Landgericht Duisburg:
Beschluss vom 16. September 1997
Aktenzeichen: 24 T 152/97

(LG Duisburg: Beschluss v. 16.09.1997, Az.: 24 T 152/97)

Tenor

Auf die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Durchgriffserinnerung der Gläubigerin vom 11. Juni 1997 wird der Beschluss des Amtsgerichts Mül-heim an der Ruhr vom 23. Mai 1997 (Az.: 3 M 1114/97) aufgehoben.

Der Rechtspfleger wird angewiesen, von den darin bezeichneten Bedenken gegen die Ladung der Schuldnerin zur Abgabe der eidesstattlichen Versiche-rung Abstand zu nehmen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Schuldnerin.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.206,14 DM.

Gründe

Die gemäß den §§ 11 RpflG., 793 ZPO als sofortige Beschwerde zu behandelnde Durchgriffserinnerung der Gläubigerin ist zulässig und begründet.

Der Rechtspfleger war nicht berechtigt, den Antrag der Gläubigerin vom 14.4.1997 auf Ladung der Schuldnerin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wegen fehlender Fruchtlosigkeitsbescheinigung bezüglich der Wohnung der Schuldnerin zurückzuweisen.

Der Schuldner ist gemäß § 807 ZPO zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn die Pfändung zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt ha oder dieser glaubhaft macht, dass er durch Pfändung seine Befriedigung nicht vollständig erlangen könne. Diese Vorschrift ist nach Ansicht der Kammer nicht dahin zu verstehen, dass der Gläubiger alle ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten ausschöpfen muss, um eine Unpfändbarkeit nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen. Nach Sinn und Zweck des § 807 ZPO reicht es vielmehr aus, dass der Gläubiger unter Berücksichtigung des Verhaltens des Schuldners die ihm zumutbaren Mittel angewandt hat, um eine Pfändung zu versuchen.

Ob der Gläubiger eine allerorts erfolglos versuchte Pfändung nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen hat, ist streitig. Streitig ist insbesondere, ob bereits ein erfolgloser Pfändungsversuch im Geschäftslokal ausreicht, um den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 807 ZPO zu begründen, oder ob insoweit zusätzlich ein erfolgloser Pfändungsversuch in der Wohnung nötig ist, an dem es hier fehlt (vergl. zur Übersicht, Zöller, ZPO, 20. Aufl., § 807 Rdnr. 14 m.w.N.). Die Kammer folgt jedenfalls im Entscheidungsfall der Auffassung, wonach der Gläubiger bereits durch den von ihm nachgewiesenen Pfändungsversuch im Geschäftslokal glaubhaft gemacht hat, dass er durch Pfändung seine Befriedigung nicht vollständig erlangen könne.

Voraussetzung für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung des Schuldners ist nicht dessen Vermögenslosigkeit; vielmehr soll der Gläubiger gerade durch die Abgabe der Versicherung die Möglichkeit erhalten, etwaiges Vermögen des Schuldners ausfindig zu machen. Die Vorschrift des § 807 ZPO enthält dementsprechend kein Gebot an den Gläubiger, vor Abgabe der eidesstattlichen Versicherung jede Möglichkeit der Befriedigung auszuschöpfen. § 807 ZPO ist vielmehr nur eine Ausprägung der ungeschriebenen Rechtsgrundsätze des Gebots der Verhältnismäßigkeit und des angemessenen Interessenausgleiches. Kein Schuldner soll gezwungen werden, den Bestand seines Vermögens zusammenzustellen und eidesstattlich zu versichern, wenn der Gläubiger einer solchen Offenbarung nicht bedarf, weil er auch ohne diese umfassende Kenntnis durch Zwangsvollstreckung Befriedigung erlangen kann (OLG Köln, Rechtspfleger 1975, Seite 441, 442).

Die Gläubigerin hat hier das Vollstreckungsprotokoll des Obergerichtsvollziehers vom 20.3.1997 beigebracht, aus dem sich ergibt, dass zugunsten der Gläubigerin eine Anschlusspfändung in einen altdeutschen Schrank und ein englisches Buffet stattgefunden hat. Den voraussichtlichen Erlös der beiden Gegenstände hat der Gerichtsvollzieher mit insgesamt 3.000,- DM veranschlagt. Der Pfändung zugunsten der Gläubigerin gehen jedoch Pfändungen zugunsten anderer Gläubiger mit Forderungen in Höhe von insgesamt etwa 40.000,- DM vor. Bei dieser Sachlage muss davon ausgegangen werden, dass die Gläubigerin durch die zu ihren Gunsten erfolgte Anschlusspfändung eine Befriedigung nicht erlangen kann. Wegen der zahlreichen weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger gegen die Schuldnerin kann auch nicht erwartet werden, dass eine Zwangsvollstreckung in der Wohnung der Schuldnerin erfolgreich verlaufen würde. Deshalb entspricht die Forderung des Amtsgerichts, zunächst weitere Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in der Wohnung der Schuldnerin zu versuchen, nicht mehr dem Gebot der Verhältnismäßigkeit und des angemessenen Interessenausgleichs. Durch die hier vertretene Auffassung entsteht der Schuldnerin, in deren Geschäftslokal keine erfolgreichen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchgeführt werden konnten, auch kein unbilliger Nachteil. Ihr steht jederzeit die Möglichkeit offen, die bislang verhältnismäßig geringfügige Forderung der Gläubigerin von gut 1.000,-- DM freiwillig zu zahlen oder der Gläubigerin pfändbare Sachen anzubieten und dadurch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu vermeiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 788 ZPO.

Die Wertfestsetzung folgt aus § 57 Abs. 2 BRAGO.






LG Duisburg:
Beschluss v. 16.09.1997
Az: 24 T 152/97


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