbraucherschutzes zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Verhältnis in sein Gegenteil um.

Ungeachtet der nach alledem bereits aus diesen Gründen folgenden Unwirksamkeit der Einwilligung des Zeugen K wegen einer unangemessenen Benachteiligung dieses Verbrauchers durch Verwendung einer allenfalls modifizierten „Optout-Klausel“ (§ 307 Abs.1 Satz 1 und Abs.2 Ziffer 1.BGB; vgl. Köhler/Bornkamm, aaO., § 7 Rd.141; Piper/Ohly/Sosnitza, aaO., § 7 Rd.54; Lettl WRP 2009, 1315, 1329; differenzierend, aber im Ergebnis offen: OLG Hamburg MMR 2009, 557f.), fehlt es hier auch an der erforderlichen gesonderten Einwilligungserklärung.

Denn die europarechtlich gebotene richtlinienkonforme Auslegung des Begriffs der „Einwilligung“ im Sinne von § 7 Abs.2 Ziffer 2. UWG (vgl. BGH NJW 2008, 3055, 3057 Rd.28 = GRUR 2008, 1010ff. - „Payback“; Köhler/Bornkamm, aaO., § 7 Rd.136; Lettl WRP 2009, 1315, 1324f.) setzt voraus, dass sich diese Zustimmungserklärung unzweifelhaft und nachweislich auf den jeweils zur Diskussion stehenden Werbeanruf bezieht. Diese Voraussetzung ist bei einer nicht gesondert abgegebenen Erklärung des Verbrauchers, sondern einer Unterzeichnung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Einwilligung in Textpassagen einkleiden, die auch andere Erklärungen und Hinweise enthalten, nicht erfüllt (BGH MMR 2011, 458 Rd.8; BGH NJW 2008, 3055, 3057 Rd.29; Köhler/Bornkamm, aaO., § 7 Rd.141; Piper/Ohly/Sosnitza, aaO., § 7 Rd.54; Lettl WRP 2009, 1315, 1328f.). Die in der eingangs zitierten Rubrik der Anlage K 1 enthaltene Einwilligung genügt schon deshalb nicht den Anforderungen von § 7 Abs.2 Ziffer 2. UWG.

5. Die Aktivlegitimation des Klägers ergibt sich aus § 8 Abs.3 Ziffer 2. UWG. Die hier festgestellten Erstverstöße der Beklagten indizieren die gemäß § 8 Abs.1 Satz 1 UWG grundsätzlich erforderliche Wiederholungsgefahr (vgl. nur Köhler/Bornkamm, aaO., § 8 UWG Rd.1.33ff.).

6. Der Kläger hat ferner gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der ihm für die Abmahnung vom 30.03.2011 entstandenen Aufwendungen aus § 12 Abs.1 Satz 2 UWG.

Die Höhe der Kostenpauschale von 200,00 € einschließlich 7% MwSt. ist in entsprechender Anwendung von § 287 Abs.1 Satz 1 und Abs.2 ZPO unter Berücksichtigung der gesetzlichen Privilegierung der satzungsmäßigen Aufgaben des Klägers und des damit regelmäßig verbundenen Personal- und Sachkostenaufwandes nicht zu beanstanden (vgl. dazu Köhler/Bornkamm, aaO., § 12 UWG Rd.1.98 m.w.N.). Im Übrigen hat der Kläger seine konkreten Kostenbelastungen mit Schriftsatz vom 09.11.2011 eingehend und schlüssig dargetan.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs.1, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Streitwert: 15.000,00 €.






LG Bonn:
Urteil v. 10.01.2012
Az: 11 O 49/11


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