Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 13. Februar 1986
Aktenzeichen: 10 TI 1955/85

(Hessischer VGH: Beschluss v. 13.02.1986, Az.: 10 TI 1955/85)

Gründe

I.

Die Erinnerungsführer sind afghanische Staatsangehörige, deren Klagen auf Anerkennung als Asylberechtigte durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und auf Aufhebung der Ausreiseaufforderungen des Landrats des Lahn-Dill-Kreises vom 23. Juni 1983 mit Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 5. April 1984 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15. August 1984 stattgegeben worden ist (II/2 E 5901/83). Nachdem der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten die hinsichtlich des asylrechtlichen Verfahrensteils zunächst eingelegte Berufung am 25. September 1984 zurückgenommen hatte, sind ihm die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt worden (B. d. Sen. v. 5. Oktober 1984 -- 10 UE 1735/84 -).

Die Bevollmächtigten der Beschwerdeführer beantragten u. a. die Festsetzung einer Erledigungsgebühr für das Berufungsverfahren, weil die Rücknahme der Berufung auf ihren Schriftsatz vom 11. September 1984 zurückzuführen sei, den sie an den Bundesbeauftragten gerichtet hatten. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts lehnte die Festsetzung der Erledigungsgebühr mit Beschluß vom 1. April 1985 ab, weil der Schriftsatz vom 11. September 1984 insoweit nicht allein tragfähig sei. Die hiergegen eingelegte Erinnerung blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht wies die Erinnerung mit Beschluß vom 13. September 1985 zurück, weil die Bevollmächtigten der Beschwerdeführer besondere Bemühungen mit dem Ziel einer außergerichtlichen Erledigung nicht erbracht hätten. Der Schriftsatz vom 11. September 1984 gehöre zu der mit der Prozeßgebühr abgegoltenen Tätigkeit, zu der die Bevollmächtigten ohnehin verpflichtet gewesen seien, um eine erfolgreiche Beendigung des Asylstreitverfahrens ihrer Mandanten herbeizuführen.

Gegen diesen ihnen am 18. September 1985 zugestellten Beschluß haben die Erinnerungsführer am 24. September 1985 Beschwerde eingelegt und beantragen,

den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 1. April 1985 Land des angefochtenen Beschlusses vom 13. September 1985 anzuweisen, zusätzlich eine Erledigungsgebühr nebst Mehrwertsteuer festzusetzen.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vertritt zu der Beschwerde die Auffassung, bei der Erledigungsgebühr handele es sich um eine Erfolgsgebühr, die nur durch besondere, über die übliche Prozeßführung hinausgehende Bemühungen des Rechtsanwalt verdient werde; diese Bemühungen müßten außerdem wesentlich zur Erledigung beigetragen haben. Entsprechende Bemühungen der Bevollmächtigten der Erinnerungsführer seien weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich. Der Bezirksrevisor beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof weist darauf hin, daß eine Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits darin gesehen werden könne, daß die Bemühungen des Rechtsanwalts den Berufungskläger veranlaßten, es durch Zurücknahme der Berufung bei der i n erster Instanz erfolgten Aufhebung des Verwaltungsakts zu belassen. Im vorliegenden Falle liege zumindest eine teilweise Mitwirkung der Bevollmächtigten vor, die den Bundesbeauftragten zur Rücknahme der Berufung bewogen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

An dem vorliegenden Verfahren ist als Beschwerdegegner lediglich der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten beteiligt, der nach der Kostenentscheidung des Senats vom 5. Oktober 1984 allein die Kosten der Berufung zu tragen hat und deshalb hinsichtlich der hier streitigen Erledigungsgebühr allein als Kostenpflichtiger in Betracht kommt. Entgegen der in der Fassung des angefochtenen Beschlusses zum Ausdruck gelangten Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, und das Land Hessen, vertreten durch den Landrat des Lahn-Dill-Kreises, weder an dem Kostenfestsetzungsverfahren noch an dem entsprechenden Rechtsmittelverfahren beteiligt. Der Bezirksrevisor beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof ist, worauf er in seinem Vermerk vom 4. Februar 1986 zu Recht hingewiesen hat, als Vertreter der Staatskasse zur Prüfung der Festsetzung nur hinsichtlich der Vergütung zuständig, die an die Bevollmächtigten der Erinnerungsführer auf Grund der diesen bewilligten Prozeßkostenhilfe zu gewähren ist.

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet; denn das Verwaltungsgericht hat die Festsetzung einer Erledigungsgebühr im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 24 BRAGO erhält der Rechtsanwalt, der bei der Erledigung einer Rechtssache mitgewirkt hat, eine volle Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach der Rücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts erledigt. Die Erledigungsgebühr setzt besondere Bemühungen des Rechtsanwalts voraus, die auf die außergerichtliche Erledigung des Rechtsstreits gerichtet sind und über die Tätigkeiten hinausgehen, die durch die Prozeß- und Verhandlungsgebühr abgegolten sind (BVerwG, NVwZ 1982, 36; BVerwG, Urt. v. 4.10.1985 - 8 C 68.83 -; Hess. VGH, B, v. 26.05.1977 - II TE 25/77 und vom 10.09.1979 - VI TE 2240/78 -; OVG Lüneburg, AnwBl. 1983, 282; OVG Nordrhein-Westfalen, KostRspr. Nrn. 13 u. 20 zu § 24 BRAGO;). Indem die Bevollmächtigten der Antragsteller durch ihre Ausführungen in dem an den Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten gerichteten Schriftsatz vom ;11 . September» 1984 indem hier zugrunde liegenden Verfahren zur Rücknahme der Berufung beigetragen haben; haben sie derartige besondere Bemühungen unternommen. Sie haben nämlich nicht nur zu der damals neueren Rechtsprechung zur Frage des anderweitigen Verfolgungsschutzes Stellung genommen, sondern auch auf den schlechten Gesundheitszustand des Erinnerungsführers zu 1 , hingewiesen und damit eine Tätigkeit entfaltet, die über das hinausging, was von ihnen im Rahmen des Berufungsverfahrens erwartet werden maßte.

Dem Ansatz der Erledigungsgebühr steht auch nicht entgegen, daß dem Berufungsverfahren eine Verpflichtungsklage gegen die Bundesrepublik zugrunde lag; denn § 24 BRAGO ist auf Verpflichtungsklagen entsprechend anzuwenden (vgl. OVG Koblenz,, NJW 1960, 934; OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 1960, 1782 ) .

Die Erledigungsgebühr ist aber deswegen nicht entstanden, weil sich die Rechtssache nicht durch Erlaß eines Anerkennungsbescheids des Bundesamts erledigt hat, sondern durch Rücknahme der Berufung des Bundesbeauftragten. Der Gesetzgeber hat die Erledigungsgebühr nur für den Fall vorgesehen, daß die Erledigung durch Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts bzw. durch Erlaß des von dem Rechtsuchenden begehrten Verwaltungsakts eintritt. Die Voraussetzungen für die Erledigungsgebühr sind danach nicht erfüllt, wenn sich der Rechtsstreit in anderer Weise erledigt, insbesondere durch Rücknahme eines Rechtsmittels gegen ein Urteil, durch das der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben bzw. die Verpflichtung zum Erlaß des mit der Klage begehrten Verwaltungsakts ausgesprochen worden ist (BVerwG, DVBl. 1964, 79f. ; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 5. Aufl. 1985, Rdnr. 17 zu § 24). Der Senat hält eine analoge Anwendung für den Fall der Rücknahme eines Rechtsmittels durch die in erster Instanz unterliegende Behörde nicht für gerechtfertigt (so aber Gerold/ Schmid, BRAG0, 8. Aufl. 1984, Rdnr. 8 zu § 24). Gebühren- und kostenrechtliche Tatbestände sind in der Regel abschließend formuliert und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Die Erledigungsgebühr des § 24 BRAGO ist der Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO nachgebildet, knüpft jedoch nur an eine bestimmte Art des Erfolgs der zusätzlichen Bemühungen des Rechtsanwalts an, nämlich die Erledigung des Rechtsstreits durch eine Tätigkeit auf der Behördenebene: durch Erlaß bzw. Aufhebung eines Verwaltungsakts. Dem kann die Rücknahme eines Rechtsmittels durch eine Behörde nicht gleichgestellt werden, weil sie unter Umständen auf anderen Überlegungen beruht und andere Rechtsfolgen zeitigt. Im vorliegenden Verfahren ist also maßgeblich darauf abzustellen, daß der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten die Erledigung des Rechtsstreits durch Berufungsrücknahme herbeigeführt hat und nicht das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Erlaß eines Anerkennungsbescheids. Die Rechtsmittelrücknahme durch den Bundesbeauftragten kann schon deswegen einer Klaglosstellung durch das Bundesamt nicht gleichgestellt werden, weil der Bundesbeauftragte über eine eigene Rechtsmittelbefugnis verfügt und an Weisungen des Bundesministers des Innern gebunden ist (vgl. § 5 Abs. 2 und 4 AsylVfG), während über den Asylantrag ein insoweit weisungsungebundener Bediensteter des Bundesamts zu entscheiden hat (§ 4 Abs. 5 AsylVfG) und nicht zweifelsfrei erscheint, ob der Leiter des Bundesamts während eines laufenden Gerichtsverfahrens einen Asylbewerber klaglos stellen kann, ohne die Entscheidung des Einzelentscheiders herbeizuführen.

Die Entscheidungen über die Kosten und den Streitwert des Beschwerdeverfahrens beruhen auf §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO, § 100 ZPO und § 13 Abs 1 GKG.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar.






Hessischer VGH:
Beschluss v. 13.02.1986
Az: 10 TI 1955/85


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