Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 5. Februar 2013
Aktenzeichen: 7 K 6575/10

(VG Köln: Urteil v. 05.02.2013, Az.: 7 K 6575/10)

Der Bezeichnungszusatz "akut" kann bei einem Arzneimittel gegen Sodbrennen vom Verbraucher mit einem schnellen Wirkungseintritt in Verbindung gebracht werden. Ein solcher Zusatz verstößt gegen das Irreführungsverbot des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG, wenn das Mittel dieser Erwartung nicht entspricht.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilte der Fa. C. GmbH/B. mit Datum vom 22.03.2000 die arzneimittelrechtliche Zulassung (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) für das Fertigarzneimittel "P1. 20 mg" in der Darreichungsform "magensaftresistente Kapseln" und dem arzneilich wirksamen Bestandteil "Omeprazol", 20,00 mg je abgeteilte Arzneiform. Die Anwendungsgebiete des seinerzeit verschreibungspflichtigen Präparats waren wie folgt formuliert:

"- Ulcus duodeni

- Ulcus ventriculi

- Refluxösophagitis

- Zollinger-Ellison-Sydrom

Hinweise:

Bei geringfügigen Magen-Darm-Beschwerden, z.B. nervösem Magen, ist P1. 20 mg nicht angezeigt.

Bei Patienten mit Ulcus duodeni oder -ventriculi sollte der Helicobacter pylori-Status bestimmt werden. Für Helicobacter pylori positive Patienten ist, wo immer möglich, eine Beseitigung des Bakteriums durch eine Eradikationstherapie anzustreben."

Die Verlängerung der Zulassung erfolgte gegenüber der Klägerin als neuer Zulassungsinhaberin unter der Bezeichnung "P. k 20 mg" mit Bescheid vom 19.11.2007. Die Anwendungsgebiete waren um die Indikationen

"- Schwere Refluxösophagitis bei Kindern über 2 Jahren

- Rezidivprophylaxe der Refluxösophagitis

- Prophylaxe und Behandlung von durch nichtsteroidale Antiphlogistika

(Acetylsalicylsäure, Antirheumatika) verursachten Magen- und Zwölffingerdarmge-

schwüren

- Symptomatische Behandlung der gastroösophagealen Refluxkrankheit"

erweitert.

Arzneimittel mit dem Wirkstoff "Omeprazol" unterlagen bis zum 01.08.2009 der Verschreibungspflicht. Durch die 7. VO zur Ànderung der Arzneimittel-VerschreibungsVO vom 21.07.2009 (BGBl. I 2114) wurden omeprazolhaltige Arzneimittel in der Wirkstärke 20 mg zur Behandlung von Sodbrennen und saurem Aufstoßen aus der Verschreibungspflicht entlassen und unterlagen nur noch der Apothekenpflicht. Im Hinblick darauf zeigte die Klägerin eine Ànderung der Anwendungsgebiete des Arzneimittels in diesem Sinne unter der Bezeichnung "P. I. 20 mg" an. Mit Ànderungsanzeige vom 10.03.2010 zeigte sie zudem die Ànderung der Arzneimittelbezeichnung in "P. akut 20 mg" an.

Mit Schreiben vom 27.04.2010 beanstandete das BfArM die Bezeichnungsänderung gegenüber der Klägerin. Die Behörde sah eine Verletzung des Irreführungsverbots gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG und führte hierzu aus: Der Bezeichnungszusatz "akut" werde von weiten Anwenderkreisen mit einem besonders schnellen Wirkeintritt in Verbindung gebracht. Eine Zeitdauer von 1-2 Stunden sei hiermit nicht vereinbar. Eine restriktive Handhabung der Bezeichnungsvorschriften diene einer klareren Arzneimittelkennzeichnung im apothekenpflichtigen OTC-Bereich. Dürfte jedes Arzneimittel mit einem durchschnittlichen Wirkeintritt nach 1-2 Stunden den Zusatz "akut" tragen, könnten 80 % der apothekenpflichtigen Arzneimittel in diesem Sinne gekennzeichnet werden. Damit verlöre sich aber der unterscheidende Charakter des Bezeichnungszusatzes. HSoweit bislang für verschiedene Arzneimittel-Klassen Bezeichnungszusätze wie "akut" zugelassen worden seien, werde das inzwischen zunehmend kritisch gesehen. Das BfArM bemühe sich um eine Anpassung an das heutige Rechtsverständnis und die geänderten Marktverhältnisse. Die noch auf dem Markt befindlichen Arzneimittel mit dem Zusatz "akut" konzentrierten sich im Wesentlichen auf Mittel gegen akuten Durchfall, einen Hustenlöser, der offensiv vermarktet werde und dementsprechend bekannt sei und auf Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Ibuprofen. Außerdem setzte sich das BfArM mit dem Urteil des OLG München vom 25.02.2010 - 29 U 5347/09 - (Vorinstanz: LG München, Urteil vom 20.11.2009 - 7 O 17092/09 -) zur Wettbewerbsgemäßheit des Bezeichnungszusatzes "akut" auseinander.

Dem trat die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 27.05.2010 entgegen. Sowohl im Wettbewerbs- als auch im Arzneimittelrecht komme es nach der Rechtsprechung des EuGH auf die Sicht eines aufmerksamen und informierten Verbrauchers an. Tatsächlich machten sich die Verbraucher zunächst einmal gar keine Gedanken über die eventuelle Bedeutung eines Bezeichnungszusatzes. Óberlegungen in dieser Richtung erfolgten erst bei entsprechender Frage, wobei das Ergebnis maßgeblich von der Fragestellung abhänge. Dem Bezeichnungszusatz könne nicht der Bedeutungsinhalt "Ein akutes Mittel" im Sinne eines schnell wirksamen Mittels zugemessen werden, da "akut" ein medizinischer Begriff sei, der auf den Krankheitsverlauf weise. Die Klägerin verwies in diesem Zusammenhang auf ein sprachwissenschaftliches Gutachten Kepplinger, das dem BfArM vorliege. Nicht ganz richtig sei, dass die Arzneimittel mit dem Zusatz "akut" nur einen sehr kleinen Ausschnitt aus dem Spektrum zugelassener Präparate darstellten. Diese umfassten auch andere als nur Mittel gegen Durchfall, einen Hustenlöser und Schmerzmittel mit Ibuprofen. Dem Schreiben war eine Liste mit insgesamt 192 Präparaten beigefügt. In Relation zu 17.340 apothekenpflichtigen Arzneimitteln errechnete die Klägerin auf dieser Grundlage einen Prozentsatz von > 1,1 %.

Mit Bescheid vom 28.07.2010 stellte das BfArM fest, dass die Ànderung der Bezeichnung von "P. I. 20 mg" in "P. akut 20 mg" einen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG darstelle. Wegen dieses Verstoßes könne der Zulassungsbescheid nicht gemäß § 29 Abs. 2 AMG geändert werden. Auch unter Berücksichtigung der Argumente aus dem Schreiben vom 27.05.2010 und der Widerspruchsbegründung in einem Parallelverfahren ("Stomep 10 mg", Zulassungs-Nr. 73389.00.00) führe die Bezeichnungsänderung zu einer Verletzung des Irreführungsverbots. Dem BfArM stehe insoweit eine eigene Prüfungskompetenz zu, da der Zulassungsbescheid erst geändert werden könne, wenn geprüft worden sei, dass kein Verstoß gegen ein gesetzliches Gebot vorliege. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin dürfe das Arzneimittel auch vor einer Umsetzung der Bezeichnungsänderung auf der Zulassungsebene nicht unter der neuen Bezeichnung vermarktet werden.

Das von der Klägerin vorgelegte Zahlenmaterial sei für die Frage der Irreführung nicht relevant und hinsichtlich der Relation von 1,1 % auch zu bestreiten. Das BfArM sei selbst zu einer Beurteilung der Verbrauchererwartung imstande. Die Verbraucher machten sich vor Erwerb des Arzneimittels durchaus Gedanken über den Bedeutungsinhalt des Zusatzes "akut". Dieser sei geeignet, Assoziationen mit einem schnelleren Wirkeintritt zu wecken, auch wenn der allgemeine Sprachgebrauch den Begriff "akut" in Zusammenhang mit Krankheiten und Symptomen kenne. Einen schnelleren Wirkeintritt könne das Arzneimittel der Klägerin nicht für sich beanspruchen. Das BfArM verwies in diesem Zusammenhang auf eine Studie Karamanolis, G. et al., 2008 mit vier verschiedenen Wirkstoffen, die einen Anstieg des MagenpH-Wertes über 4 für Omeprazol erst nach mindesten 2 1/2 Stunden gezeigt habe, während für andere Wirkstoffe sich Zeiten zwischen 2 Minuten und 50 Minuten ergeben hätten. "Akut" stehe zudem nicht ausschließlich im Gegensatz zu "chronisch". Etymologische Wörterbücher gäben die Bedeutung "heftig, plötzlich" an. Zumindest bei letzterem bestehe ein zeitlicher Bezug zum Auftreten der Beschwerden. Refluxbeschwerden träten in der Regel nicht plötzlich und heftig auf, sondern - abgesehen von Ausnahmen - allmählich und länger anhaltend. Zwar werde zwischen Akuttherapie und Erhaltungstherapie der Refluxkrankheit unterschieden - und somit nicht nur Krankheiten und Symptome mit dem Wort "akut" belegt, wie die Klägerin meine -; eine "akute Refluxkrankheit" oder ein "akutes Sodbrennen" zählten aber nicht zum allgemeinen medizinischen Sprachgebrauch. Auch ein Bezug auf Arzneimittel, die aus der Verschreibungspflicht entlassen worden seien, helfe nicht weiter, da die Verkaufsabgrenzung in keinem Zusammenhang mit einem akuten Auftreten von Beschwerden oder deren schneller Linderung stehe.

Das BfArM setzte sich schließlich mit den von der Klägerin vorgelegten Gutachten Blume und Brune auseinander. Die im erstgenannten Gutachten angegeben Werte bezögen sich auf die intragastrale Applikation von Omeprazol, die nicht den Bedingungen der Einnahme von "P. I. " entspreche. Der im Gutachten Brune dargestellte Wirkeintritt binnen einer halben Stunde beruhe auf schnell freisetzendem Omeprazol ohne einen magensaftresistenten Óberzug.

Die Klägerin erhob am 20.08.2010 Widerspruch. Sie bekräftigte ihre Auffassung, dass die Ànderung der Arzneimittelbezeichnung nicht der Zustimmung des BfArM bedürfe. Sie sei daher unabhängig davon, ob der Zulassungsbescheid entsprechend geändert sei, befugt, das Arzneimittel unter der neuen Bezeichnung in den Verkehr zu bringen. Anderes ergebe sich auch nicht aus verschiedenen vom BfArM zitierten Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW). Das Gericht habe lediglich eine Prüfungskompetenz des BfArM hinsichtlich der Arzneimittelbezeichnung bejaht, die auch nicht in Abrede gestellt werde.

Die Bezeichnung "P. akut" sei nicht irreführend. Im deutschen Sprachverständnis werde das Adjektiv "akut" ausschließlich zur Charakterisierung des Auftretens eines mehr oder weniger drängenden Problems oder eines Krankheitsverlaufs benutzt, nicht aber in Zusammenhang mit dem Zeitpunkt oder der Dauer der Lösung eines Problems. Der Verbraucher werde aus der Bezeichnung erst einmal die Information entnehmen, dass das Arzneimittel 20 mg des Wirkstoffs Omeprazol enthält und bei genau dem akut aufgetretenen Krankheitsbild für eine bestimmte Zeit ("nicht länger als 2 Wochen") eingesetzt werde. Es sei dem Verbraucher ohnehin klar, dass es nicht auf die Geschwindigkeit des ersten Wirkungseintritts, sondern auf die sich einstellende Wirksamkeit über einige Tage ankomme. Angesichts zahlreicher anderer Präparate auf dem Markt sei ihm auch klar, dass sich "akut" auf die Krankheit und nicht auf den Wirkstoff beziehe. Schnelligkeit werde durch Wendungen wie "direkt" oder "rapid" umschrieben. Der Zusatz "akut" werde hingegen bei vielen Arzneimitteln verwendet, deren Wirkstoff nicht vollständig, sondern nur für bestimmte Anwendungsgebiete, Stärken oder Packungsgrößen aus der Verschreibungspflicht entlassen sei. Er diene in diesem Fall der Unterscheidung des nicht verschreibungspflichtigen Produkts. Dies sei zum Beispiel bei den Wirkstoffen Aciclovir, Ibuprofen und Diclofenac der Fall. Dies sei den beteiligten Verkehrskreisen auch geläufig. Auch für die Indikation "Sodbrennen" seien Präparate mit dem Zusatz "akut" im Verkehr ("Ranitic 75 mg akut bei Sodbrennen", "Pepcid akut"), ohne dass dies in Frage gestellt worden sei. Im medizinischen Bereich werde zwischen einer "Akuttherapie" mit Protonenpumpeninhibitoren im Gegensatz zur "Langzeittherapie" gesprochen. Die Frage der Geschwindigkeit des Wirkungseintritts sei für diese Unterscheidung nicht relevant. Eben für eine "Akut-Therapie" sei das Präparat auch zugelassen. Die Klägerin verwies in diesem Zusammenhang auf das Urteil des OLG München vom 25.02.2010 - 29 U 5347/09 -, durch das sie sich in ihrer Auffassung bestätigt sieht.

Hilfsweise verwies die Klägerin darauf, dass "P. akut" durchaus schnell wirke und deshalb keine Irreführung vorliege. Die Wirkung bei Sodbrennen zeige sich nämlich bereits nach ein bis drei Stunden. Einer Anhebung des pH-Wertes bis auf 4 bedürfe es hierfür nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2010 wies das BfArM den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Behörde verwies auf die Begründung des angegriffenen Bescheides im vorliegenden Verfahren und zu dem weiteren Verfahren bezüglich des Arzneimittels "T. 10 mg", magensaftresistente Hartkapseln, Zulassungs-Nr. 00000.00.00. Das Adjektiv "akut" weise im Sprachverständnis eines erheblichen Teils der Verbraucher in Zusammenhang mit Arzneimitteln auf die Schnelligkeit des Wirkeintritts hin. Der Aussage, der Verbraucher mache sich gar keine Gedanken über Bezeichnungszusätze, sei ausdrücklich zu widersprechen. Sodbrennen und saures Aufstoßen würden vom Verbraucher in der Regel gerade nicht als "akute Erkrankung" wahrgenommen, sondern als Unannehmlichkeit, die als recht dauerhafte Erscheinung mit Auf- und Abschwüngen auftrete. Auch könne der Verbraucher bei einem erstmaligen Kontakt mit dem Krankheitsbild nicht unterscheiden, ob es sich um kurz- oder längerfristige Beschwerden handeln werde. Der medizinische Sprachgebrauch sei zur Würdigung der Arzneimittelbezeichnung ebenso nachrangig wie eine linguistische Betrachtung. Der Bezeichnungszusatz solle knapp auf eine Eigenschaft des Arzneimittels hinweisen. Der Verbraucher schließe aus ihm auf die Lösung eines akuten Problems im Sinne einer schnellen Lösung. Omeprazol wirke aber nicht schnell, sondern über mehrere Tage ansteigend. Die Darstellung der Klägerin, dass die "lagtime" weniger als eine 3/4 Stunde betragen könne, weil bei nüchterner Einnahme die kleinen Pellets nach Auflösung der Kapsel den Magen zügig passierten und im Dünndarm unverzüglich aufgelöst würden, sei zurückzuweisen. Denn es komme auf den Wirkeintritt an, nicht auf den Beginn der Auflösung der Pellets. Schließlich beinhalte die Annahme einer Gefahr der Irreführung stets ein Risikoelement. Es reiche aus, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Verbraucher dieser Gefahr ausgesetzt sei. Für den Arzneimittelmarkt sei dieser Anteil unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zum modernen Verbraucherleitbild schon bei 10-15 % anzusiedeln.

Die Klägerin hat am 23.10.2010 Klage erhoben.

Sie wiederholt und vertieft ihr vorangegangenes Vorbringen. Nach dem Willen des Verordnungsgebers würden in der Regel nur Arzneimittel zur Anwendung bei akuten Fällen für die Selbstmedikation freigegeben. Gerade im Bereich der Indikation Sodbrennen werde zwischen einer Akuttherapie und einer Langzeittherapie unterschieden. Die Frage eines "sofortigen" Wirkeintritts bei erster Einnahme sei für diese "Akut-Behandlung" ohne Relevanz. Ein Arzneimittel, das für eine "Akut-Therapie" eines "akuten" Krankheitsbildes bestimmt sei, könne nicht deshalb irreführend sein, weil es "akut" in der Bezeichnung führe. Das Adjektiv "akut" werde weder in der Fach- noch in der Alltagssprache für einen besonders schnellen Ablauf verwendet. "Akut" werde von den beteiligten Verkehrskreisen auf die Krankheit und nicht auf die Wirkweise bezogen.

Die Klägerin verweist zudem erneut auf das linguistische Gutachten Kepplinger und auf das pharmazeutische Gutachten Blume. Letzteres widerlege die Darstellung des BfArM, dass Wirkstoffgehalt im Blutspiegel und Wirkeintritt in Form des gastralen pH-Wertes auseinanderfielen. Auch ergebe sich aus dem Gutachten, dass sich der Wirkeintritt bei Omeprazol-Tabletten und Omeprazol-Pellets deutlich unterscheide. Der Wirkeintritt der Pellets werde mit ca. 1,5 Stunden angegeben. Der Vorwurf des BfArM, es seien Tabletten mit dem streitgegenständlichen Arzneimittel verglichen worden, treffe daher nicht zu. Auch das Gutachten Brune zeige einen ersten Wirkeintritt der Pellets innerhalb von 30-60 Minuten, eine klinisch manifeste Wirkung etwa nach einer Stunde. Diese Feststellung sieht die Klägerin durch mehrere vorgelegte ärztliche Erfahrungsberichte bestätigt. In einer Anwendungsbeobachtung des mit dem vorliegenden Arzneimittel vergleichbaren Präparats "Antra" berichteten knapp die Hälfte der Patienten bereits nach 2-4 Stunden von einer Verbesserung der Beschwerden. Alle anderen Studien mäßen nur den pH-Wert.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BfArM vom 28.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2010 zu verpflichten, den Zulassungsbescheid für das Fertigarzneimittel "P. I. 20 mg" (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) hinsichtlich der Bezeichnung des Präparats in "P. akut 20 mg" zu ändern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage anzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und führt über die Begründung der streitgegenständlichen Bescheide hinaus aus: Nach ihren Recherchen werde nur noch das Arzneimittel der Klägerin unter den Omeprazolhaltigen Präparaten mit dem Bezeichnungszusatz "akut" geführt, nachdem zunächst auch andere Unternehmen diesen Zusatz gewählt hätten, hiervon aber wieder abgerückt seien. Ihre Auffassung werde durch das Urteil LG München I vom 20.11.2009 - 7 O 17092/09 - gestützt (Vorinstanz zu OLG München a.a.O.). Die Klägerin erwecke den Eindruck, die Freistellung der Verschreibungspflicht betreffe nur Arzneimittel zur Behandlung akuter Krankheitszustände. Tatsächlich seien aber in vielen Fällen Präparate betroffen, die der kurzfristigen Behandlung auch nicht akut auftretender Beschwerden dienten, zum Bespiel bei Abführmitteln. Das sei auch bei der symptomatischen Behandlung der Refluxerkrankung ("Sodbrennen und saures Aufstoßen") der Fall. Zumeist handele es sich um chronische, zumindest chronischrezidivierende Beschwerden. Unrichtig sei daher die Darstellung, das Arzneimittel sei für eine "akute Indikation" zugelassen. Eine Verbindung zwischen der Verkaufsabgrenzung und dem Zusatz bestehe nicht. Die Ausführungen der Klägerin zur medizinischen Fachsprache gingen ebenfalls fehl, da es auf das Verständnis eines durchschnittlichen und interessierten Verbrauchers ankomme. Dieser verbinde mit dem Zusatz "akut" einen schnelleren Wirkungseintritt, was eine stichprobenartige, wenngleich nicht repräsentative Umfrage des BfArM bei 36 Patienten einer Poliklinik bestätigt habe.

Den Ausführungen der Klägerin zum Wirkeintritt des Stoffes tritt die Beklagte ebenfalls entgegen. Das Maß eines pH-Wertes von 4 im Magen zur Bestimmung des Beginns der pharmakodynamischen Aktivität des Arzneimittels sei fachlich anerkannt. Er sage jedoch nichts dazu aus, ab wann Refluxbeschwerden merklich oder klinisch relevant gebessert bzw. beseitigt seien. Eine Symptomfreiheit trete erst nach und nach ein. In diesem Zusammenhang setzt sich die Beklagte erneut mit den von der Klägerin vorgelegten Studien auseinander. Sie verweist darauf, dass die Studie Karamanolis et al. (2008) ergeben habe, dass die Zeit bis zum Erreichen eines therapeutisch feststellbaren Effekts für Protonenpumpenhemmer einschließlich magensaftresistenter Hartkapseln mit Omeprazol wesentlich länger sei als bei den Vergleichsprodukten Antacida und Raniditin. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auf die Studie Dettmar. Der große Vorteil von Omeprazol bestehe vielmehr darin, dass die Wirkung über einen wesentlich längeren Zeitraum anhalte als bei anderen Stoffgruppen. Die Bezeichnung "akut" betone damit Eigenschaften, die das Arzneimittel gerade nicht habe.

Das Arzneimittel sei nicht für akutes Sodbrennen, sondern für "Sodbrennen und saures Aufstoßen" zugelassen. Eine besonders schnelle Wirkung ergebe sich auch nicht aus der von der Klägerin angeführten Studie Allgood, die im Ergebnis keinen schnelleren Wirkungseintritt ergeben habe und zudem mit dem primären Endpunkt einer Beschwerdefreiheit binnen 24 Stunden im Hinblick auf die vorliegend maßgebliche Frage nicht zielführend sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitsandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BfArM Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist nach § 42 Abs. 1, 2. Variante VwGO statthaft. Denn die Ànderung des Zulassungsbescheides hinsichtlich der Arzneimittelbezeichnung durch die zuständige Bundesoberbehörde nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG stellt ihrerseits einen Verwaltungsakt dar, gegen dessen Ablehnung mit der Verpflichtungsklage vorgegangen werden kann. Die Bezeichnung eines Arzneimittels ist notwendiger Bestandteil nicht lediglich der Zulassungsunterlagen, sondern auch der Zulassungsentscheidung selbst und teilt deren Rechtscharakter.

Vgl. Urteil der Kammer vom 12.04.2011 - 7 K 4284/09 -, PharmR 2011, 238-242 m.w.N. auch zur Rechtsprechung des OVG NRW und des BVerwG. Teilweise anders: Krüger, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 29 Rn. 41.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Die Ablehnung der Ànderung der Bezeichnung des Arzneimittels von "P. I. 20 mg" in "P. akut 20 mg" im Bescheid vom 28.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf eine entsprechende Ànderung des Zulassungsbescheides (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Wie die Kammer bereits im zitierten Urteil vom 12.04.2011 ausgeführt hat, folgt ein solcher Anspruch noch nicht allein daraus, dass im Fall der Ànderung der Bezeichnung des Arzneimittels der Zulassungsbescheid gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG entsprechend zu ändern ist. Zwar scheint dies auf eine gebundene Entscheidung zu weisen. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass die zuständige Bundesoberbehörde verpflichtet wäre, jedwede Ànderungsanzeige in der Zulassungsentscheidung zunächst umzusetzen, um bei erkannter Rechtswidrigkeit nachträglich im Wege des Widerrufs oder der Anordnung des Ruhens der Zulassung nach § 30 Abs. 1 i.V.m. §§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG vorzugehen.

So offenbar, Krüger, a.a.O., Rn. 43.; vgl. auch Kozianka/Winnands, PharmR 2011, 7-9.

Die Gesetzesbindung der Verwaltung gebietet vielmehr ein eigenständiges Prüfungsrecht in Bezug auf die Arzneimittelbezeichnung schon im Ànderungsverfahren. § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG ist als ein Gebot zu verstehen, die als rechtmäßig erkannte Ànderung im Zulassungsbescheid umzusetzen. Ist die gewählte Bezeichnung hingegen rechtswidrig, hat eine Ànderung des Zulassungsbescheides zu unterbleiben. Denn nur ein materielles Prüfungsrecht der Zulassungsbehörde gewährleistet, dass der Zulassungsbescheid den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

Vgl. Urteil der Kammer vom 12.04.2011, a.a.O, OVG NRW, Urteil vom 23.05.2007 - 13 A 3657/04 -, juris; BVerwG, Beschluss vom 27.03.2008 - 3 B 91.07 -, juris ("Blutreinigungstee"); Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht-Kommentar, Losebl. Stand Januar 2012, § 29 Erl. 26 und 26a.

Hiermit ist auch keine Gleichsetzung der Bezeichnungsänderung nach § 29 Abs. 2 AMG mit den zustimmungsbedürftigen Ànderungen eines Arzneimittels nach § 29 Abs. 2a AMG verbunden. Denn zustimmungsbedürftig nach Absatz 2 a ist auch die rechtmäßige Ànderung. Einen allgemeinen Schluss darauf, dass rechtswidrige Ànderungen nur in den dort genannten Fällen zu versagen sind, lässt die Norm nicht zu.

Zur nunmehr geänderten Verwaltungspraxis des BfArM, auch in Fällen rechtmäßiger Bezeichnungsänderung einen Ànderungsbescheid zu erlassen, vgl. Bekanntmachung zur Ànderung der Verwaltungspraxis bei der Bearbeitung von nationalen Anzeigen zur Ànderung der Arzneimittelbezeichnung nach § 29 Abs. 2 Satz 1 AMG vom 01.08.2010, BAnz. S. 3163; kritisch hierzu: Kozianka/Winnands, PharmR 2011, 7-9.

In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Beantwortung der Frage, ob der Inhaber der Zulassung bereits mit der Ànderungsanzeige berechtigt ist, das Arzneimittel unter der neuen Bezeichnung in den Verkehr zu bringen oder aber er verpflichtet ist, eine Bestätigung der Behörde vom Eingang der Ànderungsanzeige, einen Ànderungsbescheid oder gar die Bekanntmachung der Ànderung im Bundesanzeiger abzuwarten.

Vgl. hierzu: Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht-Kommentar, Losebl. Stand Januar 2012, § 29 Erl. 26; Krüger, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 29 Rn. 41; Sander, Arzneimittelrecht, Losebl. (Stand: August 2011), § 29 AMG Erl. 4.

Einem Anspruch der Klägerin auf Ànderung des Zulassungsbescheides steht der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG entgegen. Denn ein Inverkehrbringen des Arzneimittels unter der neuen Bezeichnung "P. akut 20 mg" verstößt gegen das Irreführungsverbot des § 8 AMG.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG ist es verboten, Arzneimittel mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen. Nach Satz 2 lit. a) der Vorschrift liegt eine Irreführung insbesondere vor, wenn Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen oder Wirkstoffen eine Aktivität beigelegt werden, die sie nicht haben. Hierbei macht die Formulierung "insbesondere" deutlich, dass die aufgeführten Irreführungstatbestände nicht abschließend sind, sondern lediglich Beispielscharakter haben.

VG Köln, Urteil vom 07.04.2004 - 24 K 81644/01 -, PharmR 2004, 225-230 ("Herzberuhigung"); Urteile der Kammer vom 18.04.2006 - 7 K 7060/04 -, juris ("Vitamin E") und vom 16.10.2007 - 7 K 6451/04 -, juris ("sanft").

Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG gelten mit Blick auf die Bedeutung des Rechtsgutes Gesundheit und der hohen Werbewirkung gesundheitsbezogener Aussagen strenge Anforderung an den Ausschluss einer Irreführung.

OVG NRW, Urteile vom 12.08.2009 - 13 A 2147/06 -, A&R 2009, 239-240 = DVBl. 2009, 1327 ("Vitamin E") und vom 23.05.2007 - 13 A 3657/04 -, ("Blutreinigung"); OLG Hamburg, Urteil vom 01.02.2007 - 3 U 117/06 -, ("Standardtherapie").

Ob eine Bezeichnung irreführend ist, bestimmt sich im Arzneimittelrecht aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers. Abzustellen ist damit auf die Frage, ob die gewählte Bezeichnung geeignet ist, bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise eine Fehlvorstellung über wesentliche Eigenschaften des Produkts zu wecken. Richtet sich die Bezeichnung sowohl an ein Fach- als auch an ein Laienpublikum, so ist der Irreführungstatbestand erfüllt, wenn diese Möglichkeit zumindest innerhalb einer dieser Gruppen besteht.

OVG NRW, Beschluss vom 28.02.2008 - 13 A 3273/07 - A&R 2008, 142-143 ("sanft") unter Hinweis auf Doepner, HWG, 2. Auflage 2000, § 3 Rn. 25; BGH, Urteil vom 20.11.2008 und Teilurteil vom 21.07.2005 - I ZR 94/02 -, PharmR 2009, 184-186 bzw. LRE 52, 302-305 ("Ginseng"); OVG NRW, Beschluss vom 19.12.2007 - 13 A 1178/05 -, PharmR 2008, 383-384 ("forte"); OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.09.2006 - 5 B 12.05 -, PharmR 2007, 54-58 ("Ginseng/Rekonvaleszenz").

Die Bezeichnung eines Arzneimittels richtet sich nicht nur an fachlich besonders ausgebildete und informierte Kreise, wie Àrzte oder Apotheker, sondern gerade auch an Patienten und Endverbraucher. Dies gilt in verstärktem Maße für Präparate, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen. Augenfällig ist, dass die Bezeichnungsänderung in unmittelbarem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit dem Wegfall der Verschreibungspflicht für omeprazolhaltige Arzneimittel durch die 7. VO zur Ànderung der Arzneimittel-VerschreibungsVO vom 21.07.2009 (BGBl. I 2114) in der Wirkstärke 20 mg zur Behandlung von Sodbrennen und saurem Aufstoßen erfolgte, die von der Klägerin auch hinsichtlich der Anwendungsgebiete nachvollzogen wurde. Es werden damit gerade medizinische Laien angesprochen, die unter den besagten Alltagsbeschwerden leiden. Dem steht nicht entgegen, dass "P. I. 20 mg" weiterhin apothekenpflichtig ist. Denn die im Interesse der Arzneimittelsicherheit bestehende Beratungspflicht des Apothekers ist nicht geeignet, allen aufkommenden Fehlvorstellungen der Patienten von den Wirkungen eines Arzneimittels vorzubeugen. Zudem wird sie in der täglichen Praxis durchaus unterschiedlich gehandhabt. Schließlich ist die Apotheke mit der Möglichkeit persönlicher Beratung nach dem Vordringen des Internet-Versandhandels auch für apothekenpflichtige Arzneimittel (§ 11a ApoG) nur noch ein möglicher Vertriebsweg.

Die angesprochenen Verkehrskreise werden mit dem Bezeichnungszusatz "akut" in erster Linie eine schnelle Wirkung des Arzneimittels verbinden. Die Erwartung des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers wird sich, gelenkt durch den Zusatz, zumindest auch auf die Erwartung richten, von den als unangenehm empfundenen Beschwerden in kurzer Zeitspanne erlöst zu werden. Die von der Klägerin beschriebene Bezugnahme auf die Behandlung akuter Verlaufsformen von Sodbrennen und saurem Aufstoßen - sofern es solche gibt - im Gegensatz zu chronischen Verläufen, die eine Langzeitbehandlung mit verschreibungspflichtigen Omeprazol-Präparaten erfordern, wird sich dem nicht medizinisch vorgebildeten Verbraucher in der Regel nicht sogleich erschließen. Denn das Wort "akut" wird sowohl im allgemeinen wie im medizinischen Kontext gebraucht. In der Allgemeinsprache dient es der Bezeichnung vordinglicher, unmittelbarer, jetzt "brennender" Zustände. Angesprochen sind damit die Aktualität und die Dringlichkeit eines Problems.

Vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden, Mannheim/Wien/Zürich, 1976, Band 1, Stichwort "akut".

Der Schluss auf den Wunsch des Verbrauchers, ein dringendes Problem, insbesondere wenn es gesundheitlicher Natur ist, auch schnell zu lösen, ist damit naheliegend. Zwar trifft es zu, wenn die Klägerin darauf hinweist, dass "akut" als Adjektiv im medizinischen Zusammenhang Beginn und Verlauf einer Erkrankung bezeichnet, etwa bei "akuter" Lungenentzündung oder "akutem" Fieber. In diesem Sinne findet sich im allgemeinen Sprachgebrauch auch der Hinweis auf ein "akutes" Problem. Diese rein sprachwissenschaftliche Deutung des Wortes, wie sie in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten Kepplinger vom 04.09.2009 zum Ausdruck kommt, ist jedoch zur Bewertung der Verbrauchererwartung bei einer Arzneimittelbezeichnung allein nicht geeignet. Denn das Empfinden des Verbrauchers orientiert sich nicht an linguistischen Richtigkeitskategorien, sondern an der Alltagssprache. Diese ist häufig inkorrekt. Diesen Umstand macht sich Werbung gerade zunutze, um durch Wortschöpfungen oder neue Wortzusammenhänge Aufmerksamkeit zu erregen und ein Produkt im Gedächtnis des Verbrauchers zu verankern.

Der allgemeine Sprachgebrauch assoziiert mit der Wendung "akut" auch ein zeitliches Moment im Sinne der Plötzlichkeit eines Ereignisses. Dieses zeitliche Moment löst die Klägerin durch die gewählte Bezeichnung gerade aus seinem herkömmlichen adjektivischen Zusammenhang. Denn es heißt nicht etwa "bei akutem Sodbrennen" o.ä., sondern das Eigenschaftwort "akut" wird an die aus der Wirkstoffbezeichnung abgeleitete Arzneimittelbezeichnung angehängt. Da es "akutes" Omeprazol sprachlich nicht gibt, wird eine sprachwissenschaftlich sicher falsche, in der täglichen Sprachpraxis aber durchaus naheliegende Assoziation zu einem schnell wirkenden Stoff hergestellt. Dass auch der Klägerin dieses Begriffsverständnis nicht fremd ist, verdeutlicht ihre Internet-Werbung, die zu dem Arzneimittel "J. akut" ausdrücklich hervorhebt, dass es schnell wirke. Zudem wird der Zusatz "akut" bei dem bereits unter der angezeigten Bezeichnung marktpräsenten "P. " auf der äußeren Umhüllung durch eine orange Unterlegung farblich besonders hervorgehoben. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin ein wirkstoffgleiches Präparat mit derselben Indikation in den Verkehr bringt, dieses aber weiterhin als "P. I. 20 mg" bezeichnet,

www. (Stand 30.01.2013),

drängt sich für den Anwender der Eindruck eines Unterschiedes zwischen beiden Arzneimitteln in dem Sinne auf, "P. akut" wirke schneller. Bezöge sich "akut" auf den Krankheitsverlauf im Gegensatz zu chronisch, müssten beide Arzneimittel den streitigen Zusatz tragen.

Der Darstellung der Klägerin, der Käufer und Patient verbinde mit Bezeichnungszusätzen der hier fraglichen Art zunächst einmal gar nichts und mache sich hierüber auch keine Gedanken, vermag die Kammer nicht zu folgen. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass sich das nicht fachlich vorgebildete Publikum bei der Kaufentscheidung für ein Arzneimittel zumindest auch von der Bezeichnung eines Arzneimittels leiten lässt. Anders als Àrzte oder Apotheker, die sich schon von Berufs wegen fachlich vollständig über die Eigenschaften eines Präparats informieren müssen und sich dabei an Indikationen und Wirkstoffen orientieren, stellt für diesen Personenkreis die Bezeichnung einen maßgeblichen Gesichtspunkt zur gedanklichen Einordnung des Arzneimittels dar.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28.02.2008 - 13 A 3273/07 - A&R 2008, 142-143 ("sanft").

Bezeichnungszusätzen kann vor diesem Hintergrund auch werbender Charakter zukommen. Dies gilt namentlich bei nicht verschreibungspflichtigen Präparaten gegen Alltagsbeschwerden. Gerade aus der Beeinflussung des Nachfrageverhaltens breiter Käuferschichten bezieht ein Bezeichnungszusatz seinen Sinn. Denn eine präzise Information über das Arzneimittel und seine Eigenschaften ist ohnehin nicht über die Bezeichnung, sondern nur durch eingehende Lektüre der Packungsbeilage möglich, die erfahrungsgemäß von vielen Anwendern gerade nicht geleistet wird. Darauf, ob eine Bezeichnung sprachwissenschaftlich oder inhaltlich korrekt ist, kommt es hierbei nicht maßgeblich an. Denn Werbung lebt gerade von der Kreation neuer Bedeutungszusammenhänge.

Dies vorausgesetzt, schließt sich die Kammer der Auffassung des LG München I,

Urteil vom 20.11.2009 - 7 O 17092/09 -, juris; aufgehoben durch OLG Müchen, Urteil vom 25.02.2010 -, PharmR 2010, 233-234 (hierzu Brixius, PharmR 2010, 234-237),

das in dem das streitbefangene Arzneimittel betreffenden wettbewerbsrechtlichen Verfahren ausgeführt hat, mit "akut" verbinde sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein sehr schnell, zumindest aber schneller als andere Präparate wirkendes Produkt, ausdrücklich an. Sie sieht sich zu dieser Bewertung auch ohne eigene Beweisaufnahme, insbesondere ohne die Durchführung einer Verbraucherbefragung durch ein insoweit sachkundiges demoskopisches Institut,

vgl. dazu z.B. BGH, Beschluss vom 21.02.2008 - I ZB 24/05 -, GRUR 2008, 710-714; BPatG, Beschluss vom 10.02.2005 - 24 W (pat) 338/03 -, juris (Vorinstanz) ("Visage"),

in der Lage, weil die mitwirkenden Richter selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählen,

vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2003 - I ZR 150/01 -, BGHZ 156, 250-256 ("Marktführerschaft").

Der Bezeichnungszusatz ist auch irreführend, da das Arzneimittel keine besonders schnelle oder zumindest schnellere Wirkung hat. Hierbei kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob die Wirkung des Arzneimittels, zumindest der in der Kapsel enthaltenen Pellets nach einer Stunde (Brune), nach etwa 1 1/2 Stunden (Blume) oder aber erst nach 2 1/2 Stunden (Karamanolis) eintritt und ob ein MagensäurepH-Wert von 4 ein geeignetes Entscheidungskriterium für den Wirkeintritt darstellt. Auch braucht nicht geklärt zu werden, wie es sich auswirkt, dass das Arzneimittel seine volle Wirksamkeit in einem lang anhaltenden Sinne erst nach mehrmaliger Gabe erlangt. Denn nach keiner Betrachtungsweise ergeben sich Anhaltspunkte für die Annahme, das Präparat wirke schnell. Entsprechende Zeiträume bis zu einem spürbaren Wirkungseintritt sind vielmehr zahlreichen Arzneimitteln eigen, sodass - wie das BfArM nachvollziehbar dargelegt hat - 80 % der apothekenpflichtigen Mittel mit dem Zusatz "akut" versehen werden könnten. Für die hier fragliche Indikation werden neben den Protonenpumpenhemmern, zu denen Omeprazol zählt, insbesondere Präparate aus der Arzneimittelgruppe der Antazida angeboten, deren deutlich schnellerer Wirkeintritt auch von der Klägerin nicht bestritten wird. Das Arzneimittel der Klägerin bezieht seine Vorteile im Gegensatz hierzu gerade aus seiner lang anhaltenden Wirkung, die in der Werbung auch besonders hervorgehoben wird. Umso weniger ist ein Zusatz, der im Sinne eines schnellen Wirkeintritt verstanden werden kann, bezeichnungsrechtlich zu rechtfertigen.

Unerheblich ist, dass derzeit auch andere Arzneimittel mit dem Bezeichnungszusatz "akut" im Verkehr sind. Hierbei handelt es sich um Präparate mit anderen Indikationen, die jeweils anhand des konkreten Einzelfalles zu bewerten sind. Anhaltspunkte für eine gleichheitswidrige Marktverschiebung zulasten der Klägerin ergeben sich nicht. Ungeachtet des Umstandes, dass derzeit kein Konkurrenzprodukt mit vergleichbarer Indikation und dem Zusatz "akut" (mehr) auf dem Markt ist, hat das BfArM ausgeführt, auch insoweit um eine Anpassung der Bezeichnungspraxis bemüht zu sein. Ob sich aus dem Gleichbehandlungsgebot überhaupt ein subjektives Recht auf die Führung der Bezeichnung herleiten lässt, kann folglich auf sich beruhen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

Es bestand kein Anlass, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen. Insbesondere hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, da sich die Bewertung einer Irreführung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG nach den Gegebenheiten des Einzelfalls richtet. Die rechtlichen Voraussetzungen dieser Bewertung sind in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts NRW und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.






VG Köln:
Urteil v. 05.02.2013
Az: 7 K 6575/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/84ab78d26bbe/VG-Koeln_Urteil_vom_5-Februar-2013_Az_7-K-6575-10


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