Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. April 2003
Aktenzeichen: 29 W (pat) 29/02

(BPatG: Beschluss v. 30.04.2003, Az.: 29 W (pat) 29/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Wortmarke DAS WICHTIGSTE FÜR UNS SIND SIE soll für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35, 36, 38, 39, 41 und 42 in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes vom 7. Oktober 2001 vollständig wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die angemeldete Marke bestehe aus einem grammatikalisch korrekt gebildeten und ohne weiteres verständlichen Satz, der sloganartig zum Ausdruck bringe, dass der Verwender des Satzes sich besonders um den Angesprochenen bemühen werde. Die Wortfolge erschöpfe sich damit in einer Werbeaussage allgemeiner Art, die nicht geeignet sei, vom angesprochenen Verkehr als individueller betrieblicher Herkunftshinweis angesehen zu werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Anmeldemarke sei unüblich formuliert, weil der Adressat am Ende erscheine, wohingegen bei reinen Werbesprüchen der Adressat am Anfang stehe. Die angemeldete Wortfolge sei darüber hinaus mehrdeutig, weil der Bestandteil "SIE" sowohl personenbezogen als auch produkt- bzw. dienstleistungsbezogen verstanden werden könne. Selbst bei einer personenbezogenen Auslegung bliebe unklar, ob der einzelne Verbraucher, die Gesamtheit aller Verbraucher oder ein bestimmtes Verbrauchersegment angesprochen werden solle. Ebenso sei auslegungsbedürftig, auf wen sich der Bestandteil "UNS" beziehe. Die angesprochenen Verkehrskreise würden bei der Wahrnehmung der angemeldeten Wortfolge auf Grund deren offensichtlicher Ergänzungsbedürftigkeit zum Nachdenken angeregt. Damit könne der angemeldeten Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der angemeldeten Wortfolge fehlt als Werbeaussage allgemeiner Art für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1, § 37 Abs 1 MarkenG).

Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Einer Wortmarke fehlt nur dann die Unterscheidungskraft, wenn ihr ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann oder es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE - mwN).

Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Werbeslogans gelten die gleichen Grundsätze. Insbesondere setzt die Schutzfähigkeit einer Wortfolge nicht einen selbständig kennzeichnenden Bestandteil oder einen fantasievollen Überschuss voraus (vgl BGH GRUR 2002, 1070 - Bar jeder Vernunft - mwN). Bei einem Werbeslogan ist daher zu prüfen, ob er einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt vermittelt oder ob er darüber hinaus eine, wenn auch noch so geringe, Unterscheidungskraft für die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aufweist. Beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art wird daher regelmäßig die erforderliche Unterscheidungskraft fehlen. Kürze, Originalität und Prägnanz eines Werbeslogans sowie Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit können hingegen Anhaltspunkte für die konkrete Unterscheidungseignung sein. Außerdem ist zu beachten, dass sich die Identifizierungsfunktion einer Marke und ihre Werbewirkung nicht gegenseitig ausschließen, d.h. auch einer einfachen werblichen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zum Herkunftshinweis abgesprochen werden (vgl BGH GRUR 2000, 321 - Radio von hier - mwN).

Nach diesen Grundsätzen fehlt dem angemeldeten Werbeslogan für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft. Der Satz "DAS WICHTIGSTE FÜR UNS SIND SIE" enthält keinen Aussagegehalt, der über ein allgemeines Werbeversprechen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinausgeht.

1. Die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen richten sich an die Allgemeinheit der Verbraucher, die als durchschnittlich informiert, aufmerksam und verständig anzusehen sind (vgl BGH GRUR 2002, 812 - FRÜHSTÜCKS-DRINK II - mwN.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das angesprochene Publikum ein als Marke verwendetes Zeichen regelmäßig in seiner Gesamtheit aufnimmt ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl BGH GRUR 2000, 323 - Partner with the Best).

2. Der angemeldete Slogan erschöpft sich in einem sprachüblich gebildeten Aussagesatz "DAS WICHTIGSTE FÜR UNS SIND SIE". In Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen bedeutet diese allgemeine Aussage, dass der Kunde bzw Käufer für den Anbieter dieser Waren und Dienstleistungen im Mittelpunkt steht. Damit entspricht die angemeldete Wortfolge der üblichen Redewendung "Bei uns ist der Kunde König" und findet als Werbeaussage allgemeiner Art auch in den unterschiedlichsten Branchen Verwendung, vgl zB www.rollerteilefrankfurt.de: "Jeder Kunde ist für uns der wichtigste Kunde"; www.optikkruesi.ch: "Sie sind als Kunde bei uns im Mittelpunkt". Angesichts der Allgemeingültigkeit dieser Werbeaussage versteht der angesprochene Verkehr deren Bedeutung auch in Verbindung mit sämtlichen der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

3. Die angemeldete Marke weist auch keinerlei Mehrdeutigkeit auf, die das Publikum zum Nachdenken anregen und damit von der ausschließlich werbenden Aussage wegführen könnte. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Bestandteil "SIE" in Werbeslogans üblicherweise als direkte Anrede verwendet wird, weil die persönliche Ansprache zu einer wichtigen Grundregel beim Verfassen von kundenorientierten Texten zählt (vgl zB www.textcenter.de/kunde/htm). Auch die Anmelderin sieht diese Bedeutung offenbar als die vorrangige an, wenn sie darauf hinweist, dass die Wortfolge deshalb unüblich formuliert sei, weil der Adressat am Ende und nicht - wie üblich - am Anfang der Wortfolge stehe. Selbst wenn man aber der Auffassung folgt, dass der Bestandteil "SIE" als Hinweis auf die angebotenen Waren oder Dienstleistungen verstanden werden könnte, ergibt sich daraus ebenfalls nur eine schlichte Aussage des Warenherstellers oder Dienstleistungsanbieters, dass die von ihm produzierten Waren bzw die erbrachten Dienstleistungen für ihn wichtig sind. Dies ist eine Selbstverständlichkeit, die jeder herkunftshinweisenden Wirkung entbehrt. Eine Mehrdeutigkeit läßt sich aus zwei für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen gleichrangig einfachen Sachaussagen nicht ableiten. Der Sinn der in dem Werbespruch enthaltenen Wörter ist nicht unklar (vgl EuG GRUR Int 2003, 356 - REAL PEOPLE, REAL SOLUTIONS).

Bezüglich des Bestandteils "UNS" ist festzustellen, dass er als Teil des Begriffpaars "wir/Sie" in Werbetexten stets auf denjenigen hinweist, der den Kunden in direkter Rede anspricht, nämlich auf den Hersteller, Händler oder Anbieter.

4. Die angemeldete Wortfolge enthält auch keine weiteren Elemente, die die Unterscheidungskraft begründen könnten. Insbesondere führt die Anordnung der direkten Anrede am Satzende nicht zu einer Verfremdung des werbenden Aussagegehalts, da diese Anordnung den Regeln der deutschen Grammatik entspricht. Das angesprochene Publikum erfasst die angemeldete Wortfolge in der Gesamtheit daher nur in ihrer werbenden Bedeutung und nicht als Hinweis auf die Herkunft der so bezeichneten Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen.

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BPatG:
Beschluss v. 30.04.2003
Az: 29 W (pat) 29/02


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