Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. März 2008
Aktenzeichen: 19 W (pat) 341/04

Tenor

Das deutsche Patent 100 62 466 wird widerrufen.

Gründe

I.

Für die am 14. Dezember 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung wurde die Erteilung des nachgesuchten Patents am 15. April 2004 veröffentlicht.

Das Patent betrifft ein Elektronisches Schloss, Schließanlage und Verfahren zum Öffnen und/oder Schließen eines elektronischen Schlosses.

Gegen das Patent haben die A... KG in W..., (Ein- sprechende I) und die D... GmbH in F..., (Einsprechende II) Einspruch er- hoben jeweils mit der Begründung, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei gegenüber einem im Einzelnen genannten Stand der Technik nicht neu oder beruhe gegenüber diesem zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns, und auch die übrigen Ansprüche ließen demgegenüber nichts Patentbegründendes erkennen.

Hinsichtlich der mit Eingabe vom 17. März 2008 vorgelegten - und nachfolgend mit einer eingefügten Merkmalsgliederung zitierten - neuen Patentansprüche sind die Einsprechenden der Ansicht, dass mit den jeweiligen Patentansprüchen 1 der Schutzbereich des Streitpatents gegenüber dem erteilten Patentanspruch 12 erweitert werde; auch gehe schon der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 12 über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie ursprünglich eingereicht worden sei.

Der Patentansprüche 1 nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3 lauten (mit einer eingefügten Merkmalsgliederung):

"a) Schließanlage mit mehreren, zumindest zwei elektronischen Türschlössern, b) jeweils mit einer Eingabeeinheit, einem Schließwerk, das elektrisch mit der Eingabeeinheit verbunden ist, wobei über die Eingabeeinheit das Schließwerk sperrbar und/oder entsperrbar ist, undc) einer Einrichtung zur Betätigung einer mit dem Schließwerk verbundenen Schließeinrichtung, d) wobei die Eingabeeinheit mit einer Einrichtung zur Darstellung von Daten verbunden ist, e) wobei die Eingabeeinheit (3) integraler Bestandteil der Einrichtung (4) zur Darstellung von Daten ist, dadurch gekennzeichnet, f) das zumindest ein Türschloss eine Eingabeeinheit (3) aufweist, über die Daten zum Sperren und/oder Entsperren von zumindest zwei Schließwerken unterschiedlicher Türschlösser eingebbar sind."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 ist darüber hinaus dadurch gekennzeichnet, dass

"g) die Eingabeeinheit eine Einrichtung (4) zur Darstellung von Daten, nämlich der Schließstellung der angeschlossenen Schließwerke (7) aufweist."

Die Patentinhaberin hat dazu ausgeführt, dass mit der Einfügung des Wortes "jeweils" am Anfang jedes Merkmals b), welche Einfügung auch in jedem Merkmal d) mitzulesen sei, nun klargestellt werde, dass jedes Türschloss der beanspruchten Schließanlage eine Eingabeeinheit und auch eine mit dieser verbundenen Einrichtung zur Darstellung von Daten aufweise.

Solches sei schon in der ursprünglichen Beschreibung als zur Erfindung gehörend offenbart durch die Angabe, dass zumindest ein Schloss - also auch jedes von zumindest zwei Schlössern - eine Eingabeeinheit aufweise, die auch jeweils mit einer Datenanzeige versehen sei.

Auch ausgehend von der bereits in der ursprünglichen Beschreibung als Ausgangspunkt der Erfindung genannten DE 196 03 200 C2 sei dem Fachmann klar, dass das bekannte Türschloss anmeldungsgemäß mit einer Datenanzeige versehen und mit weiteren Schlössern dieser Ausgestaltung zu einer Schließanlage kombiniert werden solle.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent gemäß den Ansprüchen vom 17. März 2008 (Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 4) mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass bezüglich aller Anträge im jeweiligen Anspruch 1 in der zweiten Zeile hinter dem Komma hinter dem Wort Türschlössern das Wort "jeweils" ergänzt wird.

Die Einsprechenden stellen übereinstimmend den Antrag, das Streitpatent zu widerrufen.

Sie sind der Ansicht, dass in der ursprünglichen Beschreibung insbesondere mit Blick auf die Figur 2 als erfindungsgemäße Ausführungsform keine Schließanlage offenbart sei, bei der jedes Türschloss über eine Eingabeeinheit verfüge, so dass eine solche nicht ursprünglich offenbart sei und das Streitpatent insoweit auch unzulässig erweitert werde.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der zulässige Einspruch hat auch Erfolg, denn der Gegenstand des Patents gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag und nach allen Hilfsanträgen 1 bis 4 geht jeweils über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der er ursprünglich eingereicht worden ist (§ 21 (1) Nr. 4 PatG).

Zuständiger Fachmann ist hier ein Fachhochschulingenieur der Elektrotechnik bzw. Elektronik mit Berufserfahrungen auf dem Gebiet der Entwicklung und den Einsatzmöglichkeiten elektronischer Türschlösser.

1. Lehre der geltenden Hauptansprüche Mit der Einfügung des Wortes "jeweils" am Anfang des Merkmals b) jedes Anspruchs 1 ist gegenüber der Fassung vom 17. März 2008 klargestellt, dass jedes der mindestens zwei die Schließanlage bildenden Türschlösser eine Eingabeeinheit aufweist.

Da - wie die Patentinhaberin zutreffend ausgeführt hat - dieses "jeweils" auch im Merkmal d) mitzulesen ist, betreffen die geltenden Hauptansprüche eine Schließanlage, bei der jedes Türschloss eine mit einer Einrichtung zur Darstellung von Daten verbundene Eingabeeinheit aufweist, wobei - und das lehrt Merkmal e) entsprechend - die Eingabeeinheit integraler Bestandteil der Einrichtung zur Darstellung von Daten ist.

2. Ursprüngliche Offenbarung von Schließanlagen Der ursprüngliche Anspruch 12 war auf eine Schließanlage gerichtet, bei der zumindest eines der elektronischen Schlösser eine Eingabeeinheit aufweist, mit der zumindest zwei Schließwerke unterschiedlicher Schlösser schließbar sein sollten.

Diese Eingabeeinheit kann die im ursprünglichen Anspruch 13 angegebene Einrichtung zur Darstellung von Daten aufweisen.

Zwar sind mit der Angabe "zumindest eines" im ursprünglichen Anspruch 12 auch Schließanlagen offenbart, bei denen zwei Schlösser eine Eingabeeinheit aufweisen.

Der Fachmann entnimmt aber nach Auffassung des Senats dem ursprünglichen Anspruch 13 auch keine Schließanlage, bei der - bei Vorhandensein von zwei Schlössern - die Eingabeeinheiten beider Schlösser jeweils auch noch eine Einrichtung zur Darstellung von Daten aufweisen, wie die nun geltenden Hauptansprüche jeweils fordern, denn es ist lediglich von "die Eingabeeinheiten" die Rede.

Solches hätte sprachlich leicht dadurch zum Ausdruck gebracht werden können, dass im ursprünglichen Anspruch 13 auf jede der im Anspruch 12 genannten Eingabeeinheiten abgestellt worden wäre.

Auch die ursprüngliche Beschreibung offenbart dem Fachmann keine Schließanlage, bei der mindestens zwei Schlösser eine Eingabeeinheit und auch eine Einrichtung zur Darstellung von Daten aufweisen.

Die in Figur 2 gezeigte Schließanlage weist nur ein einziges elektronisches Schloss mit Eingabeeinheit 5 und Einrichtung 6 zur Darstellung von Daten auf (S. 9 Z. 15 und 16 i. V. m. Z. 1 und 2 u. U.), mit welchem - nach Art einer Zentrale - weitere Schließwerke 7 überwacht und gesteuert werden (S. 9 Z. 26 bis 30 u. U.).

Dementsprechend ist in der Beschreibungseinleitung (S. 6 Abs. 3 u. U.) als Vorteil für eine anmeldungsgemäße Schließanlage angegeben, dass über eine Eingabeeinheit, die an einem zentral angeordneten Schloss, beispielsweise im Eingangstürbereich, vorgesehen ist, mehrere Schließwerke unterschiedlicher Schlösser angesteuert werden können, so dass sämtliche Türen zentral verriegelt bzw. gesperrt und gleichzeitig überwacht werden können.

Nach alledem bezieht der Fachmann nach Ansicht des Senats auch die dann folgenden Ausführungen zur Anzeige des Schließzustandes der Schließanlage (S. 6 Abs. 4 u. U.) nur auf dieses zentral angeordnete Schloss, dessen Eingabeeinheit hierzu eine Einrichtung zur Darstellung von Daten aufweist.

Zwar können aufgrund der Angabe "zumindest ein Schloss" (S. 6 Z. 16 u. U.) bei der anmeldungsgemäßen Schließanlage auch dezentral angeordnete Schlösser eine Eingabeeinheit aufweisen.

Der Fachmann denkt dabei aber lediglich an den Vorteil einer dezentralen Türöffnung ohne Anforderung bei der Zentrale, nicht aber daran, dass an jeder anderen Zugangstür die Funktion einer "Zentrale" bereitgestellt wird, indem auch dieses Schloss eine Einrichtung zur Darstellung von Daten aufweist.

Denn schon die vorangehenden Ausführungen zum anmeldungsgemäßen elektronischen Schloss (S. 4 Abs. 4 u. U.) weisen darauf hin, dass bei einer Integration in eine Schließanlage eine Vielzahl von Schlössern über ein zentrales elektronisches Schloss angesteuert werden können.

Der Fachmann entnimmt deshalb den ursprünglichen Unterlagen keine Schließanlage mit einem vollständigen Datenzugriff an dezentraler Stelle dadurch, dass mehr als ein elektronisches Schloss der Schließanlage sowohl eine Eingabeeinheit als auch eine Einrichtung zur Darstellung von Daten aufweist, wie in den Patentansprüchen 1 nach allen Anträgen vorgesehen ist, und mit der jedes Schloss die Funktion einer Zentrale aufweisen würde.

Zur erfindungswesentlichen Offenbarung einer derartigen Dezentralisierung aller wesentlichen Bedien- und Überwachungsfunktionen hätte es vielmehr eines klaren Hinweises in Gestalt einer eigenen Figur und/oder einer entsprechend klaren Angabe im Text der Anmeldungsunterlagen bedurft.

Der Gegenstand des Patents geht deshalb nach allen Anträgen über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus.

Bertl Dr. Mayer Gutermuth Dr. Kaminski Be






BPatG:
Beschluss v. 19.03.2008
Az: 19 W (pat) 341/04


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