Landgericht Flensburg:
Urteil vom 31. Januar 2006
Aktenzeichen: 1 S 101/05

(LG Flensburg: Urteil v. 31.01.2006, Az.: 1 S 101/05)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Flensburg vom 15.08.2005 (Az.: 65 C 40/05) abgeändert.

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Flensburg vom 31.03.2005 wird aufrecht erhalten.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen nach einem Streitwert von 10.100,- €.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

I. Der in Leverkusen wohnhafte Kläger begehrt Rückerstattung einer Kaufpreisanzahlung, die Beklagte widerklagend weitere Kaufpreiszahlung Zug-um-Zug gegen Übereignung einer Kette mit Diamant.

Die Beklagte betreibt in Flensburg ein Juweliergeschäft und ist im Flensburger Handelsregister eingetragen.

Am 03.01.2005 annoncierte sie im Kölner Stadtanzeiger: "G. Anonym GmbH, R. Weg 28, Bergisch Gladbach", "Bergisch Gladbacher Schmuckgroßhandel und Einzelhandel" "mit Handelsreisenden im ganzen Bundesgebiet" "schließt für immer". Jetzt erfolge ein "Verkauf an jedermann". Der Interessierte habe die "einmalige Gelegenheit Uhren und Schmuck zum Einkaufspreis der Juweliere" zu erwerben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Auszug des Kölner Stadtanzeigers vom 03.01.2005, Anlage K 1, Blatt 7 d.A., Bezug genommen.

Nach Lesen dieser Anzeige begab sich der Kläger noch am selben Tage in die Geschäftsräume im R. Weg in Bergisch Gladbach. Er einigte sich mit einer Verkäuferin der Beklagten über den Kauf einer zum Teil handgefertigten Panzerkette, 750er Gelbgold, halbmassiv, ca. 68,80 gr, Länge 41 cm, Kastenschloss mit zwei Sicherheitsachten, mit einem zentralen Diamantstein im Brillantschliff, 1,51 ct, si, getöntes Weiß in einer runden Fassung in Gelbgold mit Weißgoldinnenring, zu einem Bruttopreis von 10.000,00 €.

Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 2.000,00 €, gezahlt durch zwei Einzelbuchungen per Electronic Cash zu je 1.000,00 €. Die Parteien vereinbarten, dass der Kläger die Kette in den darauffolgenden Tagen gegen Zahlung des Restkaufpreises von 8.000,00 € abholen sollte. Hierfür übergab die Mitarbeiterin der Beklagten einen "Reparaturschein".

Im Nachhinein stellte der Kläger fest, dass eine G. Anonym GmbH mit Sitz in Bergisch Gladbach nicht im Handelsregister eingetragen ist, es aber die Beklagte gibt, eine Gold Anonym GmbH mit Sitz in Flensburg, deren Konto die abgebuchten 2.000,00 € gutgeschrieben worden waren.

Mit Anwaltsschreiben vom 05.01.2005 focht er seine auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung an und forderte die Beklagte auf, ihm bis zum 11.01.2005 die angezahlten 2.000,00 € zu erstatten.

Der Kläger hat vorgetragen,

der Inhalt der Zeitungsannonce habe den Eindruck erweckt, dass es sich bei der Verkäuferin um ein in Bergisch Gladbach etabliertes, alt eingesessenes und seriöses Juweliergeschäft handele, das seinen Geschäftsbetrieb einstelle. Nur diese Aussagen hätten ihn dazu bewogen, den Kaufvertrag über die Kette abzuschließen, ohne zuvor eine neutrale Expertise über den Wert einzuholen. Mit der Beklagten, einem ihm völlig unbekannten und nicht in Bergisch Gladbach ansässigen Unternehmen, habe er keineswegs einen Kaufvertrag abschließen wollen.

Der Kläger hat weiter behauptet, dass die von ihm gekaufte Kette nicht einem marktüblichen Großhandelsverkaufspreis von 10.000.00 € entspreche, dass es sich hierbei nicht um einwandfreien Schmuck handele und dass der Brillant keine 1,51 Karat aufweise.

Der Kläger hatte mit der der Beklagten am 17.02.2005 zugestellten Klageschrift zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 12.01.2005 zu zahlen. Am 14.03.2005 hatte das Amtsgericht Flensburg auf seinen Antrag im Wege des schriftlichen Vorverfahrens durch Versäumnisurteil, der Beklagten zugestellt am 31.03.2005, der Klage stattgegeben. Mit am 04.04.2005 eingegangenem Schriftsatz hatte die Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt.

Der Kläger hat beantragt,

das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Flensburg 65 C 40/05 vom 14.03.2005 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat sie beantragt,

1. den Kläger zu verurteilen, an sie 8.000,00 € Zug um Zug gegen die zum Teil handgefertigte Panzerkette, 750er Gelbgold, halbmassiv, ca. 68,80 gr, Länge 41 cm, Kastenschloss mit zwei Sicherheitsachten, mit einem zentralen Diamantstein im Brillantschliff, 1,51 ct, si, getöntes Weiß in einer runden Fassung in Gelbgold mit Weißgoldinnenring, zu zahlen sowie

2. den Annahmeverzug des Klägers mit der Entgegennahme dieses Schmuckstückes festzustellen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage in vollem Umfang stattgegeben.

Es hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB auf Rückzahlung von 2.000,00 €, denn der Kaufvertrag als rechtlicher Grund für diese Leistung bestehe weiter. Er sei nicht nach § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend durch Anfechtung erloschen.

Dem Kläger stehe kein Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 2 i. V. m. § 119 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB zu. Er habe den Kaufvertrag nicht infolge eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Beklagten als Verkäuferin abgeschlossen.

Die Beklagte habe den Kläger zwar dahingehend irregeführt, dass ihr Hauptfirmensitz in Bergisch Gladbach sei, wenn die Zeitungsanzeige vom 03.01.2005 auch eine Behauptung nicht enthalte, dass das Unternehmen in Bergisch Gladbach alteingesessen sei. Des Weiteren habe sie zu Unrecht erklärt, ein Schmuckgroßhändler zu sein und mit Handlungsreisenden im ganzen Bundesgebiet zu agieren. Auch sei ihre Firmenbezeichnung insofern unrichtig, als sie sich in der Zeitungsannonce vom 03.01.2005 als "G. Anonym GmbH" und nicht als "Gold-Anonym" ausgebe.

Der Kläger habe jedoch nicht hinreichend dargelegt, dass diese Falschbezeichnungen bei verständiger Würdigung ursächlich für seinen Entschluss gewesen seien, das besagte Schmuckstück zu erwerben. Eine solche Ursächlichkeit sei für den Regelfall zu verneinen, wenn sich der Irrtum - wie hier - lediglich auf unwesentliche Nebenpunkte bezogen habe.

Es könne nicht ausschlaggebend für einen Kaufentschluss sein, in welcher Stadt eine Firma ihren Sitz im Handelsregister eingetragen habe. Hinzu komme, dass die angeblich in Bergisch Gladbach ansässige Verkäuferin nach der Anzeige vom 03.01.2005 für immer habe schließen wollen, sie also auch für etwaige nachträgliche Gewährleistungsansprüche des Klägers nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte.

Ein weiterer Irrtum des Klägers über eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB sei nicht ersichtlich. Soweit der Kläger ergänzend behaupte, die Kette sei nicht einwandfrei und weniger als 10.000,00 € wert, der Brillant weise ferner keine 1,51 Karat auf, bleibe er beweisfällig.

Dem Kläger stehe auch kein Anfechtungsrecht nach § 123 Abs. 1 BGB zu. Zwar liege eine arglistige Täuschung der Beklagten vor, weil sie den Anschein hervorgerufen habe, ihr Unternehmen habe seinen Sitz in Bergisch Gladbach und schließe für immer. Es könne jedoch vernünftigerweise nicht angenommen werden, dass der Kläger sich gerade deshalb zum Kauf der Kette entschlossen habe.

Die Widerklage sei zulässig und begründet. Die Beklagte habe einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung der Kette aus § 433 Abs. 2 BGB. Der zwischen den Parteien am 03.01.2005 wirksam geschlossene Kaufvertrag bestehe fort, da der Kläger kein Anfechtungsrecht gehabt habe.

Für den zulässigen Feststellungsantrag zu 2 ergebe sich das Feststellungsinteresse aus § 756 Abs. 1 am Ende, § 765 Nr. 1 ZPO. Der Kläger befinde sich mit der Entgegennahme des Schmuckstücks im Annahmeverzug. Ein (weiteres) Angebot der Beklagten sei nach § 242 i. V. m. §§ 293 ff. BGB entbehrlich, da der Kläger die Abnahme der Kette mit seinem Anfechtungsschreiben und dem Antrag, die Widerklage abzuweisen, ernsthaft und endgültig verweigert habe.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers.

Das Amtsgericht habe ihn zu Unrecht für beweisfällig erachtet, soweit er bestritten habe, dass die Kette die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweise und einen marktüblichen Großhandels-Verkaufspreis von 10.000,- € habe. Er habe dafür Sachverständigenbeweis angeboten. Durch die Werbung sei der Kaufpreis auch zum wertbildenden Faktor geworden. Er sei deshalb berechtigt, den Vertrag gemäß § 119 Abs. 2 BGB anzufechten.

Ferner greife die Anfechtung gem. § 123 BGB durch. Das Amtsgericht habe zu Unrecht die Kausalität zwischen Täuschung und Willenserklärung verneint. Es habe dabei die Regelung des § 16 I UWG unberücksichtigt gelassen. Die Beklagte habe sich durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Sie habe vorgespiegelt, ein Schmuckgroßhandel gebe sein Geschäft auf und den Anschein erweckt, zu Großhandelspreisen an Endverbraucher zu verkaufen. Zudem habe sie den Eindruck eines besonderen "Schnäppchens" erweckt, indem sie eine Preisauszeichnung auf der Kette von 22.500,- € durchgestrichen und durch 12.500,- € ersetzt habe. Die irreführende und unwahre Werbung habe ihn, den Kläger, dazu gebracht, das Geschäft aufzusuchen und den Kaufvertrag abzuschließen. Hätte er gewusst, dass die Beklagte kein Schmuckgroßhandel gewesen sei und Schmuck nicht zu Großhandelspreisen abgegeben habe, hätte er das Geschäftslokal nicht aufgesucht und den Kauf nicht getätigt.

Hilfsweise ergebe sich die Berechtigung zur Rückgängigmachung des Vertrages aus § 311 Abs. 2 i.V.m. §§ 241 Abs. 2, 324 BGB.

Wegen der wirksamen Anfechtung bestehe keine Abnahmeverpflichtung und befinde er sich nicht im Annahmeverzug.

Der Kläger beantragt,

in Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils, das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Flensburg vom 31.03.2005 aufrecht zu erhalten und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurück zu weisen.

Es sei ein Kaufvertrag über die im einzelnen bezeichnete Kette zustande gekommen. Dieser sei nicht durch Anfechtung rückwirkend erloschen. Die Kaufsache sei mangelfrei. Der Kaufpreis gehöre nicht zur Beschaffenheit der Kaufsache, so dass auf diesen Gesichtspunkt keine Anfechtung gestützt werden könne.

Im Übrigen sei die Behauptung in der Werbung, das Collier zu einem Preis erwerben zu können, wie er sonst von Juwelieren gefordert werde, richtig gewesen. Dieser Juweliereinkaufspreis sei auch nicht unüblich hoch gewesen.

Ein Irrtum über die Identität der Beklagten habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe sich hierzu keine Vorstellungen gemacht.

Auch ein Irrtum über die Qualität der Beklagten habe nicht vorgelegen. Besondere Behauptungen dazu seien in der Annonce nicht gemacht worden. Dagegen spreche auch schon die "billige" Aufmachung der Anzeige.

Im Kammertermin vom 31.01.2006 hat der Beklagtenvertreter Schriftsatznachlass im Hinblick auf den Vortrag des Klägers zu der geänderten Preisauszeichnung beantragt.

Gründe

II. Die zulässige Berufung ist begründet.

Es kann dahin stehen, ob zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits ein Kaufvertrag über die Kette mit Diamant zustande gekommen ist. Jedenfalls wäre ein solcher Vertrag infolge Anfechtung wegen einer arglistigen Täuschung rückwirkend (§ 142 Abs. 1 BGB) erloschen, so dass die Beklagte dem Kläger gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zur Rückzahlung von 2.000,- € verpflichtet ist.

1. Es ist schon fraglich, ob zwischen den Parteien ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Für diesen Fall hätte die Beklagte den Kaufpreis ohne Rechtsgrund erhalten und wäre zur Rückzahlung verpflichtet (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall1 BGB).

Es ist zweifelhaft, ob der Kläger nach den Gesamtumständen des Vertragsschlusses (§§ 133,157 BGB) davon ausgehen konnte und musste, mit der Beklagten einen Kaufvertrag abzuschließen, als er in deren Bergisch Gladbacher Filiale mit deren Mitarbeiterin über den Kauf der Kette verhandelte.

Das Vertretungsrecht des BGB wird vom Offenheitsgrundsatz beherrscht. Erforderlich ist allerdings nur, dass der Vertretene individualisiert ist. Maßgebend sind die allgemeinen Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen und die Bestimmung des § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach ist nicht nur zu entscheiden, ob der Vertreter im Namen eines anderen gehandelt hat, sondern auch, in wessen Namen der Vertrag abgeschlossen wurde (Schramm, in MK Band 1, Allgemeiner Teil, 4. Aufl., § 164 Rdnr. 18).

Zwar hat sich der Kläger mit einer Mitarbeiterin der Beklagten über den Kaufgegenstand und den Kaufpreis geeinigt, seine auf den Abschluss eines Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung war aber nach seiner - von der Lektüre der Zeitungsannonce geprägten - Vorstellung an die Mitarbeiterin einer Firma G. Anonym, R. Weg 28 in Bergisch Gladbach gerichtet, eines Schmuckgroßhändlers, der für immer schließe und jetzt an jedermann verkaufe, also an eine tatsächlich nicht existente Firma. Die Mitarbeiterin der Beklagten verhandelte mit dem Kläger auch bis zum Schluss ohne kundzutun, abweichend von der Anzeige für ein in Flensburg ansässiges Unternehmen zu handeln.

Es kann offen bleiben, ob sich an diesem Ergebnis etwas ändert unter Berücksichtigung der Grundsätze über die sogenannten "unternehmensbezogenen Geschäfte", hinsichtlich derer Folgendes gilt: Wird insbesondere im kaufmännischen Geschäftsverkehr ein Vertrag ausdrücklich mit einem Unternehmen oder einer Firma geschlossen und betrifft der Vertragsinhalt einen zum Unternehmensbereich gehörenden Gegenstand, so wird grundsätzlich der Unternehmensinhaber Vertragspartner, ohne dass es darauf ankommt, ob der den Vertrag Abschließende als Vertreter handelt und dies auch kenntlich macht. § 164 Abs. 2 ist in diesem Fall nicht anwendbar, weil nicht zweifelhaft ist, wer Vertragspartner sein soll. Der Inhalt des Rechtsgeschäfts bzw. die Begleitumstände müssen nur die eindeutige Auslegung zulassen, dass ein bestimmtes Unternehmen berechtigt oder verpflichtet und ersichtlich der Inhaber dieses Unternehmens Vertragspartner sein soll (Schramm a.a.O., m. w. N.; OLG Koblenz, Urt. v. 27.10.2003, NJW RR 2004, 345, 346). Es reicht sogar, wenn der Vertreter namens einer nicht existierenden Scheinfirma handelt, hinter dieser Firma jedoch ein tatsächlicher Träger des Unternehmens steht, der als wirklicher Vertragspartner gewollt ist und dem Vertreter Vollmacht erteilt hat. Davon abzugrenzen sind indessen Fälle, in denen die Person des Vertretenen nicht lediglich unrichtig bezeichnet wird, sondern für den Geschäftspartner gerade eine Rolle spielt (BGH, Urt. v. 18.01.1996, NJW 1996, 1053, 1054 ).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehen Zweifel, ob die Beklagte Vertragspartnerin geworden ist, weil der Kläger aufgrund der Anzeige davon ausging, mit einem in Liquidation befindlichen Bergisch Gladbacher Schmuckgroßhändler über deshalb besonders günstige Angebote zu verhandeln, während es sich tatsächlich um ein Flensburger Juweliergeschäft handelte, das nicht aufgelöst wurde und bis heute fortbesteht.

2. Selbst wenn man davon ausginge, zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits sei ein Kaufvertrag zustande gekommen, hätte der Kläger einen solchen jedenfalls wirksam angefochten.

Der Kläger hat den Kaufvertrag ausdrücklich mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 05.01.2005 angefochten. Die Anfechtungsfrist der § 119 Abs. 1, 124 Abs. 1 BGB ist gewahrt.

Durch den Inhalt der Zeitungsannonce hat die Beklagte den Kläger arglistig (§ 123 Abs.1 BGB) über den wahren Geschäftsinhaber getäuscht.

Zutreffend hat das Amtsgericht angenommen, dass eine arglistige Täuschung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB über den Geschäftsinhaber vorgelegen hat, weil die Beklagte durch die Annonce bewusst den Eindruck erweckt hat, ihr Unternehmen habe seinen Sitz in Bergisch Gladbach, es handele sich um eines, das bisher nur an Juweliere und Wiederverkäufer verkauft habe und das jetzt im Rahmen eines Schließungsverkaufs erstmalig auch an Endverbraucher verkaufe.

Diese arglistige Täuschung, die als irreführende unwahre Werbung gemäß § 16 Abs. 1 UWG strafbar ist, war auch kausal für den Kaufentschluss des Klägers. Es kommt bei der Kausalitätsprüfung nach § 123 BGB nicht darauf an, ob der Getäuschte die Erklärung "bei verständiger Würdigung des Falles" nicht abgegeben hätte, vielmehr ist die Kausalität der Täuschung allein subjektiv zu beurteilen und bereits eine Mitursächlichkeit ausreichend (Palandt - Heinrichs , BGB, 65. Aufl., § 123, Anmerkung 24 m. w. N.). Diesen Anforderungen ist der Kläger mit seinem Sachvortrag gerecht geworden, wenn er ausführt, dass er durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen in der Zeitungsanzeige bewegt wurde, das Geschäftslokal der Beklagten aufzusuchen und dort die Kette zu kaufen. Er begab sich schließlich noch am selben Tage in das Geschäft, weil er sich wegen der von der Beklagten geschilderten außergewöhnlichen Umstände einen besonders günstigen Kauf versprach (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 12.06.1992, NJW RR 1993, 628, 629).

Im Übrigen kann auch eine objektive Betrachtung zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Beklagte muss sich an ihrem eigenen Verhalten festhalten lassen. Sie selbst ging davon aus, dass der falsche Inhalt ihrer Anzeige - es handele sich um einen Schließungsverkauf und nicht nur die Aufgabe einer Filiale - Käufer zum Kauf bewegen werde und kann sich nun nicht darauf zurückziehen, ihr Plan habe ausgerechnet beim Kläger nicht gefruchtet. Im Gegenteil ist ihr Plan strafbarer wettbewerbswidriger Anpreisung von Waren gerade auch beim Kläger aufgegangen.

Die Täuschung über einen Schließungsverkauf wurde sogar noch dadurch verstärkt, dass die Kette mit einem Schild versehen war, auf dem ein Preis von 22.500,- € durchgestrichen und durch 12.500,- € ersetzt worden war. Dieser in der Berufungsinstanz neue Vortrag ist unstreitig und damit zu berücksichtigen. Ein Fall des § 531 Abs. 1 ZPO liegt nicht vor, da die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme nicht besteht und damit weiterer über die Rechtsanwendung hinausgehender Aufwand nicht entsteht (vgl. Gummer/Heßler in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 531, Rdnr. 10). Schriftsatznachlass im Hinblick auf den Vortrag des Klägers zu der geänderten Preisauszeichnung war dem Beklagtenvertreter nicht einzuräumen. Die Kammer war nicht gehalten darauf hinzuweisen, dass unstreitiges neues Vorbringen im Berufungsrechtszug Berücksichtigung finden kann. Es handelt sich um eine Selbstverständlichkeit. Jeder Rechtsanwalt ist gehalten, in seiner Erwiderungsschrift auf neues Vorbringen einzugehen, um diese Folge zu vermeiden. Durch die Preisauszeichnung in Verbindung mit der Annonce suggerierte die Beklagte, dass es sich bereits bei dem durchgestrichenen Preis von 22.500,- um den Großhandelspreis gehandelt habe und nunmehr ein Kauf zu einem deutlich reduzierten Großhandelspreis möglich sei.

Deswegen kann dahin stehen, ob auch die Bewerbung der Schmuckstücke, die Abgabe erfolge zu Großhandelspreisen, in Verbindung mit der Auszeichnung an der Kette zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung berechtigt.

Die Beklagte hat dem Kläger arglistig vorgespiegelt, bereits bei dem ursprünglich ausgezeichneten Preis (22.500,- €) handele es sich um einen Großhandelspreis. Anders als im Rahmen der Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB kann der Preis einer Ware im Rahmen des § 123 BGB Kriterium einer arglistigen Täuschung sein.

Wird im Einzelfall unter Hervorhebung besonderer Umstände von einem besonders günstigen Preis oder von einem besonderen Angebot gesprochen, dann liegt im Einzelfall eine arglistige Täuschung vor, wenn der tatsächlich verlangte Preis keineswegs günstig ist (OLG Hamm, a. a. O.). Das ist hier der Fall. Der an der Kette ausgewiesene ursprüngliche Preis von 22.500,- € entsprach nicht üblichen Großhandelspreisen. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten soll nämlich erst der vom Kläger nochmals herunter gehandelte Preis von 10.000,- € dem Großhandelspreis entsprochen haben.

Es kann offen bleiben, ob die Täuschung kausal für die Abgabe der Willenserklärung durch den Kläger war.

3. Schließlich läge bei einem wirksamen Vertragsschluss - wie das Amtsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat - hinsichtlich der Person des Geschäftspartners zusätzlich ein Irrtum des Klägers im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB vor.

Es kann offen bleiben, ob dieser Irrtum auch ursächlich für den Kaufentschluss des Beklagten geworden ist. Dafür könnte sprechen, dass schließlich mit der Auflösung eines Bergisch Gladbacher Schmuckgroßhandels geworben wurde, tatsächlich handelte es sich um den Verkauf eines Flensburger Juweliergeschäftes, das bis heute fortbesteht. Hier könnte es deshalb nicht um einen üblichen Güteraustausch gegangen sein, sondern für den Kläger könnten die Besonderheiten des angeblichen Vertragspartners im Vordergrund gestanden haben (vgl. BGH Urt. v. 27.12.1960, BB 1960, 152)

Der Zinsanspruch folgt aus Verzug.

Die Widerklage ist nicht begründet, weil ein Kaufvertrag zwischen den Parteien jedenfalls infolge Anfechtung nicht mehr besteht

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10 ZPO.






LG Flensburg:
Urteil v. 31.01.2006
Az: 1 S 101/05


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