Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juni 2004
Aktenzeichen: 5 W (pat) 10/01

(BPatG: Beschluss v. 18.06.2004, Az.: 5 W (pat) 10/01)

Tenor

Die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterstelle - vom 25. Januar 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Anmelder.

Gründe

I.

Der Anmelder hatte am 22. August 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eine als "Aquapyr" bezeichnete Glaspyramide mit hygroskopischem Material im Inneren, welche durch Sonnenenergie Wasser erzeugen kann, zur Eintragung als Gebrauchsmuster angemeldet und gleichzeitig die Abzweigung aus seiner europäischen Patentanmeldung 97 121 405.1 (deren Anmeldetag er mit 5. Dezember 1997 angibt, während das europäische Patentregister den 18. Februar 1998 nennt) erklärt. Der Hinweis auf die Veröffentlichung des Rechercheberichts zu dieser europäischen Anmeldung war nach dem eingeholten Auszug aus dem Register am 6. Oktober 1999 im Europäischen Patentblatt veröffentlicht worden. Da der Anmelder innerhalb der sechsmonatigen Grundfrist des Art. 79 Abs. 2 EPÜ die Gebühr für die Benennung der Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat, für welchen Schutz begehrt wird, nicht gezahlt hatte, hatte das Europäische Patentamt mit Schreiben vom 2. Juni 2000, dem damaligen Verfahrensbevollmächtigen zugegangen am 5. Juni 2000, in Anwendung von Regel 85a der Ausführungsordnung zum Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente (AO-EPÜ) zunächst mitgeteilt, dass die - nunmehr zuschlagspflichtige - Benennungsgebühr noch innerhalb eines Monats nach Zustellung der Mitteilung wirksam gezahlt werden könne. Andernfalls werde nach Regel 69(1) AO-EPÜ die Mitteilung ergehen, dass die Benennung der Bundesrepublik Deutschland als zurückgenommen gelte. Mangels Zahlung innerhalb der Nachfrist war schließlich unter dem 1. September 2000 die Feststellung des Rechtsverlusts mitgeteilt worden.

Vor diesem Hintergrund hat die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts den Beschwerdeführer zunächst mit Schreiben vom 25. Oktober 2000 aufgefordert, die als verspätet gerügte Abzweigungserklärung zurückzunehmen. Dieser hat auf der Inanspruchnahme des für die europäische Anmeldung 97 121 405.1 maßgeblichen Anmeldetags bestanden und unter dem 11. Januar 2001, beim Patentamt eingegangen am 12. Januar 2001, hilfsweise Wiedereinsetzung in die versäumte Abzweigungsfrist begehrt. Mit Beschluss vom 25. Januar 2001, zugestellt am 31. Januar 2001, hat die Gebrauchsmusterstelle die Anmeldung sodann - unter gleichzeitiger Ablehnung der Wiedereinsetzung - zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass der Anmeldetag der europäischen Anmeldung, insofern diese bereits im April 2000 durch fingierte - und auch nicht durch Nachzahlung geheilte - Rücknahme erledigt gewesen sei, wegen Ablaufs der Zweimonatsfrist nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GebrMG nicht mehr habe in Anspruch genommen werden können. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Abzweigungsfrist scheide aus, da ein etwaiger Rechtsirrtum über den Fristbeginn nicht unverschuldet sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 22. Februar 2001. Er meint, die Abzweigung sei rechtzeitig erklärt worden. Vor der Gebrauchsmusterstelle hat er zur Begründung dieser Ansicht zunächst die Auffassung vertreten, dass die europäische Anmeldung erst mit fruchtlosem Ablauf der einmonatigen Nachfrist für die Zahlung der Benennungsgebühr nach Regel 85a AO-EPÜ - hier am 5. Juli 2000 - erledigt gewesen sei, die Abzweigungsfrist des § 5 Abs. 1 Satz 3 GebrMG mithin erst Ende Juli 2000 begonnen und mit Ablauf des Monats September 2000 geendigt habe. Abweichend hiervon stellt er im Beschwerdeverfahren zwar nicht mehr in Abrede, dass nach der Spruchpraxis des Europäischen Patentamts eine europäische Patentanmeldung bereits mit erfolglosem Ablauf der Grundfrist des Art. 79 Abs. 2 Satz 2 EPÜ als zurückgenommen gilt. Die - nicht vertrauenswürdigen - Daten des rein deklaratorischen Registerauszugs zugrundegelegt, habe diese Rechtsprechung in der Tat zur Folge, dass seine europäische Stammanmeldung sechs Monate nach dem 6. Oktober 1999 als Zeitpunkt der Veröffentlichung des Hinweises auf den europäischen Recherchebericht, d.h. bereits zum 7. April 2000 erledigt gewesen sei. Er hält dies indes für unbillig, insofern im Fall der Erledigung der Stammanmeldung durch Erteilungsbeschluss die Abzweigungsfrist erst mit Ablauf des Monats zu laufen beginnt, in welchem die Entscheidung rechtskräftig wird, und meint daher, auch bei der vorliegenden Fallkonstellation müsse für den Beginn des Fristenlaufs nach § 5 Abs. 1 Satz 3 GebrMG auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in welchem die (die Benennung der Bundesrepublik Deutschland betreffende) Rücknahmefiktion nicht mehr heilbar, ein darauf bezogener Verwaltungsakt nicht mehr überprüfbar gewesen sei. Da er die - nach Regel 69 (2) AO-EPÜ binnen einer Frist von zwei Monaten anfechtbare - Mitteilung über die Feststellung des Rechtsverlusts erst am 4. September 2000 erhalten habe, sei seine europäische Stammanmeldung nicht vor dem 4. November 2000 erledigt gewesen, so dass die Abzweigungserklärung vom 22. August 2000 rechtzeitig eingereicht worden sei. Folge man dieser Auffassung nicht, sei ihm jedenfalls Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren: Da die Frage, wann im Fall einer (fingierten) Rücknahme die Patentanmeldung erledigt ist, nicht abschließend geklärt sei, könne ein eventueller Rechtsirrtum nicht als verschuldet gewertet werden.

Dementsprechend beantragt der Anmelder sinngemäß, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes - Gebrauchsmusterstelle - vom 25. Januar 2001 aufzuheben und, gflls. unter Wiedereinsetzung in die versäumte Abzweigungsfrist, die Eintragung der Gebrauchsmusteranmeldung mit dem für die europäische Anmeldung 97 121 405.1 maßgeblichen Anmeldetag anzuordnen.

Der Beschwerdeführer hat am 25. Januar 2002 sein Einverständnis mit schriftlicher Entscheidung erklärt.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist frist- und formgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig. In der Sache bleibt sie aber ohne Erfolg: Da der Anmelder die Abzweigung verspätet erklärt hat, hat die Gebrauchsmusterstelle seine an der Inanspruchnahme des Anmeldetags der europäischen Anmeldung 97 121 405.1 festhaltende Gebrauchsmusteranmeldung mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 8 GebrMG zu Recht zurückgewiesen, zumal auch eine Wiedereinsetzung wegen schuldhafter Versäumung der Abzweigungsfrist nicht in Betracht kam.

1. Die seitens des Beschwerdeführers erstrebte Eintragung in das Gebrauchsmusterregister setzt nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GebrMG voraus, dass die Anmeldung den Anforderungen der §§ 4, 4a GebrMG genügt. Im Fall einer (als lex specialis zur Bestimmung des Anmeldetags nach § 4a Abs. 2 Satz 1 GebrMG anzusehenden) Abzweigung aus einer früheren Patentanmeldung hat die Eintragungsbehörde (bzw. das Beschwerdegericht) auch deren Erfordernisse zu prüfen. Insbesondere darf eine Eintragung mit dem Anmeldetag einer früheren Patentanmeldung dann nicht erfolgen, wenn die Abzweigung verspätet und damit nicht wirksam erklärt worden ist. So verhält es sich hier:

a. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GebrMG kann das in § 5 Abs. 1 Satz 1 GebrMG normierte Abzweigungsrecht des Anmelders, d.h. die Möglichkeit, für seine Gebrauchsmusteranmeldung den früheren Anmeldetag einer (dieselbe Erfindung betreffenden, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland eingereichten) Patentanmeldung in Anspruch zu nehmen, nur innerhalb einer Frist von "zwei Monaten nach dem Ende des Monats, in dem die Patentanmeldung erledigt ...ist", ausgeübt werden. Für die Frage, ob sich die am 22. August 2000 erklärte Abzweigung noch innerhalb dieser Zweimonatsfrist hält, ist mithin entscheidend, in welchem Monat die Erledigung der europäischen Anmeldung 97 121 405.1 eingetreten ist.

b. In Übereinstimmung mit der Gebrauchsmusterstelle geht der Senat davon aus, dass dies bereits im April 2000 erfolgt ist, so dass die Frist des § 5 Abs. 1 Satz 3 GebrMG, die mit dem Ende dieses Monats zu laufen begonnen hatte, mit Ablauf des Monats Juni bereits verstrichen war - mit der Folge, dass die erst am 22. August 2000 erklärte Abzweigung verspätet und mithin nicht wirksam war.

Nach Art. 91 Abs. 4 EPÜ gilt die Benennung eines Staates in einer europäischen Anmeldung als zurückgenommen, wenn die nach Art. 79 Abs. 2 Satz 1 EPÜ anfallende Benennungsgebühr nicht rechtzeitig gezahlt wird. Zur Frage der Rechtzeitigkeit bestimmt zunächst Art. 79 Abs. 2 Satz 2 EPÜ, dass die Gebühr innerhalb von sechs Monaten nach dem Tag zu entrichten ist, an dem im Europäischen Patentblatt auf die Veröffentlichung des europäischen Recherchenberichts hingewiesen worden ist. Zwar eröffnet - worauf sich der Anmelder anfänglich berufen hatte - Regel 85a (1) AO-EPÜ die Möglichkeit, nach fruchtlosem Ablauf der Grundfrist des Art. 79 Abs. 2 Satz 2 EPÜ die (nunmehr zuschlagspflichtige) Benennungsgebühr binnen eines Monats nach Zustellung eines Hinweises auf die Fristversäumnis (hier: 5. Juni 2000) nachzuentrichten. Diese Nachfrist bleibt jedoch für die Frage der Rechtzeitigkeit einer Zahlung und damit für den Zeitpunkt des Eintritts der Rücknahmefiktion des Art. 91 Abs. 4 EPÜ außer Betracht. Dabei ist zunächst zu sehen, dass Regel 85a (1) AO-EPÜ in der ursprünglichen Fassung der Ausführungsordnung nicht enthalten war - so dass die Norm seinerzeit zur Bestimmung der Rechtzeitigkeit einer Zahlung nicht herangezogen werden konnte, die Frage des Zeitpunkts, in dem die Rücknahmefiktion des Art. 91 Abs. 4 EPÜ wirksam wird, mithin allein an Hand von Art. 79 Abs. 2 Satz 2 EPÜ zu ermitteln war. Aber auch die mit der späteren Einführung der Regel 85a AO-EPÜ verbundene Rechtsänderung sollte nach dem Willen des Verordnungsgebers, wie die Große Beschwerdekammer mit ihrer Entscheidung vom 27. November 2000 (ABl. 2001, 131 ff.) für Regel 85a (1) AO-EPÜ bestätigt hat, nicht den Eintritt der Rücknahmefiktion an das Ende der Nachfrist verlagern. Dies wird durch die Formulierung in Regel 85a (1) AO-EPÜ bestätigt, wonach die (nunmehr zuschlagspflichtige) Gebühr "noch ... wirksam", d.h. "rückwirkend" entrichtet werden kann. Die Regel eröffnet somit weder nach ihrem Wortlaut noch nach der ratio legis eine Fristverlängerung; vielmehr stellt sie lediglich - wiederum im Wege der Fiktion - eine Heilungsmöglichkeit für die versäumte Frist derart zur Verfügung, dass die verspätete Zahlung als rechtzeitig gilt. Auch nach Wortlaut und Sinn der Regel 85a (1) AO-EPÜ tritt mithin der Rechtsverlust - vorbehaltlich einer durch Nachzahlung der Gebühr samt Zuschlag innerhalb der Nachfrist bewirkten rückwirkenden Heilung - mit Ablauf der Grundfrist nach Art. 79 Abs. 2 Satz 2 EPÜ ein, d.h. sechs Monate nach dem Tag der Veröffentlichung des Hinweises auf den europäischen Recherchenbericht.

Vorliegend ist diese Veröffentlichung ausweislich des Registerauszugs im Europäischen Patentblatt vom 6. Oktober 1999 erfolgt. Soweit der Beschwerdeführer die Zuverlässigkeit des Auszugs unter Verweis auf Falscheinträge in Internetdatenbanken generell in Zweifel zieht, greift dieser Einspruch nicht durch; denn zu Recht behauptet er selbst nicht, dass diese Angabe unzutreffend wäre. Wie ein Blick in das Europäische Patentblatt vom 6. Oktober 1999 (S. 181, 283) bestätigt, wurde der Hinweis auf den europäischen Recherchenbericht für die europäische Anmeldung 97 121 405.1 (Veröffentlichungsnummer 0 947 470) gleichzeitig mit dieser Anmeldung zu dem in der Rolle genannten Zeitpunkt veröffentlicht. Bei dieser Sachlage hatte die sechsmonatige Grundfrist des Art. 79 Abs. 2 Satz 2 EPÜ mit Ablauf des 6. April 2000 geendet - mit der Folge, dass die Benennung der Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat am 7. April 2000 als zurückgenommen gilt, so dass nach der in Art. 91 Abs. 4, Abs. 1 lit. e EPÜ normierten Rücknahmefiktion die europäische Anmeldung mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland (mangels rückwirkender Heilung durch Zahlung der um den Zuschlag erhöhten Benennungsgebühr innerhalb der Nachfrist) an diesem Tag als erledigt gilt.

Wenn der Beschwerdeführer die Erledigung nicht an den Ablauf der Grundfrist nach Art. 79 Abs. 2 Satz 2 EPÜ (hier: 7. April 2000) geknüpft sehen möchte, sondern - unter Verweis auf die Rechtsprechung zu Fällen der Erledigung kraft (behördlicher oder gerichtlicher) Entscheidung - statt dessen auf den 4. November 2000 als denjenigen Zeitpunkt abstellen möchte, in welchem die ihm - in Anwendung von Regel 69 (1) AO-EPÜ - mitgeteilte Feststellung des Rechtsverlusts gemäß Regel 69 (2) AO-EPÜ nicht mehr überprüfbar gewesen sei, so hilft ihm dies nicht weiter. Denn im vorliegenden Fall besteht die Erledigung nicht in einer der Bestandskraft fähigen behördlichen (oder der Rechtskraft fähigen gerichtlichen) Entscheidung, sondern tritt - wegen Vorliegens der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Rechtsnorm, die als Rechtsfolge die Fiktion der Rücknahme der Anmeldung bzw. der Benennung der Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat anordnet - kraft Gesetzes ein. Für eine Anknüpfung an die Rechts- oder Bestandskraft einer Entscheidung ist in Ermangelung einer solchen Entscheidung kein Raum. Als maßgeblicher Zeitpunkt kommt in diesen Fällen vielmehr nur der Eintritt der Rücknahmefiktion in Betracht, hier also der 7. April 2000. Der Umstand, dass die dem Beschwerdeführer am 4. September 2000 mitgeteilte Feststellung des Rechtsverlusts binnen einer Frist von zwei Monaten einer behördlichen Überprüfung zugänglich war (Regel 69 (2) AO-EPÜ), vermag keine abweichende Beurteilung zu begründen: Denn diese Mitteilung stellt als bloße Feststellung weder eine Entscheidung dar noch hat sie - etwa im Sinn einer Tatbestandsvoraussetzung - den Eintritt der Rücknahmefiktion des Art. 91 Abs. 4 EPÜ und damit die Erledigung der europäischen Anmeldung ausgelöst; sie war lediglich (weitere) Folge der bereits in der Vergangenheit eingetretenen Erledigung in Form der fingierten Rücknahme der Benennung.

c. War die nach Art. 91 Abs. 4 EPÜ vorgesehene fingierte Rücknahme der Benennung der Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat mithin bereits zum 7. April 2000 eingetreten, war in diesem Zeitpunkt auch die europäische Anmeldung 97 121 405.1, soweit die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat benannt worden war (Art. 66 EPÜ), erledigt gewesen. Demnach hatte die zweimonatige Abzweigungsfrist des § 5 Abs. 1 Satz 3 GebrMG mit Ende des Monats April 2000 begonnen und war mit Ablauf des Monats Juni 2000 verstrichen, so dass die Abzweigungserklärung vom 22. August 2000 verspätet und daher nicht wirksam war.

2. Auch die vom Anmelder hilfsweise begehrte Wiedereinsetzung in die versäumte Frist des § 5 Abs. 1 Satz 3 GebrMG ermöglicht keine ihm günstigere Entscheidung, § 123 Abs. 1, Abs. 2 PatG i.V.m. § 21 Abs. 1 GebrMG.

Zunächst begegnet bereits die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags unter dem Gesichtspunkt der Rechtzeitigkeit erheblichen Bedenken (§ 123 Abs. 2 S. 1 PatG). Der Anmelder war bereits mit Bescheid der Gebrauchsmusterstelle vom 25. Oktober 2000 auf die Verspätung der Abzweigungserklärung aufmerksam gemacht worden. Damit wäre der nunmehr als Hinderungsgrund geltend gemachte Rechtsirrtum mit Zugang dieses Hinweises - deren Zeitpunkt in der Akte nicht vermerkt ist - weggefallen gewesen, so dass die Zweimonatsfrist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG spätestens in den ersten Novembertagen in Lauf gesetzt worden, der erst am 12. Januar 2001 beim Patentamt eingegangene Wiedereinsetzungsantrag demnach verspätet gestellt worden wäre.

Der Senat hält es vorliegend jedoch für entbehrlich, dieser - nur durch weitere Nachforschungen und unter Nachholung der Gewährung rechtlichen Gehörs zu klärenden - Frage nachzugehen. Selbst wenn man zugunsten des Beschwerdeführers von der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags ausgeht, kann dies im Ergebnis keine abweichende Entscheidung begründen. Denn der vom Anmelder geltend gemachte Hinderungsgrund, wonach er über den Zeitpunkt der Erledigung einer Anmeldung im Fall der (fingierten) Rücknahme einem Rechtsirrtum erlegen sei, war jedenfalls nicht unverschuldet. Selbst wenn die Rechtslage objektiv unklar gewesen wäre, wäre der damalige patentanwaltliche Vertreter des Anmelders jedenfalls gehalten gewesen, den für seinen Mandanten sichersten Weg zu wählen und vorsorglich so zu handeln, dass dessen Belange auch bei ihm ungünstiger Klärung der Zweifelsfragen gewahrt bleiben (vgl. BGHZ 8, 47). Es hätte ihm mithin oblegen, die Abzweigung noch vor Ablauf des Monats Juni 2000 zu erklären, also so rechtzeitig, dass selbst für den Fall, dass die Rechtsprechung eine Erledigung der Anmeldung im frühest möglichen Zeitpunkt, d.h. mit Ablauf der Grundfrist des Art. 79 Abs. 2 Satz 2 EPÜ, annimmt, die Wahrung der Abzweigungsfrist gewährleistet gewesen wäre. Wenn er statt dessen darauf vertraut, dass die Eintragungsbehörde von einer erst im Laufe des Juni 2000 oder gar später eintretenden Erledigung der europäischen Anmeldung ausgehen werde, ist ein solches Verhalten mit der objektiven Sorgfalt, die ein als Verfahrensbevollmächtigter eingeschalteter Patentanwalt aufzuwenden hat, nicht vereinbar. Für diese Pflichtwidrigkeit seines damaligen Verfahrensbevollmächtigten hat der Beschwerdeführer nach allgemeinen Grundsätzen entsprechend § 85 Abs. 2 ZPO einzustehen (vgl BGH GRUR 2000, S. 1010, 1011 - Schaltmechanismus; BGH GRUR 2003, 724 - Berufungsfrist).

Konnte aber dem Begehren des Anmelders, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Frist des § 5 Abs. 1 Satz 3 GebrMG zu gewähren, nicht entsprochen werden, so hat es mit der unter Ziff. 1. ausgeführten Unwirksamkeit der Abzweigung sein Bewenden.

Goebel Dr. Proksch-Ledig Hübner Pr






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Az: 5 W (pat) 10/01


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