Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. April 2010
Aktenzeichen: 23 W (pat) 321/04

(BPatG: Beschluss v. 29.04.2010, Az.: 23 W (pat) 321/04)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in dem Beschluss vom 29. April 2010 entschieden, dass das Patent widerrufen wird. Zuvor hatte die Prüfungsstelle für Klasse H05K des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent erteilt, jedoch legte die Einsprechende Einspruch ein und beantragte den Widerruf des Patents aufgrund fehlender Patentfähigkeit und fehlender Neuheit des Streitpatentgegenstands. Als patenthindernder Stand der Technik wurden verschiedene Druckschriften genannt. In der mündlichen Verhandlung verteidigte die Patentinhaberin ihr Patent, während die Einsprechende den Antrag stellte, das Patent zu widerrufen. Schließlich entschied das Bundespatentgericht, dass der Einspruch erfolgreich ist und das Patent widerrufen wird. Der Beschluss enthält eine detaillierte Begründung, warum das Patent nicht rechtsbeständig ist, und bezieht sich auch auf relevante Lehren des Standes der Technik. Das Gericht beurteilte auch die Zulässigkeit des Einspruchs und erklärte, dass dieser zulässig ist. Schließlich wurde entschieden, dass das Patent aufgrund der vorliegenden Sachlage widerrufen wird.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 29.04.2010, Az: 23 W (pat) 321/04


Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse H05K des Deutschen Patentund Markenamtes hat auf die am 11. April 2002 eingereichte Patentanmeldung das Patent 102 16 093 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Wohnungsstation für eine Tür-Kommunikationsanlage" unter Berücksichtigung der im Prüfungsverfahren ermittelten Druckschriften -D1 DE 40 09 190 C1,

-D2 DE 18 27 349 U, sowie -D3 Katalog RITTO Kommunikationssysteme, Seiten 53 und 54 mit Datumsangabe 1 / 2000 und Eingangsvermerk der Prüfungsstellevom 30. Juni 2000 erteilt. Dieses umfasst 9 Patentansprüche, von denen die Ansprüche 2 bis 9 direkt oder indirekt auf den Anspruch 1 rückbezogen sind. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 23. Oktober 2003.

Gegen die Patenterteilung legt die Einsprechende fristgerecht mit Schriftsatz vom 20. Januar 2004 (per Fax am selben Tag beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangen) Einspruch ein. Sie beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen und begründet dies mit einer fehlenden Patentfähigkeit, insbesondere einer fehlenden Neuheit des Streitpatentgegenstands. Auch die Merkmale der Unteransprüche seien aus dem Stand der Technik bekannt.

Als patenthindernder Stand der Technik nennt sie im Einspruchsschriftsatz die Druckschrift -D4 DE 101 60 813 A1 sowie im weiteren Verfahren die Druckschriften -D5 EP 0 505 913 A1, und -D6 DE 43 41 099 A1.

Hierbei stellt die Druckschrift D4 einen nachveröffentlichten Stand der Technik einer älteren Anmeldung dar und ist daher bezüglich des Streitpatentgegenstands nur hinsichtlich der Neuheitsbetrachtung zu berücksichtigen.

In der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2010 verteidigt die Patentinhaberin ihr Patent mit den erteilten Patentansprüchen, hilfsweise mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 8. Sie führt aus, dass die geltenden Ansprüche nach Hauptbzw. Hilfsantrag unter Berücksichtigung des im Verfahrens befindlichen Standes der Technik patentfähig seien. Insbesondere seien deren Lehren neu gegenüber der Lehre der Druckschrift D4.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.

Hilfsweise stellt sie den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2010, Beschreibung und Zeichnung in der erteilten Fassung.

Der erteilte und nach Hauptantrag verteidigte Anspruch 1 hat hierbei folgenden Wortlaut, wobei die von der Patentinhaberin durchgängig verwendete Abkürzung "UP" für "UnterPutz" steht:

"1. Wohnungsstation für eine Tür-Kommunikationsanlage mit einem UP-Gehäuse, in das Funktionseinheiten eingesetzt und mittels eines Rahmens mit Abdeckungen abgedeckt sind, dadurch gekennzeichnet, dass das UP-Gehäuse aus mindestens zwei aneinanderreihbaren, handelsüblichen UP-Dosen (1) oder einer handelsüblichen Doppeldose zusammengesetzt ist, dass in die eine UP-Dose (1) ein Steuerungsmodul (2a) und in die andere UP-Dose (1) ein Verstärkermodul (2b) eingesetzt sind, dass das Steuerungsmodul (2a) und das Verstärkermodul (2b) mittels eines handelsüblichen Rahmens (Doppelrahmens 3) abgedeckt sind, unddass in die dem Steuerungsmodul (2a) zugeordnete Ausnehmung des Rahmens (Doppelrahmens 3) eine Abdeckung (5) mit Bedienungsund/oder Anzeigeelementen und in die dem Verstärkermodul (2b) zugeordnete Ausnehmung des Doppelrahmens (3) eine Abdeckung (4) mit Lautsprecher und/oder Mikrophon eingesetzt sind."

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich hiervon -neben einer redaktionellen Streichung der in Klammern stehenden Bezeichnung "Doppelrahmen" durch die zusätzliche Aufnahme der Merkmale des abhängigen Anspruchs 2 gemäß Hauptantrag. Die angefügten Merkmale lauten hierbei:

"...dass das UP-Gehäuse auf drei UP-Dosen (1) erweitert ist, dass in die dritte UP-Dose (1) ein Videosteuermodul (2c) eingesetzt ist, dass der Rahmen ein handelsüblicher Dreifachrahmen (3) ist, und dass die dem Videosteuermodul (2c) zugeordnete Ausnehmung mittels einer Abdeckung mit [einem] Bildschirm abgedeckt ist."

Wegen des Wortlauts der weiteren abhängigen Ansprüche wird auf das Streitpatent, wegen der weiteren Sachlage auf den Akteninhalt verweisen.

II.

Das anhängige Einspruchsverfahren wurde gemäß § 147 Abs. 3, 1. Alternative PatG i. d. F. 1. Januar 2002 an das Bundespatentgericht abgegeben. Diese zeitlich bis zum 30. Juni 2006 begrenzte Verlagerung der Zuständigkeit hat der BGH als nicht verfassungswidrig beurteilt (BGH GRUR 2009, 184 -"Ventilsteuerung"

m. w. N.). Demnach besteht eine vor dem 1. Juli 2006 begründete Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch auch nach der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG fort.

III.

Der Einspruch hat nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung Erfolg, da er zum Widerruf des Streitpatents führt.

1. Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin zwar nicht in Frage gestellt worden. Jedoch haben Patentamt und Gericht auch ohne Antrag des Patentinhabers die Zulässigkeit des Einspruchs in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen zu überprüfen (vgl. Schulte, PatG, 8. Auflage, § 59, Rdn. 160), da ein unzulässiger, einziger Einspruch zur Beendigung des Einspruchsverfahrens ohne weitere Sachprüfung über die Rechtsbeständigkeit des Streitpatents führt

(vgl. hierzu Schulte, PatG, 8. Auflage, § 61, Rdn. 29; BGH GRUR 1987, 513, II.1. "Streichgarn").

Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs bestehen im vorliegenden Fall aber insofern keine Bedenken, als die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht und die Tatsachen im Einzelnen angegeben hat, die den Einspruch rechtfertigen (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG), indem sie den erforderlichen Zusammenhang zwischen sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents und dem Stand der Technik beispielsweise nach der Druckschrift D4 hergestellt hat (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2, 251, li. Sp., Abs. 1 -"Epoxidation"; Schulte, PatG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 91 bis 97).

Ob die dabei vorgetragenen Tatsachen den Widerruf des Patents auch tatsächlich rechtfertigen, ist nicht bei der Zulässigkeit, sondern bei der Begründetheit des Einspruchs zu prüfen (vgl. BGH GRUR 1987, 513, 514, li. Sp., Abs. 2.a). -"Streichgarn"; BlPMZ 1985, 142, Leitsatz -"Sicherheitsvorrichtung"; Schulte, PatG, 8. Auflage, § 59 Rdn. 99).

2. Nach Angaben der geltenden Beschreibung betrifft die Erfindung eine Wohnungsstation für eine Tür-Kommunikationsanlage mit einem Unterputz (UP)-Gehäuse, in das Funktionseinheiten eingesetzt und mittels eines Rahmens mit Abdeckungen abgedeckt sind (vgl. Streitpatent, Abs. [0001]).

Eine derartige Wohnungsstation ist aus der Druckschrift D3 bekannt. Dabei sind alle für die Wohnungsstation erforderlichen Baugruppen und Bauelemente in einem speziellen Gehäuse untergebracht, das mittels einer speziellen Abdeckung abgedeckt ist, die die Bedienungselemente, Anzeigeelemente und die besonderen Abdeckungen für Mikrophon und/oder Lautsprecher aufnimmt. Die Gehäuse können wahlweise als Aufputzoder Unterputz-Gehäuse ausgebildet sein (vgl. Streitpatent, Abs. [0002]).

Ferner ist aus dem Stand der Technik -beispielsweise der Druckschrift D1 -bekannt, Türstationen für Türsprechanlagen in Modultechnik auszulegen, bei der mehrere, einheitliche UP-Gehäuse aneinandergereiht und mittels eines einzigen Rahmens mit einsetzbaren Moduleinheiten abgedeckt werden können. Die Moduleinheiten selbst sind wieder mit Zwischengehäusen versehen, die die Baugruppen, Bauelemente sowie Anschlusselemente aufnehmen, wobei die Moduleinheiten beim Einsetzen in ein UP-Gehäuse mit darin festgelegten und mit angeschlossenen Verbindungsleitungen verdrahteten Gegen-Anschlusselementen verbindbar ist. Dieser in Modultechnik ausgelegte Aufbau erfordert viele speziell hergestellte Gehäuseteile und eine komplizierte Verbindungstechnik (vgl. Streitpatent, Abs. [0003]).

Es ist zudem -beispielsweise aus der Druckschrift D2 -bekannt, zwei aneinandergereihte handelsübliche Installationsdosen nicht nur für den Einsatz von elektrischen Schaltern und Steckdosen, sondern auch für ein elektrisches Läutewerk zu verwenden. Dabei nimmt eine UP-Dose den Transformator und die andere eine Klingel auf (vgl. Streitpatent, Abs. [0004]).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Anmeldegegenstand als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine Wohnungsstation für eine Tür-Kommunikationsanlage zu schaffen, die wie in der Installationstechnik üblich in UP-Technik ausgeführt und erweitert werden kann und dabei mehr und mehr die in der Installationstechnik handelsüblichen kostengünstigen Gehäuseteile verwenden kann (vgl. sinngemäß Streitpatent, Abs. [0005]).

Diese Aufgabe wird durch die Wohnungsstation für eine Tür-Kommunikationsanlage nach den Ansprüchen 1 gemäß Hauptund Hilfsantrag gelöst.

Hierbei ist gemäß Hauptantrag vorgesehen, dass die Wohnungsstation für eine Tür-Kommunikationsanlage aus einem UP-Gehäuse besteht, in welches Funktionseinheiten eingesetzt sind. Das UP-Gehäuse ist mittels eines Rahmens mit Abdeckungen abgedeckt.

Gemäß den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1 ist das UP-Gehäuse aus mindestens zwei aneinanderreihbaren, handelsüblichen UP-Dosen oder einer handelsüblichen Doppeldose zusammengesetzt. In eine der Dosen ist als Funktionseinheit ein Steuerungsmodul und in die andere Dose ein Verstärkermodul eingesetzt, wobei das Steuerungsmodul und das Verstärkermodul mittels eines handelsüblichen Doppelrahmens mit Ausnehmung abgedeckt sind. In die dem Steuerungsmodul zugeordnete Ausnehmung des Doppelrahmens ist hierbei eine Abdeckung mit Bedienungsund/oder Anzeigeelementen und in die dem Verstärkermodul zugeordnete Ausnehmung eine Abdeckung mit Lautsprecher und/oder Mikrophon eingesetzt. Nach Hilfsantrag ist die Wohnungsstation für eine Tür-Kommunikationsanlage nach Hauptantrag durch eine dritte UP-Dose erweitert, in welche ein Videosteuermodul eingesetzt ist, wobei die zugeordnete Ausnehmung durch einen Bildschirm abgedeckt ist. Als Rahmen wird ein anstelle des handelsüblichen Doppelrahmens nach Hauptantrag nunmehr ein handelsüblicher Dreifachrahmen verwendet.

3.

Die Frage der Zulässigkeit der jeweiligen Ansprüche 1 nach Hauptbzw. Hilfsantrag kann im Folgenden dahinstehen, denn die jeweiligen Wohnungsstationen für eine Tür-Kommunikationsanlage erweisen sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als nicht rechtsbeständig (vgl. BGH, GRUR 1991, 120, 121, Abs. II.1. -"elastische Bandage").

4.

Als zuständiger Fachmann ist hier ein berufserfahrener, mit der Entwicklung von Türgegensprechanlagen betrauter Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss zu definieren.

a) Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag ist unter Berücksichtigung der Lehre der Druckschrift D4 nicht neu.

Denn diese offenbart in Worten des Streitpatents eine Wohnungsstation für eine Tür-Kommunikationsanlage (Hauskommunikationsanlage mit mindestens einer Türstation und mindestens einer Wohnungsstation) mit einem UP-Gehäuse (vgl. D4, Beschreibung, Abs. [0004] und [0005] bzw. Fig. 4, normgemäße Elektro-Installationsdose 24), in das Funktionseinheiten (Hauptmodul 20, Funktionsmodul 22) eingesetzt und mittels eines Rahmens (vgl. Fig. 4 und Fig. 11, Trägerrahmen 82 gegebenenfalls i. V. m. Blendrahmen 84) mit Abdeckungen (z. B. Tastenaufsatz 62, Sprechaufsatz 64, Kameraaufsatz, Displayaufsatz 70) abgedeckt sind, wobei, das UP-Gehäuse aus mindestens zwei aneinanderreihbaren, handelsüblichen UP-Dosen oder einer handelsüblichen Doppeldose zusammengesetzt ist (vgl. D4, Abs. [0031], Zeilen 52 bis 54, "Derartige UP-Dosen werden bei einer Mehrfachanordnung über kanalartige Verbindungen 32 zusammengesteckt...", i. V. m. Abs. [0005], Zeilen 46 bis 50, "indem das jeweilige Hauptmodul [...] in eine übliche Installationsdose [...]eingesetzt zu werden braucht"), und wobei in die eine UP-Dose ein Steuerungsmodul (vgl. beispielsweise D4, Spalte 6, Abs. [0046], Zeilen 27ff., "Dazu wird diese Station aufgebaut durch einen Busankoppler 34 mit Tastenaufsatz 62 [...]. Der Tastenaufsatz 62 hat eine Kennung als Steuertaster) für die Wohnungsstation...") und in die andere UP-Dose ein Verstärkermodul (Sprecheinsatz 52 mit Sprechaufsatz 64 mit Lautsprecher und Mikrofon, wobei der Sprecheinsatz 52 eine Elektronik für eine Freisprechfunktion beinhaltet, der ohne Verstärkermodul nicht realisierbar ist, vgl. Sp. 5, Abs. [0040], Zeilen 8 und 9) eingesetzt sind, und das Steuerungsmodul und das Verstärkermodul mittels eines handelsüblichen Rahmens (Rahmen 82) abgedeckt sind, und in die dem Steuerungsmodul zugeordnete Ausnehmung des Rahmens eine Abdeckung mit Bedienungsund/oder Anzeigeelementen (D4, Abs. [0037], Tastenaufsatz 62 bzw. Displayaufsatz 70 für Funktionsmodul 22) und in die dem Verstärkermodul zugeordnete Ausnehmung des Doppelrahmens eine Abdeckung mit Lautsprecher und/oder Mikrofon eingesetzt sind (D4, Abs. [0037], Sprechaufsatz 64 mit Mikrofon und/oder Lautsprecher für Funktionsmodul 22).

Auch die weiteren Merkmale des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag sind der Lehre der Druckschrift D4 zu entnehmen. Denn diese offenbart die Erweiterung des UP-Gehäuses auf drei UP-Dosen (vgl. D4, beispielsweise Fig. 10 bis 13), wobei in die dritte UP-Dose ein Videosteuermodul (vgl. D4, Abs. [0043], Displayeinsatz 58 zum Empfangen von Videosignalen) eingesetzt ist, der Rahmen ein handelsüblicher Dreifachrahmen ist, und die dem Videosteuermodul zugeordnete Ausnehmung mittels einer Abdeckung mit Bildschirm (vgl. D4, Abs. [0043], Displayaufsatz 70 zum Anzeigen von Videosignalen) abgedeckt ist.

Die in diesem Zusammenhang von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Einwände, die jeweiligen Abdeckungen seien beim Stand der Technik nach Druckschrift D4 auf den Rahmen aufund nicht in den Rahmen eingesetzt bzw. die Lehre der Druckschrift D4 weise im Unterschied zum Streitpatent keine getrennte Steuerungsund Verstärkungsfunktion auf, vermögen nicht zu überzeugen.

So kann zur Beurteilung der Neuheit dahinstehen, ob -wie von der Patentinhaberin vorgetragen -die Abdeckung (Aufsatz 62, 64) bei der Lehre der Druckschrift D4 nicht vollständig in den Rahmen (Rahmen 82) eingesetzt, sondern aufgesetzt ist. Denn auch die Lehre des Anspruchs 1 des Streitpatents ist nicht ausschließlich auf ein vollständiges Einsetzen der Abdeckung in den Rahmen beschränkt und umfasst mithin auch die unstrittig in der Druckschrift D4 offenbarte Ausführungsform (vgl. D4, beispielsweise Fig. 4), wonach die Abdeckungen zumindest mit ihren Kontakten in den Rahmen (Rahmen 82) eingreifen und durch diesen hindurch mit Steckverbinderteilen ("40") in Kontakt treten, wie es die Fig. 4 zeigt. Diese technische Lehre ist in der Druckschrift D4 unter dem Begriff "Aufsetzen" des jeweiligen Aufsatzes auf den in die UP-Dose (normgemäße Elektro-Installationsdose) eingesetzten Einsatz subsummiert (vgl. D4, Spalte 3, Abs. [0032], "Jedes dieser Hauptmodule 20 kann mit einem Funktionsmodul 22 elektrisch und/oder mechanisch verbunden werden. Zweckmäßigerweise ist jedes Funktionsmodul 22 unmittelbar auf das jeweilige Hauptmodul aufsteckbar und dadurch über mechanische Verbindungsmittel gehalten und/oder über elektrische Steckverbinder angeschlossen."). Somit stimmen die technischen Lehren der Druckschrift D4 und des Streitpatents in diesem Merkmal überein.

Ferner offenbart die Lehre der Druckschrift D4 -im Gegensatz zur Auffassung der Patentinhaberin -auch eine Trennung der Steuerungsund Verstärkungsfunktion im Sinne des Streitpatents.

Bei diesem ist das Verstärkermodul als Sprechund Hörverstärker für die zugehörige Abdeckung mit Lautsprecher und/oder Mikrofon ausgestaltet und das Steuerungsmodul beinhaltet in üblicher Weise einen Rechner, Speicher und Steuerbefehl-Sender und/oder -Empfänger (vgl. Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 4 bis 12 bzw. Spalte 3, Abs. [0017] und [0018]). Mithin offenbart die Lehre des Streitpatents ein Verstärkermodul mit einem analogen Schaltungsteil zur Ansteuerung des Lautsprechers bzw. des Mikrofons und ein Steuerungsmodul mit einem digitalen Schaltungsteil zur Steuerung der Kommunikation zwischen den einzelnen Modulen einer Station (Steuerungsmodul, Verstärkermodul und Videosteuermodul) über interne Verbindungsleitungen (vgl. Streitpatent, Abs. [0020], "Die Verdrahtung der Moduleinheiten übernehmen Verbindungsleitungen 7..."). Dies entspricht jedoch der technischen Lehre der Druckschrift D4, denn auch diese offenbart ein digitales Steuerungsmodul (vgl. D4, Abs. [0038], Busankopplereinsatz 34 mit integriertem Microcontroller), welcher über eine Schnittstelle und eine Verbindungsleitung (Internbus 36) Daten unter Verwendung zuvor abgelegter Adressen an das entsprechende Sprechbzw. Videomodul (vgl. D4, Spalte 5, Zeilen 12 und 13, Sprecheinsatz 52 mit Sprechaufsatz 64 mit Lautsprecher und Mikrofon; Spalte 5, Abs. [0039] und [0042], Kameraeinsatz 56 mit zur Signalübertragung erforderlichen Elektronik bzw. Displayeinsatz 58 mit separater Bus/Videoleitung 80) leitet. Die jeweiligen Module weisen Elektronikkomponenten auf (vgl. D4, Spalte 5, Abs. [0040], "Der Sprecheinsatz 52 beinhaltet eine Elektronik für eine Freisprechfunktion"; Spalte 5, Abs. [0042], Zeilen 39 bis 41, "...wobei der Kameraeinsatz im Wesentlichen nur die zur Signalübertragung erforderliche Elektronik enthält"; Spalte 5, Abs. [0043], Zeilen 47 bis 49, "Der Displayeinsatz 58 arbeitet grundsätzlich ähnlich zum Kameraeinsatz..."), welche gleichwirkend zum Sprechund Hörverstärker des Streitpatents das jeweilige akustische bzw. elektrische Signal des Lautsprechers bzw. des Mikrofons mit einer analogen Elektronik verstärken. Diese Regelung im Sinne einer Sprechund Hörverstärkung geht, für den Fachmann erkennbar, beispielsweise aus dem in Druckschrift D4 gezogenen Vergleich der Funktion der Ausführungsformen mit Hörerbzw. Sprecheinsatz hervor (vgl. Spalte 5, Abs. [0041], "Der Hörereinsatz 54 arbeitet grundsätzlich analog zum Sprecheinsatz 52, jedoch ist der elektronische Aufwand geringer, weil aufgrund des angeschlossenen Hörers keine Rückkopplungen auftreten können und diese deshalb auch nicht wie beim Sprecheinsatz 52 durch spezielle Maßnahmen vermieden werden müssen.").

Die Frage, ob bei der Lehre der Druckschrift D4 der Busankoppler 34 die Audiosignale gegebenenfalls zusätzlich verstärkt (vgl. D4, Spalte 5, Zeilen 15 bis 18), kann zur Beurteilung der Neuheit der Lehre des Streitpatents insofern dahinstehen, als dass auch bei der Lehre des Streitpatents nicht gefordert ist, dass die Signalverstärkung ausschließlich im Verstärkermodul erfolgt (vgl.Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 8 bis 12, "Der Steuerungsmodul kann in üblicher Weise einen Rechner, Speicher und Steuerbefehl-Sender und/oder -Empfänger in sich vereinen und in bekannter Weise mit den Elementen der Abdeckung zusammenarbeiten.".

Somit ist die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag vollständig durch die Lehre der älteren Anmeldung nach Druckschrift D4 vorweggenommen; der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag ist daher nicht rechtsbeständig.

b) Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ebenfalls als nicht rechtsbeständig.

Die dort beanspruchte Sicherungsund Überwachungsvorrichtung weist nach vorstehenden Ausführungen lediglich Teilmengen der im Anspruch 1 nach Hilfsantrag angegebenen und vorangehend bereits gewürdigten Merkmale auf, so dass die am stärksten eingeschränkte Lehre des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag die in diesem Anspruch vermittelte Lehre umfasst.

Da wie vorstehend dargelegt bereits der am meisten beschränkte Gegenstand gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag keinen Bestand hat, trifft dies um so mehr für den Gegenstand des ersichtlich allgemeiner gefassten Anspruchs 1 nach Hauptantrag zu. Im Einzelnen wird hierzu auf die Ausführungen zu den entsprechenden Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag verwiesen.

4. Mit dem jeweiligen Patentanspruch 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag fallen aufgrund der Antragsbindung auch die jeweils rückbezogenen Ansprüche (vgl. BGH GRUR 2007, 862 Leitsatz -Informationsübermittlungsverfahren II" m. w. N.).

5. Bei dieser Sachlage war das Patent zu widerrufen.

Lokys Dr. Hock Brandt Maile Pr






BPatG:
Beschluss v. 29.04.2010
Az: 23 W (pat) 321/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/8a31e75f91fd/BPatG_Beschluss_vom_29-April-2010_Az_23-W-pat-321-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share