Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Mai 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 162/00

(BPatG: Beschluss v. 07.05.2001, Az.: 30 W (pat) 162/00)

Tenor

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke PINO VITAL ist am 29. Mai 1996 ua für "Pharmazeutische Erzeugnisse" in das Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 30. August 1996.

Widerspruch erhoben haben die Inhaberin der am 13. Juni 1955 ua für "Arzneimittel" eingetragenen Marke 677 488 Biovital und die Inhaberin der am 24. April 1996 für Waren der Klasse 3 eingetragenen Marke 2 100 006 biovital.

Die Widersprüche sind zunächst ohne warenmäßige Beschränkung eingelegt worden. In der mündlichen Verhandlung haben die Widersprechenden erklärt, daß der Widerspruch hinsichtlich der Waren der Klasse 3 zurückgenommen werde.

Die Benutzung der Widerspruchsmarke Biovital ist bereits im Verfahren vor dem Patentamt bestritten worden. Die Widersprechende I hat Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegt.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in dem angefochtenen Beschluß die Verwechslungsgefahr zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken verneint und die Widersprüche zurückgewiesen. Ausgehend von der Benutzung der Widerspruchsmarke 677 488 Biovital für "freiverkäufliche Herz-Kreislauf-Tonika", für die die Benutzung zugestanden sei, könnten sich die Marken auf teilweise identischen, teilweise eng ähnlichen Waren begegnen. Unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken sei ein Auseinanderhalten der Marken wegen des zusätzlichen Buchstabens "N" in der angegriffenen Marke sowie der Bedeutungsanklänge in jeder Hinsicht gewährleistet.

Mit den Beschwerden wird geltend gemacht, der Abstand der Marken sei nicht ausreichend, insbesondere sei ein abweichender Sinngehalt der Marken nicht gegeben.

Die Widersprechenden I und II beantragen sinngemäß, den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. April 2000 insoweit aufzuheben, als die Widersprüche bezüglich der Waren der Klasse 5 zurückgewiesen worden sind und die Löschung der angegriffenen Marke insoweit anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.

Sie hält angesichts der Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke die Gefahr von Verwechslungen nicht für gegeben. Sie hat im Beschwerdeverfahren auch die Benutzung der Widerspruchsmarke 2 100 006 biovital bestritten. Die Widersprechende II hat im Termin Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung dieser Widerspruchsmarke vorgelegt.

Die Widerspruchsmarke 677 488 Biovital ist mit Verfügung vom 24. Juni 1999 auf die S... OHG umgeschrieben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerden der Widersprechenden sind zulässig. Insbesondere steht die Umschreibung der Widerspruchsmarke 677 488 Biovital einer zulässigen Beschwerdeeinlegung durch die frühere Markeninhaberin nicht entgegen. Nach der Bestimmung des § 66 Abs 1 Satz 2 MarkenG steht die Beschwerde den am Verfahren vor dem Patentamt Beteiligten zu. Das ist hier (auch) die S... mbH.

Die Beschwerden sind in der Sache aber nicht begründet. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die Widersprüche sind deshalb von der Markenstelle gemäß §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zu Recht zurückgewiesen worden. Unter diesen Umständen können Benutzungsfragen dahingestellt bleiben.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (ständige Rechtsprechung zB EuGH MarkenR 1999, 20 - CANON; BGH MarkenR 1999, 297 - HONKA; BGH MarkenR 2001, 204, 205 - REVIAN/EVIAN).

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer etwas unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem geringeren Schutzumfang der Widerspruchsmarken aus, auch wenn es sich um gut benutzte Marken handelt. Dies beruht auf dem allgemein erkennbaren, deutlich beschreibenden Bezug. Die Widerspruchsmarken sind ersichtlich aus zwei beschreibenden Bestandteilen zusammengesetzt (bio = biologisch; vital = das Leben betreffend, lebenswichtig), wobei die Zusammenfügung in der von Kürzeln beherrschten Arzneimittelsprache nicht als besonders individuell prägend angesehen werden kann und auch in der Zusammenfügung der unmittelbar beschreibende Gehalt fortbesteht. Die in der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung genannten Umsätze und Werbeaufwendungen erlauben nicht den Rückschluß auf eine gesteigerte Kennzeichnungskraft. Aufschluß über die maßgebliche Verkehrsgeltung geben vielmehr von amtlichen oder neutralen Institutionen erstellte Statistiken oder Verkehrsbefragungen durch demoskopische Unternehmen zum Bekanntheitsgrad und Marktanteil in konkreten Prozentzahlen - bezogen auf die angesprochenen Verkehrsbeteiligten bzw Indikationsgebiete (vgl Althammer/Ströbele MarkenG 6. Aufl § 9 Rdn 138ff mwN). Die allein angegebene Marktbekanntheit von 59% gemäß OTC-Barometer 1999 reicht für die Feststellung einer die ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche (zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke) nicht aus.

Aufgeworfene Benutzungsfragen können dahinstehen. Auch bei einer vollständigen Berücksichtigung aller Waren der Widerspruchsmarken nach der Registerlage ist eine Verwechslungsgefahr nicht gegeben, selbst wenn von teils identischen, teils eng ähnlichen Waren ausgegangen wird, für die im Bereich der Arzneimittel eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist, auch in tatsächlicher Hinsicht der Fachverkehr nicht im Vordergrund steht und damit die allgemeinen Verkehrskreise uneingeschränkt für die Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen sind. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 - ATTACHÉ/TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 liSp - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24.-Lloyd/Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Warenlage wird der danach erforderliche Abstand zu den älteren Widerspruchsmarken von der jüngeren Marke gewahrt. Verwechslungen im rechtserheblichen Ausmaß sind daher nicht zu befürchten.

In klanglicher Hinsicht stimmen die Bezeichnungen PINO VITAL und B(b)iovital zwar in den Endbestandteilen "-vital" überein. Von Bedeutung ist jedoch, daß diese Übereinstimmung bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Markenähnlichkeit nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Der Wortteil "-vital" weist ohne weiteres verständlich auf die lebenswichtige oder auch belebende Eigenschaft der Waren hin. Das hat zur Folge, daß der Übereinstimmung in dem warenbeschreibenden, isoliert schutzunfähigen (vgl etwa 24 W (pat) 240/97, PAVIS-PROMA, Knoll) Endbestandteil weniger Bedeutung für die Verwechslungsgefahr zukommt und die Abweichungen in den Anfangssilben "PINO-" bzw "B(b)io-" ein vergleichsweise stärkeres Gewicht erlangen, zumal zu berücksichtigen ist, daß erfahrungsgemäß Wortanfänge stärker beachtet werden als die übrigen Markenteile (vgl hierzu Althammer/Ströbele aaO § 9 Rdn 97; BGH GRUR 1998, 924, 925 - salvent/Salventerol), auch wenn insoweit bei beiden Marken Bedeutungsanklänge vorhanden sind.

In den Wortanfängen unterscheiden sich die Marken in klanglicher Hinsicht durch den in der angegriffenen Marke zusätzlich enthaltenen Konsonanten "N", der in den Widerspruchsmarken keine Entsprechung findet; er führt zu einer gleichmäßig fließenden Aussprache der angegriffenen Marke (PINO), während die Aufeinanderfolge der Vokale "io" in den Widerspruchsmarken eine deutliche Zäsur bewirkt (Bio). Diese Abweichungen führen auch unter angemessener Berücksichtigung des gemeinsamen Wortelements "-vital" im Gesamteindruck zu einem zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ausreichend verschiedenen Klangbild der Marken.

Im schriftbildlichen Vergleich ist unter den genannten Umständen ein Auseinanderhalten der Marken in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund des zusätzlichen Buchstabens "N" in der angegriffenen Marke ebenfalls gewährleistet.

Schließlich wirken sich auch die unterschiedlichen Bedeutungsanklänge in den Eingangssilben zumindest in geringem Umfang verwechslungsmindernd aus. Diese Anfangsbestandteile stellen nicht nur für Fachleute, sondern auch für Endverbraucher einen verständlichen Hinweis dar, bei "PINO" = Pinie (zB italienisch), was schon wegen seiner Ähnlichkeit zum deutschen Wort "Pinie" auch erkannt wird, bei "Bio" wegen des im Deutschen gebräuchlichen Wortelements. Solche Sinnanklänge führen zwar nicht stets zum Ausschluß der Verwechslungsgefahr (iSv BGH GRUR 1992, 130 ff BALL/Bally, im Grundsatz bestätigt in BGH MarkenR 2000, 130, 132 - comtes/ComTel), können sie aber reduzieren.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Buchetmann Winter Voit Hu






BPatG:
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Az: 30 W (pat) 162/00


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