Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Oktober 2003
Aktenzeichen: 6 W (pat) 311/02

(BPatG: Beschluss v. 23.10.2003, Az.: 6 W (pat) 311/02)

Tenor

Das Patent 100 46 737 wird unverändert aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen die am 31. Januar 2002 veröffentlichte Erteilung des Patents 100 46 737 mit der Bezeichnung "Drehschwingungsdämpfer" ist am 30. April 2002 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende neben der bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten europäischen Patentschrift EP 745 784 B1 (D1) noch auf folgende Druckschriften:

- deutsche Offenlegungsschrift DE 198 55 420 A1 (D2)

- DDR-Patentschrift DD 41 284 (D3)

- europäische Patentschrift EP 0 423 243 B1 (D4)

- deutsche Patentschrift DE-PS 951 965 (D5).

Die Einsprechende führt im Wesentlichen aus, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 aus einer Zusammenschau der europäischen Patentschrift EP 745 784 B1 (D1) mit der deutschen Offenlegungsschrift DE 198 55 420 A1 (D2) oder der DDR-Patentschrift DD 41 284 (D3) ergebe. Darüber hinaus bezweifelt sie die Ausführbarkeit der patentgemäßen Lehre, da die zur Anbringung des erfindungsgemäßen Lagerkörpers an dem Schwungring notwendigen Merkmale nicht im Anspruch 1, sondern erst im Anspruch 4 angegeben seien.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent unverändert aufrechtzuerhalten.

Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, dass der angezogene Stand der Technik weder einen einteiligen Lagerkörper noch Stege im patentgemäßen Sinne zeige. Sie hält auch die im Patentanspruch 1 angegebene Lehre für ausführbar.

Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"Drehschwingungsdämpfer mit Gleitlagerelementen zur Führung eines Schwungringes in einem Dämpfergehäuse, wobei die in einem etwa der axialen Erstreckung des Schwungringes entsprechenden Abstand zueinander angeordneten Gleitlagerelemente den Schwungring sowohl in radialer als auch in axialer Richtung im Dämpfergehäuse führen und Scherspalte zwischen dem Dämpfergehäuse und dem Schwungring aufrechterhalten, dadurch gekennzeichnet, dass die Gleitlagerelemente (8, 8') als einteiliger Lagerkörper (7) ausgebildet sind, wobei die Gleitlagerelemente (8, 8') mit den Schwungring (5) umgreifenden Stegen (9) miteinander verbunden sind".

Wegen der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Ziff 1 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 (Art 7) durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und zulässig.

3. Die Ausführbarkeit der Lehre nach Patentanspruch 1 ist gegeben.

Der Vorhalt der Einsprechenden, die Lehre des Anspruchs 1 sei nicht ausführbar, da zur Anbringung des Lagerkörpers an dem Schwungring ein Montageschlitz erforderlich sei, der aber erst im Anspruch 4 beansprucht werde, trifft nicht. Wie die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgeführt hat, ist die Anordnung eines Montageschlitzes nur eine der Möglichkeiten, wie der Lagerkörper an dem Schwungring angebracht werden kann. Den Ausführungen der Patentinhaberin zufolge wäre auch die Herstellung des Lagerkörpers aus elastischem Material denkbar, so dass der Lagerkörper unter elastischer Verformung auf den Schwungring aufgezogen werden kann, ähnlich wie ein Reifen auf eine Felge.

Aufgrund der Ausführungen der Patentinhaberin ergibt sich somit, dass der Anspruch 1 in der erteilten Form eine ausführbare Lehre beinhaltet, da der erst im Anspruch 4 genannte Montageschlitz nicht notwendigerweise Voraussetzung für die Anbringung des Lagerkörpers auf dem Schwungring ist.

4. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Die erteilten Patentansprüche 1 bis 8 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 8, sie sind somit zulässig. Dies ist auch seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden.

b. Der unstreitbar gewerblich anwendbare Drehschwingungsdämpfer nach Patentanspruch 1 ist neu.

Die Neuheit des Patentgegenstandes ist seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden. Darüber hinaus ist keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften ein Drehschwingungsdämpfer mit sämtlichen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen als bekannt zu entnehmen, wie sich auch aus den folgenden Ausführungen ergibt.

c. Der Drehschwingungsdämpfer gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die europäische Patentschrift EP 745 784 B1 (D1) liegt gemäß Beschreibungseinleitung (vgl. Sp. 1, Z. 32/33) dem Oberbegriff des erteilten Anspruchs 1 zugrunde. Irgendwelche über die Merkmale des Oberbegriffs hinausgehenden Merkmale sind dieser Druckschrift nicht zu entnehmen, insbes. sind dort die Gleitlagerelemente nicht als einteiliger Lagerkörper ausgebildet, sondern bestehen aus zwei einzelnen, im Querschnitt L-förmigen Bundbuchsen (vgl. insbes. Fig. 2 bis 10 und Absatz 19).

Aus der deutschen Offenlegungsschrift DE 198 55 420 A1 (D2) ist ebenfalls ein gattungsgleicher Drehschwingungsdämpfer bekannt, aber auch dort sind keine weiteren Merkmale zu entnehmen, welche in einem Zusammenhang mit der vorliegenden Erfindung stehen. In den Fig. 1, 3 und 4 sind 3 verschiedene Ausgestaltungsvarianten von Gleitlagerelementen dargestellt. Fig. 1 zeigt einen Schwungring, der auf seiner radialen Innenseite von einem bandförmigen Lagerring 13 und auf beiden axialen Seiten über pilzartige oder scheibenförmige Anlaufstopfen 14 abgestützt ist (vgl. Sp. 3, Z. 43 bis 51). Fig. 3 zeigt einen Schwungring, der - wie bei der Ausführungsform nach Fig. 1 - auf seiner radialen Innenseite von einem bandförmigen Lagerring 13 abgestützt ist. Die Anlaufstopfen 14 nach Fig. 1 sind gemäß Fig. 3 durch Lagerringe 13', 13'' ersetzt, welche auf beiden axialen Seiten des Schwungrings vorgesehen sind (vgl. Sp. 4, Z. 18 bis 26). Diese beiden Lagerringe 13' und 13'' sind ausdrücklich nicht mit dem Lagerring 13 verbunden (vgl. Sp. 4, Z. 35/36) und bilden somit keinen einteiligen Lagerkörper, wie es erfindungsgemäß vorgesehen ist. In Fig. 4 ist eine Anordnung mit zwei L-förmigen Lagerringen 13', 13'' vorgesehen, so dass dort eine Anordnung getroffen ist, wie sie bereits in der gattungsbildenden europäischen Patentschrift EP 745 784 B1 (D1) erläutert ist.

Aus den vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass keine der Fig. 1, 3 und 4 einen einteiligen Lagerkörper zeigt, und ein solcher ist auch dem Gesamtoffenbarungsgehalt dieser Druckschrift nicht zu entnehmen. Die Einsprechende hat zwar vorgetragen, in der Beschreibung (vgl. z. B. Sp. 2, Z. 47 bis 50) oder den Ansprüchen (vgl. z. B. Ansprüche 8 bis 11) sei davon die Rede, dass von dem Lagerring wenigstens eine Lagerfläche abrage, und diese Aussage schließe einen U-förmigen einteiligen Lagerkörper, wie er im Anspruch 1 angegeben ist, mit ein. Eine solche Interpretation dieser Textstellen kann aber nur rückschauend und in Kenntnis der Erfindung erfolgen, da sich aus der Beschreibung (vgl. z, B. Sp. 2, Z. 50 bis 52,), dem Anspruch 11 oder der Fig. 4 ergibt, dass mit dieser Formulierung ausschließlich L-förmige Lagerkörper gemeint sind.

Somit ist dieser Druckschrift kein einteiliger Lagerkörper zu entnehmen. Vielmehr führt sie gerade vom Gegenstand des Anspruchs 1 weg, da sie dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit Erfahrung in der Konstruktion von Drehschwingungsdämpfern, die Lehre vermittelt, ausschließlich mehrteilige Lagerkörper zu verwenden.

Zu dem zweiten Merkmal im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1, wonach die Gleitlagerelemente mit Stegen miteinander verbunden sind, kann die deutsche Offenlegungsschrift DE 198 55 420 A1 (D2) ebenfalls keine Anregung liefern, da dort die beiden Gleitlagerelemente keine gegenseitige Verbindung aufweisen, sondern aus zwei einzelnen und nicht miteinander verbundenen Elementen bestehen (vgl. Fig. 4)

Die DDR-Patentschrift DD 41 284 (D3) erläutert einen Drehschwingungsdämpfer mit einem Schwungring 1, der in einem Gehäuse 2 umläuft und bei dem am Außenumfang 6 und teilweise an den Stirnseiten 7 geeignetes Lagermetall aufgebracht ist (vgl. Anspruch 2). In den Figuren 1 und 2 ist dieses Lagermetall als im Querschnitt U-förmiges Element dargestellt. Mangels anderslautender Hinweise in der Beschreibung und unterstützt durch die Darstellung in Fig. 7 wird der Fachmann schon allein aufgrund von Montageproblemen davon ausgehen müssen, dass dieser aus Lagermetall bestehende Lagerkörper aus mehreren Teilen zusammengesetzt ist. Denn zum einen könnte ein einteiliger und im Querschnitt U-förmiger Lagerkörper aus Metall als Ganzes nicht ohne weiteres montiert werden, zum anderen deutet die einen Seitenriss des Schwungrings zeigende Fig. 7 aufgrund der Trennlinie, die zwischen dem am Außenumfang und an der Stirnseite des Schwungrings angebrachten Lagerkörper eingezeichnet ist, auf eine zumindest zweiteilige Ausführung des Lagerkörpers hin.

Somit kann der Fachmann der DDR-Patentschrift DD 41 284 (D3) keinen einteiligen Lagerkörper entnehmen. Auch sind bei diesem Drehschwingungsdämpfer die Gleitlagerelemente nicht über Stege im patentgemäßen Sinne miteinander verbunden, da gemäß den Ausführungen der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung unter dem Begriff "Stege" stabförmige Elemente zu verstehen sind. In der DDR-Patentschrift DD 41 284 (D3) ist die am äußeren Umfang des Schwungrades vorgesehene Lauffläche durch axiale Nuten unterbrochen, wodurch jedoch keine Hinweise gegeben werden, die axial beabstandeten Gleitlagerelemente durch Zwischenstege miteinander zu verbinden.

Die europäische Patentschrift EP 423 243 B1 (D4) und die deutsche Patentschrift DE-PS 951 965 (D5) sind seitens der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen und im Einspruchsschriftsatz auch nur zu Unteransprüchen genannt worden, sie zeigen erkennbar ebenfalls keine einteiligen Lagerelemente.

Nach alledem zeigt sich, dass der aufgezeigte Stand der Technik weder für sich allein betrachtet noch in einer Zusammenschau zum Patentgegenstand führen kann, da der grundlegende Gedanke, einen den Schwungring sowohl in radialer als auch in axialer Richtung führenden einteiligen Lagerkörper vorzusehen, im gesamten aufgezeigten Stand der Technik ohne Vorbild ist, so dass eine solche Ausgestaltung auch durch eine Zusammenschau der zu berücksichtigenden Druckschriften mangels entsprechender Anregungen nicht nahegebracht werden konnte.

Der Patentanspruch 1 hat daher Bestand.

d. Zusammen mit dem Patentanspruch 1 sind auch die auf ihn unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 rechtsbeständig, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des Drehschwingungsdämpfers nach Patentanspruch 1 betreffen.

Dr. Lischke Heyne Sperling Schneider Cl






BPatG:
Beschluss v. 23.10.2003
Az: 6 W (pat) 311/02


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