Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Oktober 2003
Aktenzeichen: 20 W (pat) 344/02

(BPatG: Beschluss v. 30.10.2003, Az.: 20 W (pat) 344/02)

Tenor

Das Patent bleibt unverändert aufrechterhalten.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Erteilung des am 25. Januar 2001 angemeldeten Patents 101 03 620 wurde am 8. August 2002 veröffentlicht.

Der Patentanspruch 1 hat folgende Fassung:

"Verfahren zur Analyse von Proben mittels einer Streulichtmessung, bei dem 1.1 ein Trägerfluid bereitgestellt wird, das im wesentlichen frei von Stoffen ist, deren Partikelgröße einen bestimmten Wert überschreitet, 1.2 dem Trägerfluid eine Probe zugeführt wird, die im wesentlichen frei von Stoffen ist, deren Partikelgröße den bestimmten Wert überschreitet, 1.3 dem Trägerfluid ein Monomer zugeführt wird, dessen Partikelgröße im wesentlichen den bestimmten Wert nicht überschreitet, wobei das Monomer in der Lage ist, mit einem weiteren Monomer zu einem Dimer und/oder Oligomer und/oder Polymer zu reagieren, dessen Partikelgröße den bestimmten Wert überschreitet, 1.4 vor und/oder nach dem Zuführen der Probe und/oder vor und/oder nach dem Zuführen des Monomers und vor der Streulichtmessung Stoffe, deren Partikelgröße einen bestimmten Wert überschreitet, aus dem Trägerfluid und/oder der Probe und/oder dem Monomer entfernt werden, insbesondere durch Filtern, und 1.5 das Trägerfluid der Streulichtmessung unterzogen wird, so daß, wenn das weitere Monomer in der Probe enthalten ist und mit dem Monomer zu dem Dimer und/ oder Oligomer und/oder Polymer reagiert, dieses mittels der Streulichtmessung nachgewiesen wird."

Zum Wortlaut der auf den Patentanspruch rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 18 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Gegen dieses Patent richtet sich der am 7. September 2002 beim Patentamt eingegangene - einzige - Einspruch, mit dem Widerruf in vollem Umfang begehrt wird.

Einen Widerrufsgrund gemäß § 21 PatG macht die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist nicht ausdrücklich geltend.

Im frist- und formgerecht eingegangenen Einspruchsschriftsatz ist von der Entwicklung spezieller "SIZY"-Partikelmessgeräte durch die Einsprechende die Rede und davon, dass einer der Miterfinder als freier Mitarbeiter der Einsprechenden mit der Erstellung neuer Messmethoden betraut gewesen und Mitte Dezember 2000 zur Patentinhaberin gegangen sei.

Weiter ist im Einspruch ausgeführt, ein "SIZY"-Partikelmessgerät sei von der Einsprechenden bereits im November 2000 an die Patentinhaberin geliefert worden (Rechnung ist in Kopie beigefügt). In einer eMail vom 22. November 2000 (Kopie ebenfalls dem Einspruchsschriftsatz beigefügt) sei eine "sensationelle" Messmethode für "SIZY" beworben worden, in deren Verteiler die Patentinhaberin und andere Empfänger angeführt seien. Die Patentinhaberin habe mit einem weiteren Miterfinder die Einsprechende am 1. Dezember 2000 besucht und sich die beworbene "SIZY"-Methode erklären lassen. Auch weitere Interessenten hätten die Einsprechende im Dezember besucht. Spätestens seit damals seien Kern und Details der "SIZY"-Methode der Öffentlichkeit bekannt gewesen, bei der chemische oder biochemische Kettenreaktionen Partikelgrößen erzeugten, die vorher nicht in der Lösung enthalten gewesen seien.

Die Einsprechende führt im Einspruchsschriftsatz zudem unter anderem aus, die Messung müsse stets im absoluten Stillstand erfolgen, wozu "SIZY" über ein Absperrventil verfüge. Eine auch nur minimale Konvektion würde die angestrebte Diffusionsmessung um mehrere Dekaden überdecken. Auf diesen wichtigen und folgenreichen Sachverhalt werde im Patent mit keinem Wort eingegangen. Auch seien den Erfindern offensichtlich die Konsequenzen daraus unbekannt gewesen, dass Reaktionsprodukte ab 1 µm durch Schwerkraft ausfallen und unmessbar am Küvettenboden sedimentieren würden. Anschließend wird gefolgert, "eine derart unverstandene Kombination von Apparatur und Methode wäre wirklich von keinem Fachmann nachvollziehbar".

Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Sie bittet außerdem, die Einspruchsgebühr zurückzuzahlen und das Verfahren schriftlich fortzuführen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in unveränderter Fassung aufrechtzuerhalten.

Hilfsweise beantragt sie Anberaumung einer mündlichen Verhandlung. Eine inhaltliche Stellungnahme der Patentinhaberin zu dem Einspruchsvorbringen ist nicht eingegangen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Einspruchsvorbringens, wegen der auf mögliche Unzulässigkeit des Einspruchs hinweisenden Zwischenverfügung des Berichterstatters und wegen der Erwiderung der Einsprechenden hierauf wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Einspruch ist nicht zulässig.

Dem Einspruchsschriftsatz lässt sich zwar entnehmen, dass als Widerrufsgründe widerrechtliche Entnahme, fehlende Neuheit und fehlende Ausführbarkeit, § 21 Abs 1 Nr 3, 1 und 2 PatG, geltend gemacht werden sollen (vgl auch Schriftsatz der Einsprechenden vom 15. September 2003).

Nach § 59 Abs 1 PatG sind jedoch die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, bis zum Ablauf der Einspruchsfrist "im einzelnen" anzugeben. Die Begründung des Einspruchs genügt diesen gesetzlichen Anforderungen nur dann, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen Umstände darin so vollständig dargelegt sind, dass der Patentinhaber und das Patentamt (nach § 147 Abs 3 PatG der Beschwerdesenat des BPatG) daraus abschließende Folgerungen in Bezug auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (vgl BGH BlPMZ 1987, 203, 204 re Sp unter c, - Streichgarn; 1998, 201, 202 - Tabakdose). Der Einspruch muss sich dabei mit der gesamten unter Schutz gestellten Erfindung befassen und nicht nur mit einem Teilaspekt, der isoliert für sich nicht unter Schutz gestellt ist (BGH GRUR 1988, 364 - Epoxidationsverfahren).

Diesen Anforderungen an die Substantiierungspflicht genügt der Einspruch nicht.

1. Widerrufsgrund "Widerrechtliche Entnahme" (§ 21 Abs 1 Nr 3 PatG)

Im Fall der widerrechtlichen Entnahme sind deren Voraussetzungen innerhalb der Einspruchsfrist substantiiert anzugeben. Hierzu sind darzulegen: Erfindungsbesitz der Einsprechenden, Wesensgleichheit zwischen entnommener und patentierter Erfindung, sowie Widerrechtlichkeit der Entnahme (Schulte PatG 6. Aufl § 59 Rdn 110 mwN). Dies erfordert unter anderem, dass sich die Einspruchsbegründung im einzelnen mit den Merkmalen des sich im Besitz der Einsprechenden befindenden Gegenstandes und den Merkmalen der patentierten Erfindung auseinandersetzt.

Dem Einspruchsschriftsatz ist zu den "SIZY"-Partikelmessgeräten der Einsprechenden zu entnehmen, dass chemische oder biochemische Kettenreaktionen bei der "SIZY"-Methode Partikelgrößen erzeugen, die vorher nicht in der Lösung enthalten waren (S 1 vorle Abs). Weiter ist angegeben, dass die "SIZY"-Methode nephelometrisch/präzipitierend/turbidimetrisch ist (S 3 Abs 1). In der als Anlage beigefügten eMail ist noch angegeben, dass es sich bei "SIZY" um einen Detektor handelt und dass durch hochempfindliche Laser-Lichtstreuung Empfindlichkeitssteigerungen um mehrere Dekaden ermöglicht werden. Aus der Erwähnung von Wasser (S 2 Abs 2) und dem Hinweis auf Ausfallen und Sedimentation von Reaktionsprodukten (S 2 le Abs) mag auf die Existenz eines Trägerfluids zu schließen sein.

Es fehlen jedoch im Einspruchsschriftsatz Ausführungen dazu, ob dem Trägerfluid zunächst eine Probe zugeführt wird (Anspruchsmerkmal 1.2), ob danach dem Trägerfluid ein Monomer zugeführt wird, welche Partikelgröße dieses hat und welches Reaktionsprodukt mit welcher Partikelgröße es hervorrufen kann (Merkmal 1.3), und ob Stoffe, deren Partikelgröße einen bestimmten Wert überschreitet, vor der Streulichtmessung entfernt werden (Merkmal 1.4 iVm 1.2 und 1.3).

Bei den entsprechenden Merkmalen des Patentanspruchs 1 handelt es sich ersichtlich um mehrere wesentliche Merkmale der patentierten Erfindung. Die Einspruchsbegründung setzt sich nicht mit diesen Merkmalen auseinander und greift sie nicht einmal auf. Aus der bloßen allgemeinen Angabe, dass chemische oder biochemische Kettenreaktionen bei der "SIZY"-Methode Partikelgrößen erzeugen, die vorher nicht in der Lösung enthalten waren, können die beanspruchten konkreten Einzelheiten nicht entnommen werden.

Es ist daher nicht abschließend feststellbar, ob das Verfahren, in dessen Besitz die Einsprechende nach ihren Angaben vor dem Anmeldetag des Streitpatents war, die wesentlichen Merkmale der patentierten Erfindung aufweist. Damit sind die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes der widerrechtlichen Entnahme maßgeblichen Umstände innerhalb der Einspruchsfrist nicht im einzelnen so dargelegt, dass sie ohne weitere Ermittlungen seitens des Senats auf ihre Richtigkeit überprüft werden können.

2. Widerrufsgrund "Fehlende Neuheit" (§ 21 Abs 1 Nr 1 PatG)

Einer Erfindung fehlt die Neuheit, wenn sie zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfasst alle Kenntnisse, die vor dem Anmeldetag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind, § 3 Abs 1 PatG. Wird im Einspruch behauptet, der Patentgegenstand sei durch schriftliche und mündliche Beschreibung und durch eine tatsächlich erfolgte Benutzung bekannt, so muss nicht nur der beschriebene und vorbenutzte Gegenstand ausreichend angegeben und der Zusammenhang mit dem gesamten Patentgegenstand dargetan werden; die dazu "im einzelnen" vorzutragenden Tatsachen müssen auch die konkreten Umstände erkennen lassen, aus denen sich die behauptete Beschreibung und Benutzung nicht nur nach Art und Zeit, sondern auch hinsichtlich ihres Zugänglichwerdens im Sinne des § 3 Abs 1 Satz 2 PatG ergeben soll. Dazu gehört auch, dass erkennbar gemacht wird, welche Personen auf welche Art und Weise von dem Gegenstand der Beschreibung bzw. der Benutzung vor dem Anmeldetag Kenntnis erlangt haben sollen (BGH aaO - Streichgarn unter d), wenn es sich nicht aus der Natur der Sache ergibt.

Im Einspruchsschriftsatz fehlen ausreichend detaillierte Angaben dazu, wem abgesehen von der Patentinhaberin und einem Miterfinder das Gerät der Einsprechenden vorgeführt bzw. erklärt wurde. Der pauschale Hinweis auf "weitere Interessenten" genügt nicht. Insbesondere aber fehlen Angaben zum inhaltlichen Umfang dieser Erklärungen in Bezug auf das patentierte Verfahren, welche Merkmale das Gerät im einzelnen zum Zeitpunkt der Vorführungen umfasste und welche patentgemäßen Merkmale diesem und dem an die Patentinhaberin gelieferten Gerät nach Auffassung der Einsprechenden zu entnehmen waren. Die bloße Anpreisung der Empfindlichkeitssteigerung in der eMail genügt einem diesbezüglich ausreichenden Tatsachenvortrag noch weniger als die pauschale Behauptung, es seien Kern und Details der "SIZY"-Methode der Öffentlichkeit bekannt geworden, bei der chemische oder biochemische Kettenreaktionen Partikelgrößen erzeugten, die vorher nicht in der Lösung enthalten gewesen seien. Diese Angaben betreffen lediglich den Zweck des patentierten Messverfahrens und den übergeordneten Teilaspekt, dass es um durch Reaktionen geänderte Partikelgrößen geht.

Es ist daher ohne eigene Ermittlungen nicht feststellbar und nicht nachprüfbar, welche maßgeblichen Merkmale des "SIZY"-Geräts und der "SIZY"-Methode tatsächlich vor dem Anmeldetag des Streitpatents der Öffentlichkeit bekannt waren und ob die gegebenenfalls bekannt gewordenen Merkmale mit denen des Gegenstandes des Patentanspruches 1 übereinstimmen.

3. Widerrufsgrund "Fehlende Ausführbarkeit" (§ 21 Abs 1 Nr 2 PatG)

Ausreichende Substantiierung der Nichtausführbarkeit einer Erfindung setzt u. a. voraus: Darlegung von Tatsachen, warum ein Fachmann die patentierte Erfindung als Ganzes nicht ausführen kann - die Rüge von nicht ausführbaren Teilaspekten, die die Ausführung lediglich erschweren, genügt nicht - und Darlegung von Tatsachen, dass ein Fachmann die Erfindung auch nicht unter Zuhilfenahme von Beschreibung, Zeichnungen und seinem eigenen Fachwissen verwirklichen kann (vgl Schulte PatG 6. Aufl § 59 Rdn 108 mwN).

Die Einsprechende schildert im Einspruchsschriftsatz zunächst die Arbeitsweise ihres "SIZY"-Geräts hinsichtlich des erfassten Streulichtvolumens sowie der Maßnahmen für ausreichende Empfindlichkeit und zur Unterdrückung störenden Streulichts einschließlich der zugehörigen Funktionszusammenhänge. Die Einsprechende führt dann sinngemäß aus, der Mechanismus zur Unterdrückung störender Streulichtkomponenten scheine - von den Erfindern - komplett unverstanden, eng mit der Messmethode verknüpfte Angaben zum Winkel und zur Art der Störlichtkompensation fehlten im Patent. Außerdem fehle ein unbedingt erforderliches Absperrventil zur Unterbindung von Strömungen während der Messung. Große Reaktionsprodukte ab 1 µm könnten durch Schwerkraft ausfallen und unmessbar am Küvettenboden sedimentieren. Irgendwelche chemischen Kettenreaktionen müssten folglich Partikel zwischen 30 nm unterer Messgrenze und 1000 nm Sedimentationsschwelle produzieren. Es handle sich beim Patentgegenstand um eine unverstandene Kombination von Apparatur und Methode, die von keinem Fachmann nachvollziehbar sei.

Die nach Ansicht der Einsprechenden auftretenden Probleme können jedoch - ihre Richtigkeit unterstellt - allenfalls die Ausführbarkeit der Erfindung erschweren, sie jedoch nicht insgesamt in Frage stellen.

So führt die Einsprechende zwar aus, dass Reaktionsprodukte mit einer Größe über 1000 nm nicht gemessen werden könnten. Die Einspruchsbegründung zieht aber nicht in Zweifel, dass Reaktionsprodukte mit einer Größe zwischen 30 nm und 1000 nm nachgewiesen werden können und die Erfindung insoweit ausführbar ist.

Im Einspruchsschriftsatz wird zwar auf den Fachmann verwiesen (S 3 Abs 1: "wirklich von keinem Fachmann nachvollziehbar"), und es mag auch noch angehen, dass keine Angaben zu dessen Ausbildung und Fachkenntnissen gemacht werden. Zur Zulässigkeit des Einspruchs bezüglich des Widerrufsgrundes der fehlenden Ausführbarkeit fehlt im Einspruchsschriftsatz aber Tatsachenvortrag dazu, warum der Fachmann nach Ansicht der Einsprechenden auch unter Berücksichtigung seines Fachkönnens und Fachwissens und bei Kenntnis der Patentschrift nicht in der Lage gewesen sein sollte, im Rahmen des beanspruchten Verfahrensschrittes 1.5 auf Stillstand bei der Messung zu achten und ein hierzu geeignetes Mittel, wie ein internes Absperrventil, vorzusehen und eventuelles Störlicht in geeigneter Weise zu kompensieren. Die Behauptung (wenn auch ausführlich begründet), "SIZY"-Gerät und "SIZY"-Methode seien unverstanden, genügt den gesetzlichen Anforderungen an den Tatsachenvortrag nicht und erfordert eigene Ermittlungen des Senats.

III.

Lag danach kein zulässiger Einspruch vor, war das Patent ohne weitere Sachprüfung unverändert aufrechtzuerhalten.

1. Ist der einzige Einspruch - oder sind alle Einsprüche - gegen ein Patent unzulässig, ist die Aufrechterhaltung des Patents (ohne weitere Sachprüfung) auszusprechen. Ein alleiniger Ausspruch über die Verwerfung des Einspruchs - oder der Einsprüche - kommt nicht in Betracht.

a) Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Übergangsvorschrift nach § 147 Abs 3 PatG. Obwohl in Satz 1 dieser Vorschrift von einer "Entscheidung über den Einspruch" die Rede ist, hat der Senat über das Patent zu entscheiden. Dies gilt zunächst unbestritten bei Sachprüfung infolge eines zulässigen Einspruchs und ergibt sich aus der Rechtsnatur des Einspruchsverfahrens (dazu BPatG Mitt. 2002, 417 - Etikettierverfahren mwN; so auch BPatGE 46, 134 - gerichtliches Einspruchsverfahren; bei fehlender Begründetheit des Einspruchs: Beschl. vom 1. 10. 2002, 34 W (pat) 705/02).

b) Aber auch dann, wenn der einzige oder alle Einsprüche unzulässig sind und folglich eine sachliche Überprüfung der Bestandskraft des Patents aufgrund vorgebrachter Widerrufsgründe ausscheidet, bleibt nur der Ausspruch über die unveränderte Aufrechterhaltung des Patents. Denn in § 61 Abs 1 Satz 1 PatG ist abschließend geregelt, durch welche Art der Entscheidung das Einspruchsverfahren zu beenden ist. Es ist durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang das Patent aufrechterhalten oder widerrufen wird. Die bloße Verwerfung des Einspruchs als unzulässig ist nicht vorgesehen.

In § 147 Abs 3 Satz 2 PatG ist geregelt, dass für das Einspruchsverfahren vor dem Beschwerdesenat des Patentgerichts die §§ 59 bis 62 entsprechend gelten. Dabei ist zwar § 61 Abs 1 Satz 1 PatG ausdrücklich ausgenommen; aus dem Bedeutungszusammenhang der Übergangsregelung, insbesondere in Zusammenhang mit Satz 1 vor Nr 1, folgt jedoch, dass hiermit die geänderte Zuständigkeit hervorgehoben, nicht aber von den dort aufgezählten Entscheidungsmöglichkeiten im Einspruchsverfahren abgewichen werden sollte.

Eine das Einspruchsverfahren abschließende isolierte Verwerfung eines unzulässigen Einspruchs sieht das Patentgesetz auch an anderer Stelle nicht vor. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Rechtsbehelf des Einspruchs insoweit anders zu behandeln ist, als die Rechtsmittel der Beschwerde und der Rechtsbeschwerde. In § 79 Abs 2 PatG ist nämlich ausdrücklich bestimmt, dass die Beschwerde als unzulässig verworfen wird, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Gleiches ist für die Rechtsbeschwerde in § 104 PatG geregelt.

Auch aus den Regeln für das Patentnichtigkeitsverfahren bei Klageunzulässigkeit lässt sich nichts anderes herleiten. Denn es ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Einspruchsverfahrens durch das Gemeinschaftspatentgesetz von 1979 nicht das Einspruchsverfahren an das Nichtigkeitsverfahren annähern, sondern der Ablösung des bislang vor der Entscheidung über die Patenterteilung durchgeführten Einspruchsverfahrens durch ein solches nach der Patenterteilung Rechnung tragen wollte (amtl. Begr. Bl.f.PMZ 1979, 276, 286 zu Nummer 35). Vielmehr wird die Nähe zum früheren Einspruchsverfahren als Bestandteil des Erteilungsverfahrens und die Ferne vom Nichtigkeitsverfahren deutlich, indem die Regelung des § 61 Abs 1 Satz 2 eingeführt wurde, wonach das Einspruchsverfahren von Amts wegen ohne den Einsprechenden fortgesetzt wird, wenn der Einspruch zurückgenommen wird. In der amtlichen Begründung heißt es hierzu, das vom Einsprechenden mitgeteilte Material im Falle seines Ausscheidens von Amts wegen zu berücksichtigen, habe sich bewährt. Hierdurch lasse sich insbesondere verhindern, dass das auch im allgemeinen Interesse liegende Einspruchsverfahren durch Absprache der Verfahrensbeteiligten beendet werde (Bl.f.PMZ 1979, 276, 287 zu § 35 c). Somit steht die Bestandskraft des Patents nicht zur Disposition der Beteiligten.

Wegen der Besonderheiten des Einspruchsverfahrens kommt auch eine entsprechende Anwendung von Vorschriften der ZPO über die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen, Rechtsmitteln oder der Klage nach § 99 Abs 1 PatG nicht in Betracht.

c) Der im Ergebnis gegenteiligen und soweit erkennbar bislang unwidersprochen gebliebenen Auffassung des Juristischen Beschwerdesenats in seinem Beschluss vom 23. März 1984, 4 W (pat) 27/83 (BPatGE 26, 143) vermag mithin der beschließende Senat nicht zu folgen.

In den Gründen der genannten Entscheidung wird eine planwidrige Unvollständigkeit des Patentgesetzes festgestellt, die durch den aus dem Patentnichtigkeitsverfahren und der ZPO zu entnehmenden allgemeinen Rechtsgrundsatz zu schließen sei, dass, sofern nicht jedenfalls ein zulässiger Einspruch vorliege, die Patentabteilung allein über die Zulässigkeit des Einspruchs zu entscheiden und sich eines Ausspruchs über die Aufrechterhaltung des Patents zu enthalten habe. Die planwidrige Lücke im Patentgesetz wird zum einen daraus hergeleitet, dass das Einspruchsverfahren systematisch dem Patentnichtigkeitsverfahren sehr stark angenähert worden sei. Dem kann sich der Senat, wie vorstehend dargelegt, nicht anschließen. Zum anderen leiten die Entscheidungsgründe eine planwidrige Unvollständigkeit des Patentgesetzes aus den Vorschriften des EPÜ nach Art 101 Abs 1 in Verbindung mit Regel 56 Abs 1 AusfO ab, wonach die Einspruchsabteilung den Einspruch (u. a.) dann als unzulässig verwirft, wenn er Art 99 Abs 1 sowie Regel 1 Abs 1 und Regel 55 Buchst. c AusfO nicht entspricht. Hieraus vermag der beschließende Senat aber auf keine Regelungslücke im Patentgesetz zu schließen, sondern kann nur eine insoweit vom Patentgesetz abweichende Regelung des EPÜ sehen. Solche Abweichungen im Detail finden sich auch an anderen Stellen, die das Einspruchsverfahren regeln. Das EPÜ schreibt beispielsweise vor, dass die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückzuweisen hat, wenn sie der Auffassung ist, dass die in Art 100 genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des europäischen Patents in unveränderter Form nicht entgegenstehen, Art 102, Abs. 2 EPÜ. Hingegen ist nach dem Patentgesetz für diesen Fall nur der Ausspruch über die Aufrechterhaltung des (unveränderten) Patents zulässig, § 61 Abs 1 Satz 1 PatG.

d) Vorliegend hat der Senat ausgesprochen, das Patent bleibe unverändert aufrechterhalten. Er lässt es dahinstehen, ob ein informierender Zusatz dahingehend, dass dies aufgrund der Unzulässigkeit des einzigen Einspruchs erfolgt sei, hätte zweckmäßig sein können.

2. Der Technische Beschwerdesenat ist zuständig, wenn das Patentamt das Patent ohne Sachprüfung aufrechterhält, weil ein zulässiger Einspruch nicht vorliegt.

Der Senat verkennt nicht, dass abweichend von der bisherigen Übung, die wesentlich auf der oben genannten Entscheidung des 4. Senats aus dem Jahre 1984 beruht, nicht der Juristische, sondern ein Technischer Beschwerdesenat für die Beschwerde zuständig ist, wenn die Patentabteilung des Patentamts das Patent deswegen unverändert aufrechterhält, weil der einzige oder alle Einsprüche unzulässig sind. Dies ergibt sich aus § 67 Abs 1 PatG, wonach der Beschwerdesenat in den Fällen, in denen die Anmeldung zurückgewiesen oder über die Aufrechterhaltung, den Widerruf oder die Beschränkung des Patents entschieden wird, in der Besetzung mit einem technischen Mitglied als Vorsitzendem, zwei weiteren technischen Mitgliedern und einem rechtskundigem Mitglied zu entscheiden hat.

Eine Erweiterung der Aufgabenbereiche der Technischen Beschwerdesenate hat diese Konsequenz nicht zur Folge. Sie haben stets die Zulässigkeit eines (einzigen) Einspruchs als unverzichtbare Verfahrensvoraussetzung bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Patentamts über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf von Amts wegen zu prüfen. Stellt sich erst im Beschwerdeverfahren heraus, dass der Einspruch des beschwerdeführenden Einsprechenden unzulässig ist, wird seine Beschwerde ohne weitere Sachprüfung zurückgewiesen.

Die Zuständigkeit eines Technischen Beschwerdesenats ist auch sachgerecht, weil die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Einspruchs in der Mehrzahl der Fälle Fragen des Tatsachenvortrags betrifft und eine Auseinandersetzung mit dem vorgetragenen technischen Sachverhalt und dem technischen Gegenstand des Patents erfordert (zum engen Sachzusammenhang siehe auch Beschl. des 23. Senats vom 4. Februar 2003, 23 W (pat) 306/02 unter II.1 - zur Veröffentl. vorgesehen).

Ob der das Einspruchsverfahren abschließende Ausspruch der Patentabteilung, der (einzige) Einspruch werde als unzulässig verworfen, im Sinne der Bestimmung des § 61 Abs 1 Satz 1 PatG als Entscheidung über die unveränderte Aufrechterhaltung des Patents zu verstehen ist und folglich im Beschwerdefall die Zuständigkeit des Technischen Beschwerdesenats begründet, kann hier offen bleiben. Nur am Rande sei darauf verwiesen, dass die vom 4. Senat erwähnten (II. 4. d. der Gründe) europäischen Einspruchsverfahren im Falle der Verwerfung des Einspruchs als unzulässig zwar formell als Verfahren ohne Sachprüfung und ohne Sachausspruch angesehen werden, jedoch auch für die Beschwerden gegen den Einspruch verwerfende Entscheidungen die Technische Beschwerdekammer zuständig ist, Art 21 Abs 4 EPÜ.

Schließlich ist noch anzumerken, dass das Patentkostengesetz die Gebühr bei Beschwerden gegen Entscheidungen des Patentamts in Einspruchssachen nicht (mehr) an die Art der abschließenden Entscheidung knüpft, sondern generell bei Beschwerden gegen die Entscheidung der Patentabteilung über den Einspruch 500 € vorschreibt, Anlage Nr 411 100 PatKostG. Entsprechend fügt das DPMA allen Endentscheidungen im Einspruchsverfahren dieselbe Rechtsmittelbelehrung bei (Vordruck P 2888).

IV.

1. Die Voraussetzungen für eine Rückzahlung der Einspruchsgebühr (§ 62 Abs 1 Satz 3 iVm § 147 Abs 3 Satz 2 PatG) sind nicht gegeben. Verfahrensfehler im Prüfungsverfahren, die ursächlich für die Einlegung des Einspruchs gewesen sein könnten und daher eine Rückzahlung der Einspruchsgebühr aus Billigkeitsgründen rechtfertigen könnten, sind im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch ersichtlich.

2. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde folgt aus § 100 Abs 2 PatG.

Dr. Anders Kalkoff Martens Dr. Zehendner Fa






BPatG:
Beschluss v. 30.10.2003
Az: 20 W (pat) 344/02


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