Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 4. November 1999
Aktenzeichen: 4 U 93/99

(OLG Hamm: Urteil v. 04.11.1999, Az.: 4 U 93/99)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einer Entscheidung vom 4. November 1999 (Aktenzeichen 4 U 93/99) die Berufung der Beklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Essen zurückgewiesen. Dabei wurde der Tenor des angefochtenen Urteils dahingehend berichtigt, dass hinter "die Beklagte wird verurteilt" der Zusatz "es zu unterlassen" eingefügt wird. Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und belastet die Beklagte mit 100.000,00 DM (Streitwert der Berufung).

In der Sache ging es um eine Werbeaktion der Beklagten, bei der Kunden in einem bestimmten Zeitraum für jeden Einkauf über 5,00 DM einen Dankeschön-Punkt erhielten. Nach einem Jahr konnten die Kunden ihre gesammelten Punkte in Form eines 3%igen Rabatts einlösen, sofern sie einen Mindestumsatz von 500,00 DM erreicht hatten. Der Kläger war der Ansicht, dass diese Werbeaktion gegen das Rabattgesetz verstoße.

Das Landgericht Essen hatte in erster Instanz der Klage stattgegeben. Es sah einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 Rabattgesetz und eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs.

Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte in seiner Entscheidung die Auffassung des Landgerichts. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Rabattgesetz darf die Einlösung von Preisnachlässen von keinem höheren Betrag als 50,00 DM abhängig gemacht werden. Die Beklagte verstoße gegen diese Regelung, da die Einlösung der erworbenen Punkte von einem Mindestumsatz von 500,00 DM abhängig gemacht werde. Dieser Höchstbetrag sei zwingend und dürfe nicht überschritten werden. Auch das Argument der Beklagten, dass der Kunde als Gegenleistung für den Rabatt seine persönlichen Daten zur Verfügung stelle, überzeugte das Gericht nicht. Der Verbraucher werde allein aufgrund des Werbetextes dazu animiert, möglichst oft und viel bei der Beklagten einzukaufen, um den geforderten Mindestumsatz zu erreichen. Von einer anderweitigen Gegenleistung des Kunden sei nicht die Rede.

Das Oberlandesgericht kam zu dem Schluss, dass der Verstoß der Beklagten gegen das Rabattgesetz eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs darstelle. Die Interessen der Mitbewerber, die durch das Rabattgesetz geschützt werden sollen, würden durch die Rabattgewährung erheblich berührt. Es bestehe zudem die Gefahr der Nachahmung, wenn kein Verbot dieser Rabattregelung erfolge.

Die Berufung der Beklagten wurde daher zurückgewiesen. Das Gericht fügte jedoch in einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Worte "es zu unterlassen" in den Tenor des angefochtenen Urteils ein. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den entsprechenden zivilprozessualen Vorschriften.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Hamm: Urteil v. 04.11.1999, Az: 4 U 93/99


Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 08. April 1999 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Tenor des angefochtenen Urteils dahin berichtigt wird, daß hinter "die Beklagte wird verurteilt," eingefügt wird, "es zu unterlassen".

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und beschwert die Beklagte mit 100.000,00 DM (zugleich Streitwert der Beru-fung).

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120.000,00 DM abzuwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Jegliche Sicherheitsleistung kann auch durch Beibringung der unbedingten, unbefristeten und selbstschuldnerischen Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen deutschen Kreditinstituts erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein rechtsfähiger Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gehört. Ihr gehören eine Vielzahl von Verbänden und Industrie- und Handelskammern in der Bundesrepublik Deutschland als Mitglieder an.

Die Beklagte ist ein führendes deutsches Kaufhausunternehmen mit zahlreichen, über das gesamte Bundesgebiet verteilten Verkaufshäusern und einem breiten Angebotssortiment.

Im Juni 1998 versandte die Beklagte über die mit ihr verbundene P-Bank bundesweit ein Werbeschreiben und eine Broschüre, mit denen für eine "neue Klubkarte bei L" und eine als "Klub L Dankeschön-Programm" übertitelte Aktion geworben wurde. U. a. heißt es dabei wörtlich: "Sichern Sie sich 3 % Dankeschön-Rabatt und sammeln sie Dankeschön-Punkte. Ab 01. Juli erhalten Sie ab jedem Einkauf über 5,00 DM für jede Mark einen Dankeschön-Punkt. Haben Sie nach einem Jahr insgesamt 500,00 DM = 500 Punkte gesammelt, erhalten Sie 3 % Ihrer Punkte als Dankeschön-Rabatt... Sollten Sie nach 12 Monaten einen Mindestumsatz von 500,00 DM gemacht bzw. 500 Dankeschön-

Punkte gesammelt haben, werden Ihnen mit der nächsten Abrechnung 3 % von Ihren gesammelten rabattberechtigten Umsätzen oder Dankeschön-Punkten gutgeschrieben... Das gleiche gilt für den Fall, daß Sie die Mindestpunktzahl schon nach 6 Monaten erreicht haben."

Am 03.09.1998 wurde in dem Geschäft L in F eine weitere Werbebroschüre mit der Überschrift "Kostenlos für Sie - 3 % und Extras inklusive" verteilt, in der es auf S. 9 u. a. heißt "Bei Einkäufen in allen L-Häusern sowie im L2, im B-Haus und bei X werden Ihre Einkäufe ab 5,00 DM bei Vorlage Ihrer Klub L Karte auf einem Dankeschön-Konto gesammelt. Für jede Einkaufsmark gibt es einen Dankeschön-Punkt... Sollten Sie nach 12 Monaten einen Mindestumsatz von 500,00 DM gemacht bzw. 500 Dankeschön-Punkte gesammelt haben, werden Ihnen mit der nächsten Abrechnung 3 % von Ihren gesammelten rabattberechtigten Umsätzen oder Dankeschön-Punkten gutgeschrieben bzw. erhalten Sie einen Dankeschön-Gutschein in dieser Höhe... Das gleiche gilt für den Fall, daß Sie die Mindestpunktzahl schon nach 6 Monaten erreicht haben (alternativ Überweisung auf das Girokonto bzw. Barauszahlung an der Sammelkasse möglich)."

Die Klägerin ist der Auffassung, es liege ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Rabattgesetzes vor.

Das Landgericht hat entsprechend dem Antrag der Klägerin die Beklagte unter Ordnungsmittelandrohung verurteilt "im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in an Verbraucher gerichteter Werbung oder sonst werblich im Rahmen der Gewährung einer Kundenkarte anzukündigen, daß der Kunde 3 % Dankeschön-Rabatt in der Weise erhält, daß er bei jedem Einkauf über 5,00 DM für jede Mark einen Dankeschön-Punkt erhält und nach einem Jahr für

500 gesammelte Punkte 3 % der Punkte als Dankeschön-Rabatt erhält und/oder ankündigungsgemäß zu verfahren". Zur Begründung ist ausgeführt, die Beklagte verletze § 4 Abs. 1 Satz 2 Rabattgesetz. Ihr Verhalten sei auch geeignet, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, daß kein Verstoß gegen § 4 Rabattgesetz vorliege. Es sei zulässig, einen Rabatt erst ab einer bestimmten Umsatzhöhe zu gewähren. Genau dies geschehe hier ab 500,00 DM. Es liege auch deshalb kein Rabatt vor, weil der Kunde eine Gegenleistung erbringe, indem er seine personenbezogenen Daten mit seinem Kartenantrag der Beklagten übermittele und damit dieser Kostenvorteile bei einer zielgerichteten Werbung verschaffe. Im übrigen entspreche die 1933 festgesetzte Grenze von 50,00 DM nach der Gehalts- und Preisentwicklung heute einem Betrag von mehr als 500,00 DM. Jedenfalls liege keine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs vor, zumal die jetzige Konstellation weniger zur Beeinträchtigung der Mitbewerber führe als die in jedem Fall zulässige Möglichkeit der Gewährung eines 3prozentigen Barzahlungsrabatts unabhängig von der Höhe des Einkaufs.

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage kostenpflichtig abzuweisen,

hilfsweise im Unterliegensfalle ihr die Abwendung jeder Zwangsvollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung, die auch durch Bankbürgschaft erbracht werden kann, nachzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

sowie es bei einer Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung gemäß §§ 711 Satz 2, 710 ZPO zu belassen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Unterlagen verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das Landgericht hat zutreffend einen Verstoß der Beklagten gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 Rabattgesetz festgestellt und mit Recht eine Eignung der beanstandeten Handlungsweise angenommen, den Wettbewerb auf den betroffenen Markt wesentlich zu beeinträchtigen.

Nach § 1 Rabattgesetz dürfen Preisnachlässe nur nach Maßgabe der weiteren Vorschriften dieses Gesetzes gewährt werden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Rabattgesetz darf die Einlösung eines in Form von Gutscheinen gewährten Barzahlungsnachlasses von keinem höheren Betrag als 50,00 DM abhängig gemacht werden. Gegen diese Regelung verstößt die Beklagte bei ihrer Form der Rabattgewährung.

Der Argumentation der Berufungsbegründung, es sei zulässig, einen Rabatt erst ab einem bestimmten Umsatz zu gewähren und

dies geschehe hier mit dem festgelegten Betrag von 500,00 DM, kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte gewährt den Rabatt gerade nicht erst ab 500,00 DM Umsatz, sondern eindeutig bei jedem Kauf ab 5,00 DM. Denn schon dann werden die "Dankeschön-Punkte", die den in § 4 Abs. 1 Rabattgesetz erwähnten Sparmarken gleichzustellen sind, angesammelt. Nur die Auszahlung der erworbenen Punkte wird von einem Mindestumsatz von 500,00 DM in höchstens 12 Monaten abhängig gemacht. Das ist genau der Fall des § 4 Abs. 1 Satz 2 Rabattgesetz. Die Einlösung erworbener Preisnachlässe wird von dem Gesamtumsatz von 500,00 DM abhängig gemacht. Insoweit verbietet § 4 Abs. 2 Rabattgesetz aber gerade eine höhere Grenze als 50,00 DM.

Dieser Höchstbetrag ist zwingend. Einlösungsbedingungen, die einen höheren Umsatz voraussetzen, sind unzulässig (vgl. Hoth-Gloy, Zugabe und Rabatt, 1973, § 4 Rabattgesetz Anmerkung 5).

Der gesetzlich geregelte Höchstbetrag von 50,00 DM mag zwar heute nicht mehr zeitgemäß sein. Eine Änderung ist aber allein Sache des Gesetzgebers. Bis dieser tätig wird, sind die gültigen Vorschriften einzuhalten.

Auch die weitere Argumentation der Berufung, ein Rabattfall liege deshalb nicht vor, weil von dem Kunden als Gegenleistung gewährt würde, daß diese ihren Namen und ihre Adresse der Beklagten für gezielte Werbung zur Verfügung stellten, ist nicht stichhaltig. Nach der Bewerbung und dem dadurch beim Verbraucher hervorgerufenen Eindruck ist die Rabatteinräumung allein an die Höhe der Wareneinkäufe geknüpft. Von einer anderweitigen Gegenleistung des Kunden wird im gesamten Werbetext nicht gesprochen. Das "Dankeschön" in Form des 3-prozentigen Rabattes wird vielmehr ausdrücklich für "alle gesammelten Einkäufe" gewährt. Im übrigen würde es auch an einem angemessenen

Verhältnis zwischen dem Vorteil für die Beklagte, Namen und Anschrift ihrer Kunden zu erhalten, und einem nur dafür gewährten allgemeinen Preisnachlaß von 3 % fehlen.

Schließlich ist auch die Eignung des hier in Rede stehenden Verstoßes gegen das Rabattgesetz zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs (§§ 12 Rabattgesetz, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG) nicht zu verneinen. Die Frage, ob ein Wettbewerbsverstoß geeignet ist, den Wettbewerb auf den relevanten Markt wesentlich zu beeinträchtigen, bestimmt sich im Einzelfall nach Art und Schwere des jeweiligen Verstoßes und dem von ihm zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, zu denen u. a. ein besonderes Interesse der Allgemeinheit einschließlich der Verbraucher, eine besondere Anreizwirkung der Werbung sowie die Größe des erzielten Wettbewerbsvorsprungs gehören können (vgl. BGH, NJW 1999, 2195 - Herabgesetzte Schlußverkaufspreise; BGH, WRP 1999, 1159, 1162 - RUMMS). Im vorliegenden Fall folgt aus der von der Beklagten praktizierten Rabattgewährung ein großer Anreiz für die Kunden, möglichst oft und viel bei der Beklagten einzukaufen, um den geforderten Mindestumsatz von 500,00 DM zu erreichen. Dadurch verbessert die Beklagte ihre Position im Wettbewerb nicht unerheblich. Die Interessen ihrer Mitbewerber, die durch das Rabattgesetz gerade geschützt werden sollen, werden wesentlich berührt. Es besteht auch eine große Gefahr der Nachahmung, wenn kein Verbot dieser Rabattregelung erfolgt. Soweit die Höchstbetragsvorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 Rabattgesetz veraltet erscheint, bleibt es Sache des Gesetzgebers, eine Änderung herbeizuführen. Solange diese nicht erfolgt, muß die Beklagte sich ebenso wie ihre Mitbewerber an die geltende Regelung halten. Der Hinweis der Berufung auf mögliche Auswirkungen einer allgemeinen Rabattgewährung ohne den hier festgesetzten Mindestumsatz kann ebenfalls nicht durchschlagen. Entscheidend

ist die Wirkung des konkret beanstandeten gesetzeswidrigen Handelns auf das Marktgeschehen im Verhältnis zu den sich gerade insoweit gesetzestreu verhaltenden Mitbewerbern. Hier geht, wie ausgeführt, von der für die Einlösung der erworbenen

Rabattpunkte festgelegten Gesamtumsatzhöhe eine erhebliche Anlockwirkung für weitere Einkäufe gerade bei der Beklagten aus.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, wobei, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert worden ist, wegen einer offensichtlichen Auslassung die Worte "es zu unterlassen" in den Tenor des angefochtenen Urteils einzufügen waren, § 319 Abs. 1 ZPO. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 711 Satz 1 ZPO. Die Voraussetzungen der §§ 711 Satz 2, 710 ZPO sind nicht dargetan.






OLG Hamm:
Urteil v. 04.11.1999
Az: 4 U 93/99


Link zum Urteil:
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