Bundesgerichtshof:
Urteil vom 3. März 2009
Aktenzeichen: X ZR 53/07

(BGH: Urteil v. 03.03.2009, Az.: X ZR 53/07)

Tenor

Die Berufung gegen das am 23. November 2006 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 895 954 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom 3. August 1998 beruht, mit der die Priorität deutscher Voranmeldungen vom 4. August 1997 und vom 5. Januar 1998 in Anspruch genommen worden ist.

Patentanspruch 1 des drei weitere unmittelbar oder mittelbar hierauf bezogene Patentansprüche umfassenden Streitpatents lautet in der Verfahrenssprache:

"Kreuzleger für Papierprodukte, mit einem ersten Rechenpaar (16, 16'), auf dem die zu stapelnden Papierprodukte gesammelt werden, mindestens einem weiteren Rechenpaar (18, 18'), und einer unterhalb der Rechenpaare (16, 18; 16', 18') angeordneten Dreheinrichtung (12, 14), wobei jedes Rechenpaar aus zwei Hälften besteht, die horizontal auseinanderbewegbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Rechenpaar (18, 18') vertikal verschiebbar ausgebildet ist, und dass jedes Rechenpaar (16', 18') eine solche Öffnungsweite besitzt, dass das jeweils andere Rechenpaar (18', 16') in geschlossenem Zustand durch die geöffneten Hälften des einen Rechenpaars (16', 18') hindurchbewegbar ist."

Die Klägerin bekämpft das Streitpatent mit der Nichtigkeitsklage. Die Priorität der deutschen Voranmeldung vom 4. August 1997 könne nicht in Anspruch genommen werden. Die patentierte Lehre sei nicht neu. Jedenfalls aber sei sie durch den Stand der Technik nahegelegt.

Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und dem Antrag, das Urteil des Bundespatentgerichts abzuändern und die Nichtigkeitsklage abzuweisen.

Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit folgender Fassung des Patentanspruchs 1 (Änderungen kursiv):

"Kreuzleger für Druckprodukte, mit einem ersten Rechenpaar (16, 16'), auf dem die zu stapelnden Papierprodukte gesammelt werden, einem zweiten Rechenpaar (18, 18'), und einer unterhalb der Rechenpaare (16, 18; 16', 18') angeordneten Dreheinrichtung (12, 14), wobei jedes Rechenpaar aus zwei Hälften mit Zinken (21') besteht, die in horizontaler Richtung mittels einer Linearbewegung voneinander weg und so aufeinander zu bewegbar sind, dass eine im Wesentlichen geschlossene Aufnahmefläche gebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Rechenpaar (18, 18') vertikal verschiebbar ausgebildet ist, und dass jedes Rechenpaar (16', 18') eine solche Öffnungsweite besitzt und derart ausgebildet ist, dass wechselweise und zyklisch jedes Rechenpaar (18', 16') in geschlossenem Zustand durch die geöffneten Hälften des anderen Rechenpaars (16', 18') hindurchbewegbar und das andere Rechenpaar (16', 18') außen an dem einen Rechenpaar vorbeiführbar ist, dass der untere Totpunkt beider Rechenpaare (16, 18; 16', 18') unmittelbar oberhalb der Dreheinrichtung (12, 14) liegt, und dass genau ein erstes (16, 16') und ein zweites Rechenpaar (18, 18') vorgesehen ist, wobei jeder Rechen einen Rechenträger aufweist, der zusammen mit dem zugehörigen Rechen durch die geöffneten Hälften des anderen Rechenpaares hindurchbewegbar ist, und der aus dem Bereich zwischen den geöffneten Rechenhälften quer zu den Zinken (21') herausgeführt ist."

Die Klägerin tritt diesem Begehren entgegen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Hierfür kann die Priorität der Voranmeldung vom 4. August 1997 ebenso dahinstehen wie die Behauptung der Klägerin, die Lehre des Streitpatents sei im Stand der Technik bereits neuheitsschädlich getroffen. Denn diese Lehre war sowohl in der hauptsächlich als auch in der hilfsweise verteidigten Fassung der Patentansprüche jedenfalls nahegelegt, so dass sie nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gelten kann.

1. Wenn Druckereiprodukte, die einen Falz aufweisen, gleichgerichtet aufeinander gestapelt werden, begrenzt das Vorhandensein der Falze die Höhe eines Stapels, der eine geordnete Ausrichtung hat. Sollen höhere Gesamtstapel einer Ausrichtung erreicht werden, macht dies die um 180¡ versetzte Anordnung von Teilstapeln aufeinander erforderlich. Das Streitpatent lehrt eine Vorrichtung, mit deren Hilfe solche Produkte zu Teilstapeln gesammelt und zu einem Gesamtstapel einheitlicher Ausrichtung gefügt werden können.

Die Streitpatentschrift schildert, dass es bekannt war, hierzu Maschinen zu verwenden, die mit vorgegebenem Abstand übereinander angeordnete und jeweils gegeneinandergerichtete rechenartige Vorrichtungsteile und darunter eine Dreheinrichtung aufweisen. Auf dem oberen Rechenpaar werden die Produkte Stück für Stück aufeinander abgelegt und so zu einem Teilstapel gesammelt. Die Rechenhälften werden dann bis über die Umfangskontur des gebildeten Stapels auseinander bewegt, was zur Folge hat, dass der Stapel auf das darunter liegende Rechenpaar fällt. Dieser Vorgang des Fallens wiederholt sich je nach Anzahl der Rechenpaare. Schließlich fällt der Stapel in einen Korb, der ihn um 180¡ dreht, wonach weitere Teilstapel fallend zugeführt werden.

An dieser Vorrichtung/Vorgehensweise ist das mehrmalige Fallen des Produktstapels nachteilig. Es birgt die Gefahr, dass der Stapel die einheitliche Umfangskontur einbüßt. Außerdem kann die Notwendigkeit wiederholten Herabfallens Stufe um Stufe das Arbeitstempo beschränken. Hieraus erklärt sich, dass es die Streitpatentschrift unter 0006 als das der Erfindung zugrunde liegende Problem bezeichnet, einen Kreuzleger der geschilderten Art so zu verbessern, dass bei erhöhter Taktgeschwindigkeit eine schonende Stapelbildung erfolgt, bei welcher die gestapelten Produkte ihre Umfangskontur beibehalten.

2. Die Lösung nach Patentanspruch 1 besteht in einem Kreuzleger für zu stapelnde Papierprodukte, die auf einem Rechenpaar gesammelt werden, der folgende Merkmale aufweist:

1. Mindestens zwei Rechenpaare, 1.1 die jeweils vertikal verschiebbar und 1.2 deren jeweilige (beiden) Hälften horizontal auseinander bewegbar sind, 1.2.1 und zwar so weit, dass das jeweils andere Rechenpaar in geschlossenem Zustand durch die geöffneten (auseinander bewegten) Hälften hindurch bewegbar ist, und 2. eine Dreheinrichtung 2.1 unterhalb der Rechenpaare.

Auch bei dieser Lösung können die Produkte aus Papier auf einem oberen Rechenpaar zu einem Produktstapel aufeinander gelegt werden. Sie können dann aber auf diesem Rechenpaar verbleiben und als Stapel - ohne dass es zu einem Fallvorgang kommt - bis unmittelbar über die Dreheinrichtung gelangen, weil die Rechenpaare auch in vertikaler Richtung verschiebbar sind und die horizontale Verschiebbarkeit ihrer Hälften so ausgelegt ist, dass sich eine hinreichende Öffnung für das sich vertikal bewegende, mit einem Stapel belegte Rechenpaar ergibt. Dadurch kann bewirkt werden, dass sich auch in der letzten Phase kein Fallen ergibt. Der Stapel kann vielmehr auf der Dreheinrichtung abgelegt werden. Zudem kann der Arbeitstakt gefördert werden, weil während der Abwärtsbewegung des mit einem Stapel belegten Rechenpaars das geöffnete Rechenpaar nach oben zur Aufnahme der nächsten Produkte und des nächsten Teilstapels bewegt werden kann.

3. Zu Recht hat das Bundespatentgericht erkannt, dass sich die Lehre des erteilten Patentanspruchs 1 für den Fachmann aus dem Stand der Technik ergab.

a) Als Fachmann ist in Übereinstimmung mit dem Bundespatentgericht und den Parteien ein Diplomingenieur anzusehen, der mindestens auf einer Fachhochschule Maschinenbau studiert und aufgrund entsprechender Berufstätigkeit besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Druckereimaschinen zur Weiterverarbeitung und Handhabe von Druckprodukten erworben hat. Von einem derart qualifizierten Fachmann ist auszugehen, weil eine vergleichsweise komplizierte Mechanik betroffen ist, deren Entwicklung bzw. Weiterentwicklung in den einschlägigen Unternehmen eher akademisch vorgebildeten Personen mit vertieften praktischen Kenntnissen und Erfahrungen als weniger kompetenten Mitarbeitern übertragen wird.

b) Die eingangs der Streitpatentschrift und dieser Entscheidung als den Stand der Technik kennzeichnend abgehandelte Vorrichtung war diesem Fachmann durch das Gebrauchsmuster 93 17 919 offenbart. Die dort der Fachwelt vorgestellte Vorrichtung verwirklicht jedenfalls die Merkmale 1, 1.2 und 2. Obwohl der Höhenabstand ihrer Rechenpaare untereinander einstellbar sein kann, ist eine vertikale Verschiebbarkeit (Merkmal 1.1) jedoch nicht gegeben, weil nach dem Gesamtzusammenhang der durch das Streitpatent geschützten Lehre hierunter zu verstehen ist, dass die Hälften der Rechenpaare nicht in einer voreingestellten Höhenlage verbleiben, sondern sich aneinander vorbei (geschlossenes Paar innerhalb geöffnetem Paar) ab und auf bewegen können müssen. Was das Merkmal 1.2.1 anbelangt, ist deshalb durch die Unterlagen des Gebrauchsmusters 93 17 919 auch nicht eine Gestaltung offenbart, wonach ein geschlossenes Rechenpaar durch die geöffneten Hälften des anderen Rechenpaars bewegt werden kann.

c) Die dem Fachmann durch dieses Gebrauchsmuster vorgestellte Vorrichtung ist aus fachlicher Sicht weniger im Hinblick auf erwünschte Taktzeiten nachteilig, weil das geleerte obere Rechenpaar alsbald wieder geschlossen und auf ihm noch während des Fallens des gesammelten Stapels im Bereich unterer Rechenpaare bereits wieder Papierprodukte zu einem Stapel gesammelt werden können. Auf den ersten Blick nachteilig an dem Lösungsvorschlag des Gebrauchsmusters ist es vielmehr, dass die Arbeitsweise darauf ausgerichtet ist, dass der jeweils fertige Produktstapel stufenweise nach unten fällt, was den Erhalt dessen Umfangskontur gefährdet. Dies liegt derart auf der Hand, dass für den Fachmann aller Anlass zur Suche bestand, wie ein Stapel aus einzelnen Papierprodukten auf andere schonendere Weise auf eine Dreheinrichtung gelangen könne. Da der Grund für diese Suche den bei Papierprodukten mit Falz erforderlichen Vorgang des Drehens um 180¡ selbst nicht betrifft, ist ferner davon auszugehen, dass der Fachmann hierbei nicht nur zum Stand der Technik gehörende Vorrichtungen in den Blick nahm, die auch diese Drehung bewerkstelligen, sondern sich allgemein dafür interessierte, wie ansonsten einzelne zu Stapeln gesammelte Produkte aus Papier, die in dieser Form von einer höheren Position auf eine darunter befindliche Weiterverarbeitungsstation gelangen müssen, ohne Fallen in diese tiefere Position überführt werden. Deshalb gehört auch das, was die aus dem Jahre 1994 stammende US-Patentschrift 5 328 323 offenbart, zu dem Stand der Technik, der von Interesse für eine Weiterentwicklung des auf Grund des Gebrauchsmusters 93 17 919 bekannten Kreuzlegers war. Denn die US-Patentschrift 5 328 323 betrifft eine Maschine, die in erhöhter Position Stapel bildet und diese auf einen darunter wirkenden Abführförderer ablegt. Diese Maschine wird in der US-Patentschrift 5 328 323 zwar als besonders geeignet für die Sammlung und den Abtransport von zunächst vereinzelten und Z-förmig gelegten, mit Flüssigkeit getränkten Stoffstücken bezeichnet (Sp. 1 Z. 26 ff.). Das beschränkt ihren Offenbarungsgehalt jedoch nicht auf Stapel aus solchen Stücken, sondern beschreibt lediglich einen bevorzugten Anwendungsbereich. Aus fachlicher Sicht erfasst die US-Patentschrift 5 328 323 auch die Stapelung anderer flächiger dünner Materialstücke und ist deshalb auch für den in der Papierverarbeitung bzw. der Verarbeitung von Druckprodukten tätigen Fachmann von Interesse. Bestätigt wird dieser Offenbarungsgehalt durch die Formulierung des Patentanspruchs 1 des US-Patents 5 328 323, weil hiernach eine Lehre für eine Vorrichtung zur Aufnahme, Stapelung und Ablage von Einzelteilen gegeben werden soll, die ganz allgemein als Abschnitte einer Materialbahn ("individual web segments") bezeichnet sind.

d) Diese Vorrichtung arbeitet mit zwei jeweils paarweise angeordneten Auflageelementen, die jeweils um eine untere Achse schwenkbar sind und im eingeschwenkten Zustand einen senkrechten und einen waagerechten Schenkel haben. Auf den waagerechten Schenkeln des jeweils oberen Paars werden die angeförderten Bahnabschnitte nacheinander zu einem Stapel gesammelt, während ein auf den waagerechten Schenkeln des zweiten Paars bereits gesammelter Stapel weiter unten durch Schwenken der Schenkel dieses Paars nach außen jeweils freigegeben und als Stapel auf ein Förderband abgelegt wird. Hiernach wird das obere eingeschwenkte Paar mit dem mittlerweile vollständig gebildeten Produktstapel maschinenseits senkrecht nach unten in die Ablageposition verfahren, während das andere Paar in verschwenktem Zustand um die sich nach unten bewegende Einheit herum nach oben verfahren wird, um dort eingeschwenkt zu werden und einen neuen Stapel aufzunehmen.

e) Die aus der US-Patentschrift 5 328 323 vorbekannte Vorrichtung weist also zwei Auflagepaare auf, die in der Ausdrucksweise des Streitpatents jeweils vertikal verschiebbar sind und deren jeweilige Hälften so weit auseinander bewegbar sind, dass das jeweils andere Paar in geschlossenem Zustand durch die geöffneten Hälften hindurch bewegbar ist (vgl. Merkmale 1.1, 1.2, 1.2.1). Jedenfalls das Prinzip, das auch die Lehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nutzen will, war damit bei der Vorrichtung nach der US-Patentschrift 5 328 323 bereits verwirklicht. Dem steht nicht entgegen, dass es nach dem Ausführungsbeispiel der US-Patentschrift 5 328 323 beim Verschwenken der Auflagepaare bereichsweise zu einer nach oben gerichteten Bewegung kommt, woraus die Beklagte ableitet, dass dies zu einem Anheben des Stapels führt. Denn bei unbefangener Betrachtung der Lösung nach der US-Patentschrift 5 328 323 erlaubt diese gleichwohl ein Ablegen des Stapels und kann nicht dahin umschrieben werden, dass es bei ihr zu einem Herabfallen des Stapels komme.

f) Der Senat hat keine durchgreifenden Zweifel, dass der Fachmann der US-Patentschrift 5 328 323 sowohl das bei der dort beschriebenen Vorrichtung verwirklichte Prinzip entnahm als auch dessen Eignung erkannte, neben der Möglichkeit, mit dem Sammeln neuer Stücke sogleich wieder zu beginnen, das stufenweise Fallen von aus einzelnen Stücken bestehenden Stapeln zu vermeiden. Der Hinweis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, eine solche Erkenntnis sei nicht ohne Abstraktionsvermögen möglich, steht dem angesichts der Qualität des hier maßgeblichen Fachmanns nicht entgegen. Auch bei der akademischen Ausbildung auf einer Fachhochschule wird Wert auf technische Prinzipien und darauf gelegt, dass die Absolventen lernen, sich auch das Lösungsprinzip konkreter Konstruktionen zu erschließen. Damit war vom Fachmann nur noch gefordert, die prinzipielle Idee, die bei der Vorrichtung der US-Patentschrift 5 328 323 verwirklicht ist, bei einer Vorrichtung konstruktiv umzusetzen, die - wie die Maschine nach dem Gebrauchsmuster 93 17 919 - oberhalb einer Dreheinrichtung zwei horizontal auseinander bewegbare Rechenpaare aufweist.

Derartiges forderte jedoch nur die handwerklichen Fähigkeiten des Fachmanns. Hinsichtlich des kontinuierlichen Hinabbewegens eines auf Rechenpaaren gesammelten Stapels ist das auch von der Beklagten letztlich nicht ernsthaft in Zweifel gezogen worden. Was die ferner notwendige Umgestaltung anbelangt, die auch die gegenläufige und im Maschinentakt wechselweise Bewegung des jeweils anderen Rechenpaares möglich macht, bestehen ebenfalls keine durchgreifenden Zweifel. Denn die konstruktive Herrichtung von bekannten Maschinen nach einer als geeignet und vorteilhaft erkannten Idee gehört zu dem, was Fachleute der hier maßgeblichen Art üblicherweise zu leisten haben. Jedenfalls ist im Streitfall ohne weiteres anzunehmen, dass insoweit nichts gefordert war, was die handwerklichen Fähigkeiten des Fachmanns überstieg. Denn auch nach dem erteilten Patentanspruch 1 des Streitpatents bleibt es dem Fachmann überlassen, wie er konstruktiv bei einem Kreuzleger mit (mindestens) zwei Rechenpaaren, deren Hälften horizontal verschiebbar sind, für die Beweglichkeit und Bewegung sorgt, welche die Merkmale 1.1 und 1.2.1 fordern und die für die Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents kennzeichnend sind.

g) Die danach gebotene Wertung, dass Patentanspruch 1 des Streitpatents durch den Stand der Technik nahegelegt war, kann der Senat unabhängig davon treffen, ob die Vorbilder im Stand der Technik schon eine ähnliche Verarbeitungsgeschwindigkeit wie die Lehre nach dem Streitpatent erlaubten und ob der in der US-Patentschrift 5 328 323 beschriebene und gezeigte Verschwenkmechanismus bei dieser Vorrichtung, wenn sie eine Dreheinrichtung umfasst, (einfach oder nicht) zu verwirklichen war. Denn der Patentanspruch 1 des Streitpatents beschränkt die gegebene Lehre zum technischen Handeln nicht auf Vorrichtungen mit hoher oder gar ein bestimmtes Tempo übersteigenden Geschwindigkeit, und auf den aus der US-Patentschrift 5 328 323 bekannten Verschwenkmechanismus kommt es nicht an, wenn - wie hier - der Fachmann von seinem Können und sonstigen Wissen her als befähigt angesehen werden muss, das hinter dieser konkreten Lösung stehende gedankliche System zu erkennen und zu nutzen.

4. Wie Patentanspruch 1 haben auch die erteilten Unteransprüche keinen Bestand. Sie beinhalten nur handwerkliche Ausführungen der durch den Stand der Technik nahegelegten Lehre nach Patentanspruch 1. Gegenteiliges hat auch die Beklagte nicht geltend gemacht.

5. Die vorstehende Beurteilung verbietet auch, dass die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents Erfolg hat, so dass dahinstehen kann, ob - wie insoweit von der Klägerin geltend gemacht - nicht schon der Gesichtspunkt nachträglicher Erweiterung entgegensteht.

Die in den Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 eingefügten Angaben betreffen nur konstruktive Details, die entweder aus dem Gebrauchsmuster 93 17 919 ohnehin bekannt waren (Druckprodukte, gegeneinander gerichtete Rechen als im wesentlichen geschlossene Aufnahmefläche, Linearbewegung) oder als sinnvolle oder von dem durch die US-Patentschrift 5 328 323 offenbarten Lösungsprinzip her fast selbstverständliche Gestaltungen im Rahmen der als naheliegend erkannten handwerklichen Umgestaltung der in dem Gebrauchsmuster 93 17 919 beschriebenen Vorrichtung lagen.

Die sich mit dem Wort "wobei" an den erteilten Patentanspruch anschließenden Angaben beinhalten insoweit eine sachliche Ergänzung, als sie die Halterung der beiden notwendigen Rechen betreffen. Eine Halterung, über die den Rechen alle Bewegungsabläufe vermittelt werden können, war aus fachlicher Sicht aber ebenfalls eine sinnvolle und im Fachkönnen liegende Maßnahme. Bei Verwirklichung des aus der US-Patentschrift 5 328 323 entnommenen Lösungsprinzips muss die Halterung notwendigerweise zusammen mit den geschlossenen Rechenpaaren durch die Öffnung hindurchbewegbar sein, die von den geöffneten Rechenpaaren gebildet wird. Angesichts der aus dem Gebrauchsmuster 93 17 919 bekannten linearen Hin- und Herbewegung von Rechen, die üblicherweise aus Zinken gebildet werden, bot es sich schließlich aus Platzgründen, also aus einem Gesichtspunkt, der von Fachleuten regelmäßig in Erwägung gezogen wird, auch an, für eine Befestigung am Maschinenrahmen durch eine Halterung zu sorgen, die quer hierzu aus dem Bewegungsraum herausreicht. Auch die zusätzlichen Merkmale des hilfsweise verteidigten Patentanspruchs 1 vermögen deshalb nichts an der Feststellung zu ändern, dass die Erfindung nur eine auf rein handwerklichem Gebiet liegende Weiterentwicklung des Standes der Technik nach Maßgabe des aus dem US-Patent 5 328 323 bekannten als Lösung naheliegenden Prinzips darstellt.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1 ZPO, 121 Abs. 2 PatG.

Melullis Scharen Mühlens Lemke Asendorf Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 23.11.2006 - 2 Ni 34/04 (EU) -






BGH:
Urteil v. 03.03.2009
Az: X ZR 53/07


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