Bundespatentgericht:
Urteil vom 16. Februar 2006
Aktenzeichen: 2 Ni 22/04

(BPatG: Urteil v. 16.02.2006, Az.: 2 Ni 22/04)

Tenor

1. Das europäische Patent 0 184 625 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 5 für nichtig erklärt.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 184 625 (Streitpatent), das am 27. September 1985 unter Inanspruchnahme der Priorität der US-Patentanmeldung 677591 vom 3. Dezember 1984 angemeldet worden ist.

Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 35 77 733 geführt wird, betrifft eine Fadenbehandlungsdüse. Es umfasst 24 Ansprüche, von denen die mit der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patentansprüche 1 bis 5 in der deutschen Übersetzung gemäß Patentschrift (0 184 625 B2) folgenden Wortlaut haben:

"1. Fadenbehandlungsdüse, bestehend aus einer Mehrzahl von Teilen (10,12), die einen Fadenbehandlungsdurchgang begrenzen und im Verhältnis zueinander zum Öffnen und Schliessen des Durchganges für das Einsetzen eines Fadens bewegbar sind, wobei zumindest einer der Teile (12) als elastische Platte ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass ein Mittel (152) zur Ausübung von Verschlusskräften auf eine Fläche der Platte (12) gegenüber des Durchganges (34, 36) und im wesentlichen mit diesem ausgerichtet vorgesehen ist, wobei das Material und die Abmessungen der Platte (12) in bezug auf die ausgeübten Verschlusskräfte gewählt werden, so dass die Platte (12) unter den ausgeübten Verschlusskräften elastisch verformbar ist, so dass eine Einstellung der Platte (12) unter den Kräften möglich ist, um mit einem anderen Teil (10) oder Teilen der Düse in dichten flächenanliegenden Kontakt zu kommen.

2. Düse nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Platte (12) auf einer Plattenbefestigungskonstruktion (120) angebracht ist.

3. Düse nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Platte (12) und die Plattenbefestigungskonstruktion (120) gemeinsam zu dem anderen Teil (10) hin- und von diesem wegbewegbar sind.

4. Düse nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass ein Halterungsmittel (124) zur Halterung der Platte (12) auf der Konstruktion (120) vorgesehen ist, während eine verhältnismässige Bewegung zwischen diesen möglich ist.

5. Düse nach Anspruch 2, 3, oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Plattenbefestigungskonstruktion (120) einen kastenähnlichen Träger- und Gehäuseteil (122) umfasst, der an seiner, dem anderen Teil (10) gegenüberliegenden Seite offen ist, wobei die Platte (10) so angeordnet ist, dass sie diese offene Seite des Träger- und Gehäuseteiles (122) bedeckt."

Mit ihrer Teilnichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei, soweit angegriffen, gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Er sei nicht neu, beruhe aber jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Sie beruft sich hierzu auf folgende Unterlagen:

K1: EP 0 184 625 B2, Streitpatent nach Einspruchsverfahren K2: zu DE 35 77 733 eingereichte deutsche Übersetzung des Streitpatents K3: Merkmalsanalyse Anspruch 1 K4: Schriftsatz Rechtsanwälte Krieger & Koll. vom 16. Oktober 2003

(LG Düsseldorf Az 4b O 56/03)

E1: US 3 324 526 E2: US 4 416 041 E3: Gerichtliches Gutachten Prof. Dr.-Ing. Dieter Besdo, 2005, zur Verletzungslage LG Düsseldorf 4b O 56/03 E4: Dubbel: Taschenbuch für den Maschinenbau, 14. Auflage, 1981, Seite 544;

D1: EP 0 039 763 A2 D2: EP 0 108 205 A1 D3: EP 0 110 359 A2 D4: GB 872 234 D5: US 2 938 257 D6: US 3 237 269 D7: US 3 261 071 D8: US 3 698 612 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 184 625 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 5 für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält den durch Anspruch 1 geschützten Gegenstand für patentfähig. Weiter sei der Gegenstand des Patentanspruchs 4 in seinem unmittelbaren Rückbezug auf Patentanspruch 3 ebenso selbständig erfinderisch wie der Gegenstand des Patentanspruchs 5 mit unmittelbarem Rückbezug auf Patentanspruch 4, soweit dieser auf Patentanspruch 3 rückbezogen sei.

Hilfsweise verteidigt die Beklagte Patentanspruch 1 in nachstehender Fassung (unter Streichung der Ansprüche 2 bis 5):

"1. Fadenbehandlungsdüse, bestehend aus einer Mehrzahl von Teilen (10,12), die einen Fadenbehandlungsdurchgang begrenzen und im Verhältnis zueinander zum Öffnen und Schliessen des Durchganges für das Einsetzen eines Fadens bewegbar sind, wobei zumindest einer der Teile (12) als langgestreckte flexible Platte ausgebildet ist und eine Fläche (28) hat, dadurch gekennzeichnet, dass ein anderes Teil (10) die Form eines langgestreckten Blockes hat und eine Fläche (26) aufweist, wobei die Flächen (26,28) aufeinander liegen, wenn die Düse geschlossen ist, und dass das Teil (10) in der Fläche (26) eine Nute (36) hat, und dass das andere Teil (12) in der Fläche (28) eine Nute (34) hat, wobei, wenn die Flächen (26,28) korrekt aufeinander liegen, die Nuten (34,36) deckungsgleich sind und einen Durchgang bilden, welcher sich von einem Ende zum anderen Ende durch die Düse erstreckt, und dass die Platte (12) aus Metall ist, wobei ein Mittel (152) zur Ausübung von Verschlusskräften auf eine Fläche der Platte (12) gegenüber des Durchganges (34, 36) und im wesentlichen mit diesem ausgerichtet vorgesehen ist, wobei das Material und die Abmessungen der Platte (12) in bezug auf die ausgeübten Verschlusskräfte gewählt werden, so dass die Platte (12) unter den ausgeübten Verschlusskräften elastisch verformbar ist, so dass eine Anpassung der Platte (12) unter den Kräften möglich ist, um mit einem anderen Teil (10) oder Teilen der Düse in dichten flächenanliegenden Kontakt zu kommen, wobei die Platte (12) auf einer Plattenbefestigungskonstruktion (120) angebracht ist, und wobei die Platte (12) und die Plattenbefestigungskonstruktion (120) gemeinsam zu dem anderen Teil (10) hin- und von diesem wegbewegbar sind, und ein Halterungsmittel (124) zur Halterung der Platte (12) auf der Konstruktion (120) vorgesehen ist, während eine verhältnismässige Bewegung zwischen diesen möglich ist, wobei die Plattenbefestigungskonstruktion (120) einen kastenähnlichen Träger- und Gehäuseteil (122) umfasst, der an seiner, dem anderen Teil (10) gegenüberliegenden Seite offen ist, wobei die Platte (10) so angeordnet ist, dass sie diese offene Seite des Träger- und Gehäuseteiles (122) bedeckt."

Die Klägerin hält dies nicht für eine zulässige Beschränkung, Patentfähigkeit werde aber auch bei Unterstellung der Zulässigkeit nicht erreicht.

Gründe

Die Teilnichtigkeitsklage, mit der der in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit a EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist zulässig und begründet.

Ihre Zulässigkeit wird von dem inzwischen eingetretenen Ablauf der Schutzdauer nicht berührt, weil aufgrund des anhängigen Verletzungsstreits der Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klärung der Schutzfähigkeit zur Seite steht (vgl Busse, PatG 6. Aufl., § 81 Rdnr. 49-55).

Die mündliche Verhandlung hat ergeben, dass die Klage auch begründet ist, weil Patentfähigkeit weder hinsichtlich der erteilten Fassung der Ansprüche noch hinsichtlich der hilfsweise verteidigten Fassung bejaht werden kann.

I Das Streitpatent betrifft eine Fadenbehandlungsdüse, wie sie z. B. zum Texturieren von aus Filamenten (synthetische Endlosfäden) bestehenden Garnen (Mehrfachfäden) verwendet wird. Eine derartige Düse weist zum leichten Einlegen des Fadens anstelle eines einteiligen geschlossenen Fadenkanals, bei dem das Einfädeln in den Fadenkanal schwierig ist, zwei zueinander beweglichen Hälften auf. Die beiden Hälften müssen jedoch sehr dicht schließen, auch unter den hohen Temperaturen und Drücken, die bei der Zufuhr des Behandlungsmediums in den Fadenkanal auftreten. Dabei entsteht in der Düsenwand entsteht von innen nach außen ein Temperaturgefälle, wodurch sich der heißere Innenbereich der Düsenwand mehr ausdehnt als der kühlere Außenbereich. Dadurch können sich die Düsenhälften aufgrund des sog. Bimetalleffekts bananenförmig verformen, weshalb offene Spaltstellen zwischen den Düsenhälften entstehen können, in die die Filamente ( = ca. 0,03 mm) geraten und dort hängen bleiben können.

Die Trennflächen zwischen beiden Düsenhälften müssen daher an jeder Stelle so eng aneinander anliegen, dass sich kein Spalt bildet.

In der Streitpatentschrift K1 (bzw. K2) ist u. a. die US 3 261 071 (D7) genannt, in der eine Vorrichtung zur Fluidbehandlung von Endlosfadenmaterial mit einem Körperteil (body member 11) und einer Deckelplatte (cover member 12) gezeigt ist, zwischen denen sich mehrere Garndurchgänge befinden. Die Deckelplatte wird mittels Kolbenstangen auf das Körperteil gepresst, wodurch diese eng aneinander liegen und die Ränder des Fadendurchganges dicht verschlossen werden. Gemäß Streitpatentschrift werden hier zwar hohe Verschlusskräfte auf die von den Verschlussflächen der beweglichen Deckelplatte wegweisende Oberfläche ausgeübt, aber es gibt keinen Hinweis auf eine elastische Verformbarkeit bei den Düsenteilen oder ihren Befestigungen, vgl. EP 0 184 625 B2 (K1) Spalte 1, Zeile 55 bis Spalte 2, Zeile 1 (bzw. DE 35 77 733 (K2) Seite 1a, 2. und 3. Abschnitt).

Dem Streitpatent liegt daher die Aufgabe zugrunde, den notwendig dichten Verschluss der Düse mit möglichst einfachen Mitteln herzustellen, insbesondere ohne besondere Herstellungs- oder Einstellungsschritte zu erfordern, vgl. K1, Spalte 2, Zeile 10 bis 13 (bzw. K2, Übergang Seite 1a-1b).

Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt mit den Merkmalen gemäß Anspruch 1, wonach die Lösung im Wesentlichen darauf beruht, zumindest einen der Teile der Fadenbehandlungsdüse als flexible Platte auszubilden, ein im wesentlichen mit dem Fadenkanal ausgerichtetes Mittel zur Ausübung von Verschlusskräften zum Schließen des zweiteiligen Düsengehäuses vorzusehenund durch Auswahl von Material und Abmessungen der Platte zu einem dichtenden flächenanliegenden Kontakt an /ein/ andere/s Teil(e) der Düse zu kommen.

Die Merkmale des Anspruchs 1 können - wie in der Nichtigkeitsklage und Anlage K3 - wie folgt aufgegliedert werden:

1. Fadenbehandlungsdüse, bestehend aus einer Mehrzahl von Teilen (10,12), die 1.1 einen Fadenbehandlungsdurchgang begrenzen und 1.2 im Verhältnis zueinander zum Öffnen und Schließen des Durchganges für das Einsetzen eines Fadens bewegbar sind, wobei 1.3 zumindest einer der Teile (12) als elastische Platte ausgebildet ist.

2. Es ist ein Mittel (152) zur Ausübung von Verschlusskräften auf eine Fläche der Platte (12) gegenüber dem Durchgang (34, 36) und im Wesentlichen mit diesem ausgerichtet vorgesehen.

3. Das Material und die Abmessungen der Platte (12) werden in Bezug auf die ausgeübten Verschlusskräfte gewählt.

4. Die Platte (12) ist unter den ausgeübten Verschlusskräften elastisch verformbar, so dass eine Anpassung der Platte (12) unter den Kräften möglich ist, um einem anderen Teil (10) oder Teilen der Düse in dichten flächenanliegenden Kontakt zu kommen.

II Zur Schutzfähigkeit der erteilten Fassung der Patentansprüche 1 bis 5 1. Offenbarung und Ausführbarkeit Die Ansprüche 1 bis 5 nach Hauptantrag entsprechen den nach dem europäischen Einspruchsbeschwerde-Verfahren mit der Streitpatentschrift K1 (bzw. K2) erteilten Patentansprüche 1 bis 5.

Die Merkmale des Gegenstandes dieser Ansprüche 1 bis 5 sind in den ursprünglich am Anmeldetag (27. September 1985) eingereichten Anmeldeunterlagen unstrittig offenbart.

Dem erteilten Anspruch 1 kann der Fachmann, der hier zumindest ein Fachhochschulingenieur für Maschinenbau oder Textiltechnik mit einschlägigen Kenntnissen und mehrjährigen Erfahrungen in der Herstellung und Konstruktion von Textilmaschinen, insbesondere von Fadenbehandlungsdüsen, ist, mit Unterstützung der Beschreibung und der Figuren eine nachvollziehbare Lehre zum technischen Handeln entnehmen, auch wenn einzelne Merkmale dieses Anspruchs sehr allgemein gehalten sind und verschiedene Kombinationsmöglichkeiten gegeben sind.

Aufgrund seines technischen Grundwissens versteht der Fachmann unter "flexible plate" (bei Zugrundelegung der englischen Fassung), also einer "flexiblen Platte" eine bewegliche Platte, die sich unter Krafteinwirkung im elastischen Bereich verbiegen und somit einem Untergrund anpassen kann.

Es ist dem Fachmann auch möglich, aus der ungenauen Angabe zur Fadenbehandlungsdüse "bestehend aus einer Mehrzahl von Teilen" die richtige Schlussfolgerung zu ziehen, wie viele Teile für den Aufbau der Fadenbehandlungsdüse notwendig und sinnvoll sind; eine nicht sinnvolle Anzahl wird demnach ausscheiden.

Auch ist er in der Lage, zu erkennen, dass, wenn "die Mittel zur Ausübung von Verschlusskräften auf eine Fläche der Platte gegenüber des Durchganges im Wesentlichen mit diesem ausgerichtet vorgesehen sind", dies bedeutet, dass diese Mittel im Wesentlichen entlang der Längserstreckung des Düsendurchganges verlaufen.

Die mit dem erteilten Anspruch 1 beanspruchte Erfindung ist daher mit zumutbarem Aufwand zu verwirklichen.

2. Patentfähigkeit Da aus der in der Streitpatentschrift genannten US 3 261 071 (D7) schon alle Merkmale einer Fadenbehandlungsdüse (yarn treating jet) nach dem erteilten Anspruch 1 bekannt sind, ist die beanspruchte Fadenbehandlungsdüse nicht mehr neu.

Die Fadenbehandlungsdüse nach der D7 weist gemäß Figur 3 und 4, der Beschreibung Spalte 2, Zeile 10 bis 17, und Spalte 3, Zeile 68 bis 71, mit "body member 11" und "cover member bzw. coverplate 12" ebenfalls zwei Teile auf, die Fadenbehandlungsdurchgänge (treating passages 16) begrenzen.

Nach der Beschreibung der D7, Spalte 4, Zeile 30 bis 33, besteht hier auch die Möglichkeit der Anordnung nur eines einzigen Fadenbehandlungsdurchganges (vgl. "ranging from a single passageway ...").

Die Teile 11 und 12 sind bei der Düse nach der D7 ebenfalls im Verhältnis zueinander zum Öffnen und Schließen des Durchganges für das Einsetzen eines Fadens bewegbar, wie in Spalte 3, Zeile 69, 70 (vgl. "cover member 12 is movable in a perpendicular direction") und in Spalte 4, Zeile 17 bis 19 (vgl. "actuating the cover is...in a backandforth inline motion") beschrieben ist.

Die ersten Merkmale 1., 1.1 und 1.2 der geltenden Merkmalsgliederung (K3), nämlich "eine Fadenbehandlungsdüse, bestehend aus einer Mehrzahl von Teilen, die einen Fadenbehandlungsdurchgang begrenzen und im Verhältnis zueinander zum Öffnen und Schließen des Durchganges für das Einsetzen eines Fadens bewegbar sind", sind somit aus der D7 bekannt.

Auch ist insbesondere in Spalte 4, Zeile 36 und 37 der D7 das dem Merkmal 1.3 der Merkmalsgliederung (K3) ähnliche Merkmal genannt, dass "zumindest einer der Teile als eine flache Platte ("flat plate 12") ausgebildet ist". Dass eine solche Platte in der Regel auch biegbar ist, wenn sie im Verhältnis zu ihrer Länge dünn genug und somit "flexibel" ist, ist dem Fachmann vom sog. "Biegebalken" bekannt. Dies wird auch durch das gerichtliche Gutachten zum Verletzungsprozess (E3), insbesondere Seite 19, 3. Abschnitt, Seite 22, 3. und 4. Abschnitt sowie Seite 39, 5. Abschnitt, fachlich bestätigt.

Aufgrund der eingesetzten Materialien wie Edelstahl oder Nitrid-Stahl liest der Fachmann aufgrund seines Wissens die vorhandene Flexibilität der Platte 12 in der D7 mit.

Bei der Fadenbehandlungsdüse nach der D7 ist auch "ein Mittel zur Ausübung von Verschlusskräften auf eine Fläche der Platte 12 gegenüber des Durchganges und im Wesentlichen mit diesem ausgerichtet vorgesehen" (vgl. Punkt 2. der Merkmalsgliederung K3). Dieses Mittel ist in der D7, Fig. 4, linker Teil, durch die Kolbenstangen (pistonrods 33, 34) zusammen mit dem Zylindergehäuse (cylinder housing 45) gegeben. Dieses ist auch hier auf der Seite der Platte 12 gegenüber dem Fadendurchgangskanal 16 angeordnet und die einzelnen Kolbenstangen 33, 34 sind im wesentlichen mit den Fadendurchgangskanälen 16 ausgerichtet angeordnet, da jeweils drei Kolbenstangen entlang den Kanälen angeordnet sind, wie aus Fig. 3 der D7 ersichtlich ist.

Zu dem weiteren Merkmal nach dem erteilten Anspruch 1, dass "Material und Abmessungen der Platte 12 in Bezug auf die ausgeübten Verschlusskräfte gewählt werden" (Punkt 3. der Merkmalsgliederung K3), wird auf die Materialangaben in der D7, Spalte 5, Zeile 35 bis 45, hingewiesen, demnach hier verschiedenartige Materialien für die Fadenbehandlungsdüsen in Frage kommen. Die richtige Materialauswahl in Bezug auf die Verschlusskräfte ist hierdurch für den Fachmann schon immanent enthalten, da der Fachmann vernünftigerweise die Materialauswahl in Bezug auf die zu erwartenden bzw. ausgeübten Belastungen trifft, um eine möglichst langlebige Düse zu erhalten.

Auch bei der Auswahl der Abmessungen der Platte 12 berücksichtigt der Fachmann aufgrund seines fachlichen Wissens und seiner Erfahrungen die auftretenden Belastungen durch die Verschlusskräfte.

Diese Auswahlkriterien sind daher für den Fachmann bei der Auslegung der Platte 12 selbstverständlich.

Aus der Figurenbeschreibung der D7, Spalte 4, die Zeilen 3 bis 13 geht für den Fachmann auch die im letzten Teil des erteilten Anspruchs 1 angegebene Wirkungsweise der Platte hervor, nämlich

"dass die Platte 12 unter den ausgeübten Verschlusskräften elastisch verformbar ist, so dass eine Einstellung der Platte 12 unter diesen Kräften möglich ist, um mit einem anderen Teil 10 der Düse in dichten flächenanliegenden Kontakt zu kommen" (Punkt 4. der Merkmalsgliederung K3).

Die gleichmäßig verteilten Kolbenstangen 33 und 34 nach der D7 üben mittels eines pneumatischen Druckerzeugungssystems einen gleichmäßig verteilten Druck auf die Plattenfläche aus. Dadurch wird die dünne Platte 12 über die Fläche entlang den oder der Düse/n eng an das andere Teil 11 gepresst. Da die dünne Platte 12 aufgrund ihrer Materialien flexibel ist, wird es auch hier unter hoher Krafteinwirkung zu einer elastischen Verformung kommen, wodurch sich auch die Platte 12 anpassen kann, um in einen dichten flächenanliegenden Kontakt mit dem anderen Teil 11 zu kommen (vgl. Fig. 3).

Die Fadenbehandlungsdüse nach der D7 besitzt daher alle Merkmale und Eigenschaften, die an eine Fadenbehandlungsdüse nach dem erteilten Anspruch 1 gestellt werden. Alle Merkmale und Wirkungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 sind für den Fachmann hier schon verwirklicht, so dass die Fadenbehandlungsdüse nach dem erteilten Anspruch 1 nicht mehr neu und somit nicht patentfähig ist.

Daher hat der erteilte Anspruch 1 keinen Bestand.

Die angegriffenen, auf den erteilten Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 enthalten keine Merkmale, die für sich oder in Kombination untereinander Neuheit oder eine erfinderische Tätigkeit begründen könnten.

Aus der D7 sind bereits die Merkmale einer Fadenbehandlungsdüse nach den Ansprüchen 2, 3 und 4 bekannt.

Dort ist wie im Anspruch 2 eine "Plattenbefestigungskonstruktion" vorgesehen, auf der die Platte 12 angebracht ist, und wie im Anspruch 3 die Platte 12 und die Plattenbefestigungskonstruktion gemeinsam zu dem anderen Teil 11 hin- und von diesem wegbewegbar (vgl. D7, Fig. 4, Bezugszeichen 33, 34, 43 und 44 in Verbindung mit der Beschreibung, Spalte 4, Zeile 3 bis 8).

Wie im Anspruch 4 ist in der D7, Fig. 4, linker Teil, und in der Beschreibung Spalte 4, Zeile 20 bis 28, eine bewegliche Lagerung bzw. Halterung der Platte 12 über die Kolben 43, 44 und die Kolbenstangen 33, 34 vorgesehen. Die Plattenbefestigungskonstruktion besteht bei der D7 aus dem Zylindergehäuse 45 des pneumatischen Drucksystems, in dem die Kolbenstangen 33, 34 beweglich gelagert sind, da dort ein variabler Fluid-Druck herrscht. Aufgrund dieser beweglichen Lagerung ist auch nach der D7 "eine verhältnismäßige Bewegung zwischen der Konstruktion und den Halterungsmitteln möglich".

Durch den Wegfall der Ansprüche 2 und 3 enthält der Anspruch 4 auch in seinem unmittelbaren Rückbezug auf die Ansprüche 2 oder 3 nichts darüber hinausgehend Neues.

Die Merkmale des Gegenstandes des Anspruchs 5 sind schon aus der Fadenbehandlungsdüse gemäß der EP 0 039 763 A2 (D1) bekannt. Insbesondere ist in Fig. 9 in Verbindung mit Seite 25 ff. der D1 eine Plattenbefestigungskonstruktion gezeigt, die wie der Gegenstand des Anspruchs 5 einen kastenähnlichen Träger- und Gehäuseteil (body part 12C) umfasst, der an seiner dem anderen Teil der Düse (body part 10) gegenüberliegenden Seite offen ist, wobei das eine als Einsatzelement ( insert element 22A) bezeichnete Düsenteil so angeordnet ist, dass es diese offene Seite des Träger- und Gehäuseteils 12C bedeckt. Für den Fachmann stellt es im Bedarfsfall nur eine naheliegende Maßnahme dar, ausgehend von der Fadendüse nach der D7, je nach Erfordernissen als Plattenbefestigungskonstruktion das aus der D1 bekannte kastenförmige Trägerteil vorzusehen.

Der Gegenstand des Anspruchs 5 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Anspruch 5 enthält daher auch keinen patentfähigen Gegenstand, auch nicht mit unmittelbaren Rückbezug auf Patentanspruch 4 soweit dieser auf Patentanspruch 3 rückbezogen ist, da die Merkmale dieser Ansprüche auch schon bekannt sind.

III Zur Schutzfähigkeit des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1. Zulässigkeit Die Merkmale des Gegenstandes des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag sind sowohl in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen, denen die EP 0 184 625 A2 entspricht, als auch in der Streitpatentschrift EP 0 184 625 B2 (K1) (bzw. DE 35 77 733 (K2)) offenbart.

Der Oberbegriff des Anspruchs 1 entspricht demjenigen des erteilten Anspruchs 1 mit dem zusätzlichen Merkmal der Fläche 28, was in K1, Spalte 3, Zeile 3, (bzw. in K2, Seite 3, 3. Absatz, Zeile 4,) und ursprünglich in der EP 0 184 625 A2, S. 3, Zeile 28, offenbart ist.

Außerdem ist im Oberbegriff des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag der Begriff "elastische Platte" in "flexible Platte" entsprechend dem erteilten Anspruch 1 der englischen Fassung korrigiert. Die Platte wurde noch zusätzlich als "langgestreckt" bezeichnet, was in K1, Spalte 3, Zeile 2, (bzw. in K2, Seite 3, 3. Absatz, Zeile 3,) und ursprünglich in der EP 0 184 625 A2, S. 3, Zeile 27, offenbart ist.

Die Merkmale des ersten kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag, die das andere Teil 10, das Aufeinanderliegen der Flächen 26, 28 und die einen Durchgang bildenden Nuten 34, 36 betreffen, entstammen der K1, Spalte 2, Zeile 58 bis Spalte 3, Zeile 15, (bzw. der K2, Seite 3, 3. und 4. Absatz). Das die aus Metall bestehende Platte betreffende Merkmal ist in K1, Spalte 6, Zeile 22, (bzw. K2, Seite 11, Zeile 11 von unten) offenbart.

Der nächste Abschnitt des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag entspricht dem kennzeichnenden Anspruchsteil der erteilten Fassung bis auf die Korrektur von dem Begriff "Einstellung" in "Anpassung" entsprechend der korrekten Übersetzung der englischen Fassung. Die weiteren kennzeichnenden Merkmale beinhalten die Merkmale der erteilten Ansprüche 2 bis 5, deren Offenbarung unstrittig ist (siehe Kapitel II.)

Die Angaben im Anspruch 1 nach Hilfsantrag betreffen hinreichend konkrete Merkmale, durch die der Fachmann eine nachvollziehbare Lehre zum technischen Handeln erhält und somit einen konkreten Lösungsvorschlag zum Aufbau einer Fadenbehandlungsdüse.

Zu den Merkmalen in diesem Anspruch wie "flexible Platte", "bestehend aus einer Mehrzahl von Teilen" und "die Mittel zur Ausübung von Verschlusskräften auf eine Fläche der Platte gegenüber des Durchganges im wesentlichen mit diesem ausgerichtet vorgesehen sind", wird auf die entsprechenden Ausführungen zum Hauptantrag hingewiesen, denen zufolge auch diese Merkmale den Fachmann in die Lage versetzen, daraus seine Schlüsse zum technischen Handeln zu ziehen.

Die Beschränkung nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag ist daher zulässig.

2. Patentfähigkeit Die Fadenbehandlungsdüse nach Anspruch 1 in der mit dem Hilfsantrag verteidigten Fassung mag zwar neu sein, beruht aber nicht auf einer erfinderischenTätigkeit.

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag enthält neben den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 zum einen noch die Merkmale der erteilten Unteransprüche 2 bis 5 und zum anderen noch weitere Merkmale aus der Beschreibung der Streitpatentschrift, die insbesondere die Ausgestaltung des einen Teils 12 als lang gestreckte flexible Platte und des anderen Teils 10 als ein lang gestreckter Block sowie die Düsen-Ausgestaltung betreffen. Durch die Beschränkung auf eine lang gestreckte flexible Platte wird dem Fachmann der Hinweis auf das elastische Biegeverhalten analog zum sog. "Biegebalken" (siehe Kapitel II. 2.) gegeben, womit ein besseres Anschmiegen der Platte unter Krafteinwirkung erzielt werden soll, was auch auf die Beschränkung auf Metall als Plattenmaterial als typischen "elastischen" Werkstoff zutrifft.

Wie schon bei den Ausführungen zu den erteilten Ansprüchen 1 bis 5 (siehe Kapitel II) dargelegt, enthalten diese nichts patentfähiges: Die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag, die aus Ansprüchen 1 bis 4 stammen, sind aus der D7 bekannt und diejenigen Merkmale, die aus Anspruch 5 stammen, sind dem Fachmann ausgehend von der D7 in Verbindung mit der D1 nahe gelegt.

Die weiteren aus der Beschreibung des Streitpatents entnommenen Merkmale des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag können ebenfalls schon im Stand der Technik nachgewiesen werden.

In der D7, nach Fig. 3 in Verbindung mit der Beschreibung Spalte 4, Zeile 36, 37 ist das eine Teil (cover member 12) auch als eine lang gestreckte Platte, das eine Fläche hat, ausgebildet und das andere Teil (body member 11) weist ebenfalls die Form eines lang gestreckten Blockes und eine Fläche auf. Die Flächen dieser beiden Teile 11 und 12 liegen wie beim Streitgegenstand aufeinander, wenn die Düse geschlossen ist.

Da in der D7 in Spalte 5, die Zeilen 35 bis 39 und 52 bis 54, die Anwendung verschiedener Metalle für die Konstruktion der Fadendüse, insbesondere im Bereich des Fadendurchganges beschrieben ist, ist hieraus auch das weitere Merkmal des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag bekannt, wonach die Platte 12 aus Metall ist.

Als weiteres Merkmal wurde noch das des erteilten Anspruchs 5 mit dem kastenähnlichen Träger- und Gehäuseteil eingefügt; wie oben ausgeführt wurde, ist dieses dem Fachmann aus der D1, Fig. 9, bereits bekannt.

Es bleiben noch die Merkmale übrig, die die Ausgestaltung der Nut als Fadendurchgang betreffen und aus der Beschreibung der Streitpatentschrift stammen, "dass beide Teile in der Fläche eine Nut haben, die, wenn die Flächen korrekt aufeinander liegen, einen Durchgang bilden, welcher sich von einem Ende zum anderen Ende der Düse erstreckt". In der D1, insbesondere der Fig. 9 ist eine derartige Nut 116 im Einsatzelement 22A gezeigt und in Fig. 3 ist die beidseitige gegenüber liegende Anordnung der Einsatzelemente 22A mit jeweils einer Nut zu erkennen. Auch hier liegen die Flächen aufeinander und bilden somit mittels ihrer Nuten einen Düsendurchgang gemäß Anspruch 1 nach Hilfsantrag.

Aus den genannten Gründen können auch die neu in den Anspruch 1 nach Hilfsantrag eingefügten Merkmale nichts zur Patentfähigkeit des Streitgegenstandes beitragen, da es für den genannten Fachmann eine im Rahmen seines fachlichen Wissens und konstruktiven Könnens liegende Maßnahme ist, im Bedarfsfall die aus der D1 bekannten Merkmale auf die Düsenkonstruktion nach der D7 zu übertragen. Diese Anordnung der Platte in einem kastenähnlichen Träger- und Gehäuseteil trägt zur leichteren Auswechselbarkeit der Platte 12 sowie zur Stabilitätserhöhung des Trägerteils 122 bei. Das Vorsehen nicht nur einer Nut auf einem Düsenteil wie nach der D7, sondern erfindungsgemäß auf beiden Düsenteilen, verbessert den Strömungsdurchgang.

Demnach beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Durch die Aufnahme der angegriffenen Ansprüche 2 bis 5 in der erteilten Fassung in den Anspruch 1 des Hilfsantrags sind diese entfallen.

Das Streitpatent ist daher im Umfang der angegriffenen Ansprüche 1 bis 5 für nichtig zu erklären.

IV Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß §§ 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs. 1 PatG, 709 ZPO.






BPatG:
Urteil v. 16.02.2006
Az: 2 Ni 22/04


Link zum Urteil:
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