Landgericht Köln:
Urteil vom 8. März 2005
Aktenzeichen: 33 O 34/02

(LG Köln: Urteil v. 08.03.2005, Az.: 33 O 34/02)

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr entstanden ist und künftig entstehen wird aufgrund der seitens der Beklagten in der Zeit vom 24.03.1999 bis zum 21.10.1999 veranlassten Vollziehung der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin vom 11.03.1999 - Az. 15 O 130/99.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin produziert und vertreibt unter der Bezeichnung "Fernsehfee" ein zum Anschluss an Fernseh- oder Videogeräte bestimmtes Gerät, welches unter anderem über eine sog. "spotstop-Funktion" verfügt. Die spotstop-Funktion ermöglicht die automatische Ausblendung von Werbung aus dem laufenden Programm, indem das Gerät für die Dauer der Ausstrahlung von Werbespots im gewählten Programm automatisch auf einen werbefreien Kanal um- und nach Beendigung des Werbeblocks wieder zurückschaltet oder wahlweise das Empfangsgerät auch vollständig ausschaltet. Neben der Funktion eines Werbeblockers verfügt die Fernsehfee über weitere Funktionen wie etwa eine sog. Kinderschutzfunktion, eine Programmierungsfunktion, einen TV-Programmführer.

Die Beklagte betreibt einen privaten Fernsehsender.

Die Parteien stritten in der Vergangenheit um die rechtliche Zulässigkeit des Werbeblockers. Das Landgericht Berlin erließ am 11.03.1999 im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung (Az. 15 O 130/99), mit der der Klägerin der Vertrieb eines Vorschaltgerätes mit Werbeblock-Funktion untersagt wurde. Wegen des Inhalts der einstweiligen Verfügung wird auf Bl. 16 ff. d.A. Bezug genommen. Die einstweilige Verfügung wurde der Klägerin am 24.03.1999 zugestellt.

Auf den Widerspruch der Klägerin bestätigte das Landgericht Berlin die Beschlussverfügung durch Urteil vom 29.05.1999. Das Kammergericht hob mit Urteil vom 22.10.1999 (Az. 5 U 5806/99) – unter Änderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 28.05.1999 – die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 11.03.1999 auf und wies den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurück. Im anschließenden Hauptsacheverfahren untersagte das Landgericht Berlin mit Urteil vom 07.12.1999 (Az. 15 O 352/99) erneut den Vertrieb des Gerätes mit der Werbeblock-Funktion. Mit Urteil vom 24.07.2001 hob das Kammergericht das Urteil des Landgerichts Berlin auf und wies die Unterlassungsklage der Beklagten ab (Az. 5 U 1112/00). Der Bundesgerichtshof wies mit Urteil vom 24.06.2004 (Az. I ZR 26/02) die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Kammergerichts zurück. Wegen des Inhalts der zuvor genannten Entscheidungen wird auf Bl. 20 ff. d.A. (Urteil des LG Berlin vom 29.05.1999 – 15 O 130/99), Bl. 30 ff. d.A. (Urteil des KG vom 22.10.1999 – 5 U 5806/99), Bl. 36 ff. d.A. (Urteil des LG Berlin vom 07.12.1999 – 15 O 352/99), Bl. 128 ff. (Urteil des KG vom 24.07.2001 – 5 U 1112/00) sowie Bl. 238 ff. d.A. (Urteil des BGH vom 24.06.2004 – I ZR 26/02) Bezug genommen.

Die Klägerin hat das Vorschaltgerät in der Zeit vom 24.03.1999 bis zum 24.07.2001 nicht vertrieben.

Die Klägerin begehrt Schadensersatzfeststellung. Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei ihr während der Dauer der Vollziehung der einstweiligen Verfügung nach § 945 ZPO schadensersatzpflichtig. Zudem ist die Klägerin der Auffassung, ihr stehe für die Zeit nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung während des Hauptsachverfahrens bis zum 24.07.2001 ein Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO und § 823 Abs 1 BGB zu. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt, da sie wider besseren Wissens von der Rechtslage und in Kenntnis der rechtlichen Einschätzung durch das Kammergericht das Hauptsacheverfahren gegen die Klägerin durchgeführt habe. Überdies habe die Klägerin auch davon ausgehen müssen, dass die Beklagte aus dem Urteil des Landgerichts Berlin im Hauptsacheverfahren vollstrecken werde. Sie behauptet, sie sei durch die einstweilige Verfügung und den durch das Hauptsacheverfahren bewirkten Vertriebsstopp vom 24.03.1999 bis 24.07.2001 gehindert gewesen, die Fernsehfee zu vertreiben. Dadurch sei ihr ein Schaden entstanden, der - im Zeitpunkt der Klageerhebung Anfang 2002 - noch nicht beziffert werden könne. Sie habe wegen des Vertriebsstopps erst 2001 mit der Vermarktung beginnen können. Die Klägerin behauptet, für die Vermarktung des Gerätes sei die Werbeblock-Funktion von maßgeblicher Bedeutung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Vortrags zum Schadenseintritt wird auf den entsprechenden Vortrag in der Klageschrift vom 22.01.2002 (Bl. 11 ff. d.A.) sowie in den Schriftsätzen vom 03.04.2002 (Bl. 115 ff. d.A.) und vom 28.09.2004 (Bl. 263 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen

Schaden zu ersetzen, der ihr entstanden ist und künftig entstehen wird

aufgrund der seitens der Beklagten veranlassten Vollziehung der

einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin vom 11.03.1999

(Aktenzeichen 15 0 130/99, aufgehoben durch Urteil des Kammer-

gerichts Berlin vom 22.10.1999 – Aktenzeichen 5 U 5806/99) sowie

aufgrund des von der Beklagten erwirkten Urteils des Landgerichts

Berlin vom 07.12.1999 (Aktenzeichen: 15 0 352/99, aufgehoben

durch Urteil des Kammergerichts vom 24.07.2001, Az. 5 U 1112/00),

wodurch sie, beginnend ab dem 24.03.1999 bis zum 24.07.2001,

gehindert war, das von ihr produzierte Gerät "Fernseh-Fee" anzu-

bieten, zu vertreiben und/oder zu bewerben sowie hiermit in Zu-

sammenhang stehende entgeltliche Dienstleistungen zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, es fehle an einem Feststellungsinteresse. Überdies sei die Klage auch unbegründet. Hinsichtlich des Zeitraumes 24.03.1999 bis 21.10.1999 scheide ein Anspruch aus, weil ein Schaden nicht eingetreten sei. Hinsichtlich des Zeitraumes 22.10.1999 bis 24.07.2001 sei ein Anspruch nicht gegeben, weil die Beklagte aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 07.12.1999 nicht vollstreckt habe. Auch sei ein Verschulden ihrerseits im Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat nur teilweise Erfolg.

Schadensfeststellung für den Zeitraum 24.03.1999 bis 21.10.1999

Die Klage auf Schadensfeststellung für den Zeitraum 24.03.1999 bis 21.10.1999 ist zulässig. Es besteht das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

Dieses resultiert vorliegend aus einer drohenden Verjährung des Schadensersatzanspruchs. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 945 ZPO. Dieser Anspruch verjährt in drei Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin von der Entstehung des Schadens Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste (§ 852 BGB a.F., siehe auch Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 25. Auflage, 2005, § 945, Rn 13). Kenntnis von der Entstehung des Schadens hat die Klägerin vorliegend durch die Aufhebung der einstweiligen Verfügung durch das Kammergericht in dem Urteil vom 22.10.1999 erlangt. Daher drohte im Jahr 2002 die Verjährung des Anspruchs.

Das Feststellungsinteresse fehlt auch nicht deshalb, weil eine – bezifferte – Leistungsklage vorrangig gewesen wäre. Das Feststellungsinteresse fehlt zwar grundsätzlich, wenn eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist (Greger, in: Zöller, § 256 Rn. 7a m.w.N.). An der Zumutbarkeit der Leistungsklage fehlt es jedoch, wenn der Kläger seinen Anspruch noch nicht oder nicht ohne Durchführung einer aufwändigen Begutachtung beziffern kann (Greger, a.a.O., m.w.N). Die Klägerin hat den Vertrieb der Fernsehfee in der Zeit vom 24.03.1999 bis zum 24.07.2001 eingestellt. Sie hat ausgeführt, dass ihr eine Bezifferung des Vollziehungsschadens für die Zeit vom 24.03.1999 bis 21.10.1999 im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht möglich sei, da die weitere Produktentwicklung abgewartet werden müsse. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin – wie später noch auszuführen sein wird – aus eigenem Antrieb in der Zeit vom 22.10.1999 bis 24.07.2001 das Gerät nicht auf den Markt gebracht hat, ist es nach Auffassung der Kammer zutreffend, dass die Klägerin den Schaden im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht beziffern konnte. Zur Bezifferung des durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung vom 11.03.1999 des Landgerichts Berlin entstandenen Schadens ist nach Auffassung der Kammer erforderlich, als Grundlagen für eine Schadensschätzung die Nachfrage nach dem Produkt vor Erlass der einstweiligen Verfügung seit Marktzutritt sowie nach Wiederaufnahme des Vertriebs im Juli 2001 genau festzustellen. Insoweit konnte der Klägerin zur Feststellung der erforderlichen Parameter auch ein gewisser zeitlicher Rahmen nach erneutem Marktzutritt im Jahr 2001 eingeräumt werden. Dass die Wiederaufnahme des Vertriebs durch die Klägerin bereits früher, nämlich nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung am 22.10.1999, rechtlich möglich gewesen wäre und das Produkt erst im Juli 2001 wieder vertrieben wurde, steht dem Feststellungsinteresse nach Auffassung der Kammer nicht entgegen. Es mag zwar so sein, dass, wenn im Oktober 1999 der Vertrieb wieder aufgenommen worden wäre, auch im Zeitpunkt der Klageerhebung eine Schadensbezifferung möglich gewesen wäre. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung tatsächlich nicht in der Lage war, den Schaden zu beziffern. Auf die tatsächliche Möglichkeit der Schadensberechnung kommt es für die Frage des Vorrangs der Leistungsklage nach Auffassung der Kammer aber entscheidend an. Der Gesichtspunkt, dass die Klägerin auf der Grundlage ihrer eigenen Entscheidung den Vertrieb auch nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung weiter eingestellt hat, mag gegebenenfalls Schwierigkeiten bei der späteren Bezifferung des Schadens hervorrufen, die sich im Ergebnis auch zu Lasten der Klägerin auswirken könnten, das Feststellungsinteresse entfällt damit aber nicht.

An dem Vorliegen des Feststellungsinteresses ändert sich auch nichts dadurch, dass die Klägerin den Schaden nunmehr – nach ihrem eigenen Vortrag – wohl beziffern könnte. Denn die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 03.04.2002 (Bl. 115 ff. d.A. – dort S. 10) vorgetragen, dass für die Bezifferung des Schadens ein Geschäftsjahr abgewartet werden müsse. Dieser Zeitraum ist mittlerweile vergangen. Allerdings führt nach der Rechtsprechung der Umstand, dass der Schaden während des Prozesses bezifferbar geworden sein mag, nicht dazu, dass der Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresses nicht mehr zulässig wäre. Ist eine Feststellungsklage in zulässiger Weise erhoben worden, ist der Kläger nach der Rechtsprechung nicht gehalten, zur Leistungsklage überzugehen, wenn der Schaden bezifferbar wird (siehe nur BGH NJW-RR 2004, 79, 81 m.w.N.).

Der Feststellungsantrag ist auch begründet.

Hinsichtlich des Zeitraums der Vollziehung der einstweiligen Verfügung vom 24.03.2999 bis 21.10.2001 ist ein – verschuldensunabhängiger – Schadensersatzanspruch dem Grunde nach aus § 945 ZPO gegeben. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.06.2004 steht mit Bindungswirkung für das Schadensersatzgericht (dazu BGH NJW 1993, 2686; NJW 1988, 3268; Vollkommer, in: Zöller, § 945 Rn. 11) fest, dass ein Unterlassungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin nicht besteht und der Erlass der einstweiligen Verfügung von Anfang an ungerechtfertigt war.

Es ist auch eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts gegeben. Dabei ist eine Schadensersatzfeststellungsklage bereits dann gerechtfertigt, wenn nach der Lebenserfahrung durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung eine Schädigung der Klägerin eingetreten ist.

Mit der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin vom 11.03.1999 ist der Klägerin verboten worden, die Fernsehfee mit der Werbeblockfunktion weiter zu vertreiben. Dass diese Vertriebseinschränkung nach der Lebenserfahrung einen Schaden bei der Klägerin verursacht hat, liegt auf der Hand. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang beanstandet, die Klägerin habe zum Schadenseintritt zu wenig vorgetragen, betreffen diese Einwände allesamt Fragen, die für die Schadensberechnung im Einzelnen relevant sind, nicht aber für die hier allein festzustellende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.

Die Kammer weist allerdings darauf hin, dass sie erhebliche Zweifel hat, ob die von der Klägerin ihren Aktionären in Aussicht gestellte Schadenshöhe realistisch ist. Denn von Bedeutung für die Schadenshöhe ist zum einen, dass der Klägerin durch die einstweilige Verfügung lediglich die Werbeblockfunktion untersagt wurde und das entsprechende Verbot lediglich sieben Monate bestand. Zum anderen dürfte es sich als schwierig erweisen festzustellen, welcher Schaden auf den Zeitraum der Vollziehung der einstweiligen Verfügung entfällt und welcher Schaden auf den Zeitraum nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung am 22.10.1999 bis zum 24.07.2001 entfällt, für den die Beklagte - wie nachfolgend dargestellt wird - nicht einstehen muss.

Soweit die Klägerin Schadensersatzfeststellung auch hinsichtlich der Schäden begehrt, die ihr durch den Vertrieb des gesamten Gerätes Fernsehfee entstanden sind, war der Antrag teilweise abzuweisen, da er über das in der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin vom 11.03.1999 ausgesprochene Verbot hinausgeht. Denn wie zuvor erwähnt wurde der Klägerin nicht der Vertrieb der Fernsehfee als solcher, sondern lediglich der Vertrieb der in der Fernsehfee enthaltenen Werbeblockfunktion untersagt. Deshalb war der Feststellungsausspruch auf den Tenor der einstweiligen Verfügung zu beschränken.

Soweit die Beklagte in dem - nicht nachgelassenen - Schriftsatz geltend macht, es handele sich insoweit um ein "aliud", über das die Kammer nicht entscheiden dürfe, folgt die Kammer dieser Rechtsauffassung nicht. Nach Auffassung der Kammer stellt der tenorierte Feststellungsausspruch gegenüber dem beantragten lediglich ein "minus" dar. Allerdings ist das teilweise Unterliegen insoweit auch bei der Kostenquote zu berücksichtigen.

Schadensfeststellung für den Zeitraum 22.10.1999 bis 24.7.2001

Unabhängig von der Frage des Feststellungsinteresses ist die Klage hinsichtlich dieses Feststellungsbegehrens unbegründet. Denn ein Schadensersatzanspruch scheidet für den Zeitraum 22.10.1999 bis 24.7.2001 bereits dem Grunde nach aus.

Zunächst ist ein Schadensersatzanspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO nicht gegeben. Nach § 717 Abs. 2 ZPO ist der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist, wenn ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert wird. Einem Anspruch nach § 717 Abs. 2 ZPO steht vorliegend entgegen, dass die Klägerin dem Unterlassungsbegehren nicht aufgrund eines von der Beklagten erzeugten Vollstreckungsdrucks nachgekommen ist. Trotz Ordnungsmittelandrohung im Urteil leistet der Schuldner nur dann zur Abwendung der Vollstreckung im Sinne des § 717 Abs. 2 ZPO, wenn er sich mit der Leistung einem Vollstreckungsdruck beugt, was bei eigener Leistung vor Sicherheitsleistung des Gläubigers regelmäßig nicht der Fall ist (BGH WRP 1996, 207; Herget, in: Zöller, § 717 Rn. 7). Das Landgericht Berlin hat im Hauptsacheverfahren 15 O 352/99 das Urteil vom 07.12.1999 zwar gegen Sicherheitsleistung von 3 Mio. DM für vorläufig vollstreckbar erklärt, die Beklagte hat diese Sicherheitsleistung jedoch nicht erbracht. Die Klägerin hat vielmehr unabhängig von der Sicherheitsleistung den Vertrieb der Fernsehfee eingestellt. Besondere Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass die Klägerin sich einem Vollstreckungsdruck gebeugt hätte, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin darauf abhebt, die Beklagte habe deutlich gemacht, sie werde alle rechtlichen Schritte einleiten, um den Vertrieb der Fernsehfee zu verhindern, reichen diese Ankündigungen – ihre Richtigkeit unterstellt – nicht aus, den von § 717 Abs. 2 ZPO verlangten Vollstreckungsdruck zu erzeugen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung betrieben und ein Ordnungsmittel gegen die Klägerin beantragt hat, denn das einstweilige Verfügungsverfahren ist für das Hauptsacheverfahren, welches vorliegend Gegenstand ist, nicht von Bedeutung. Soweit die Klägerin meint, die Beklagte habe deutlich machen müssen, sie werde nicht vollstrecken, anderenfalls sie von einem Vollstreckungsdruck habe ausgehen müssen, verkennt sie die Verteilung der Verantwortungsbereiche. Umgekehrt hätte die Klägerin unproblematisch Klarheit über die Vollstreckung erlangen können, wenn sie sich bei der Beklagten erkundigt hätte, ob diese aus dem Urteil vollstrecken wird.

Auch ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 823 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshof vom 24.06.2004 steht zwar fest, dass die Klägerin von der Beklagten unberechtigt auf Unterlassung in Anspruch genommen wurde. Daraus folgt aber kein Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Die gerichtliche Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs stellt zwar einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Es fehlt jedoch bei einer lediglich fahrlässigen Fehleinschätzung der rechtlichen Lage und gerichtlichen Inanspruchnahme bereits an der Rechtswidrigkeit des Eingriffs (Köhler in: Baumbach/Hefermehl, Wettbwerbsrecht, 23. Auflage, 2004, Einl UWG Rn. 7.36; § 4 Rn. 10.166 ff. und 10.169 ff.; BGH NJW 2003, 1934 ff.). Vorliegend fällt der Beklagten - wenn überhaupt – allenfalls Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit der gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsbegehrens zur Last. Die Beklagte hat sich zur Durchsetzung ihrer vermeintlichen Unterlassungsansprüche eines im Wettbewerbsrecht versierten Anwalts bedient. Sie wurde zudem in ihrer Rechtsauffassung durch das Landgericht Berlin gestützt, welches am 11.03.1999 die einstweilige Verfügung erlassen hat. Bezüglich der Durchführung des Hauptsacheverfahrens kommt hinzu, dass das Landgericht Berlin in seinem Urteil vom 07.12.1999 - in Kenntnis der abweichenden Auffassung des Kammergerichts - die Rechtsauffassung der Beklagten bestätigt hat. Soweit die Klägerin ein Verschulden daraus herleiten möchte, dass von einem gezielten Boykott der Fernsehfee durch die Beklagte ausgegangen werden müsse, rechtfertigt der entsprechende tatsächliche Vortrag die Annahme eines gezielten Boykotts durch die Beklagte nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Bei der Kostenquote war zunächst zu berücksichtigen, dass die Schadensersatzfeststellung nur für sieben Monate statt der beantragten 28 Monate begründet war. Zudem ist die Klägerin insoweit weiter unterlegen, als die Klägerin den Feststellungsantrag auf den Vertrieb der Fernsehfee mit sämtlichen Funktionen bezogen hat.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

Streitwert: 250.000,- €






LG Köln:
Urteil v. 08.03.2005
Az: 33 O 34/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/89ef585186f3/LG-Koeln_Urteil_vom_8-Maerz-2005_Az_33-O-34-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share