Landgericht Hamburg:
Urteil vom 24. März 2009
Aktenzeichen: 416 O 206/08

(LG Hamburg: Urteil v. 24.03.2009, Az.: 416 O 206/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Hamburg hat in einer Entscheidung vom 24. März 2009 (Aktenzeichen 416 O 206/08) entschieden, dass der Beklagten untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr für Diabetes-Vorsorgeuntersuchungen zu werben. Dabei wurde festgelegt, dass bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verhängt werden kann. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Der Kläger in diesem Fall ist ein eingetragener Verein, der die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder schützt. Die Beklagte ist eine aus Ärzten bestehende Gesellschaft, die eine auf Diabetologie spezialisierte Arztpraxis betreibt.

Die Beklagte hat in der Zeitschrift "Südseiten – Das Journal für Hamburgs City Süd", Ausgabe September 2008, gemeinsam mit einer Apotheke Anzeigen geschaltet, die auf kostenlose Diabetes-Checks verwiesen haben. Der Kläger ist der Meinung, dass diese Werbung wettbewerbswidrig ist, da sie gegen berufsrechtliche Vorschriften für Ärzte und gegen das Heilmittelwerbegesetz verstößt.

In der Urteilsbegründung hat das Gericht festgestellt, dass die Werbung der Beklagten tatsächlich gegen das Heilmittelwerbegesetz verstößt. Gemäß § 7 Abs. 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen und Werbeabgaben anzubieten oder anzukündigen. Die Werbung für einen kostenlosen Diabetes-Check fällt unter diese Vorschrift. Das Gericht ist der Auffassung, dass der durchschnittliche Verbraucher die Werbung als solche der Beklagten versteht und das kostenlose Angebot mit der Beklagten in Verbindung bringt. Das Gericht betont, dass es bei der Auslegung einer Werbung darauf ankommt, wie der angesprochene Verkehr sie versteht.

Die Beklagte hat argumentiert, dass der Diabetes-Check in Zusammenarbeit mit der Apotheke angeboten wurde und dass das Verhalten der Beklagten daher nicht relevant sei. Das Gericht widerspricht dieser Ansicht und erklärt, dass die Werbung Mehrdeutigkeiten enthält, die von der Beklagten zu verantworten sind. Es kommt nicht darauf an, wer den Check tatsächlich durchführt, sondern wie die Werbung aufgefasst wird.

Das Gericht stellt fest, dass der kostenlose Diabetes-Check eine ärztliche Leistung ist, die normalerweise gegen Entgelt angeboten wird. Daher handelt es sich bei dem kostenlosen Angebot um eine Zuwendung bzw. Werbegabe, die gemäß § 7 Abs. 1 HWG unzulässig ist. Die Ausnahmeregelungen in § 7 Abs. 1 und 2 HWG finden in diesem Fall keine Anwendung.

Die Einwendungen der Beklagten bezüglich der Erheblichkeit des Verstoßes und des Gleichheitsprinzips werden vom Gericht als unerheblich angesehen. Es wird betont, dass Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz immer einen Unwertgehalt haben und daher strikt einzuhalten sind. Das Gesetz gilt für alle gleichermaßen, nicht nur für Ärzte.

Das Gericht stellt abschließend fest, dass der Kläger einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte hat und dass die Kosten des Verfahrens von der Beklagten zu tragen sind. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wenn der Kläger eine Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,00 Euro erbringt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG Hamburg: Urteil v. 24.03.2009, Az: 416 O 206/08


Tenor

I. Der Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Gesellschaftern untersagt,

im geschäftlichen Verkehr für Diabetes € Vorsorgeuntersuchungen zu werben:

€kostenloser Diabetes-Check€.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 18.000,00 vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört.

Die Beklagte ist eine aus Ärzten gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie betreibt eine auf Diabetologie spezialisierte Arztpraxis unter der Etablissementbezeichnung €Diabetes Zentrum Berliner Tor€.

In der Zeitschrift €SÜDSEITEN € DAS JOURNAL FÜR HAMBURGS CITY SÜD€, Ausgabe September 2008 veröffentlichte die Beklagte gemeinsam mit der €K- B - Apotheke Anzeigen, bezüglich derer auf die Anl. K2 Bezug genommen wird.

Der Kläger hält die Werbung für wettbewerbswidrig.

Er trägt vor,

die Werbung verstoße gegen § 12 Abs. 1 der Berufsordnung für Ärzte und Ärztinnen, wonach die Sätze der GOÄ nicht in unlauterer Weise unterschritten werden dürften. Da der €Diabetes-Check€ kostenlos angeboten werde, werde die GOÄ in jedem Fall unterschritten. Bei § 12 Abs. 1 der Berufsordnung der Hamburger Ärzte und Ärztinnen handele es sich um eine Preisvorschrift, die auch dazu bestimmt sei, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Zudem verstoße das Verhalten der Beklagten gegen § 7 HWG, da mit dem kostenlosen €Diabetes € Check€ entgegen Abs. 1 Zuwendungen angeboten würden.

Er beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor,

der €Diabetes € Check€ sei im Rahmen einer gemeinsamen Aktion mit der K- B - Apotheke im September 2008 angeboten worden. Dabei seien den interessierten Personen Fragebögen der gemeinnützigen Diabetes Stiftung ausgegeben worden, anhand derer eine Selbsteinschätzung bezüglich des Diabetes Risikos habe vorgenommen werden können. Hinsichtlich der Einzelheiten des Fragebogens wird auf die Anl. B1 Bezug genommen. Danach habe die Möglichkeit bestanden, vor Ort einen einfachen und kostenlosen Blutzuckertest vorzunehmen, der von der Apotheke durchgeführt worden sei. Ärztliche Mitarbeiter der Beklagten seien gar nicht vor Ort gewesen. Im Übrigen vermittle die Anzeige selbst nicht den Eindruck, die Leistung (Blutzuckertest) könnte von der Beklagten angeboten worden sein. Jedenfalls sei das Verhalten der Beklagten nicht relevant, da es um eine Leistung im Wert von € 0,50 gehe. Auch der Gleichheitsgrundsatz sei verletzt, da das kostenlose Erbringen derartiger Leistungen anderen Anbietern wie Apotheken oder Krankenhäusern erlaubt sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 HWG zur Seite.

Die Werbung verstößt gegen § 7 Abs. 1 HWG. Danach ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbeabgaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Gegen diese Norm hat die Beklagte jedenfalls in der Variante der €Ankündigung€ mit ihrer Werbung verstoßen. Der angesprochene Verkehr wird die Anzeige, in der für einen kostenlosen Diabetes-Check geworben wird, auch als eine solche der Beklagten verstehen und deshalb die entsprechende Ankündigung in der Anzeige auf S. 19 der September 2008 € Ausgabe der Zeitschrift €südseiten€ auch dieser zuordnen. Dabei kommt es für das Verständnis einer Werbung maßgeblich darauf an, wie sie vom angesprochenen Verkehr aufgefasst wird, wobei die Kammer mit der Rechtsprechung der Obergerichte von dem Verständnis eines situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers ausgeht.

Dies zugrunde gelegt, besteht nach Auffassung der Kammer kein Zweifel, dass das Angebot des €kostenlosen Diabestschecks€ auch als ein solches der Beklagten verstanden wird. Sowohl die €K- B - Apotheke€ als auch die Beklagte sind gleichermaßen prominent in der Anzeige beworben. Dass der Diabetes € Check nur von der Apotheke durchgeführt wird, lässt sich hingegen der Anzeige in keiner Weise entnehmen. Demgemäß werden Teile des angesprochenen Verkehrs sicherlich annehmen, die Apotheke führe den €Check€ durch, während andere annehmen werden, eine ärztliche Leistung durch die Beklagte zu erhalten. In einem solchen Fall muss sich die Beklagte dann auch ein solches Verständnis ihrer Werbung zurechnen lassen. Denn bei Mehrdeutigkeit muss der Anpreisende die ungünstige Auslegung gegen sich gelten lassen. Demgemäß kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich der Diabetes Check und Blutzuckertest vor Ort vom Personal der Apotheke oder der Beklagten durchgeführt wurde.

Im Übrigen liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 HWG vor. Es handelt sich bei dem Blutzuckertest um eine ärztliche Leistung, die üblicherweise nur gegen Entgelt angeboten wird. Wird diese kostenlos angeboten, handelt es sich um eine Zuwendung bzw. Werbegabe durch eine Leistung. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschriften in § 7 Abs. 1 und 2 HWG liegen ersichtlich nicht vor.

Die weiteren Einwendungen der Beklagten sind unerheblich. Die Erheblichkeitsschwelle ist nicht etwa deshalb unterschritten, weil derartige Leistungen zum Teil für € 0,50 angeboten werden. Verstöße gegen das HWG haben angesichts des im Heilmittelwerberecht geltenden Strengeprinzips immer einen über die Bagatellgrenze hinausgehenden Unwertgehalt. Die Vorschriften des HWG sind daher strikt einzuhalten. Es liegt auch kein Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip vor, da das Heilmittelwerbegesetz von allen gleichermaßen einzuhalten ist, nicht etwa nur von Ärzten.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.






LG Hamburg:
Urteil v. 24.03.2009
Az: 416 O 206/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/835d3b026510/LG-Hamburg_Urteil_vom_24-Maerz-2009_Az_416-O-206-08




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