Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. März 2001
Aktenzeichen: 10 W (pat) 120/99

(BPatG: Beschluss v. 05.03.2001, Az.: 10 W (pat) 120/99)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluß der Prüfungsstelle 11.43 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Juli 1999 aufgehoben.

Die Anmeldegebühr in Höhe von DM 100,00 ist dem Anmelder zu erstatten.

Gründe

I Der Anmelder ist Inhaber der - deutschen - Patentanmeldung 195 07 572.2 vom 3. März 1995, die ein Verfahren zur Zurichtung von tierischen Häuten oder Fellen betrifft. Der Anmelder hat am 1. März 1996 für den gleichen Gegenstand ein Patent nach den Vorschriften des Vertrags über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) bei dem Europäischen Patentamt (Az.: PCT/EP 96/00882) angemeldet, für die PCT-Anmeldung die Priorität der deutschen Patentanmeldung 195 07 572.2 in Anspruch genommen und - unter anderen - die Bundesrepublik Deutschland sowie das Europäische Patentamt unter Erstreckung auch auf Deutschland als Bestimmungsstaat benannt. Die PCT-Anmeldung hat später vom Deutschen Patent- und Markenamt das Aktenzeichen 196 80 123.0 erhalten.

Unter dem 5. November 1997 erließ das - deutsche - Patentamt für die internationale (PCT-)Anmeldung eine "Benachrichtigung gemäß § 35 Abs 3" (nunmehr § 36 Abs 6) PatG mit dem Hinweis, daß die internationale Anmeldung als zurückgenommen gelte, wenn die Anmeldegebühr in Höhe von 100,00 DM nicht bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Nachricht entrichtet werde. Es hat die Nachricht dem Anmelder selbst zugestellt, obwohl in den Unterlagen der Weltorganisation für geistiges Eigentum die im Rubrum als Verfahrensbevollmächtigte aufgeführten Patentanwälte als Anwälte genannt waren. Der Anmelder hat die Anmeldegebühr am 2. Dezember 1997 bezahlt.

Das Patentamt hat den Anmelder danach zur Abgabe der Erfinderbenennung aufgefordert und - nachdem diese Erklärung nicht abgegeben wurde - durch Beschluß vom 24. April 1998 die Anmeldung zurückgewiesen. In bezug auf die prioritätsbegründende Voranmeldung 195 07 572.2 hat das Patentamt dem Anmelder mit Bescheid vom 6. Februar 1998 mitgeteilt, daß diese gemäß § 40 Abs 5 PatG iVm Art III § 4 Abs 3 IntPatÜG als zurückgenommen gelte, weil in der internationalen Anmeldung die innere Priorität der Voranmeldung wirksam in Anspruch genommen worden sei, nachdem allein die Anmeldegebühr gezahlt worden sei.

Der Anmelder hat für das Verfahren 196 80 123.0 mit Schriftsatz vom 19. Februar 1998 beantragt, ihm die am 2. Dezember 1997 gezahlte Anmeldegebühr von DM 100,00 zu erstatten, weil diese Zahlung irrtümlich erfolgt sei. Hinsichtlich der Voranmeldung 195 07 572.2 begehrt er die Feststellung, daß diese nicht als zurückgenommen gilt. Zur Begründung führt er aus, er sei lediglich von einer deutschen Patentanmeldung ausgegangen, nämlich von der Anmeldung 195 07 572, und von einer internationalen Anmeldung, aus der mittlerweile eine europäische Patentanmeldung hervorgegangen sei. Die Existenz einer zweiten deutschen Anmeldung sei ihm weder bewußt gewesen noch habe er eine solche Anmeldung beabsichtigt gehabt. Er habe deshalb angenommen, daß die angeforderte Anmeldegebühr für die nationale (Vor-)Anmeldung 195 07 572.2 bestimmt gewesen sei.

Durch Beschluß vom 23. Juli 1999 hat das Patentamt die Erstattung der Anmeldegebühr abgelehnt. Es liege kein beachtlicher Irrtum vor.

Mit der Beschwerde verfolgt der Anmelder seinen Antrag auf Erstattung der Anmeldegebühr weiter. Er vertritt die Auffassung, daß die Zahlung dieser Anmeldegebühr wegen Irrtums wirksam angefochten sei und damit eine nationale Anmeldung nicht bestehe.

Der Anmelder beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die am 2. Dezember 1997 gezahlte Anmeldegebühr zu erstatten.

II Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Dem Anmelder ist die Anmeldegebühr von DM 100,00 zu erstatten. Die Gebühr wurde nicht rechtzeitig entrichtet, so daß die an ihre Zahlung geknüpfte Rechtswirkung, nämlich die Weiterbehandlung der internationalen Anmeldung als nationale Anmeldung (Eintritt in die nationale Phase) nicht eintreten konnte.

Gemäß Art III § 4 Abs 3, Art III § 6 Abs 2 IntPatÜG hat der Anmelder, wenn er die Wirkung einer internationalen Anmeldung in der Bundesrepublik Deutschland aufrechterhalten will, innerhalb der Fristen der Art 22 bzw 39 PCT die Anmeldegebühr nach § 34 Abs 6 Satz 2 PatG zu zahlen. (Die Einreichung der dort ebenfalls vorgesehenen Übersetzung ist bei der hier vorliegenden deutschsprachigen internationalen Anmeldung gegenstandslos.) Die Zahlungsfristen nach den vorerwähnten Vorschriften des PCT von 20 bzw 30 Monaten liefen am 3. November 1996 (Zahlungsfrist nach Art 22 PCT) bzw am 3. September 1997 (Zahlungsfrist nach Art 39 PCT) ab. Die Anmeldegebühr ist am 2. Dezember 1997 bei dem Patentamt eingegangen und deshalb verspätet gezahlt. Gemäß Art 24 Abs 1 bzw Art 39 Abs 3 PCT war mit dem fruchtlosen Ablauf der Zahlungsfristen die in Art 11 Abs 3 PCT vorgesehene Wirkung der internationalen Anmeldung beendet, die internationale Anmeldung stellte damit in der Bundesrepublik Deutschland eine vorschriftsmäßige nationale Anmeldung nicht mehr dar.

Die Anmeldegebühr kann nicht deswegen als rechtzeitig entrichtet angesehen werden, weil ihr eine Aufforderung des Deutschen Patentamts nach § 34 Abs 6 Satz 2 PatG vorausging und die Gebühr auch innerhalb der Monatsfrist nach § 34 Abs 6 Satz 2 PatG entsprechend der Aufforderung des Patentamts eingezahlt worden ist. Für diese Gebührennachricht fehlt eine Rechtsgrundlage. Sie ist daher unstatthaft und kann weder die Rechtsfolge nach § 34 Abs 6 S 2 PatG herbeiführen noch einer Anmeldung - erneut - die Wirkung nach Art 11 Abs 3 PCT beilegen.

Weder der PCT noch die insoweit erlassenen inländischen Vorschriften sehen eine derartige Nachricht vor. Eine solche Nachricht ist bereits durch die strenge Fristenregelung in Art 22 Abs 1, Art 39 Abs 1 PCT ausgeschlossen (vgl BPatGE 26, 1, 6 für den gleich zu behandelnden Fall einer internationalen Gebrauchsmusteranmeldung). Ein Überschreiten der Frist beendet die Wirkung der internationalen Anmeldung gem Art 11 Abs 3 PCT. Eine nach Ablauf der genannten Zahlungsfristen des PCT erlassenen Gebührennachricht würde eine Anmeldung betreffen, die wirkungslos ist, wäre demnach ohne Sinn. Eine Gebührennachricht in der gemäß § 34 Abs 6 PatG vorgesehenen Form und mit den in dieser Vorschrift vorgesehenen Rechtswirkungen vor Ablauf der Fristen aber ist ausgeschlossen, weil das Patentamt als Bestimmungsamt eine internationale Anmeldung vor Ablauf der Fristen grundsätzlich nicht bearbeiten darf, Art 23 Abs 1, Art 40 Abs 1 PCT. Ein Ausnahmefall nach Art 23 Abs 2, Art 40 Abs 2 PCT lag hier nicht vor.

Soweit das Patentamt aus Art III § 4 Abs 2, § 6 Abs 2 IntPatÜG, wonach "der Anmelder innerhalb der in Artikel 22 Abs. 1 (bzw Art 39 Abs 1) des Patentzusammenarbeitsvertrags vorgesehenen Frist die Anmeldegebühr nach § 34 Abs 6 des Patentgesetzes ... zu entrichten" hat, geschlossen haben sollte, daß die Verweisung auch § 34 Abs 6 Satz 2 PatG einschließt, also nicht nur die Gebührenpflichtigkeit anordnet sondern gleichzeitig das nach dem Patentgesetz in § 34 Abs 6 Satz 2 vorgesehene Verfahren für die Zahlung der Gebühr für anwendbar erklärt, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Art III § 4 Abs 2 Satz 1 IntPatÜG in der Fassung vom 21. Juni 1976 (BlPMZ 1976, 264 ff) sah vor, daß innerhalb der Frist des Art 22 Abs 1 PCT "die Anmeldegebühr nach § 26 Abs. 2 Satz 1 des Patentgesetzes zu entrichten" war, wobei die genannte Vorschrift § 34 Abs 6 Satz 1 PatG in der derzeit geltenden Fassung entsprach. Damit wurde von dem Vorbehalt des Art 22 Abs 1 PCT Gebrauch gemacht, innerhalb der dort erwähnten Frist die Zahlung der (nationalen) Anmeldegebühr zu verlangen (vgl Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über internationale Patentübereinkommen, BlPMZ 1976, 322, 330). Art III § 4 Abs 2 IntPatÜG ist in der Folgezeit dreimal geändert worden.

1. Durch Art 2 Abs 4 Nr 7 des Gebrauchsmusteränderungsgesetzes (GbmÄndG) vom 15. August 1986 (BlPMZ 1986, 310, 315) ist die Angabe "§ 26 Abs 2 Satz 1" durch "§ 35 Abs 3" ersetzt worden. Diese Änderung erfolgte "zur Bereinigung von Verweisungen auf Vorschriften des Patentgesetzes" (vgl Begründung zum GbmÄndG, BlPMZ 1986, 320, 329 zu II. 1).

2. Durch Art 6 Nr 7 des 2. Gemeinschaftspatentgesetzes (2. PatÄndG) vom 20. Dezember 1991 (BlPMZ 1992, 42 ff) ist die Vorschrift dahin geändert worden, daß sie ausdrücklich die Anmeldegebühr für internationale Gebrauchsmusteranmeldungen erfaßt.

3. Schließlich ist durch Art 6 Nr 6 des 2. Patentänderungsgesetzes (2. PatÄndG) vom 16. Juli 1998 (BlPMZ 1998, 382 ff) als redaktionelle Anpassung an Änderungen des Patentgesetzes die Angabe "§ 35 Abs 3" durch "§ 34 Abs 6" ersetzt worden.

Danach ist zwar bei der durch das GbmÄndG erfolgten Neufassung des Art III § 4 Abs 2 Satz 1 IntPatÜG die Angabe "Satz 1" hinsichtlich der in Bezug genommenen Vorschrift des Patentgesetzes weggelassen worden. Eine inhaltliche Änderung der Vorschrift des IntPatÜG dahin, daß für die Zahlung der Anmeldegebühr bei einer internationalen Anmeldung auch das für nationale Anmeldungen üblicherweise vorgesehene Verfahren stattfinden sollte, war damit jedoch nicht verbunden. Denn diese Änderung diente, wie die Begründung zu der geänderten Vorschrift zeigt, nur dazu, die Verweisungen auf Vorschriften des Patentgesetzes zu bereinigen, eine inhaltiche Änderung sollte nicht stattfinden. Hätte mit der Neufassung von Art III § 4 Abs 2 S 1 IntPatÜG eine inhaltliche Änderung verbunden sein sollen, so hätte dies in der Begründung erwähnt werden müssen, zumal eine Anwendung der Vorschrift des § 34 Abs 6 Satz 2 PatG auf internationale Anmeldungen weder unmittelbar noch entsprechend möglich ist, da für internationale Anmeldungen die Anmeldegebühr nach dem eindeutigen Wortlaut des Art III § 4 Abs 2 Satz 1 IntPatÜG und des Art 22 Abs 1 bzw Art 39 Abs 1 PCT vor dem Ablauf der dort erwähnten Fristen zu zahlen ist und gleichzeitig die Voraussetzung für den Eintritt in die nationale Phase darstellt (vgl Begründung zum 2. Gemeinschaftspatentgesetz, BlPMZ 1992, 53). Dem Gesetzgeber war die Problematik zudem bei Erlaß des GbmÄndG aufgrund der Entscheidung des Patentgerichts (aaO) bekannt. Auch aus den übrigen Änderungen des IntPatÜG ergibt sich nicht, daß der Gesetzgeber die ursprüngliche Verweisung lediglich auf § 35 Abs 3 Satz 1 PatG (jetzt § 34 Abs 6 Satz 1 PatG) ändern und eine Gebührennachricht entsprechend § 34 Abs 6 Satz 2 PatG mit nachfolgender Zahlungsfrist einführen wollte.

Auch der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts hat zu dieser Frage in einer anderen beim Senat anhängigen Sache (10 W (pat) 104/99, Stellungnahme vom 25. September 2000) die Auffassung vertreten, daß Art III § 4 Abs 2 IntPatÜG nur eine Verweisung auf § 36 Abs 6 Satz 1 PatG (jetzt § 34 Abs 6 Satz 1 PatG) enthalte und deshalb eine förmliche Gebührennachricht für die Anmeldegebühr nicht zu erfolgen hat (vgl hierzu auch Busse, PatG 5. Aufl; Art III § 6 Rdn 3 IntPatÜG). Allerdings ist es nach dieser Stellungnahme offenbar patentamtliche Praxis, für internationale (PCT)-Anmeldungen als Serviceleistung einen Mahnlauf bei Nichtzahlung der Gebühr innerhalb der Frist des Art 22 PCT einzuleiten. Gegen die Einrichtung einer derartigen Serviceleistung bestehen grundsätzlich keine Einwendungen. Sie muß aber so gestaltet sein, daß sie den gesetzlichen Vorschriften entspricht und insbesondere auch den relevanten internationalen Regelungen - hier denen des PCT - Rechnung trägt. Deshalb müßte eine Nachricht des Patentamts so rechtzeitig erfolgen, daß die Anmeldegebühr noch innerhalb der Fristen des PCT gezahlt werden kann, vgl Art III § 4 Abs 2 S 1 Int-PatÜG: "innerhalb". Eine Nachricht, die - wie vorliegend - erst nach Ablauf der Fristen nach Art 22 Abs 1 bzw 39 Abs 1 PCT ergeht, kann - wie bereits ausgeführt - ihren Zweck nicht erfüllen, auf einen bevorstehenden Zahlungsfristablauf hinzuweisen und einem Anmelder den Erhalt der Anmeldung zu ermöglichen.

Das Patentamt könnte sich auch nicht auf Art 22 Abs 3; Art 39 Abs 1b PCT berufen, denn die Bundesrepublik Deutschland hat von der in diesen Vorschriften eingeräumten Möglichkeit, für die Anmeldegebühr eine nach Ablauf der in diesen Vorschriften vorgesehenen Fristen endende Frist vorzusehen, keinen Gebrauch gemacht. Das IntPatÜG in seiner ursprünglichen Fassung spricht eindeutig gegen eine entsprechende nationale Regelung. Auch Art III § 4 Abs 2 Satz 1 IntPatÜG in seiner derzeitigen Fassung läßt eine solche Annahme nicht zu, da die Vorschrift weiterhin von einer Zahlung der Anmeldegebühr innerhalb der Frist des Art 22 PCT spricht.

§ 34 Abs 6 S 2 PatG bedeutet keine Verlängerung einer Frist im Sinn von Art 22 Abs 3 PCT. Diese Vorschrift bietet - wie der 5. Senat des Bundespatentgerichts (aaO) ausgeführt hat - die Möglichkeit der Fristverlängerung nur durch das Setzen von Fristen gleicher Art, also durch genaue, für alle Verfahren gleicherweise geltende, vom Einzelfall unabhängige Fristen. Dem folgt der beschließende Senat. Eine solche Frist wird - was keiner weiteren Darlegung bedarf - durch § 34 Abs 6 PatG nicht gesetzt.

Die entgegen Art III § 4 Abs 2 Satz 1, § 6 Abs 2 IntPatÜG erlassene Gebührennachricht schafft auch keinen Vertrauenstatbestand. Eine solche entgegen dem eindeutigen Wortlaut gesetzlicher Bestimmungen erlassene Benachrichtigung kann Fristen, die in internationalen Vereinbarungen enthalten sind und die der deutsche Gesetzgeber so übernommen und von einer Verlängerungsmöglichkeit nicht Gebrauch gemacht hat, von sich aus nicht durch weitere Fristsetzungen verlängern.

Danach hat der Anmelder die nach dem PCT, Art 22 bzw 39 iVm § 34 Abs 6 Satz 1 PatG zu entrichtende Anmeldegebühr zu spät gezahlt und die nationale Phase nicht wirksam eingeleitet. Die verspätet gezahlte Gebühr ist nicht verfallen und damit dem Anmelder zu erstatten.

Von einer Zulassung der Rechtsbeschwerde mit dem Ziel, dem Präsidenten des Patentamts den Beitritt zu ermöglichen, um Rechtsbeschwerde einzulegen, ist abgesehen worden, weil der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts mit der Auffassung des Senats offensichtlich übereinstimmt.

Bühring Dr. Schermer Schuster Hu/Be






BPatG:
Beschluss v. 05.03.2001
Az: 10 W (pat) 120/99


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