Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Januar 2007
Aktenzeichen: 6 W (pat) 24/02

(BPatG: Beschluss v. 16.01.2007, Az.: 6 W (pat) 24/02)

Tenor

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat im Einspruchsverfahren das am 2. April 1990 angemeldete und am 9. Juli 1998 veröffentlichte Patent 40 10 543 mit Beschluss vom 20. November 2001 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Der Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Kupplungsscheibe für Kraftfahrzeug-Reibungskupplungen, bestehend aus einer Nabe mit Nabenscheibe und daran angeordneten, federnden Belagträgern, die umfangsmäßig Wellenberge und Wellentäler aufweisen, wobei zu beiden Seiten der Belagträger umfangsmäßig geschlossene Reibringe angeordnet sind, die direkt auf den Belagträgern aufliegen und im Bereich der Wellenberge mit diesen vernietet sind, dadurch gekennzeichnet, dassdie Reibringe (8, 9) umfangsmäßig eine im Wesentlichen gleichbleibende Materialstärke aufweisen und im Bereich der Vernietung rinnenförmige, im Wesentlichen radial verlaufende Einbuchtungen (12, 13) aufweisen, die zur Vorderseite (11) hin offen sind, an der Rückseite (10) überstehen und auf den Wellenbergen (6) aufliegen.

Hinsichtlich des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5, sowie weiterer Einzelheiten wird auf die Patentschrift, bzw. auf den Akteninhalt verwiesen.

Im Einspruchsverfahren vor dem DPMA wurden folgende Druckschriften berücksichtigt:

D1 DE 12 33 669 B D2 DE 35 19 245 A1 D3 US 47 27 972 A Im Beschwerdeverfahren wurden außerdem folgende Druckschriften von der Einsprechenden genannt:

D4 DE 35 23 768 A1 D5 EP 0 166 640 B1 D6 AT 112 879 Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen den Beschluss der Patentabteilung vom 20. November 2001. Sie stützt sich insbesondere auf die US 47 27 972 A, zu der sie in der mündlichen Verhandlung vorträgt, diese Schrift lege in Zusammenschau mit der Lehre der AT 112 879 eine Kupplungsscheibe, entsprechend der Merkmale des Patentanspruchs 1 nahe. Insbesondere könne der AT 112 879 eine Anordnung entnommen werden, bei der im Bereich der Vernietung auf der Rückseite Material überstehe, so dass die Niete versenkt angebracht werden könnten und einen weitgehenden Verschleiß des teuren Reibmaterials erlauben würden.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent 40 10 543 in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.

Sie begründet ihren Antrag damit, dass die Materialüberstände bei einer Kupplungsscheibe nach der AT 112 879 in erster Linie dafür zuständig seien, einen Formschluss mit einem Belagträger zu ermöglichen und ein Fachmann außerdem keinerlei Anregungen erhalte, Teilmerkmale der in den zwei Entgegenhaltungen offenbarten Kupplungsscheiben miteinander zu kombinieren.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die erteilten Patentansprüche sind zulässig.

Die Patentansprüche 1 bis 5 gemäß geltendem Patentbegehren entsprechen den am Anmeldetag mit den ursprünglichen Unterlagen eingereichten Ansprüchen 1 bis 5.

2. Der Patentgegenstand ist patentfähig nach §§ 1 bis 5 PatG.

a. Die gewerblich anwendbare Kupplungsscheibe für Kraftfahrzeug-Reibungskupplungen mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 ist neu.

Dies wird von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten. Aus dem gesamten angezogenen Stand der Technik ist nämlich das Merkmal nicht bekannt, wonach im Bereich der Vernietung rinnenförmige, im Wesentlichen radial verlaufende Einbuchtungen (12, 13) existieren, die zur Vorderseite (11) hin offen sind, an der Rückseite (10) überstehen und auf den Wellenbergen (6) aufliegen.

b. Die Kupplungsscheibe für Kraftfahrzeug-Reibungskupplungen mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die dem Streitpatent zugrundeliegende allgemeine Aufgabe besteht in der Angabe einer ökonomisch darstellbaren Reibbelaganordnung, die bei einem insgesamt geringen Materialaufwand eine hohe Festigkeit und ein großes Verschleißvolumen aufweist. Der Reibbelag soll dabei aus einem modernen (Spalte 1, Z. 24) Fasermaterial bestehen, d. h. es werden lange, richtungsabhängig belastbare Fasern verwendet, die nicht oder nur unwesentlich an einigen Stellen unterbrochen werden sollen, weil mit nicht unterbrochenen Fasersträngen eine höhere Festigkeit der Reibringe erzielt werden kann (vgl. Sp. 2, Z. 49 - 53). Damit muss auch das, dem verwendeten Material adäquate Herstellungsverfahren berücksichtigt werden, bei dem die Reibringe u. a. aus umlaufend gewickelten Fasersträngen gefertigt werden und nicht einfach z. B. durch ein Spritz- oder Druckgussverfahren. In diesem Verständnis wird überstehendes Material auch nicht "zusätzlich" aufgetragen. Vielmehr stellen die im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 aufgeführten Teilmerkmale gemeinsam eine sinnvolle Einheit dar, aus der das Herauslösen eines Teilmerkmals herstellungsbedingt nicht möglich, vor allem aber auch nicht sinnvoll wäre. So ist bspw. eine Ausbuchtung auf der einen Seite die Folge der auf der gegenüberliegenden Reibbelagseite vorgesehenen Einbuchtung, wobei gleichzeitig das Merkmal der umfangsmäßig im Wesentlichen gleichbleibenden Materialstärke verwirklicht ist, was im angezogenen Stand der Technik so kein Vorbild hat.

Aus der US 47 27 972 A ist eine Kupplungsscheibe für Kraftfahrzeug-Reibungskupplungen bekannt, bestehend aus einer Nabe mit Nabenscheibe und daran angeordneten, federnden Belagträgern 16, 18, 20, die umfangsmäßig Wellenberge und Wellentäler aufweisen (vgl. Fig. 3), wobei zu beiden Seiten der Belagträger 16, 18, 20, umfangsmäßig geschlossene Reibringe 12, 14 angeordnet sind, die direkt auf den Belagträgern 16, 18, 20, aufliegen (vgl. Fig. 3) und im Bereich der Wellenberge mit diesen vernietet (Nietlöcher 1) sind.

Die im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 geforderten, rinnenförmigen, im Wesentlichen radial verlaufenden Einbuchtungen 2, 3, 4 sind auf der Vorderseite der Reibscheibe nach der US 47 27 972 A, isoliert betrachtet, vorgesehen. Diese können durch Materialentfernung oder aber durch Einpressen hergestellt werden (Sp. 2, Z. 52 - 54). Keine der beiden Alternativen führt aber zu Überständen auf der Rückseite, welche auf den Wellenbergen des Belagträgers aufliegen. Insofern ist insbesondere das Merkmal der gleichbleibenden Materialstärke bei der US 47 27 972 A nicht verwirklicht.

Die AT 112 879 offenbart Reibbelagpads, die u. a. auch bei Reibungskupplungen benutzt werden können (vgl. S. 1, Z. 33). Nähere Einzelheiten hinsichtlich der dafür vorzusehenden Belagträger sind mit Ausnahme des Hinweises, dass die bei den Reibbelagkörpern vorgesehenen rückwärtigen Überstände 3 formschlüssig in entsprechende Nuten der Reibbelagträger eingreifen sollen, dieser Entgegenhaltung nicht entnehmbar.

Die in Figur 1 auf der rechten Seite dargestellten Überstände 3 mögen dazu beitragen, dass die darin tief versenkbaren Nietköpfe einen weitgehenden Verschleiß des Reibbelags 1 erlauben, wie in Zeile 25 - 27 ausgeführt wird. Diese Überstände stellen jedoch keine Folge von auf der gegenüberliegenden Seite verlaufenden Einbuchtungen dar. Es handelt sich dabei vielmehr um zusätzlich aufgebrachtes Reibbelagmaterial. Insofern erscheint es unwahrscheinlich, dass ein mit dem vorliegenden Problem des Streitpatents betrauter Fachmann, bei dem es sich um einen Diplom-Ingenieur, Fachrichtung "Allgemeiner Maschinenbau" mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich der Entwicklung von Reibungskupplungen handelt, die Entgegenhaltung überhaupt einer näheren Überprüfung unterzieht. Denn mit Ausnahme des o. a. allgemeinen Hinweises (Versenkung der Nietköpfe) enthält diese Entgegenhaltung keinen nachvollziehbaren Bezug zu einer gattungsmäßig aufgebauten Kupplungsscheibe. Weder werden Merkmale offenbart, die mit der Nabe oder den Belagträgern in Zusammenhang bringbar sind, noch handelt es sich überhaupt um geschlossene Reibringe entsprechend dem Oberbegriff nach Patentanspruch 1 des Streitpatents. Außerdem weisen die Reibbelagkörper erkennbar auch keine gleichbleibende Materialstärke auf, verfügen über keine rinnenförmigen, radial verlaufenden Einbuchtungen, die zur Vorderseite hin offen sind und liegen zudem auch nicht auf Wellenbergen auf, entsprechend der Merkmale des Kennzeichens.

Selbst wenn der Fachmann die angezogene Entgegenhaltung jedoch für eine eingehende Würdigung berücksichtigt hätte, wären Anregungen in Richtung Patentanspruch 1 des Streitpatents für ihn daraus nicht entnehmbar gewesen. Denn auch bei einer Zusammenschau der insgesamt offenbarten Merkmale fehlen diejenigen, welche sich auf die gleichbleibende Materialstärke beziehen sowie diejenigen, wonach Einbuchtungen, zur Vorderseite hin offen sind und an der Rückseite überstehen.

Der Fachmann findet aber auch keine Anregung, Teilmerkmale wie z. B. die aus der US 47 27 972 A bekannten Nuten, (bei denen es sich auch nicht um Einbuchtungen i. S. des Patentanspruchs 1 handelt) mit Überständen (ohne Einbuchtungen), wie sie aus der AT 112 879 bekannt sind, zu kombinieren, u. a. auch deshalb nicht, weil die Kupplungsscheiben nach den Entgegenhaltungen, soweit überhaupt angesprochen, aus anderen Materialien aufgebaut sind. Insoweit fehlt den aus den beiden Entgegenhaltungen bekannten Teilmerkmalen eine gemeinsame Überordnung, durch die der Fachmann erst eine Anregung erhalten könnte, die für sich bekannten Lösungsaspekte, respektive Teile davon, miteinander zu kombinieren.

Der Lösungsweg war damit weder bezüglich seines Grundgedankens noch bezüglich seiner konstruktiven Verwirklichung im Stand der Technik vorgezeichnet.

Die weiteren Entgegenhaltungen wurden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen. Sie behandeln Kupplungsscheiben, die demgegenüber noch weiter ab liegen und weder für sich noch in Kombination mit einer der beiden oben beschriebenen Ausbildungen in der Lage sind, eine Kupplungsscheibe entsprechend dem Patenanspruch 1 des Streitpatents nahezulegen.

Patentanspruch 1 ist daher als Resultat einer erfinderischen Tätigkeit anzusehen.

Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 erfüllen die an rückbezogene Patentansprüche zu stellenden Anforderungen und sind damit ebenfalls bestandsfähig.






BPatG:
Beschluss v. 16.01.2007
Az: 6 W (pat) 24/02


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