Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Oktober 2010
Aktenzeichen: 35 W (pat) 421/09

(BPatG: Beschluss v. 13.10.2010, Az.: 35 W (pat) 421/09)

Tenor

1.

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

2.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I Das Gebrauchsmuster 20 2004 021 168 mit der Bezeichnung "Schaftwerkzeug und zugehörige Einspeisestelle für Kühl-/Schmiermittel", das die innere Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 103 47755.1 in Anspruch nimmt, und aus der europäischen Patentanmeldung EP 04 79 0432.1 mit Anmeldetag 14. Oktober 2004 abgezweigt ist, ist am 4. Januar 2007 in das Gebrauchsmusterregister beim Deutschen Patentund Markenamt eingetragen worden. Die Bekanntmachung im Patentblatt erfolgte am 8. Februar 2007.

Die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 21 haben folgenden Wortlaut:

1.

Schaftwerkzeug, mit einem Bearbeitungsabschnitt und einem kreiszylindrischen Schaft, in dem zumindest ein innenliegender Kühl-/Schmiermittelkanal (468; 568; 668) ausgebildet ist, der auf der dem Bearbeitungsabschnitt abgewandten Seite eine Mündungsöffnung (578; 678) hat, wobei der Schaft (414; 514; 614) einen zylindrischen Spannabschnitt und auf der dem Bearbeitungsabschnitt abgewandten Seite einen stirnseitigen Stützabschnitt zur Anlage an einem Anschlussstück (412; 512; 612) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der stirnseitige Stützabschnitt die Form einer konischen Passungsfläche (470; 570; 670) hat, die sich so weit radial nach innen erstreckt, dass sie die zumindest eine Mündungsöffnung (578; 678) erfasst und die auf Fügepassung mit dem Anschlussstück (412; 512; 612) derart bearbeitet ist, dass radial außerhalb der zumindest einen Mündungsöffnung (578; 678) eine Dichtfläche (480; 580) ausgebildet ist.

2.

Werkzeug nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest ein Kühl-/Schmiermittelkanal (468; 568; 668) seine Mündungsöffnung (578; 678) außerhalb der Schaftachse (A) hat.

3.

Werkzeug nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die zumindest eine Mündungsöffnung (573) im Bereich eines zugeordneten stirnseitigen, im Wesentlichen radial gerichteten Schlitzes (474; 574) liegt.

4.

Werkzeug nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dassder Schlitz (474; 574) einen gerundeten Schlitzgrund hat.

5.

Werkzeug nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Schlitz eine Breite (BS) hat, die im Wesentlichen der lichten Weite (LW) des vom Anschlussstück (414; 514) kommenden Kühl-/Schmiermittel-Versorgungskanals (424; 524) entspricht oder kleiner als diese ist.

6.

Werkzeug nach einem der Ansprüche 3 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Schlitz im Wesentlichen Halbkreisquerschnitt hat.

7.

Werkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die konische Passungsfläche (470; 570; 670) von einer Kegelstumpf-Mantelfläche gebildet ist.

8.

Werkzeug nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Höhe (HK) des Kegelstumpfes größer ist als die Tiefe (TS) eines die zumindest eine Mündungsöffnung (578) erfassenden radialen Schlitzes im Bereich seines radialen Austritts aus dem Schaft (414; 514).

9.

Werkzeug nach einem der Ansprüche 3 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Tiefe (TS) des Schlitzes in radialer Richtung zunimmt.

10.

Werkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass der zumindest eine innenliegende Kühl/Schmiermittel-Kanal wendelförmig verläuft.

11.

Werkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass es aus einem Hartstoff, insbesondere einem Sinterwerkstoff einschließlich einem Cermet-Werkstoff besteht.

12.

Schnittstelle zwischen einem Werkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 11 und einer Einspeisestelle von Kühl/Schmiermittel, insbesondere der Art, wie sie bei der Minimalmengenschmierung (MMS) verwendet wird, dadurch gekennzeichnet, dass ein Anschlussstück (512; 612) einen zentrischen Kühl/Schmiermittel-Versorgungskanal (524; 624) aufweist, der im Scheitelbereich eines Innenkonus (572; 672) austritt, welcher formschlüssig die ihm zugewandte konische Passungsfläche (570; 670) des Schafts (514; 614) aufnimmt.

13.

Schnittstelle nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass das Werkzeug in einem Spannfutter, insbesondere einem Hydro-Dehnspannfutter oder einem Schrumpffutter aufgenommen ist.

14.

Schnittstelle nach Anspruch 12 oder 13, dadurch gekennzeichnet, dass das im Innenkonus (472; 572; 672) des Anschlussstücks aufgenommene Ende des Schneidteils (412; 512; 612) die Form eine Kegelstumpfes hat.

15.

Schnittstelle nach einem der Ansprüche 12 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass das Anschlussstück von einem axial verstellbar im Spannfutter aufgenommenen Adapter (512) gebildet ist.

16.

Schnittstelle nach einem der Ansprüche 12 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass eine die zumindest eine Mündungsöffnung (578; 678) im Werkzeugschaft (514; 614) erfassende schlitzartige Ausnehmung (574; 674) einen gerundeten Schlitzgrund (582) hat, wobei die schlitzartige Ausnehmung (574; 674) im Werkzeugschaft (514) und/oder im Anschlussstück (612) ausgebildet ist.

17.

Schnittstelle nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige schlitzartige Ausnehmung (574) eine Breite (BS) hat, die im Wesentlichen der lichten Weite (LW) des vom Anschlussstück (512) kommenden Kühl-/Schmiermittel-Versorgungskanals () entspricht oder kleiner als diese ist.

18.

Schnittstelle nach Anspruch 16 oder 17, dadurch gekennzeichnet, dass die schlitzartige Ausnehmung (574) im Wesentlichen Halbkreisquerschnitt hat.

19.

Schnittstelle nach einem der Ansprüche 16 bis 18, dadurch gekennzeichnet, dass die Tiefe (TS) der schlitzartigen Ausnehmung in radialer Richtung zunimmt.

20.

Schnittstelle nach einem der Ansprüche 12 bis 19, dadurch gekennzeichnet, dass der Adapter von einer Schraube gebildet ist, die im Wesentlichen die Form eines gestuften Zylinders hat, wobei der Abschnitt größeren Durchmessers den Innenkonus (572; 672) ausbildet.

21.

Schnittstelle nach Anspruch 20, dadurch gekennzeichnet, dass der Adapter (512) auf der dem Werkzeug zugewandten Seite eine zentrische Mehrkantausnehmung (584) mit geringer axialer Erstreckung hat.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 8. Juni 2007, eingegangen am 9. Juni 2007 bei der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts, Löschungsantrag mit dem Ziel der Löschung des Gebrauchsmusters im Umfang sämtlicher Schutzansprüche 1 bis 21 gestellt. Zum Stand der Technik hat die Antragstellerin im Laufe des Verfahrens folgende Dokumente genannt:

D1: EP1316387A1 D2: US3460410A D3: US1454452A D4: US5230593A D5: US5915895A D6: EP0283698B1 D7: Entwurf der Norm DIN 6535 D8: DE 101 57 450 A1 Mit Schriftsatz vom 4. November 2008 hat die Antragsgegnerin zuletzt erklärt, dass sie das Gebrauchsmuster nur noch im beschränktem Umfang mit den am selben Tag neu eingereichten Schutzansprüchen 1 bis 14, überarbeiteten Beschreibungsunterlagen sowie den Figuren 1 bis 5 verteidigt.

Nach Prüfung des Löschungsantrages hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts das Gebrauchsmuster 20 2004021 168 mit Beschluss vom 27. November 2008 teilgelöscht, soweit es über die Fassung der Schutzansprüche 1 bis 14 gemäß Antrag des Antragsgegners vom 4. November 2008 hinausgeht. Im Übrigen hat die Gebrauchsmusterabteilung I den Löschungsantrag zurückgewiesen.

Die von der Gebrauchsmusterabteilung I als bestandsfähig erachteten Schutzansprüche 1 bis 14, eingegangen am 4. November 2008 lauten:

1.

Schaftwerkzeug, mit einem Bearbeitungsabschnitt und einem kreiszylindrischen Schaft, in dem zumindest ein zur Schaftachse versetzter innenliegender Kühl-/Schmiermittelkanal (568) ausgebildet ist, der auf der dem Bearbeitungsabschnitt abgewandten Seite eine Mündungsöffnung (578) hat, wobei der Schaft (514) einen in einem Spannfutter einzuspannenden zylindrischen Spannabschnitt und auf der dem Bearbeitungsabschnitt abgewandten Seite einen stirnseitigen Stützabschnitt zur Anlage an einem im Spannfutter angeordneten Anschlussstück (512) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der stirnseitige Stützabschnitt die Form einer konischen Passungsfläche (570) hat, die sich so weit radial nach innen erstreckt, dass sie von der Stirnseite des Schafts (514) aus in Axialrichtung betrachtet die zumindest eine Mündungsöffnung (578) erfasst und die auf Fügepassung mit dem Anschlussstück (512) derart bearbeitet ist, dass radial außerhalb der zumindest einen Mündungsöffnung (578) eine Dichtfläche (580) ausgebildet ist, und die zumindest eine Mündungsöffnung (578) im Bereich eines zugeordneten, im Wesentlichen radial gerichteten Schlitzes (574) am stirnseitigen Stützabschnitt des Schafts (514) liegt, der radial aus der konischen Passungsfläche austritt.

2.

Werkzeug nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Schlitz (574) einen gerundeten Schlitzgrund hat.

3.

Werkzeug nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Schlitz eine Breite (BS) hat, die im Wesentlichen der lichten Weite (LW) des vom Anschlussstück (514) kommenden Kühl-/Schmiermittel-Versorgungskanals (524) entspricht oder kleiner als diese ist.

4.

Werkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Schlitz im Wesentlichen Halbkreisquerschnitt hat.

5.

Werkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die konische Passungsfläche (570) von einer Kegelstumpf-Mantelfläche gebildet ist.

6.

Werkzeug nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Höhe (HK) des Kegelstumpfes größer ist als die Tiefe (TS) eines die zumindest eine Mündungsöffnung (578) erfassenden radialen Schlitzes im Bereich seines radialen Austritts aus dem Schaft (514).

7.

Werkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Tiefe (TS) des Schlitzes in radialer Richtung zunimmt.

8.

Werkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass der zumindest eine innenliegende Kühl/Schmiermittel-Kanal wendelförmig verläuft.

9.

Werkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass es aus einem Hartstoff, insbesondere einem Sinterwerkstoff einschließlich einem Cermet-Werkstoff besteht.

10.

Schnittstelle zwischen einem Werkzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 9 und einer in einem Spannfutter gebildeten Einspeisestelle von Kühl-/Schmiermittel, insbesondere der Art, wie sie bei der Minimalmengenschmierung (MMS) verwendet wird, dadurch gekennzeichnet, dass ein im Spannfutter angeordnetes Anschlussstück (512) einen zentrischen Kühl-/Schmiermittel-Versorgungskanal (524) aufweist, der im Scheitelbereich eines Innenkonus (572) austritt, welcher formschlüssig die ihm zugewandte konische Passungsfläche (570) des Schafts (514) aufnimmt.

11.

Schnittstelle nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass das Werkzeug in einem Hydro-Dehnspannfutter oder einem Schrumpffutter aufgenommen ist.

12.

Schnittstelle nach Anspruch 10 oder 11, dadurch gekennzeichnet, dass das Anschlussstück von einem axial verstellbar im Spannfutter aufgenommenen Adapter (512) gebildet ist.

13.

Schnittstelle nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass der Adapter von einer Schraube gebildet ist, die im Wesentlichen die Form eines gestuften Zylinders hat, wobei der Abschnitt größeren Durchmessers den Innenkonus (572) ausbildet.

14.

Schnittstelle nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass der Adapter (512) auf der dem Werkzeug zugewandten Seite eine zentrische Mehrkantausnehmung (584) mit geringer axialer Erstreckung hat.

Gegen diesen Teillöschungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Löschungsantragstellerin und Beschwerdeführerin. Sie ist der Auffassung, dass auch der Gegenstand des Gebrauchsmusters gemäß dem geltenden Schutzanspruch 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der D6 nicht schutzfähig sei, weil der Fachmann alleine mit der aus der D6 ersichtlichen Lehre in der Lage sei, das streitgemäße Schaftwerkzeug herzustellen, da das aus der D6 bekannte Funktionsprinzip identisch sei mit dem des Streitgebrauchsmusters. Eine einfache Funktionsumkehr hinsichtlich der Aussparung und des Schlitzes führe daher den Fachmann zum Streitgegenstand.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluss und das Gebrauchsmuster in vollem Umfang zu löschen.

Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin hat den Ausführungen der Antragstellerin und Beschwerdeführerin widersprochen und vorgetragen, dass der Fachmann der D6 keinerlei technischen Lösungsvorschlag hätte entnehmen können, der ihn ohne eigenes erfinderisches Zutun zum Gegenstand des geltenden Schutzanspruchs 1 geführt haben könnte.

II.

Die zulässige Beschwerde ist sachlich nicht gerechtfertigt, denn der geltende Schutzgegenstand ist in der verteidigten Fassung nach §§ 1 bis 3 GebrMG schutzfähig.

1. Die Erfindung betrifft die Ausgestaltung eines Schaftwerkzeugs wie z. B. eines Bohr-, Fräs-, Reiboder Gewindeformoder -schneidwerkzeugs, welches mit einem innen liegenden Kühlkanal ausgestattet ist.

Nach Absatz [0002] der Streitgebrauchsmusterschrift werden Schaftwerkzeuge dieser Art in der Regel über ein, einen zentralen Kühl-/Schmiermittel-Versorgungskanal aufweisendes Anschlussstück mit dem Kühl-/Schmiermittel versorgt. Häufig erfolge dabei innerhalb eines Spannfutters ein Anschluss an ein Minimalmengenschmierung-Versorgungsteil.

Nach Absatz [0003] der Streitgebrauchsmusterschrift gehe es bei der Minimalmengenschmierung darum, einen Schmierstoffnebel mit einem minimalen Anteil an Schmierstoff und einem erheblichen Luftüberschuss in möglichst gleichmäßiger Konsistenz und Qualität an die im Eingriff befindlichen Schneiden zu bringen. Schwankungen in der Qualität könnten zu unvorhersehbarem Werkzeugbruch und in der Folge aufgrund Produktionsunterbrechung zu erheblichen Schäden führen.

Bei herkömmlichen Schaftwerkzeugen (DE 101 57 450 A1) erfolge eine Stabilisierung des Gemischs dadurch, dass mehrfache großwinkelige Umlenkungen der Ströme bzw. Teilströme vermieden werden, wodurch einer unkontrollierten Entmischung des Schmiernebels wirksam entgegen getreten werde. Jedoch erfordere dies eine verhältnismäßig komplexe Geometrie der im Eingriff befindlichen Anschlussflächen zwischen Werkzeugschaft und Einspeisungsteil, wodurch die Werkzeugkosten ansteigen.

Der Erfindung liegt nach der Beschreibung in Absatz [0012] die Aufgabe zugrunde, ein Schaftwerkzeug der eingangs beschriebenen Art zu schaffen, das einfacher herzustellen ist und dennoch Bestandteil einer effektiven Schnittstelle für die Kühl-/Schmiermitteleinspeisung in ein Werkzeug sein kann. Eine weitere Aufgabe ist die Bereitstellung einer Kühl-/Schmiermittelübergabe-Schnittstelle für ein solches Werkzeug, wobei mit einer wirtschaftlich herstellbaren Konfiguration sichergestellt sein soll, dass das Kühl-/Schmiermittel möglichst frei von Druckverlusten durch ein Einsatzstück und in den zumindest einen betreffenden innen liegenden Kanal im Werkzeug eingespeist und somit in homogener Qualität an die Schneide geleitet wird.

Die Lösung erfolgt gemäß den Merkmalen des geltenden Schutzanspruchs 1 sowie hinsichtlich der Kühl-/Schmiermittelübergabe-Schnittstelle mit den Merkmalen des geltenden Schutzanspruchs 10.

In einer gegliederten Fassung, auf die im Folgenden Bezug genommen wird, lautet der geltende Schutzanspruch 1:

1.

Schaftwerkzeug;

2.

das Schaftwerkzeug weist einen Bearbeitungsabschnitt auf;

3.

das Schaftwerkzeug weist einen kreiszylindrischen Schaft auf;

4.

in dem Schaftwerkzeug ist zumindest ein zur Schaftachseversetzter innenliegender Kühl-/Schmiermittelkanal (568) ausgebildet;

4.1. der Kühl-/Schmiermittelkanal (568) hat auf der dem Bearbeitungsabschnitt abgewandten Seite eine Mündungsöffnung (578);

4.2. der Schaft (514) hat einen zylindrischen Spannabschnitt, 4.2.1. der in einem Spannfutter einzuspannen ist;

4.3. der Schaft (514) hat auf der dem Bearbeitungsabschnitt abgewandten Seite einen stirnseitigen Stützabschnitt zur Anlage an einem im Spannfutter angeordneten Anschlussstück (512);

4.3.1. der stirnseitige Stützabschnitt hat die Form einer konischen Passungsfläche (570);

4.3.1.1. die konische Passungsfläche (570) erstreckt sich so weit radial nach innen, dass sie von der Stirnseite des Schafts (514) aus in Axialrichtung betrachtet die zumindest eine Mündungsöffnung (578) erfasst;

4.3.1.2. die konische Passungsfläche (570) ist auf Fügepassung mit dem Anschlussstück (512) derart bearbeitet, dass radial außerhalb der zumindest einen Mündungsöffnung (578) eine Dichtfläche (580) ausgebildet ist;

4.3.2. die zumindest eine Mündungsöffnung (578) liegt im Bereich eines zugeordneten, im Wesentlichen radial gerichteten Schlitzes (574) am stirnseitigen Stützabschnitt des Schafts (514);

4.3.2.1. der Schlitz tritt radial aus der konischen Passungsfläche aus.

Der Streitgegenstand nach Schutzanspruch 1 betrifft nach den Merkmalen 1 bis 4 ein Schaftwerkzeug mit einem Schaft und einem Bearbeitungsabschnitt, wobei in dem Schaftwerkzeug ein zur Schaftachse versetzter innenliegender Kühl/Schmiermittelkanal ausgebildet ist, der auf der dem Bearbeitungsabschnitt abgewandten Seite eine Mündungsöffnung hat. Nach Merkmal 3 weist das Schaftwerkzeug einen kreiszylindrischen Schaft auf, worunter nach fachgerechter Auslegung nur ein Schaft mit einem kreiszylindrischen Querschnitt zu verstehen sein kann. Der Schaft weist weiterhin einen zylindrischen Spannabschnitt auf, der in einem Spannfutter einzuspannen ist und auf der, dem Bearbeitungsabschnitt abgewandten Seite, einen stirnseitigen Stützabschnitt zur Anlage an einem im Spannfutter angeordneten Anschlussstück hat.

Wesentlich ist beim vorliegenden Streitgegenstand offenbar, dass der Stützabschnitt die Form einer konischen Passungsfläche hat, die mit einer korrespondierenden konischen Passungsfläche am Anschlussstück eine Dichtfläche ausbildet. Nach Absatz [0039] der geltenden Beschreibung handelt es sich dabei um eine formschlüssige Konusflächenpaarung. Aus dem Merkmal 4.3.1.1 erschließt sich dabei dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur mit Fachhochschulausbildung der Fachrichtung Maschinenbau und mit Erfahrungen in der Konstruktion von spanenden Schneidwerkzeugen, insbesondere mit innen liegenden Kühl/Schmiermittelkanälen, unmissverständlich, dass die zumindest eine Mündungsöffnung im Bereich der Passungsfläche liegt und zwar gemäß Merkmal 4.3.1.2 derart, dass die Dichtfläche radial außen liegt.

Hierdurch ergibt sich nach den Ausführungen in den Absätzen [0014] und [0015] der geltenden Beschreibung die Möglichkeit, die Kontaktund Dichtfläche zu einer angrenzenden Komponente wirksam zu vergrößern, ohne den Herstellungsprozess des Werkzeugs spürbar zu verteuern. Weiterhin habe die konische Passungsfläche darüber hinaus den großen zusätzlichen Vorteil, dass sich ein wesentlich breiteres Spektrum für die Gestaltung der Kühl-/SchmiermittelÜbergabe zum Werkzeug ergäbe. Denn die Konusfläche könne auch zur axialen und radialen Führung des Schmiermittels an die Mündungsstelle des Kühlkanals herangezogen werden, was bei Minimalmengenschmierung-Systemen bei denen das Öl/Luftgemisch homogen und ohne unerwünschte Entmischungen zur Werkzeugspitze geleitet werden soll, besonders vorteilhaft sei.

2. Die Schutzansprüche 1 bis 14, mit denen das Streitgebrauchsmuster verteidigt wird, sind zulässig (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG).

Der geltende Schutzanspruch 1 entspricht weitgehend dem ursprünglichen Anspruch 1. Die Ergänzungen "zur Schaftachse versetzter" in Merkmal 4 sowie "von der Stirnseite des Schafts (514) aus in Axialrichtung betrachtet" in Merkmal 4.3.1.1 sind klarstellende sowie beschränkende Ergänzungen, die beispielsweise aus der zeichnerischen Darstellung in Figur 3 offenbart sind.

Das Merkmal 4.2.1 sowie die Ergänzung "im Spannfutter angeordneten" im Merkmal 4.3 ergeben sich aus der Figur 5 in Verbindung mit entsprechenden Beschreibungsteilen.

Die Merkmale 4.3.2 und 4.3.2.1 ergeben sich aus dem ursprünglichen Anspruch 3 sowie aus der zeichnerischen Darstellung gemäß Figur 5. Der geltende Schutzanspruch 10 enthält sinngemäß die Merkmale des ursprünglichen Schutzanspruchs 12, wobei sich die vorgenommenen Ergänzungen, wonach die Einspeisestelle von Kühl-/Schmiermittel in einem Spannfutter gebildet und das Anschlussstück dort angeordnet ist, sich aus der zeichnerischen Darstellung der Figur 5 in Verbindung mit entsprechenden Beschreibungsteilen ergeben.

Die geltenden Schutzansprüche 2 bis 9 und 11 bis 14 entsprechen den ursprünglichen Schutzansprüchen 4 bis 11, 13, 15, 20 und 21.

3. Der geltend gemachte Löschungsgrund mangelnder Schutzfähigkeit (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG) ist gegenüber den geltenden Schutzansprüchen nicht gegeben.

3.1.Der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 ist gegenüber dem zu berücksichtigenden Stand der Technik neu i. S. v. § 3 GebrMG, was auch von der Löschungsantragstellerin nicht bestritten wird, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen.

3.2.Es lässt sich nicht feststellen, dass der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 nicht auf einem erfinderischen Schritt i. S. v. § 1 GebrMG beruht.

Aus der von der Beschwerdeführerin in erster Linie herangezogenen Druckschrift nach der EP 0 283 698 B1 (D6) ist ein innen gekühltes Bohrwerkzeug, bestehend aus einer Werkzeugspirale (4) und einem Spannschaft (6), bekannt geworden. Der Spannschaft - insgesamt mit Bezugszeichen (6) bezeichnet -weist eine Spannzange (12) als Spannfutter auf, die an die Außenkontur der Hartmetallspirale angepasst ist und somit als Schaft eines Schaftwerkzeugs im Sinne des Streitgebrauchsmusters aufgefasst werden kann. Da die Außenkontur der gewendelten Hartmetalspirale zylindrisch ist, weist das bekannte Bohrwerkzeug somit einen Schaft mit einem zylindrischen Spannabschnitt im Sinne der Merkmale 4.2 und 4.2.1 des Schutzanspruchs 1 des Streitgegenstandes auf. Die Spannzange (12) hat außen eine konische Außenfläche für das Zusammenwirken mit einem Innenkonus eines Futterkörpers (14), in den über ein Gewinde (16) eine Spannmutter

(18) mit Druckring (20) schraubbar ist. Die Werkzeugspirale (4), die ersichtlich einen Bearbeitungsabschnitt aufweist, (Merkmal 2) ist somit in einer sogenannten Doppelkonus-Spannzange aufgenommen, wobei der in der Spannzange liegende Teil der Werkzeugspirale das Griffteil des Werkzeugs bildet.

Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin ist jedoch der Schaft des bekannten Bohrwerkzeugs nach der D6 eindeutig nicht kreiszylindrisch ausgebildet, wie es insbesondere das Merkmal 3 des geltenden Schutzanspruchs 1 des geltenden Streitgebrauchsmusters vorgibt. Vielmehr zeigt die Figur 4 mit dem Bezugszeichen 66 bzw. die Figur 7 mit dem Bezugszeichen 96 zwei Ausnehmungen, die dem Querschnitt der Hartmetallspirale entsprechen (Spalte 5, Zeilen 1-2), wobei beide offenbarten Querschnitte ersichtlich nicht kreiszylindrisch sind.

In der Werkzeugspirale (4) sind nach Figur 2 zur Schaftachse versetzte, innen liegende Kühl-/Schmiermittelkänale (48) vorgesehen, die auf der dem Bearbeitungsabschnitt abgewandten Seite Mündungsöffnungen aufweisen (Merkmale 4 und 4.1). Am Ende der Werkzeugspirale ist ein Konus ausgeformt, der mit Passung an einer entsprechend geformten Konusausnehmung eines Stützkörpers (50; 80) anliegt. Mittels des Stützkörpers (50; 80) werden die beiden Kühl/Schmiermittelkänale zusammengeführt, so dass eine Versorgung mit Kühl/Schmiermittel über eine zentrale Bohrung (32) einer im Spannfutter angeordneten Justierschraube (24) erfolgen kann. Somit bildet bei der D6 die Justierschraube

(24) das im Spannfutter angeordnete Anschlussstück nach Merkmal 4.3 des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters und nicht der Stützkörper, wie es die Beschwerdeführerin vorgetragen hat. Denn der Stützkörper ist gemäß den Ausführungen in Spalte 4, Zeilen 25 bis 28 von der Hartmetallspirale getragen und somit an der Hartmetallspirale angeordnet.

Weiterhin ist - soweit unstrittig - kein radialer Schlitz am Ende der Werkzeugspirale ausgebildet, wie es die Merkmale 4.3.2. und 4.3.2.1 des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters vorgeben, sondern es ist eine Nut (58) im Stützkörper vorhanden.

Gemäß den Ausführungen in Spalte 4, Zeilen 38 bis 41 ist der Stützkörper vorzugsweise in fluchtender Lage der Nut mit den Mündungskanälen fest auf die Werkzeugspirale gelötet. Nach Überzeugung des Senats bezieht sich der Ausdruck "vorzugsweise" dabei auf das Verlöten als Befestigungsverfahen, und nicht als alternative des Verlötens zu einer lediglichen Anlage des Stützkörpers ohne eine Befestigung an die Werkzeugspirale. Das Löten stellt damit eine Variante einer dauerhaften Fügeverbindung dar. Hierfür gibt es in der D6 eine Vielzahl von Hinweisen. Beispielsweise wird gemäß den Ausführungen in Spalte 5, Zeilen 3 bis 16, in denen der Zusammenbau des Bohrwerkzeugs beschrieben wird, ausgerechnet der Stützkörper, der eine wesentlich Funktion bei der Kanalisierung des Kühl-/Schmiermittels hat, mit keinem Wort erwähnt, was zwingend darauf schließen lässt, dass der Stützkörper vorher auf die Hartmetallspirale aufgelötet wurde und somit fester Bestandteil der Hartmetallspirale ist. Auch die umständliche Montage, bei der die Hartmetallspirale von hinten in die Spannzange und die Mitnehmerscheibe eingeführt wird, lässt sich nur erklären, wenn bereits der Stützkörper auf die Hartmetallspirale aufgelötet ist. Letztendlich erschließt sich dem Fachmann auch aus funktionstechnischen Gründen, dass bei der D6 der Stützkörper auf die Hartmetallspirale aufgelötet sein muss. Denn ein nicht verlöteter und nur mit Konuspassung auf die Hartmetallspirale aufgelegter Stützkörper wäre zwischen Hartmetallspirale und Justierschraube in Rotations-Richtung formschlüssig nicht fixiert, wodurch die Gefahr der Verdrehung und somit eine Unterbrechung des Kühl-/Schmiermittelstroms bestünde. Zudem ist in der D6 in Spalte 4, Zeilen 41 ff ausdrücklich gesagt, dass "...die Hartmetallspirale somit mittels eines Stützkörpers 50 über die Dichtfläche 60 gegen die Justierschraube 24 gedrückt wird,..." und nachfolgend in Zeilen 47 ff ist ebenfalls von einer Abdichtung zwischen Justierschraube und Stützkörper die Rede. Es werden hier ausdrücklich Maßnahmen zur Verbesserung der Abdichtung an dieser Ebene zwischen Justierschraube und Stützkörper erwogen, an keiner Stelle der Beschreibung wird hingegen eine Abdichtung zwischen Hartmetallspirale und Kegelfläche des Stützkörpers erwähnt. Eine derartige zweite Abdichtungsfläche eines nicht fixierten Stützkörpers wird ein Fachmann aus konstruktiver Sicht bereits prinzipiell nicht in Erwägung ziehen.

Entgegen der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Auffassung unterscheidet sich der Streitgegenstand nach Schutzanspruch 1 von dem bekannten Bohrwerkzeug nach der D6 mit dem aufgelöteten Stützkörper, der somit ein zusätzliches Adapterstück bildet, wie oben dargelegt zumindest in den Merkmalen 3, 4.3.1 bis 4.3.2.1. Aus diesem Grund weist der Streitgegenstand nach Schutzanspruch 1 daher einen völlig andersartigen Aufbau auf als das bekannte Bohrwerkzeug. Daher kann die D6 für sich den Fachmann nicht dazu anleiten, ein Schaftwerkzeug mit den im Schutzanspruch 1 aufgeführten Merkmalen auszugestalten, bei dem auf ein Adapterstück in Form des aufgelöteten Stützkörpers völlig verzichtet wird.

Auch die übrigen Druckschriften D1 bis D5 sowie D7 bis D8, die in der mündlichen Verhandlung von der Antragstellerin und Beschwerdeführerin nicht mehr aufgegriffen worden sind, können den Fachmann nicht dazu anleiten, einen Gegenstand mit den Merkmalen des Schutzanspruchs 1 auszugestalten, wie der Senat überprüft hat. Die beanspruchte Lehre war auch nicht durch einfache fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar, sondern bedurfte darüber hinaus gehender Gedanken und Überlegungen, die auf das Vorliegen eines erfinderischen Schritts schließen lassen.

Der Schutzanspruch 1 in der verteidigten Fassung ist daher rechtsbeständig.

3.3.Der Gegenstand des nebengeordneten Schutzanspruchs 10, der aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbar ist, ist neu, da keine entgegengehaltene Druckschrift seine Merkmale in ihrer Gesamtheit zeigt. Er beruht auf einem erfinderischen Schritt.

Wie bereits zur Beurteilung des erfinderischen Schrittes des Schaftwerkzeugs nach dem geltenden Schutzanspruch 1 ausgeführt worden ist, sind aus dem Stand der Technik keine Schaftwerkzeuge bekannt oder nahe gelegt, die die im Schutzanspruch 1 aufgeführten Merkmale aufweisen.

Da der Schutzanspruch 10 auf Grund seines Rückbezuges auf den Schutzanspruch 1 somit auch diejenigen Merkmale umfasst, die dem Gegenstand nach Schutzanspruch 1 zugrunde liegen, ist das Vorliegen des erfinderischen Schritts übereinstimmend zu beurteilen. Auf die entsprechenden Ausführungen wird Bezug genommen.

Der geltende Schutzanspruch 10 hat daher auch Bestand.

3.4.Die Unteransprüche 2 bis 9 und 11 bis 14 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen der Gegenstände nach den Schutzansprüchen 1 und 10, die über Selbstverständlichkeiten hinausreichen. Sie haben daher ebenfalls Bestand.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 S. 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG und § 97 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

Müllner Rippel Dr. Dorfschmidtprö






BPatG:
Beschluss v. 13.10.2010
Az: 35 W (pat) 421/09


Link zum Urteil:
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