Bundesgerichtshof:
Urteil vom 7. Dezember 2010
Aktenzeichen: X ZR 97/09

(BGH: Urteil v. 07.12.2010, Az.: X ZR 97/09)

Tenor

Die Berufung gegen das am 22. April 2009 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 10. September 2002 angemeldeten deutschen Patents 102 42 198 (Streitpatents), das die Bezeichnung "Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell" trägt und in seiner erteilten Fassung 27 Patentansprüche umfasst. Patentanspruch 1 lautet:

"Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell zum Transport von Babys oder Kleinkindern, die mit mindestens einem Befestigungselement im Rahmengestell befestigt werden kann, gekennzeichnet durch eine flexible Matte (21), die durch seitliche, in Längsrichtung der Matte (21) verlaufende Spannelemente (22, 23, 31, 32) in die Transportform gebracht werden kann, und durch seitlich an der Matte (21), insbesondere in Höhe des Gesäßbereichs angeordnete Wandungen, die einem seitlichen Herausrutschen eines Körpers entgegenwirken."

Wegen der abhängigen Patentansprüche 2 bis 27 des Streitpatents wird auf die Patentschrift verwiesen.

Die Klägerin, die von der Beklagten wegen Patentverletzung gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat mit ihrer Nichtigkeitsklage den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend gemacht und beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Beklagte hat das Streitpatent in erster Instanz in erster Linie in der erteilten Fassung und mit insgesamt fünf Hilfsanträgen in geänderter Fassung verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent teilweise für nichtig erklärt, nämlich soweit es über die Fassung gemäß Hilfsantrag II hinausgeht, die insgesamt 24 Patentansprüche enthält, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Danach hat Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben):

"Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell eines Fahrradanhängers, die mit mindestens einem Befestigungselement im Rahmengestell befestigt werden kann, zum Transport von Babys oder Kleinkindern in einer Liegesitzposition, die mit mindestens einem Befestigungselement im Rahmengestell befestigt werden kann, gekennzeichnet durch eine flexible Matte (21), die durch seitliche, in Längsrichtung der Matte (21) verlaufende Spannelemente (22, 23, 31, 32) in die Transportform gebracht werden kann, und durch seitlich an der Matte (21), insbesondere in Höhe des Gesäßbereichs, angeordnete Wandungen, die einem seitlichen Herausrutschen eines Körpers entgegenwirken, und Gurte als seitliche, in Längsrichtung der Matte (21) verlaufende Spannelemente, die an der Oberkante der Wandungen verlaufen, sowie mindestens einen an der Rückseite der Matte (21) im Gesäßbereich befestigten Gurt (31, 32), wobei die Matte (21) mit den seitlichen Gurten (22, 23) in Längsrichtung der Matte und dem mindestens einen an der Rückseite der Matte (21) befestigten Gurt (31, 32) nach hinten in die Transportform verspannt werden kann."

Gegen das Urteil des Patentgerichts wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Klageziel weiterverfolgt.

Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und legt für den Fall, dass ihr Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Klägerin erfolglos sein sollte, hilfsweise Anschlussberufung mit dem Antrag ein, die Nichtigkeitsklage insgesamt abzuweisen.

Gründe

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents zu Recht im ausgeurteilten Umfang für patentfähig erachtet.

I. Das Streitpatent betrifft eine Aufnahme für ein fahrbares Rahmengestell zum Transport von Babys oder Kleinkindern.

1. Nach der Beschreibung des Streitpatents ist der Transport von Kleinkindern und Babys in Fahrradanhängern nicht ohne Weiteres möglich, da die Sitze der Fahrradanhänger hierfür nicht ausgelegt sind. Aufgrund des Mangels an geeigneten Lösungen für dieses Problem würden häufig für Autos konzipierte Babyschalen in Fahrradanhängern eingesetzt und darin mit Gurten befestigt. Zwar könne ein Kleinkind auf diese Weise grundsätzlich in einem Fahrradanhänger transportiert werden, allerdings bestehe dabei der wesentliche Nachteil, dass die Babyschalen sehr klobig und in der Regel breiter als eine für ein Kind vorgesehene Sitzfläche seien. Dies sei insbesondere bei zweisitzigen Fahrradanhängern ein Problem, da bei Einsetzen der Babyschale in den Fahrradanhänger neben der Schale kaum noch Platz für ein zweites Kind oder für eine zweite Babyschale verbleibe. Auch eine am Markt erhältliche harte Babyschale aus Polystyrol, die auf die Breite eines Kindersitzes in einem Fahrradanhänger zugeschnitten ist und eine konkav ausgebildete Liegesitzfläche aufweist, wird von der Streitpatentschrift als nachteilig beurteilt. Diese Transportschale sei sperrig, wodurch ihre Befestigung in einem Fahrradanhänger erschwert werde und eine platzsparende Lagerung, beispielsweise in einem Warenlager oder einer Garage, nicht möglich sei. Starre Babyschalen könnten sich außerdem nicht an die Lage und Bewegung eines Babys oder Kleinkindes anpassen und seien nicht atmungsaktiv. Die Streitpatentschrift schildert weiter am Beispiel verschiedener Druckschriften Fahrradanhänger für Kinder als bekannt, die einen in vertikaler Richtung zusammenklappbaren Rohrrahmen und Sitze aus Textil- bzw. aus flexiblem Material aufweisen. Solche Anhänger seien für den Transport von Babys und Kleinkindern entweder aufgrund der durch den Rohrrahmen vorgegebenen Form oder aufgrund einer unzureichenden Formfestigkeit der Sitze, die nicht genügend Halt gäben, nicht ohne Weiteres geeignet.

2. Als Aufgabe der Erfindung bezeichnet es die Streitpatentschrift, eine Alternative zu der bekannten Babyschale zur Verfügung zu stellen, mit der ein Transport von Babys in einem Fahrradanhänger ermöglicht wird und bei der die vorgenannten Nachteile nicht bestehen.

3. Hierzu wird durch Patentanspruch 1 des Streitpatents in der Fassung des angefochtenen Urteils eine Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell mit folgenden Merkmalen unter Schutz gestellt:

1. Die Körperaufnahme lässt sich in einem fahrbaren Rahmengestell eines Fahrradanhängers anbringen, 1.1. in dem sie mit mindestens einem Befestigungselement befestigt werden kann.

2. Die Körperaufnahme eignet sich zum Transport von Babys in einer Liegesitzposition.

3. Die Körperaufnahme 3.1. besteht aus einer flexiblen Matte und 3.2. weist Wandungen auf, 3.2.1. die seitlich an der Matte, insbesondere in Höhe des Gesäßbereichs, angeordnet sind und 3.2.2. einem seitlichen Herausrutschen eines Körpers entgegenwirken.

4. Die Matte kann in ihre Transportform durch Gurte verspannt werden, von denen 4.1. die seitlich in Längsrichtung der Matte angeordneten Gurte als Spannelemente an der Oberkante der Wandungen verlaufen und die Matte in Längsrichtung verspannen können und 4.2. mindestens ein an ihrer Rückseite im Gesäßbereich befestigter Gurt die Matte nach hinten verspannen kann.

4. Die Streitpatentschrift bezeichnet es als die Grundidee der Erfindung, dass die Körperaufnahme aus einem flexiblen Material gebildet wird, das bei Bedarf durch ein Verspannen des Materials von außen und/oder in sich selbst in die für den Transport des Körpers benötigte Form gebracht werden kann (Tz. 10). Zu dem in Merkmal 4 des Patentanspruchs 1 verwendeten Begriff des Verspannens (der flexiblen Matte) erläutert die Streitpatentschrift, dass es von außen dadurch erfolgen kann, dass außerhalb der Körperaufnahme am Rahmengestell gelagerte Spannelemente so angeordnet sind, dass sie die Matte auf Zug belasten. Hierzu sind - nach der Anspruchsfassung des angefochtenen Urteils nunmehr obligatorisch - als Spannelemente Gurte vorgesehen, die sich nach der Streitpatentschrift besonders gut zum Stabilisieren der Körperaufnahme eignen, da sie stark auf Zug belastet werden können. Die Gurte sind vorzugsweise längenverstellbar und federelastisch ausgestaltet und weisen an ihren Enden Befestigungselemente auf, mit denen die Körperaufnahme in das Rahmengestell eingehängt oder über (weitere) Spannelemente darin verspannt werden kann (Streitpatentschrift, Tz. 10, 14, 31, 32). Die seitliche Führung der in Längsrichtung der Matte verlaufenden Gurte an den Oberkanten der Wandungen nach Merkmal 4.1 soll zur Stabilisierung der Seiten der Körperaufnahme beitragen (Streitpatentschrift, Tz. 14). Nicht näher erörtert wird in der Streitpatentschrift die Frage, wie die Spannung, die bei den auf Zug belasteten in Längsrichtung der Matte angeordneten Gurten entsteht, auf die zu verspannende Matte übertragen wird. Hierzu ist der Streitpatentschrift allerdings zu entnehmen, dass diese seitlichen Gurte vorzugsweise in schlauchartigen Hülsen aus geschäumten elastischen Material verlaufen, die in längst zu beiden Seiten der Matte oder an den Oberkanten der Wandungen vorgesehene Hohlnähte eingelassen sind, und die Gurte in den Hülsen befestigt sind, indem sie darin beispielsweise eingenäht oder verklebt sind (Streitpatentschrift, Tz. 15, 16, 31; Unteranspruch 7). Auf diese Weise kann ein Anziehen der Gurte zugleich die Matte auf Zug belasten.

Gegenüber der bekannten Babyschale hat die erfindungsgemäße Körperaufnahme nach der Streitpatentschrift den Vorteil, dass die Matte aufgrund der Flexibilität ihres Materials bei Nichtgebrauch einfach zusammengefaltet und verstaut werden kann, nachdem die Spannelemente gelöst worden sind (Streitpatentschrift, Tz. 11). Weiterhin hat die Matte selbst in ihrer Transportform eine gewisse Flexibilität, so dass sie sich bis zu einem gewissen Grad an eine Körperform anpassen kann, was den Liege- bzw. Sitzkomfort erhöht. Zudem ist die Befestigung der Körperaufnahme dann wesentlich einfacher, wenn sie zunächst befestigt und erst danach durch Spannelemente in ihre Transportform gebracht wird.

Die in dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 enthaltenen Charakterisierungen des patentgemäßen Gegenstands als Körperaufnahme für ein fahrbares Rahmengestell eines Fahrradanhängers zum Transport von Babys in einer Liegesitzposition stellen den Patentanspruch einleitende Zweckbestimmungen dar, die zur Beschreibung der geschützten Vorrichtung beitragen. Einer Zweckangabe kommt regelmäßig die Aufgabe zu, den durch das Patent geschützten Gegenstand dahin zu definieren, dass er nicht nur die räumlichkörperlichen Merkmale erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein muss, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar ist (Senat, Urteil vom 7. November 1978 - X ZR 58/77, GRUR 1979, 149, 151 - Schießbolzen; Urteil vom 2. Dezember 1980 - X ZR 16/79, GRUR 1981, 259, 260 - Heuwerbungsmaschine II; Urteil vom 12. Juli 1990 - X ZR 121/88, BGHZ 112, 140, 155 f. - Befestigungsvorrichtung II; Urteil vom 7. Juni 2006 - X ZR 105/04, GRUR 2006, 923 Rn. 15 - Luftabscheider für Milchsammelanlage; BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 Rn. 23 - Betrieb einer Sicherungseinrichtung; Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 140/05, GRUR 2009, 837 Rn. 15 - Bauschalungsstütze). Dies bedeutet im Streitfall, dass die Körperaufnahme so gestaltet sein muss, dass sie geeignet ist, in einem Fahrradanhänger eingesetzt zu werden, und mit ihr Babys in einer Liegesitzposition transportiert werden können.

Hinsichtlich der letztgenannten Zweckangabe gemäß Merkmal 2 führt entgegen der Auffassung der Klägerin der zwischen den Parteien unstreitige und auch vom Patentgericht seinen Überlegungen zugrunde gelegte Umstand, dass es aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung als allgemeinkundig anzusehen ist, dass Säuglinge aufgrund fehlender eigener Körperstabilität nicht in einer reinen Sitzposition transportiert werden dürfen, nicht dazu, dass die Angabe der Liegesitzposition der Problemstellung des Streitpatents zuzurechnen wäre. Ein Fall, der dem Sachverhalt der von der Klägerin angeführten Entscheidung "Dreinahtschlauchfolienbeutel" (BGH, Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44) ähnlich wäre, ist hier nicht zu beurteilen. Vielmehr gibt Merkmal 2 des Patentanspruchs 1 eine gattungsbildende Eigenschaft der erfindungsgemäßen Vorrichtung an und stellt an deren körperliche Ausgestaltung eigenständige Anforderungen: Die Körperaufnahme muss in ihrer Transportform einen Liegesitz bilden, in dem ein Säugling, dessen Muskulatur noch nicht so ausgereift ist, dass er sich durch eigene Körperspannung selbst in einer stabilen Position halten kann, in einer deshalb zumindest halbliegenden und hierdurch stabilen Stellung gehalten wird. Insoweit wird die Liegesitzposition zwar nicht unmittelbar durch das Streitpatent definiert, das insbesondere keine konkrete Angabe darüber enthält, in welchem stumpfwinkligen Bereich die Neigung der Rückenpartie gegenüber dem Gesäßbereich bewirkt, dass sich der zu befördernde Säugling in einer zumindest halbliegenden Stellung befindet. Die Streitpatentschrift nimmt in der Beschreibung der "Aufgabenstellung" jedoch Bezug auf den aus dem Stand der Technik bekannten schalenförmigen Liegesitz des Herstellers W. GmbH (Anlage D5), dessen Funktion, einen sicheren Transport von Babys in einem Fahrradanhänger zu ermöglichen, die erfindungsgemäße Körperaufnahme nach der Formulierung der Problemstellung durch die Streitpatentsschrift ebenso erfüllen soll. Zu dieser vorbekannten und herstellerseitig als "Babyschale" bezeichneten Transportvorrichtung führt die Streitpatentsschrift aus, dass sie eine konkav ausgebildete Liegesitzfläche aufweise, deren Gesäßbereich gegenüber dem Rücken- und Schulterbereich abgeflacht sei (Tz. 3). Zur erfindungsgemäßen Körperaufnahme gibt die Beschreibung des Streitpatents an, dass die Stützfläche der Matte, welche die Körperunterseite abstützt, in Arbeitsposition konkav vorgeformt sei. Eine solche Vorformung der Matte könne beispielsweise darin bestehen, dass die Wandungen und die Stützfläche so vernäht seien, dass sich ein gegenüber dem Rücken- und Schulterbereich abgewinkelter Gesäßbereich ergebe (Tz. 17). Wie die Streitpatentschrift im Zusammenhang mit dem in Figur 1 dargestellten bevorzugten Ausführungsbeispiel beschreibt, wird die den Liegesitz bildende Matte durch die Verspannung in die Transportposition, welche nach hinten gemäß Merkmal 4.3 durch mindestens einen an der Rückseite der Matte in ihrem Gesäßbereich befestigten Gurt erzeugt wird, im Hüftbereich abgewinkelt, so dass der Gesäßbereich gegenüber dem Rücken- und Schulterbereich flacher geneigt ist (Tz. 32; s. auch Tz. 19). Hierzu zeigt die Abbildung in Figur 1 der Streitpatentschrift, dass die transportbereite Körperaufnahme eine Schalenform bildet, die ein Kind in halbliegender Position hält.

Die nachstehend verkleinert wiedergegebene Darstellung der Figur 1 aus der Streitpatentschrift illustriert in perspektivischer Zeichnung ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der in einen Fahrradanhänger eingehängten pa-

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

II. Zu Recht hat das Patentgericht die mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag II verteidigte Anspruchsfassung als zulässig angesehen. Die von der Berufung hiergegen erhobenen Einwände sind nicht begründet.

Der Gegenstand des Streitpatents geht auch in der Fassung des angefochtenen Urteils nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus, die als Offenlegungsschrift 102 42 198 (Anlage K16) veröffentlicht worden ist. Der Ansicht der Klägerin, dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldung könne nicht eindeutig entnommen werden, dass es sich bei den seitlich in Längsrichtung der Matte verlaufenden Gurten um Spannelemente handele, mit denen die Matte in dieser Längsrichtung in ihre Transportform verspannt werden könne, kann nicht gefolgt werden. Nach dem ursprünglichen Patentanspruch 5 der Anmeldung ist die Körperaufnahme gekennzeichnet durch seitliche, in Längsrichtung der Matte verlaufende Gurte, die mit den Bezugsziffern 22 und 23 versehen sind. Diese Bezugsziffern sind im Patentanspruch 1 der ursprünglichen Anmeldung ebenfalls den Spannelementen, durch welche die Matte in die Transportform gebracht wird, zugeordnet. Dass die seitlich in Längsrichtung der Matte verlaufenden Gurte zu den betreffenden Spannelementen gehören, ergibt sich auch aus der zeichnerischen Darstellung in Figur 1, die mit den Bezugsziffern 22 und 23 entsprechende Gurte zeigt, mit denen die Matte an ihrer Oberseite mit den Schnallen 24 und 25 am Querrohr 5 des Rahmenteils 2 und an ihrer Unterseite mit den Schnallen 26 und 27 an der Querstrebe 4 des Rahmenteils 2 angebracht und verspannt ist. Dementsprechend geht die Beschreibung in der ursprünglichen Anmeldung (K16, Tz. 16) - ebenso wie in der erteilten Fassung (Tz. 19) - im Zusammenhang mit der Verspannung der Körperaufnahme durch den auf der Rückseite der Matte im Gesäßbereich befestigten Gurt davon aus, dass die Matte in ihrer Längsrichtung an ihrer Ober- und Unterseite entsprechend verspannt ist. Weiter kommen nach der Beschreibung des Streitpatents in der ursprünglichen Anmeldung (K16, Tz. 7) - ebenso wie in der erteilten Fassung (Tz. 10) - als Spannelemente längenverstellbare federelastische Gurte in Betracht. Danach sind zur Stabilisierung der Seiten der Körperaufnahme vorzugsweise in Längsrichtung der Matte verlaufende Gurte vorgesehen, die sich hierfür insofern besonders gut eignen, als sie stark auf Zug belastet werden können (K16, Tz. 11; Streitpatentschrift Tz. 14). Soweit die Klägerin zutreffend darauf hinweist, dass sich die nach der Patentbeschreibung in Betracht zu ziehenden Gurte als Spannelemente auf ein Verspannen von außen beziehen, bei dem außerhalb der Körperaufnahme am Rahmengestell gelagerte Spannelemente so angeordnet sind, dass sie die Matte auf Zug belasten, trifft dies auch auf die in Längsrichtung der Matte verlaufenden Gurte 22 und 23 zu. Denn diese sind, wie bereits dargelegt, ebenfalls am Rahmengestell und damit außerhalb der Körperaufnahme gelagert. Schließlich steht entgegen der Auffassung der Klägerin auch der Umstand, dass das Streitpatent in der Fassung der ursprünglichen Anmeldung wie in der erteilten Fassung zusätzliche Spannelemente als Ausführungsvariante einer Befestigung der Gurte am Rahmengestell erwähnt (K16, Tz. 11 aE; Streitpatentschrift, Tz. 14 aE), nicht im Widerspruch zu der eindeutigen Offenbarung der seitlich in Längsrichtung der Matte verlaufenden Gurte als Spannelemente. Denn die Streitpatentschrift identifiziert auch in Patentanspruch 1 der verteidigten Fassung diese Gurte nicht etwa mit "den" Spannelementen, sondern charakterisiert sie lediglich als Spannelemente.

III. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der vom Patentgericht für patentfähig erachteten Fassung ist neu.

Die Klägerin beruft sich insoweit nur noch auf die von ihr erstmals in der Berufungsinstanz in das Nichtigkeitsverfahren eingeführte deutsche Offenlegungsschrift 100 24 315 (Anlage D18) und hält den darin offenbarten Kindersitz der Lehre des Streitpatents als neuheitsschädlich entgegen.

Die Offenlegungsschrift betrifft Kinderwagen oder Kinderbuggys, die zum Joggen verwendet werden können. Sie beschreibt eine zusammenklappbare Rahmenanordnung, die mit einem abnehmbaren flexiblen Sitz ausgestattet ist. Der Sitz 100 besteht aus einem flexiblen stoffähnlichen Material und umfasst einen Sitztaschenabschnitt 120, einen Rückenlehnenabschnitt 122 mit zwei im Wesentlichen dreieckförmig gestalteten seitlichen Verbindungswänden 123, 124 sowie einen Beinhalteabschnitt 125 (D18, Sp. 7 Z. 66 bis Sp. 8 Z. 2). Hauptträger für den Sitz sind zwei seitlich angeordnete, in Längsrichtung der Sitzfläche verlaufende flexible und längenverstellbare Bänder 110, 112, welche die Figuren 18 bis 20 der Entgegenhaltung D18 als Gurte darstellen. Die beiden Bänder sind mit jeweils einem Ring 53a, 54a an den parallelen Griffstangen 50a, 50b und mit jeweils einem Ring 61a, 61b an der Fußstütze 61 befestigt. Der Sitztaschenabschnitt wird mit (mindestens) einem weiteren Band 111, das auf seiner Rückseite im Gesäßbereich angeordnet ist, nach hinten (mindestens) an der zum Griff 50 gehörenden Stange 50b befestigt.

Nicht offenbart ist in der Offenlegungsschrift 100 24 315 das Merkmal 2 von Patentanspruch 1 des Streitpatents. Weder ist der Beschreibung der D18 ein Hinweis darauf zu entnehmen, dass sich der Sitz zum Transport von Babys in einer Liegesitzposition eignen könnte, noch wird eine solche Möglichkeit in den die bevorzugte Ausführungsform der Erfindung abbildenden Figuren 18 und 19 gezeigt, in denen die Sitztasche 120 im Gesäßbereich einen nahezu rechtwinkligen Knick bildet und sich an den so angewinkelten rückwärtigen Teil des Sitztaschenabschnitts ohne weitere Abflachung der Rückenlehnenabschnitt 122 anschließt. Mittel, mit denen die Position und Neigung der Sitzfläche gegenüber der Rückenfläche so eingestellt werden könnten, dass ein Liegesitz entstehen würde, sind nicht ersichtlich. So ist die Rahmenanordnung mit der Ausrichtung der seitlichen vertikalen Stangen des Griffs 50, an denen der Sitz befestigt wird, fest vorgegeben (D18, Sp. 3 Z. 30 bis 44 i.V.m. Figur 1). Auch das von der Klägerin angeführte Band 111 an der Rückseite des Sitzes taugt nicht zur Variation der Sitzposition. Denn nach der Patentbeschreibung (D18, Sp. 8 Z. 6f.) dient dieses Band lediglich dazu, die Sitztasche an der Griffstange zu befestigen. Wie etwa die nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 18 und 19 der Offenlegungsschrift veranschaulichen, würde im Übrigen ein Strammziehen des betreffenden Bandes auch nicht dazu führen, dass sich im Hüftbereich ein größerer stumpfer Winkel bilden würde und der Gesäßbereich gegenüber dem Rücken- und Schulterbereich flacher geneigt wäre:

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

Der in der Entgegenhaltung D18 dargestellte Sitz weist ferner nicht vollständig die Merkmale der Merkmalsgruppe 4 auf, da nicht offenbart wird, dass der Sitz durch die gezeigten Gurte in die Transportform verspannt werden kann. Die Patentbeschreibung charakterisiert die Funktion der als Gurte ausgebildeten und in Längsrichtung des Sitzes verlaufenden Bänder lediglich dahingehend, dass über sie der Sitz an den dreieckförmigen sog. D-Ringen 53a, 54a, 61a, 61b gehalten wird und sie den Hauptträger für den Sitz bilden (D18, Sp. 7 Z. 62 bis 66). Auch aus den Figuren 18 bis 20 lässt sich lediglich entnehmen, dass die Bänder - die im Übrigen auch nicht an den Oberkanten der seitlichen Verbindungswände verlaufen und damit auch nicht das Merkmal 4.1 verwirklichen - an den seitlichen Verbindungswänden geführt werden. Dagegen wird nicht gezeigt, dass die Bänder mit diesen Abschnitten des Sitzes derart fest verbunden wären, dass hierdurch auch nur der Sitztaschenabschnitt des Sitzes auf Zug belastet und durch eine hierdurch erzeugte Verspannung erst in seine Transportform gebracht würde. Gleiches gilt für das als Gurt ausgebildete Band 111, das, wie bereits dargelegt, lediglich dazu dient, die Sitztasche an der von dem Band umgriffenen vertikalen Stange des Griffs 50 zu befestigen. Wie die Figuren 18 und 19 der Entgegenhaltung D18 zeigen, wird die Transportform des Sitzes bereits erreicht, wenn das Band die Stange - wie abgebildet - nur locker umgreift, und würde angesichts des geringen Abstands zwischen Sitztasche und Stange selbst ein weiteres Strammziehen des Bandes noch keine Verspannung hervorrufen.

IV. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hat der Senat nicht die Wertung treffen können, dass der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (§ 4 PatG). Aus keiner der in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte, die es rechtfertigen würden, die Lehre des Streitpatents als für den Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt anzusehen.

1. Für die Qualifikation des einschlägigen Fachmanns, der sich mit der Entwicklung einer Körperaufnahme zum Transport von Babys in einem Fahrradanhänger befasst, hat das Patentgericht auf diejenige eines Maschinenbauingenieurs abgestellt, der als Konstrukteur für Kindertransportvorrichtungen eines Fahrrad- und/oder Zubehörherstellers tätig ist. Der Senat tritt dieser Definition bei. Soweit die Klägerin an ihr beanstandet, dass sie zu eng sei, weil der Begriff "fahrbares Rahmengestell" offenlasse, um welches Fahrzeug es sich hierbei handele, übersieht sie, dass sich die Körperaufnahme nach Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils gerade in einem Fahrradanhänger anbringen lassen soll. Im Übrigen versteht sich allerdings von selbst, dass der Durchschnittsfachmann bei seinen Entwicklungsüberlegungen insgesamt den Stand der Technik auf dem Gebiet der Kindertransportmittel unter Berücksichtigung der Besonderheiten heranzieht, die der Transport von Babys in Fahrradanhängern aufgrund deren größerer Geschwindigkeit und Belastung etwa gegenüber Kinderwagen mit sich bringt.

2. Das Patentgericht hat seine Auffassung, dass eine fachgerechte Zusammenschau des Standes der Technik den Gegenstand des Streitpatentpatentanspruchs 1 in seiner mit dem Hilfsantrag II verteidigten Fassung nicht nahelege, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Bei der dem nunmehr beanspruchten Gegenstand des Streitpatents am nächsten kommenden Körperaufnahme nach der internationalen Patentanmeldung WO 01/89 907 (Anlage D4) sei die Sitzfläche 216 in drei Dimensionen gegenüber dem Rahmengestell eines Fahrradanhängers festgelegt. In der Höhenlage sei die Sitzfläche 216 durch seitliche Wandungen 212/214 (sowie durch die obere Befestigung der Rückenlehne 218) fixiert und in Fahrtrichtung nach vorne sei sie durch einen zentralen, mittig an der Sitzfläche 216 angreifenden Gurt 222 gegenüber einer Rahmenhalterung 40 verspannt. In Fahrtrichtung nach hinten spanne ein im Gesäßbereich befestigter Gurt 230 die Sitzfläche 216, der zwischen zwei Schrauben 232 der seitlichen unteren Rahmenrohre verlaufe. Sollte dem Durchschnittsfachmann diese zentrale mittige Abspannung der Sitzfläche gemäß D4 nach vorne unzureichend erscheinen, lege ihm sein Fachwissen möglicherweise nahe, mehr als einen Gurt vorzusehen und diese Gurte auch seitlich anzuordnen. Da die Abspannung der Sitzfläche zu verbessern sei, werde er zusätzliche Gurte in jedem Fall an der Sitzfläche befestigen und gerade nicht an der Oberseite der Wandungen. Möglicherweise finde der Durchschnittsfachmann auch in der einschlägigen Entgegenhaltung D1 (deutsche Gebrauchsmusterschrift 92 15 797) die Anregung, die Sitzfläche mit zwei seitlich außen angeordneten Gurten nach vorne zu spannen, wie dies in Figur 3 der D1 dargestellt sei. Eine fachgerechte Übertragung dieser Anregung führe allerdings auch nicht zu einer Anordnung mit an der Oberkante der Wandungen verlaufenden Gurten, sondern eher davon weg. Hinsichtlich der Befestigung der (aus der Entgegenhaltung D4 bekannten) Sitzfläche 216 nach vorne lege die D1 allenfalls nahe, die Befestigung so zu ändern, dass Gurte an den Außenenden der Sitzfläche 216 befestigt seien, also etwa in der Nähe der Verbindungsstelle zwischen der Sitzfläche 216 und der jeweiligen Wandung 212 bzw. 214, d.h. in der Mitte der Wandungen 212 bzw. 214. Dieser Anregung folgend werde der streitpatentgemäße Verlauf der Spannelemente an der Oberkante der Wandungen jedoch nicht erreicht. Mangels jeglicher Wandung beim Gegenstand der D1 könne diese Druckschrift dem Durchschnittsfachmann in Zusammenschau mit der D4 sogar nahelegen, auf Wandungen vollständig zu verzichten, zumal wenn sich die Fixierung der Sitzfläche 216 in seitlicher Richtung durch den im Gesäßbereich angeordneten Gurt 230 als ausreichend erweise. Diese Anregung führe allerdings noch weiter vom Gegenstand des Streitpatents weg, denn bei einem Verzicht auf Wandungen seien daran angreifende Spannelemente erst recht nicht notwendig.

Auch durch eine Zusammenschau der D4 mit der Entgegenhaltung D11 (deutsche Patentschrift 382 776) lege den Gegenstand des Streitpatents nicht nahe. Beide Druckschriften offenbarten zusammenklapp- bzw. zusammenlegbare Rahmengestelle, in die jeweils ein Kindersitz als Körperaufnahme aus flexiblem Material einspannbar sei. An der Oberseite der Wandungen in Längsrichtung des jeweiligen Sitzes verlaufende Spannelemente seien nicht vorhanden. Folglich könne sich ein derartiges Merkmal auch nicht bei einer Zusammenschau einstellen. Das gelte ebenso für die Zusammenschau der D4 mit dem Kindersitz gemäß der Entgegenhaltung D12 (britische Offenlegungsschrift 2 165 443). Wie die Figur 1 der D12 zeige, weise insbesondere die seitliche Wandung des dortigen Kindersitzes 1 Saumschlaufen 19 auf, durch die sich Rohre 4 des Rahmengestells erstreckten. Durch seitlich auf der Sitzrückseite des Sitzes in weiteren Saumschlaufen 27 verlaufende Gurte 11 werde zur Befestigung des Kindersitzes in einem Fahrzeug eine Spannung erzeugt, die sich etwa senkrecht zum Verlauf der Rohre 4 auswirke. Infolgedessen seien auch die Saumschlaufen 19 als Oberkanten der Sitzwandung etwa senkrecht zu ihrer Erstreckung in Längsrichtung des Sitzes belastet und somit um etwa 90¡ anders als beim nunmehr beanspruchten Gegenstand des Streitpatents. Eine Übertragung der beschriebenen Ausgestaltung gemäß D12 auf die Körperaufnahme gemäß D4 könne folglich nicht zum Gegenstand des Streitpatents führen.

Schließlich führe auch eine Ausgestaltung der Körperaufnahme gemäß D4 nach Art einer Babyhängematte gemäß der Entgegenhaltung D16 (deutsche Gebrauchsmusterschrift 201 07 010) den Fachmann nicht ohne Weiteres zum Gegenstand des Streitpatents. Aus beiden Druckschriften seien Vorrichtungen mit an der Oberkante von seitlichen Wandungen verlaufenden Gurten gerade nicht bekannt. Wandungen, die laut Streitpatent einem seitlichen Herausrutschen eines Körpers entgegenwirkten, seien an der vorbekannten Babyhängematte nicht vorhanden. Denn um ein Herausrutschen zu verhindern, sei nach D16 auf dem rechteckigen Gewebeabschnitt 1 ein Gurtsystem 5 befestigt, in welches das Baby eingebunden wird. Da die Babyhängematte im Übrigen nur kopf- und fußseitig befestigt sei, würde eine unvoreingenommene und vollständige Übertragung auf die Körperaufnahme gemäß D4 mit einem Verzicht auf die (mit dem Streitpatent beanspruchten) an der Rückseite der Matte befestigten Gurte einhergehen und insoweit vom Gegenstand des Streitpatents wegführen. Für ein mosaikartiges Herauslösen und Übertragen einzelner Merkmale der Babyhängematte sei kein Anlass erkennbar.

3. Diese Beurteilung des Patentgerichts hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand. Die im Stand der Technik zum Anmeldezeitpunkt bekannten Lösungen haben dem Fachmann weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit Anlass bzw. Anregung gegeben, den mit dem Streitpatent vorgeschlagenen Lösungsweg zu beschreiten.

a) Ausgehend von dem bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigten schalenförmigen Liegesitz aus Polystyrol (Anlage D5), den die Streitpatentschrift wohl zu Recht als nächstliegenden Stand der Technik ansieht, da er zum Transport von Babys bestimmt und nach der Produktbeschreibung speziell für die Benutzung in einem Fahrradanhänger entwickelt worden ist, erhielt der Fachmann keine Anregung, die Körperaufnahme hiervon abweichend mit einem flexiblen Material auszugestalten. Denn erst ein hartes Kunststoffmaterial, aus dem bekanntermaßen auch die gängigen Babyliegen und Kindersitze für einen Transport in Autos hergestellt sind, erzeugt die starre Schalenform und sichert dadurch eine für ein zu transportierendes Baby notwendige stabile Liegesitzposition, wie sie die nachfolgende Abbildung der entgegengehaltenen Babyschale zeigt:

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

Demgegenüber lässt sich eine Festigkeit der Körperaufnahme, die für eine derart geschützte Position des Babys erforderlich wäre, durch eine Verwendung flexiblen Materials für sich genommen nicht herstellen. Daher ist schon fraglich, ob für den Fachmann, der sich mit der Entwicklung einer Körperaufnahme zum Transport von Babys in einem Fahrradanhänger befasste, überhaupt Anlass bestand, ein flexibles Material zu verwenden, das der Verwirklichung des Ziels, die mit einer festen Schale gewährleistete Formstabilität zumindest annähernd beizubehalten, nicht förderlich sein konnte. Für einen Materialaustausch mit der weitergehenden Überlegung, eine ausreichend stabile Transportform durch Verspannung des flexiblen Materials in der Weise zu schaffen, dass es durch verschiedene Spannelemente auf Zug belastet wird, hat die vorbekannte Babyschale (D5) dem Fachmann jedenfalls keinen Anhaltspunkt geboten.

b) Die veröffentlichte internationale Patentanmeldung WO 01/89 907 (Anlage D4), die das Patentgericht als nächstkommende Entgegenhaltung aus dem Stand der Technik angesehen hat, gab dem Fachmann weder eine Anregung für eine erfindungsgemäße Weiterentwicklung der vorbekannten Babyschale noch gab sie für sich genommen eine Anregung oder Veranlassung, zur Lehre des Streitpatents zu gelangen.

Diese Druckschrift betrifft einen Fahrradanhänger, der zum Transportieren von Kindern und sonstigen Ladungen ausgelegt ist und offenbart einen Tuchsitz, der in dem mit rohrförmigen Teilen ausgebildeten Rahmengestell des Anhängers befestigt werden kann. Ihr liegt das Problem zugrunde, die Konstruktion eines Fahrradanhängers so zu verbessern, dass die Unhandlichkeit bekannter Anhänger beim Verstauen, Transportieren und bei der Anbringung am Fahrrad vermieden wird (D4, S. 1 Z. 25 bis S. 2 Z. 7). Als mögliche Insassen, für die sich ein Transport in einem Fahrradanhänger anbietet, nennt die Entgegenhaltung D4 in ihrer Beschreibung des Hintergrunds der Erfindung kleine Kinder, die noch nicht genügend Koordination, Ausdauer oder Urteilskraft im Straßenverkehr besitzen, um schon selbst mit der ganzen Familie Fahrrad zu fahren (D4, S. 1 Z. 11 bis 17).

Die Offenlegungsschrift (D4) zeigt als Aufnahme für die Körper von zwei Kindern einen (Doppel-)Sitz 210 aus Stoff. Sein Sitzbankabschnitt 216 wird mit seitlichen Unterstützungsbändern 212, 214 im Rahmengestell positioniert und gehalten. Zum Spannen und Festhalten des Sitzes dient ein System von verstellbaren Gurten 222, 230, 238, die jeweils Schnallen bzw. Gurtschlösser 224, 236, 240 aufweisen, mit denen die Spannung eingestellt werden kann. In Fahrtrichtung nach vorne wird der (Doppel-)Sitz durch einen in der vorderen Mitte der Sitzbank angebrachten Gurt 222 über eine am Rahmengestell angebrachte Halterung in seine Transportform verspannt; nach hinten wird die Sitzbank durch einen Gurt 230 gespannt, der im Gesäßbereich quer zur Sitzfläche verläuft und seitlich an der Schnittlinie zwischen Sitzbank und Rückenlehne mit den Schrauben 232 am unteren Rahmenrohr befestigt wird (vgl. S. 7 Z. 24 bis S. 8 Z. 16 i.V.m. Figur 19).

Abgesehen von der unterschiedlichen Problemstellung der Entgegenhaltung D4 gegenüber derjenigen des Streitpatents bestehen zwischen dem in dieser Offenlegungsschrift beschriebenen Stoffsitz und dem Gegenstand des Streitpatents so erhebliche konstruktive Unterschiede, dass diese Entgegenhaltung dem Fachmann die Lehre nach Patentanspruch 1 nicht nahegelegt hat. Insbesondere ist der Stoffsitz nach D4 für den Transport von Babys in einer Liegesitzposition ungeeignet, da die Entgegenhaltung keine Liegesitzfläche, sondern einen Sitz mit einer Rückenlehne 218 zeigt, die mit der Sitzbank einen nahezu rechtwinkligen Knick bildet, wie die nachfolgend verkleinert wiedergegebene Figur 19 der Offenlegungsschrift zeigt:

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich die Sitzbank 216 zusammen mit den seitlichen Unterstützungsbändern 212, 214 auch nicht ohne erhebliche konstruktive Änderungen des Rahmengestells so nach vorne verschieben, dass unterschiedliche Winkel zwischen Sitzbank und Rückenlehne bis hin zu einer Liegesitzstellung erreichbar wären. Zwar würden sich die jeweils über das obere und untere Rohr der Rahmenanordnung gezogenen Unterstützungsbänder und damit der durch sie zu positionierende Sitzbankabschnitt nach vorne verschieben lassen. Dieser Verschiebungsmöglichkeit ist jedoch schon dadurch eine enge Grenze gesetzt, dass die Sitzbank an ihren Seitenkanten offensichtlich durch Vernähen mit den Bändern fest verbunden ist, wodurch die Höhe und Neigung der sich nach hinten vertiefenden Sitzbank festgelegt ist und damit zugleich eine seitliche Abstützung des Kindes an dem eine Wandung ausbildenden Unterstützungsband und dem oberen Rohr des Rahmengestells gewährleistet wird. Im Übrigen wäre eine Vergrößerung des Sitzwinkels auch durch die Spannbarkeit des Stoffs der Rückenlehne begrenzt, da die Entgegenhaltung D4 keine Variabilität der Stofflänge offenbart.

Weiterhin sind die eine Wandung ausbildenden Unterstützungsbänder aufgrund der Breite der für zwei Kinder ausgelegten Sitzbank so weit voneinander entfernt, dass ein Säugling nur auf einer Seite gegen ein Herausrutschen gesichert wäre. Um dessen sicheren Transport zu gewährleisten, würde es einer Umgestaltung der Rahmenstruktur bedürfen. Da überdies der (Doppel-)Sitz in Längsrichtung nach vorne nur durch einen und auch nur den Sitzbankabschnitt zentral und mittig angreifenden Gurt 222 verspannt wird, wäre auch eine Umkonstruktion des Gurtsystems und der seitlichen Unterstützungsbänder 212, 214 nötig, um zum Merkmal 4.1 des Streitpatentanspruchs 1 zu gelangen, wonach die seitlich in Längsrichtung der Matte angeordneten Gurte als Spannelemente an der Oberkante der Wandungen verlaufen.

c) Eine Anregung für die Auffindung der Lehre von Patentanspruch 1 des Streitpatents ist auch der deutschen Gebrauchsmusterschrift 92 15 797 (Anlage D1) nicht zu entnehmen. Diese Druckschrift betrifft einen Fahrradanhänger zum Transport von Kindern und Lasten und erstrebt eine Erleichterung der Umgestaltung des variabel einsetzbaren Anhängers nach den gerade gegebenen Verwendungsbedürfnissen. Für den Transport von Kindern sieht die Gebrauchsmusterschrift einen Kindersitz 3 vor, der aus reißfestem Stoff besteht und mit Gurten am Fahrradanhänger und am Überrollbügel 2 befestigt ist (D1, S. 6 3. bis 5. Abs.; Ansprüche 7 und 9). Die Entgegenhaltung D1 offenbart zwar auch die Möglichkeit, die Rückenlehne mit Karabinerhaken 6 an mehreren parallelen Aufhängungen 5 des Überrollbügels alternativ zu befestigen, so dass die Position der Rückenlehne von senkrecht bis halb liegend variiert werden kann (D1, S. 8 Z. 6 bis 8, Figuren 2 und 3). Gleichwohl bietet die Druckschrift keinen Grund zu näherer Befassung, da sie ausdrücklich als Lösung der von ihr erwähnten Problematik des Standes der Technik, dass "sich kleine Säuglinge nur schwer in herkömmlichen Kinderfahrradanhängern sichern (lassen)" (D1, S. 4 4. Abs.), gerade nicht den für den Kindertransport vorgeschlagenen Stoffsitz vorsieht, sondern der erfindungsgemäße Fahrradanhänger anderweitig "auch die Mitnahme kleiner Säuglinge in sicheren Sitzen (z.B. Babyschale) erlauben (soll)" (D1, S. 4 8. Abs.). Dementsprechend soll über eine mit dem Unteranspruch 12 beanspruchte Befestigungsmöglichkeit eine Autobabyschale mit dem Fahrradanhänger kombiniert werden (D1, S. 6 8. Abs.), in dem die Babyschale mit Spanngurten befestigt werden kann (D1, S. 8 Z. 14 bis 16). Insoweit führt die Entgegenhaltung D1 den Fachmann vom Lösungsweg des Streitpatents eher weg und ist geeignet, seine Skepsis zu verstärken, dass flexibles Material eine ausreichende Stabilität und Sicherheit eines Liegesitzes für Babys gewährleisten könnte. Überdies bietet sich der Sitz nach der Gebrauchsmusterschrift dem Fachmann auch deshalb nicht als Vorbild für eine Weiterentwicklung der bekannten Babyschale (D5) oder des in der Entgegenhaltung D4 offenbarten (Doppel-)Sitzes an, da er keine Wandungen aufweist, die einem seitlichen Herausrutschen des Säuglings entgegenwirken und zur Führung der Spanngurte dienen könnten.

d) Ebenso wenig regte die deutsche Patentschrift 382 776 (D11) den Fachmann an, zur Lehre des Streitpatents zu gelangen. Diese Druckschrift aus dem Jahre 1923 beschreibt einen zusammenlegbaren Kinderwagen mit einem aus schmiegsamem Stoff bestehenden kastenförmigen Sitz. Zur horizontalen Sitzfläche ist die Rückenlehne nahezu rechtwinklig angeordnet, so dass sich das zu befördernde Kind nicht in einer Liegesitzposition befindet, sondern im Kinderwagen sitzt, wie auch die Patentbeschreibung erwähnt (D11, S. 2 Z. 70). Zudem werden von der Entgegenhaltung D11 auch keine Gurte offenbart, die als Spannelemente seitlich an der Oberseite der Wandungen verlaufen und die Sitzfläche verspannen.

e) Gleiches gilt für die britische Offenlegungsschrift 2 165 443 (Anlage D12), die einen Kindersicherheitssitz betrifft, der abnehmbar an einem Fahrzeugsitz insbesondere eines Autos befestigt werden kann. Der Sicherheitssitz umfasst eine biegsame Kindersitzeinrichtung 3, die einstückig aus einem Textilgewebe besteht und einen Sitzabschnitt 13, eine Rückenlehne 12 und Seitenabschnitte 14 aufweist (D12, S. 2 Z. 30 f.). Sie hängt nach Anspruch 1 der Offenlegungsschrift im Gebrauchszustand von einem Rohr-Stützrahmen 2 herunter, an dem sie befestigt ist (vgl. auch D12, Beschreibung S. 1 Z. 38 bis 43, S. 2 Z. 16 bis 19). Eine Befestigungsmöglichkeit des Sicherheitssitzes in einem Rahmengestell gemäß dem Merkmal 1.1 des Streitpatentanspruchs 1 wird von der Entgegenhaltung D12 ebenso wenig offenbart wie eine Verspannung der Kindersitzeinrichtung 3 durch Gurte entsprechend der Merkmalsgruppe 4 des Streitpatentanspruchs 1. Die Transportform der Kindersitzeinrichtung 3 ist bereits dadurch vorgegeben, dass an den Ober-, Unter- und Seitenkanten ihres Textilgewebes jeweils abgenähte Hülsen angeordnet sind, mit denen die Kindersitzeinrichtung an den Metallrohren des Rahmengestells fixiert ist, ohne dass Textilgewebe dabei auf Zug zu belasten. Eine darüber hinaus gehende Verspannung ihrer vom Rahmen herunter hängenden Sitz-, Rücken- und Seitenabschnitte ist daher auch nicht notwendig, weshalb die britische Offenlegungsschrift den Fachmann von der Lösung des Streitpatents auch eher wegführt.

Ohnehin wird sich der Fachmann mit dieser Druckschrift allerdings nicht näher befassen, weil auch hier die Rückenlehne gegenüber der Sitzfläche nahezu rechtwinklig angeordnet ist und das Kind daher beim Transport aufrecht sitzen muss. Soweit die Klägerin demgegenüber einwendet, aus der Erfindungsbeschreibung sei zu entnehmen, dass unter den dort als "im Wesentlichen horizontal" und "im Wesentlichen aufrecht" bezeichneten Orientierungen der Sitzfläche 13 bzw. der Rückenlehnfläche 12 auch solche fallen, die gegenüber der wahren Horizontalen bzw. Vertikalen erheblich geneigt seien, missversteht sie die betreffenden Ausführungen der Entgegenhaltung D12 (S. 2 Z. 26 bis 29). Diese Passage stellt einleitend mit dem Hinweis "again" einen Bezug zu der mit denselben Worten beschriebenen räumlichen Anordnung der Sitz- und Rückenlehnflächen 9, 10 des Fahrzeugsitzes her. Da nach Anspruch 1 der Offenlegungsschrift der Rohr-Stützrahmen 2 des offenbarten Kindersicherheitssitzes sich im Gebrauchszustand diagonal zwischen den im Wesentlichen aufrechten und horizontalen Abschnitten des Fahrzeugsitzes erstreckt (vgl. auch D12, Beschreibung S. 1 Z. 35 bis 38, S. 2 Z. 3 bis 11), zieht demgemäß - wie auch die zeichnerische Darstellung seiner Positionierung in einem Fahrzeugsitz gemäß Figur 2 der D12 veranschaulicht - eine stärkere Neigung dieser Abschnitte 9, 10 zugleich eine stärkere Neigung der Rückenlehn- und Sitzflächen 12, 13 nach sich, ohne dass sich der nahezu rechtwinklige Knick zwischen beiden Flächen im Gesäßbereich verändert. Eine Änderung dieser rechtwinkligen Anordnung und damit eine Variation der Sitzpositionen wäre ohne Umgestaltung der Kindersitzeinrichtung 3 auch nicht möglich, da Sitzfläche und Rücklehne - wie bereits vorstehend dargelegt - aus einem einstückigen Textilgewebe ausgebildet sind und der zwischen ihnen bestehende Winkel durch die vorgegebenen Flächen der Rückenlehn-, Sitz- und Seitenabschnitte 12, 13 ,14 festgelegt wird.

f) Die deutschen Gebrauchsmusterschriften 77 11 961 und 201 07 010 (Anlagen D15 und D16) bilden keinen Stand der Technik, der aus der Sicht des Fachmanns, der sich mit der Entwicklung einer Körperaufnahme zum Transport von Babys in einem Fahrradanhänger befasst, Anregungen verspricht. Denn beide Druckschriften betreffen Hängematten als Körperaufnahme, die zur Anbringung in einem fahrbaren Rahmengestell eines Fahrradanhängers und zu einer Beförderung von Babys weder vorgesehen noch geeignet sind. Die Entgegenhaltungen D15 und D16 offenbaren kein Gurtesystem nach der Merkmalsgruppe 4 des Streitpatentanspruchs 1 und damit auch keine die Matte derart stabilisierende Verspannung, dass das aufzunehmende Baby etwa gegen Querkräfte gesichert wäre, die bei dessen Transport in einem Fahrradanhänger stets auftreten können.

g) Die übrigen in das Nichtigkeitsverfahren eingeführten Entgegenhaltungen liegen vom Gegenstand des Streitpatents noch weiter ab und sind demgemäß von der Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen worden.

V. Mit Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils haben die auf ihn rückbezogenen und seinen Gegenstand weiterbildenden Unteransprüche 2 bis 24 ebenfalls Bestand.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck Gröning Koch Berger Hoffmann Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 22.04.2009 - 5 Ni 4/09 -






BGH:
Urteil v. 07.12.2010
Az: X ZR 97/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/8b8708b141d7/BGH_Urteil_vom_7-Dezember-2010_Az_X-ZR-97-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share