Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Januar 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 308/03

(BPatG: Beschluss v. 18.01.2006, Az.: 26 W (pat) 308/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke 300 17 060 Vitaflectfür "Möbel, nämlich Kissen, Matratzen, Matratzenauflagen und bepolsterte Sitze; Webstoff und Textilwaren aus Natur- und Kunstfasern, nämlich Wohndecken, Bettdecken, Reisedecken, Lagerdecken für Haustiere sowie Schlafsäcke; Bekleidungsstücke aus Natur- und Kunstfasern sowie Kopfbedeckungen"

ist Widerspruch eingelegt aus der Wortmarke 394 06 590 Vitadie eingetragen ist für "Futtermittel, auch nichtmedizinische Ergänzungs- und Stärkungsfuttermittel sowie Getränke für Heimtiere, diätetische Erzeugnisse für Heimtiere für nichtmedizinische Zwecke; Heimtierstreu; chemische Erzeugnisse und Filtermaterial aus chemischen, mineralischen, pflanzlichen Stoffen, rohem Kunststoffmaterial oder Keramikpartikeln für die Wasserpflege, insbesondere für Aquarien und Gartenteiche; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege sowie Seifen und Shampoons für Tiere, insbesondere Heimtiere; Fleckentfernungsmittel; Sandpapier für Tierkäfige; veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege von Tieren, diätetische Erzeugnisse für Tiere und für medizinische Zwecke; Desinfektions- und Desodorierungsmittel für Tiere und die Tierhaltung; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; alle vorstehenden Waren insbesondere für Heimtiere; Belüftungspumpen für Gartenteiche, Springbrunnen, Aquarien, Terrarien und Belüftungsgeräte für Heimtierkäfige; Springbrunnen; Heizungs-, Filter- und Beleuchtungsgeräte für Gartenteiche, Springbrunnen, Aquarien, Terrarien und Heimtierkäfige; Katzentoiletten und Abdeckungen hierfür (soweit in Klasse 11 enthalten); Zimmeraquarien und -terrarien; Abdeckungen für Zimmeraquarien und -terrarien; Einrichtungszubehör für Zimmeraquarien und -terrarien, nämlich Futterautomaten, Futterringe, Ablaichkästen, Schlammsauger, Scheibenreiniger, Thermometer, Fangnetze, Schläuche, Schlauchverbinder, Absperrhähne, Saughalter, Rückwände, Dekorationen und Unterlagen (soweit in Klasse 16 enthalten); Waren aus Papier und Kunststoff (soweit in Klasse 16 enthalten) als Transportverpackung lebender Heimtiere und für tierhygienische Zwecke; Waren aus Leder und Lederimitationen (soweit in Klasse 18 enthalten), insbesondere Halsbänder, Leinen, Taschen, Maulkörbe und Peitschen; Käfige für Heimtiere; Abdeckungen für Heimtierkäfige; Einrichtungszubehör für Heimtierkäfige, nämlich Sitzstangen, Leitern, Schaukeln, Badehäuser, Badewannen, Spiegel, Tränken, Näpfe und Spielzeug; Tierfuttertröge; Kämme und Bürsten für Heimtiere; Katzentoiletten und Abdeckungen hierfür (soweit in Klasse 21 enthalten); Spielzeug sowie Turn- und Trainingsgeräte für Tiere, insbesondere Heimtiere; Kautrainingsartikel für Hunde (soweit in Klasse 28 enthalten)".

Der Widerspruch richtet sich gegen alle identischen und ähnlichen Waren/Dienstleistungen der angegriffenen Marke, insbesondere gegen "Lagerdecken für Haustiere".

Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch in zwei Beschlüssen wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, zwischen den Vergleichswaren möge zwar eine beachtliche Ähnlichkeit bestehen, weil es sich jeweils um Artikel des Heimtierbedarfs handele, die im Verwendungszweck zum Teil enge Berührungspunkte aufwiesen. Das Markenwort "Vita" sei aber kennzeichnungsschwach. Dass diese Kennzeichnungsschwäche auf dem relevanten Warensektor durch intensive Benutzung überwunden sei, sei weder amtsbekannt noch unstreitig. Unter diesen Umständen sei der Zeichenabstand ausreichend. Eine isolierte Kollisionsprüfung nur anhand des Elements "Vita" komme nicht in Betracht, da dieses für die angegriffene Marke nicht allein prägend sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie meint, die Waren seien von einer an Identität heranreichenden Ähnlichkeit. Daher reiche schon ein relativ geringer Grad der Zeichenähnlichkeit für die Annahme der Verwechslungsgefahr aus. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die relevanten Endverbraucher aller sozialen Schichten ein ihnen neu entgegentretendes Zeichen nicht mit erhöhter Aufmerksamkeit prüften. Das jüngere Zeichen werde von "Vita" geprägt, da "flect" nichtssagend sei; die in ihm angehängte dritte Silbe "flect" trete klanglich zurück. "Vita" sei für Lagerdecken für Haustiere nicht kennzeichnungsschwach. Die Widerspruchsmarke habe eine außerordentlich hohe Kennzeichnungskraft. Sofern von dieser [nur] für Futtermittel ausgegangen werde, strahle diese auf die hier in Rede stehenden Heimtiergebrauchsartikel aus.

Die Widersprechende beantragt die teilweise Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und die Anordnung der Löschung der angegriffenen Marke für die Ware "Lagerdecken für Heimtiere".

Die Markeninhaberin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, dass keine Verwechslungsgefahr besteht.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre Ansichten vertieft und erläutert. Insbesondere hat die Widersprechende geltend gemacht, dass jedenfalls mittelbare Verwechslungsgefahr bestehe, da "Vita" der Stammbestandteil einer Vielzahl von Marken sei, deren Inhaberin sie sei und die analog der angegriffenen Marke gebildet seien.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG) besteht zwischen den beidseitigen Marken nicht, so dass die angefochtenen Beschlüsse der Sach- und Rechtslage entsprechen.

Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG liegt dann vor, wenn das angesprochene Publikum glauben könnte, daß die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Hierbei besteht eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen, sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt. Marken, die eine hohe Kennzeichnungskraft besitzen, genießen einen umfassenderen Schutz als Marken, deren Kennzeichnungskraft geringer ist (vgl. EuGH MarkenR 1999, 22, 23 f. - Canon, st. Rspr.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr gegeben.

Die einander gegenüberstehenden Waren sind teilweise zueinander ähnlich, aber nicht eng ähnlich. In dem gesamten umfangreichen Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke sind Decken nicht enthalten. Noch die engsten Berührungspunkte weisen "Lagerdecken für Haustiere" mit "Waren aus Papier und Kunststoff (soweit in Kl. 16 enthalten) als Transportverpackung lebender Heimtiere" und mit "Waren aus Leder und Lederimitationen (soweit in Kl. 18 enthalten), insbesondere ..." aus dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke auf. Auch insoweit handelt es sich doch um deutlich unterschiedliche Waren, weil die Klasse 18 nicht jegliche Waren aus Leder und Lederimitationen.

Die übrigen Waren der Widerspruchsmarke betreffen in erster Linie Zubehör für Käfig-, Terrariums- und Aquariumstiere. Soweit Waren für andere Haustiere, nämlich für solche, die in der Regel nicht im Käfig oder im Aquarium untergebracht werden, sondern auf einer Decke ruhen (wie Hunde oder Katzen), betroffen sind, handelt es sich neben den Futtermitteln u. ä. bei den betroffenen Waren um ganz spezielle Artikel, nämlich insbesondere um Katzentoiletten, um Transportverpackungen, um Halsbänder, Leinen, Taschen, Maulkörbe und Peitschen, um Näpfe und Spielzeug, um Futtertröge, um Kämme und Bürsten sowie um Spielzeug etc. und Kautrainingsartikel für Hunde. Diese Waren sind zu "Lagerdecken für Haustiere" allenfalls sehr entfernt ähnlich.

Auch zwischen den einander gegenüberstehenden Marken besteht allenfalls eine entfernte Ähnlichkeit.

Entgegen der Ansicht der Widersprechenden wird der relevante Gesamteindruck der jüngeren Marke nicht allein vom Bestandteil "Vita" geprägt ist. Bei der Beurteilung, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Marke werten werden, ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart abzustellen, wobei zu berücksichtigen ist, daß sich diesem nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (EuGH MarkenR 1999, 236 f. Lloyd).

Dieser angesprochene Durchschnittsverbraucher hat keine Veranlassung, sich bei der jüngeren Marke allein am Bestandteil "Vita" zu orientieren. Insbesondere stellt die Silbe "-flect" keine ersichtlich beschreibende Angabe für "Lagerdecken für Haustiere" dar, und es sind auch sonst keine Gründe ersichtlich, weshalb der Verkehr diesen Teil des Markenworts vernachlässigen sollte. Somit waren jeweils die vollständigen Markenwörter der Beurteilung der Ähnlichkeit zugrundezulegen.

Diese Beurteilung führt allenfalls zu einer entfernten Ähnlichkeit der Marken. Denn die in der jüngeren Marke enthaltene Silbe "-flect" hat in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung, was in bildlicher Hinsicht dazu führt, dass die jüngere Marke mehr als doppelt so lang ist wie die Widerspruchsmarke; dies wird dem Publikum nicht entgehen. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden ist auch nicht davon auszugehen, dass "flect" in klanglicher Hinsicht zurücktreten wird. Denn gerade diese Silbe ist mit den beiden harten Konsonanten k und t ausgesprochen klangstark, und es ist davon auszugehen, dass sie zumindest von einem großen Teil der angesprochenen Verkehrskreise - wie im vergleichbar gebildeten Wort Vitamin - betont wird.

Ein Durchschnittsverbraucher, der eine Lagerdecke für ein Haustier kaufen will, mag hierbei keine besonders hohe Aufmerksamkeit aufwenden, es spricht aber auch nichts dafür, dass sie besonders niedrig ist.

Im Hinblick auf "Lagerdecken für Haustiere" gibt es auch keine Anhaltspunkte für eine hohe Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Die von der Widersprechenden vorgelegte Umfrage zur Verkehrsgeltung von "Vita" (belegt eine solche für Waren, die mit den hier relevanten Produkten vergleichbar sind, gerade nicht.

Abgesehen davon, dass diese Umfrage aus dem Jahr 1997 stammt und damit schon einige Zeit zurückliegt, beziehen sich die Fragen in erster Linie auf Tierfutter. Hinzu kommt, dass einige Fragen nur auf die Bezeichnung "Vita" und nicht auf die Bezeichnung "Vitakraft" bezogen sind. Aus dem Ergebnis der Frage 5 (Seite 8) ist aber ersichtlich, dass nur ein geringer Teil der befragten Personen Produkte der Marke "Vita" zuordnet, wenn als Alternative auch "Vitakraft" angeboten wird. Ferner ist auch die Anzahl der Personen ganz beträchtlich, die "Vita" gerade nicht einem einzigen Hersteller zuordnen.

Demnach bleibt auch unter Berücksichtigung dieser Erhebung fraglich, ob die Kennzeichnungskraft für "Vita" in Alleinstellung für die abgefragten Produkte überhaupt erhöht ist. Hinzu kommt, dass es sich bei diesen Waren fast ausschließlich um Tiernahrung handelt, die zu Lagerdecken unähnlich ist. Selbst wenn man - unter Hintanstellung all der vorgenannten Einschränkungen - von einer hohen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für Tierfutter ausginge, würde diese zum einen nur sehr beschränkt auf völlig andere Waren, nämlich die hier in Rede stehenden Decken ausstrahlen und sich zum anderen auch nur auf das Wort "Vita" in Alleinstellung beziehen. Nach alledem war nicht von einer mehr als durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die hier relevanten Waren auszugehen.

Unter Berücksichtigung einer allenfalls entfernen Ähnlichkeit der Waren, entfernter Ähnlichkeit der Marken und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für die in Rede stehenden Waren besteht keine markenrechtlich relevante unmittelbare Verwechslungsgefahr.

Eine relevante mittelbare Verwechslungsgefahr ist ebenfalls nicht gegeben. Das Wort "Vita" weist für sämtliche Artikel, die mit Wohlbefinden und Pflege (von Haustieren) zu tun haben, deutlihce beschreibende Anklänge i. S. v. von "Leben" und "Vitalität" auf und ist deshalb so kennzeichnungsschwach, dass es - jedenfalls im Zusammenhang mit den streitigen Decken - nicht als Hinweis auf die Widersprechende gewertet werden wird (was auch durch das Ergebnis der Frage 5 der vorgelegten Umfrage belegt wird).

Nach alledem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Hinsichtlich der Kosten hat der Senat keine Veranlassung gesehen, von der Regel des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG abzuweichen.






BPatG:
Beschluss v. 18.01.2006
Az: 26 W (pat) 308/03


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