Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Mai 2000
Aktenzeichen: 33 W (pat) 159/99

(BPatG: Beschluss v. 19.05.2000, Az.: 33 W (pat) 159/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 des Patentamts vom 31. März 1999 und vom 23. Juni 1999 aufgehoben.

Gründe

I Mit ihrer am 18. August 1998 eingereichten Anmeldung begehrt die Anmelderin die Eintragung der Wortmarke VK Plusfür die Waren

"Klebstoffe für gewerbliche Zwecke, nämlich Bau- und Montagekleber; Zusatzmittel für Zement, Mörtel und Beton (soweit in Klasse 1 enthalten);

Dichtungs-, Packungs- und Isoliermaterial einschließlich Montageschäumen auf Kunststoffbasis, elastischen Fugendichtmassen, Fugen- und Glaserkitten;

Baumaterialien (nicht aus Metall) einschließlich Zement, Fertigmörtel, Fertigbeton, Fertigestrich und Putz, jeweils insbesondere auch als Trockenbaustoffe; Zusatzmittel für Zement, Mörtel und Beton (soweit in Klasse19 enthalten)".

Die Markenstelle für Klasse 1 hat die angemeldete Bezeichnung durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, weil es ihr an jeglicher Unterscheidungskraft mangele (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG). Zwar könne die angemeldete Bezeichnung lexikalisch nicht nachgewiesen werden. Die Verwendung von Ein-, Zwei- und Dreibuchstabencodes in Verbindung mit Qualitätsangaben sei aber für die Waren auf dem Gebiet der Klebstoffe und Baumaterialien übliche Praxis. Hierzu hat die Markenstelle auf Auszüge aus Lieferprospekten verschiedener Hersteller Bezug genommen. Die angemeldete Marke erwecke nur die Vorstellung einer Typen-, Sorten- oder abgekürzten Sachbezeichnung mit zusätzlichem Qualitätshinweis, ohne daß es darauf ankomme, daß der Verkehr damit eine konkrete Aussage verbinde.

Im Erinnerungsbeschluß hat die Markenstelle die Zurückweisung der Anmeldung damit begründet, daß es speziell auf dem Gebiet der Baustoffe und der Bauchemie üblich sei, entsprechende Waren neben der eigentlichen Bezeichnung zusätzlich mit Buchstaben und/oder Zahlenkodierungen zu versehen, um besondere Abmischungen, Körnungen oder sonstige Angaben innerbetrieblich zu kennzeichnen. Hierzu hat sie auf die Angebote des Baumarkts "BayWa" im Katalog Baustoffe 1998/99 hingewiesen, wonach der Buchstabe "V" in Kombinationen wie beispielsweise "VZ" für "Betonerstarrungsverzögerer", wie "BV" für "Betonverflüssiger", wie "klimation Stv" zur Kennzeichnung von Mauerziegeln oder als Typ- und Größenangabe "VZ 57, VZ 59, VZ 62 etc" für Garagentore und -Türen aufgeführt sei. Der Buchstabe "K" werde seinerseits in den Bezeichnungen "K 664, K 770, K 884 für Baustahlmatten, in den Abkürzungen "KS, KP, KR und KF" für die Konsistenz von Transportbeton, für Kipptortypen des Herstellers RUKU sowie für Keller-Ziegel in der Angabe "klimaton STk verwendet und der Zusatz "Plus" als Hinweis auf über dem Standard liegende Eigenschaften aufgefaßt. Der Verkehr werde demzufolge nicht in der Lage sein, die zahlreichen Bezeichnungen mit den Buchstaben "V" und "K" sowie deren Kombinationen sicher auseinander zu halten und sie einem bestimmten Hersteller zuzuordnen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Zur Begründung führt sie aus, daß die angemeldete Bezeichnung ebenso wie die weiteren Anmeldungen seit Jahrzehnten in Benutzung seien. Nach dem Wegfall des früheren Eintragungsverbots für Zahlen und Buchstaben seien diese und weitere Anmeldungen zur Abwehr von Nachahmungen und der Eintragung von Drittzeichen erforderlich geworden. Die Buchstaben- und Zahlenkürzel im Baustoffbereich seien sehr oft individuell vorgenommen und lieferten keine wirkliche Aussage über den zugehörigen Sprachgebrauch. Die Anmelderin verweist außerdem auf ihre Marken "K 01", "Z 01" und "B 03" sowie auf Buchstaben- oder Zahlenfolgen wie "HQ, DDM, 442, A3" und ähnliche Kombinationen, die unter der Geltung des Markengesetzes eingetragen worden seien.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens sowie weiterer Bautoffkataloge, Lieferübersichten und DIN-Normen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet. Der angemeldeten Marke fehlt weder jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG noch steht ihr das Eintragungshindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen.

Die Markenstelle hat zwar im Ausgangspunkt zutreffend hervorgehoben, daß Buchstaben und Zahlen, einzeln oder in Kombination, nach dem Markengesetz nicht mehr generell vom Schutz ausgeschlossen sind, sondern in jedem Einzelfall festgestellt werden muß, ob die konkret angemeldete Verbindung schutzfähig oder wegen ihrer beschreibenden Aussage schutzunfähig ist. Dabei ist jedoch eine differenzierte Betrachtungsweise erforderlich, die die besonderen Umstände des betreffenden Warengebietes zu berücksichtigen hat und dabei keine höheren Anforderungen stellen darf, als sie bei den sonstigen markenfähigen Wort- oder Bildzeichen vorausgesetzt werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist einer angemeldeten Wortmarke die Unterscheidungskraft unter Anlegung eines großzügigen Maßstabes nicht abzusprechen, wenn ihr für die in Frage stehenden Waren kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um eine so gebräuchliche Bezeichnung bzw Abkürzung handelt, daß sie vom Verkehr stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl BGH MarkenR 1999, 349 - YES mwN; Beschluß vom 8. Dezember 1999 - I ZB 25/97 - St. Pauli Girl, MarkenR 2000, 99). Bei der Beurteilung ist davon auszugehen, daß der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht (vgl BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; BGH MarkenR 1999, 400 -FÜNFER).

Weder die Markenstelle noch der Senat haben indes eine beschreibende Bedeutung für die Abkürzung "VK" bzw "VK plus" auf dem Gebiet der beanspruchten Waren feststellen können. Insbesondere ist keine gängige Langfassung ermittelt worden, für die die Buchstabenkombination "VK" dem angesprochenen Verkehr aufgrund der in der Fachsprache verwendeten Begriffe und Fachkenntnisse oder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als naheliegende Abkürzung erscheint. Die von der Markenstelle aufgeführten Beispiele zeigen im übrigen, daß die Buchstaben "V" und "K" allein oder in der jeweiligen Kombination nicht durchgängig oder einheitlich für den gleichen, sondern für völlig verschiedene Begriffe eingesetzt werden. So dient der Buchstabe "V" einmal als Kürzel für "Verzögerer" bei der Bezeichnung "VZ" für "Betonerstarrungsverzögerer", ein anderes Mal als Abkürzung für "(Beton)verflüssiger" (bei "BV"). Bei den Typen- und Größenbezeichnungen "VZ 57, VZ 59 etc" steht "VZ" offenbar für "Vorzugsgröße" der Garagentore während die Abkürzung "VS" in Verbindung mit Bitumenschindeln nicht erkennen läßt, ob mit "V" der Begriff Glasvlies, verrottungsfest oder guttavertuile Bitumenschindeln abgekürzt ist. In den Bezeichnungen "klimaton STv" und "klimaton Stk" weisen die Buchstaben "v" bzw "k" nach den Erläuterungen des Herstellers wohl auf "Verfüllziegel" und auf "Kellerziegel". Die Anmelderin verwendet das "V" beispielsweise in den Bezeichnungen "VK", "VZ" und "VM" für einen "Mauermörtel für Sicht- und Verblendmauerwerk", bei der Buchstabenfolge "VB" für "Vergußbeton" und in der Kombination "SAN-V" als Kürzel für "Vorspritzmörtel".

Auch aus den vom Senat herangezogenen einschlägigen DIN-Normen 1053-1 (Mauerwerk), 1060-1 (Baukalk), 1164-1 (Zement), 18550 (Putz), 18560-Teil 1,2, 3,4 und 7 (Estriche) ließ sich die Buchstabenverbindung "VK" nicht belegen, auch nicht im Zusammenhang mit den Anforderungen an (einschaliges) Verblendmauerwerk (DIN 1053-1, 8.4.2.2). Lediglich der Einzelbuchstabe "V" ist als Kurzzeichen bei Industrieestrichen für "Verbundestriche" (DIN 18560 Teil 7, 2) und in der DIN-Norm 1164-1 "Zement" als Kurzbezeichnung" für "Kieselsäurereiche Flugasche" aufgeführt. Der Einzelbuchstabe "K" ist aus Gründen der Einteilung von Zementbestandteilen für "Portlandzementklinker" vorgesehen, während Portlandzement ansonsten mit "CEM I" bezeichnet wird (DIN 1164-1; 4.1 und 5).

Fehlt es somit an ausreichenden konkreten Anhaltspunkten, daß die angemeldete Bezeichnung eine gebräuchliche und verständliche Abkürzung mit einem eindeutig beschreibenden Begriffsgehalt darstellt, so kann die abstrakte Möglichkeit der Verwendung der angemeldeten Buchstabenfolge als Serien- oder Typenbezeichnung die Schutzfähigkeit nicht begründen. Zwar trifft es zu, daß auf dem Gebiet der Baustoffe und der Bauchemie Buchstaben und Zahlen als Typen-, Sorten- und abgekürzte Sachbezeichnungen weitverbreitet sind. Dies zeigen nicht nur die zahlreichen Beispiele, die die Markenstelle angegeben hat, sondern auch die Lieferprogramme und Baustoffkataloge der Anmelderin, des Baustoffhandels und der Wettbewerber. Die Buchstaben und/oder Zahlenkombinationen sind dabei in der Regel nach dem Gutdünken der Hersteller und oft willkürlich nach betriebsinternen Kriterien gebildet. Es ist häufig nicht erkennbar, ob und welche Wörter oder Wortteile gemeint sind, so daß sich die Bezeichnungen dem unbefangenen Betrachter ohne eine Langfassung oder ergänzende Erläuterungen nicht ohne weiteres erschließen. Werden die Buchstaben/Zahlen als Typenangaben in Verbindung mit Kennzeichen verwendet und ihnen vorzugsweise nachgestellt (zB Okatex RKT, Okamul WAL, Cerinol-BSP, klimaton Stv etc.), so kann die Art der Verwendung - insbesondere vor dem Hintergrund der Bezeichnungsgepflogenheiten unter der Geltung des früheren WZG - dazu führen, daß der Verkehr sich vorwiegend an dem Markenwort orientiert und der Buchstabenfolge keine oder eine nur geringe kennzeichnende Wirkung beimißt.

Das schließt jedoch nicht aus, daß die jeweiligen Buchstaben- und/oder Zahlenkombinationen in Alleinstellung und markenmäßig verwendet als betriebliche Unterscheidungsmittel geeignet sind, sofern es sich nicht um gebräuchliche Abkürzungen mit beschreibendem Inhalt handelt oder der Verkehr ihnen einen aus sich selbst heraus verständlichen beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl 33 W (pat) 275/98 -"BPR" schutzf. für Klebstoff; 33 W (pat) 299/98 - "HDC plus"). Das ist vorliegend der Fall. Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Markenstelle nicht darauf an, ob der Verkehr sich Buchstaben - und/oder Zahlenkombinationen im einzelnen weniger gut merken und sicher auseinanderhalten kann als sonstige Kennzeichen. Denn weitere, über die Unterscheidungseignung hinausgehende Anforderungen können weder an Bildzeichen noch an Wortmarken gestellt werden, bei denen insbesondere eine Prüfung darauf, mit welcher Mühe sich die Marke einprägen und merken läßt, nicht stattfindet (vgl BGH aaO - St. Pauli Girl).

Nachdem die angemeldete Bezeichnung keinen eindeutigen beschreibenden Sinngehalt aufweist und auch nicht als freizuhaltende beschreibende Angabe zu ermitteln war, kann ihr weder jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden noch ist sie von der Eintragung gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ausgeschlossen.

Winkler Dr. Schermer Pagenberg Cl






BPatG:
Beschluss v. 19.05.2000
Az: 33 W (pat) 159/99


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