Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Januar 2011
Aktenzeichen: 5 Ni 84/09

(BPatG: Beschluss v. 18.01.2011, Az.: 5 Ni 84/09)

Tenor

1.

Auf die Erinnerung der Nichtigkeitsklägerin zu 2) wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom 6. Mai 2010 dahin abgeändert, dass die von der Nichtigkeitsbeklagten der Klägerin zu 2) zu erstattenden Kosten auf insgesamt 20.502,--€ festgesetzt werden.

2.

Der zu erstattende Betrag ist vom 19. Oktober 2009 an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen.

3.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Nichtigkeitsbeklagte.

4.

Der Wert des Erinnerungsverfahrens beträgt 5.150,--€.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 30. Juli 2009 hat der Senat auf die Nichtigkeitsklage der Klägerin das europäische Patent ... mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundes republik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 und 5 bis 10 für nichtig erklärt und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der Streitwert für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht wurde durch Beschluss vom selben Tage auf 250.000,--€ festgesetzt. Während des Nichtigkeitsverfahrens war zwischen den Parteien ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig, in dem für die Nichtigkeitsklägerin zu 2) ebenfalls der vorliegend mitwirkende Rechtsanwalt aufgetreten ist.

Die Klägerin zu 2) hat Kostenfestsetzung beantragt und dabei auch die Kosten für den am Nichtigkeitsverfahren mitwirkenden Rechtsanwalt geltend gemacht. Hierzu hat sie vorgetragen, die Abstimmung zwischen dem Nichtigkeitsund dem parallel anhängigen Verletzungsverfahren sowie die Komplexität des Nichtigkeitsverfahrens habe die Mitwirkung des Rechtsanwalts erforderlich gemacht.

Die Beklagte hat dem Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin zu 2) hinsichtlich der Kosten der Doppelvertretung durch Rechtsund Patentanwalt widersprochen und hierzu ausgeführt, dass diese nicht notwendig gewesen seien.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. Mai 2010 wurden die von der Beklagten an die Klägerin zu 2) zu erstattenden Kosten -ohne Berücksichtigung der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren -auf 15.352,00 € festgesetzt und der weitergehende Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren könne nur dann als notwendig angesehen werden, wenn anwaltliche Leistungen erbracht werden müssten, für die weder ein Patentnoch ein Rechtsanwalt für sich allein genommen ausreichend qualifiziert seien, etwa wenn über den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes hinaus diffizile Rechtsprobleme zu behandeln seien, denen ein Patentanwalt ohne die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht zu begegnen vermöge. Eine solche Fallgestaltung liege hier jedoch nicht vor. So habe die Beklagte den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen. Es entspreche nicht dem Vorgehen einer kostenbewussten, wirtschaftlich vernünftigen Partei, bereits bei Einleitung eines Nichtigkeitsverfahrens einen Rechtsanwalt wegen möglicherweise im Verfahrensablauf auftretenden rechtlichen Schwierigkeiten zu beauftragen. Auch die Möglichkeit einer vergleichsweisen Einigung zwischen den Parteien habe vorliegend offensichtlich zu keinem Zeitpunkt im Raum gestanden. Bei dieser Sachlage seien die geltend gemachten Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts mangels Notwendigkeit nicht erstattungsfähig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Erinnerung der Klägerin zu 2). Sie trägt zur Begründung vor, die Nichtigkeitsklage habe direkte Auswirkungen auf den parallel geführten Verletzungsstreit gehabt, was eine ausführliche Erörterung und Abstimmung zwischen dem federführenden Rechtsanwalt im Verletzungsverfahren und dem bevollmächtigten Patentanwalt im Nichtigkeitsverfahren erforderlich gemacht habe. Auch in der mündlichen Verhandlung seien schwierige Rechtsfragen zu erörtern gewesen, wie etwa die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses an der Klage. Dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen habe, begründe schon deshalb keine andere Werbung, weil die Klägerin zu 2) erst nach Aufruf der Sache hiervon durch den Senat informiert worden sei. Zudem sei ihr ein Schriftsatz der Beklagten unter Beifügung einer "Verzichtserklärung" im Verhandlungstermin übergeben worden. Erst nach umfangreichen und detaillierten rechtsanwaltlichen Ausführungen zur mangelnden Eindeutigkeit dieses Dokumentes, insbesondere im Hinblick auf den weiterhin anhängigen Verletzungsprozesses, habe die Wirksamkeit dieser Erklärung nachvollziehbar in Zweifel gezogen werden können. Dies alles verdeutliche die Notwendigkeit der Mitwirkung eines Rechtsanwaltes.

Die Erinnerungsführerin und Nichtigkeitsklägerin zu 2) beantragt sinngemäß, 1. den angefochtenen Beschluss insoweit aufzuheben, als er die Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts in folgendem Umfang als nicht erstattungsfähig absetzt:

-1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG:

2.667,60 €

-1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG 2.462,40 €

-Postund Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €

2. auch die Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts in dem vorstehenden Umfang als von der Beklagten an die Klägerin zu 2) zu erstatten festzusetzen.

Die Nichtigkeitsbeklagte und Erinnerungsgegnerin beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, die Notwendigkeit einer Doppelvertretung durch Rechtsanwalt und Patentanwalt habe im vorliegenden Fall nicht bestanden. Die Mitwirkung des Rechtsanwalts zur Prüfung der Auswirkungen der Anträge im Nichtigkeitsverfahrens auf einen parallelen Verletzungsprozess sei insoweit unbeachtlich. Es seien vorliegend keine außergewöhnlich schwierigen Rechtsfragen verfahrensrelevant geworden, welche die Mitwirkung eines Rechtsanwalts erforderlich gemacht hätten.

Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen, da die von der Erinnerungsführerin vorgetragenen Argumente keine Fallgestaltung belegten, in der aus aufgrund besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Mitwirkung eines Rechtsanwalts bedurft hätte.

Wegen des Weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die gem. § 23 Abs. 2 RPflG zulässige Erinnerung hat in der Sache Erfolg.

Die der Erinnerungsführerin und Nichtigkeitsklägerin zu 2) von der Beklagten zu erstattenden Kosten werden auf insgesamt 20.502,--€ festgesetzt. Mithin sind ihr noch 5.150,--€ zu erstatten, nämlich die geltend gemachten Kosten des Rechtsanwalts.

Rechtsgrundlage für die Kostenentscheidung in Nichtigkeitsverfahren ist § 84 Abs. 2 S. 2 PatG, wonach die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kosten entsprechend anzuwenden sind. Hinsichtlich Grundsatz und Umfang der Kostentragungspflicht verweist § 84 Abs. 2 PatG auf §§ 91 ff. ZPO. Eine analoge Heranziehung des § 143 Abs. 3. PatG scheidet dagegen nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung der Nichtigkeitssenate des Bundespatentgerichts aus, da es an der hierfür erforderlichen Regelungslücke fehlt (vgl. hierzu BPatGE 51, 225, m. w. N.). Nach der somit anzuwendenden Regelung des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die der Gegenseite erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Um die notwendigen Kosten zu bestimmen, ist in jedem Einzelfall zu ermitteln, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig handelnde Partei die Kosten verursachende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte, um ihre berechtigten Interessen zu verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen (vgl. Herget in: Zöllner, ZPO, 28. Auflage 2010, § 91 Rdn. 12; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Auflage, § 91 Rdn. 9). Dies gilt auch im Hinblick auf die Frage der Notwendigkeit der Kosten einer Doppelvertretung in Patentnichtigkeitsverfahren.

Trotz der erforderlichen Einzelfallprüfung ist insoweit für geeignete Fallkonstellationen eine typisierende Betrachtungsweise geboten (vgl. BGH GRUR 2005, 1072 -Auswärtiger Rechtsanwalt V, m. w. N.). Diese darf zwar nicht zu einer pauschalen Anerkennung von Doppelvertretungskosten ohne den Nachweis ihrer Notwendigkeit führen, gleichzeitig ist aber zu beachten, dass eine übermäßig differenzierende Prüfung regelmäßig zu einem aufwändigen Kostenstreit führen und letztlich die anzustrebende, typisierende Betrachtungsweise außer Kraft setzen würde. Der Gerechtigkeitsgewinn, der mit einer solchen Vorgehensweise hypothetisch verbunden sein kann, steht in keinem Verhältnis zu den sich zwangsläufig einstellenden Nachteilen, wenn letztlich in nahezu jedem Einzelfall intensiv darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungsoder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (BGH GRUR 2005, 271 -Unterbevollmächtigter III, m. w. N.). Hat es somit bei einer typisierenden Betrachtungsweise zu bleiben, so wird eine Doppelvertretung bei der Einleitung eines Nichtigkeitsverfahrens regelmäßig dann als sachdienlich und notwendig anzusehen sein, wenn zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig ist. Denn das Patentnichtigkeitsverfahren hat regelmäßig entscheidende Bedeutung für den Ausgang eines solchen Verletzungsprozesses. Neben der Nichtigerklärung oder einer Beschränkung des Streitpatents kann insoweit auch im Fall der Abweisung der Nichtigkeitsklage eine in den Entscheidungsgründen vorgenommene Auslegung der Patentansprüche wesentlichen Einfluss auf die vom Verletzungsgericht vorzunehmende Ermittlung des Schutzbereichs des Streitpatents haben und damit auch für die Entscheidung der Verletzungsfrage von Bedeutung sein (vgl. BGH GRUR 1988, 757, 760 f. -Düngerstreuer). Deshalb ist in solchen Fällen das Vorgehen in beiden Verfahren im Hinblick auf eine effektive Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung regelmäßig aufeinander abzustimmen, beispielsweise hinsichtlich der Notwendigkeit bzw. Tragweite einer beschränkten Verteidigung des Streitpatents oder der Möglichkeiten einer umfassenden Einigung zwischen den Parteien. Allerdings kann bei einem deutlichem Abweichen vom Regelfall die Erstattung von Doppelvertretungskosten auch ausscheiden, etwa wenn die Nichtigkeitsbeklagte nach Erhebung der Klage umgehend auf Ansprüche aus dem Patent für die Vergangenheit und die Zukunft verzichtet und auch zuvor keinen Anlass zur Klage gegeben hat oder wenn sonst einen Fallkonstellation feststellbar ist, welche die Mitwirkung eines Rechtsanwalts ersichtlich als entbehrlich erscheinen lässt (vgl. hierzu etwa BPatG GRUR 2008, 735). Eine Abwägung allein unter dem (hypothetischen) Gesichtspunkt, wann eine verfahrensrelevante Rechtsfrage von einem Patentanwalt bewältigt werden kann bzw. wann es hierzu der Mitwirkung eines Rechtsanwalts bedarf, erscheint dagegen als maßgebliches Prüfungskriterium für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nichtigkeitsverfahren nicht angezeigt. Dies bereits deshalb, weil es in den Fällen eines parallelen Verletzungsund Nichtigkeitsverfahrens weniger um die Frage geht, ob ein Patentanwalt kraft seiner Ausbildung zur alleinigen Führung eines Nichtigkeitsverfahrens befähigt ist. Vielmehr steht insoweit die enge Verzahnung von Verletzungsund Nichtigkeitsverfahren im Vordergrund, aufgrund derer es für eine effektive Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung sachdienlich erscheint, dass der Rechtsanwalt, der die Partei im Verletzungsverfahren vertritt, auch zu der Vertretung im Nichtigkeitsverfahren hinzugezogen wird (vgl. hierzu auch BPatG BlfPMZ 2010, 371 ff.).

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze kann davon ausgegangen werden, dass im vorliegenden Fall die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig i. S. v. §§ 84 Abs. 2 S. 2 PatG § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO war. Aufgrund der zeitgleich anhängigen Verletzungsklage war hier eine umfassende Abstimmung zwischen Nichtigkeitsund Verletzungsverfahren geboten. Die vorliegende Fallkonstellation weist keinerlei Anhaltspunkte dafür auf, dass die typischerweise zwischen den beiden Verfahren bestehenden Berührungspunkte hier entfallen wären und deshalb eine vom Regelfall abweichende Bewertung geboten wäre. Vielmehr hat die Klägerin zu 2) die Notwendigkeit einer Doppelvertretung insoweit ausreichend dargetan. Insoweit kommt es bei der Beurteilung der Notwendigkeit von Kosten auslösenden Maßnahmen auf den Zeitpunkt ihrer Veranlassung an, so dass insoweit auf eine Betrachtung ex ante abzustellen und das Gebot sparsamer Prozessführung zu beachten ist (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 68. Aufl., § 91 Rdn. 103). Diese exante-Sichtweise ist nach Ansicht des Senats jedoch nicht uneingeschränkt anwendbar, da der tatsächliche Verfahrensverlauf durchaus als Indiz für die Beurteilung der Frage herangezogen werden kann, ob die entsprechende Vorgehensweise einer Partei zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange letztlich erforderlich war oder nicht. Bestätigen also die erst im Verlauf des Verfahrens eingetretenen Umstände, dass die zusätzliche Beauftragung eines Rechtsanwalts als sachdienlich und gerechtfertigt anzusehen war und liegt auch sonst -wie hier keine Fallgestaltung vor, die dafür spricht, dass im Zeitpunkt der Mandatserteilung eine mitwirkende Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht als sachdienlich angesehen werden durfte, spricht dies für die Notwendigkeit der Doppelvertretung. Im Übrigen erscheint es kaum begründbar, Fälle, in denen die Mitwirkung eines Rechtsanwaltes erst im Laufe eines Nichtigkeitsverfahrens erfolgte (etwa wegen erforderlich werdender Zeugenvernehmungen oder Streitverkündungen) anders zu behandeln als solche Fallgestaltungen, in denen ein Rechtsanwalt von Beginn an am Nichtigkeitsverfahrens mitwirkt hat, entsprechende Rechtsprobleme aber erst im Laufe des Verfahrens auftraten. Vorzubeugen ist einer insoweit zu großzügigen Handhabung allenfalls in Fällen, in denen ein rechtlich komplizierter Streitverfahrensinhalt erst im Verlauf des Verfahrens geschaffen wird, um eine Kostenerstattung zu rechtfertigen. Dies im Einzelfall zu begründen, dürfte jedoch wiederum nicht einfach sein.

Nach alledem war die Mitwirkung eines Rechtsanwalts im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren auf Seiten der Klägerin zu 2) als notwendig anzusehen. Seine Kosten sind somit zu erstatten. Die Verzinsung des festgesetzten Betrages ab dem 19. Oktober 2009, dem Tag des Eingangs des Festsetzungsgesuchs beim Bundespatentgericht, ergibt sich aus § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. §§ 104 Abs. 1 Satz 2, 103 Abs. 1 ZPO.

Die Kosten des Erinnerungsverfahrens waren der Erinnerungsgegnerin und Nichtigkeitsbeklagten aufzuerlegen, da ihr Begehren erfolglos war (§ 84 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO). Der Wert des Erinnerungsverfahrens ergibt sich aus dem von der Nichtigkeitsklägerin zu 2) geltend gemachten Betrag.

Gutermuth Schell Küest Pü






BPatG:
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Az: 5 Ni 84/09


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