Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. März 2006
Aktenzeichen: 19 W (pat) 63/03

(BPatG: Beschluss v. 27.03.2006, Az.: 19 W (pat) 63/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse G 05 B - hat die am 29. August 1989 (Priorität vom 31. August 1988; Akz.: JP 63 - 217239) mit der Bezeichnung "Numerisches Steuerungsverfahren" eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 4. Juni 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Lehre des Anspruchs 1 zum technischen Handeln nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne und auch die Beschreibung zur Beseitigung dieses Mangels nichts beitragen könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Der geltende einzige Patentanspruch lautet:

"Verfahren zum Steuern des Bearbeitungswegs eines Werkzeugs in einer numerisch gesteuerten Werkzeugmaschine in Abhängigkeit von ersten Bewegungsdaten eines Bearbeitungsgrogramms (1), welche einen Soll-Bearbeitungsweg (Pc) vorgeben, von ersten Vorschubgeschwindigkeitsdaten (Fc) des Bearbeitungsprogramms (1), die eine Soll-Vorschubgeschwindigkeit des Werkzeugs angeben, und von ersten Wegfehlerdaten (Et), die einen ersten, vorbestimmten tolerierbaren Wegfehler definieren, gekennzeichnet durch folgende Schritte:

a) aus den ersten Wegfehlerdaten (Et) und einem von einer Bedienungsperson eingebbaren Koeffizienten (m) wird ein zweiter tolerierbarer Wegfehler (Ep) berechnet;

b) es wird ein aktueller Bearbeitungsweg (Ps) für das Werkzeug vorhergesagt, der von den ersten Bearbeitungswegdaten und den ersten Vorschubgeschwindigkeitsdaten (Pc, Fc) abhängt, beispielsweise durch Simulation;

c) es werden zweite Wegfehlerdaten (e) entsprechend der Differenz zwischen dem vorhergesagten aktuellen Bearbeitungsweg (Ps) und den ersten Bearbeitungswegdaten ermittelt (e = Ps - Pc);

d) es werden erste Positionskorrekturdaten (Dc) durch Subtrahieren des zweiten tolerierbaren Wegfehlers (Ep) von den zweiten Wegfehlerdaten (e) ermittelt;

e) es werden zweite Bearbeitungswegdaten (Pex) berechnet, indem die ersten Bearbeitungswegdaten um die ersten Positionskorrekturdaten (Dc) entgegen der Richtung, in der ein Wegfehler auftritt, verschoben werden;

f) es wird ein Bearbeitungshub (f) pro Zeiteinheit nach Maßgabe der zweiten Bearbeitungswegdaten (Pex) und der ersten Vorschubgeschwindigkeitsdaten berechnet;

g) das Werkzeug wird entsprechend dem Bearbeitungshub (f) angetrieben;

h) es wird der aktuelle Bearbeitungsweg (Pa) des Werkzeugs erfaßt; undi) bei zu starker Abweichung des aktuellen Bearbeitungswegs (Pa) von dem Weg entsprechend den zweiten Bearbeitungsdaten (Pex) wird der Koeffizient (m) geändert;

wobei mittels des Koeffizienten (m) die zweiten Bearbeitungsdaten (Pex) wiederholt berechnet werden, bis die Abweichung zwischen Soll-Bearbeitungsweg und aktuellem Bearbeitungsweg (Pa) kleiner ist als der erste Wegfehler (Et)."

Mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen soll die Aufgabe gelöst werden, die Unzulänglichkeiten beim Stand der Technik zu mildern oder gar zu beseitigen, indem ein numerisches Steuerungsverfahren geschaffen wird, bei dem ein Wegfehler innerhalb eines zulässigen Wegfehlers erhalten werden kann und bei dem die Zunahme der Bearbeitungszeit wegen Verringerung der Vorschubgeschwindigkeit weitestgehend vermieden wird (OS Sp. 3, Z. 7 bis 14).

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

einziger Patentanspruch vom 2. August 1999, Beschreibung sowie Figuren 2, 4 und 5 vom 30. Mai 1995, im Übrigen Zeichnungen wie Anmeldung.

Die Anmelderin vertritt die Ansicht, dass das beanspruchte Verfahren des Anspruchs eine Kombination aus Stellungs- und Geschwindigkeitsregelung sei, bei dem die Vorschubgeschwindigkeit des Werkzeugs in Abhängigkeit von der Eingabe eines Koeffizienten m, der die Berechnung einer tolerierbaren Positionskorrektur Ep erlaube, entsprechend abgeändert werde. Wie die Regelung im Einzelnen auszuführen sei, wüsste der Fachmann.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt erfolglos, da das Verfahren des einzigen Anspruchs nicht patentfähig ist, weil die Erfindung in der Anmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 34 (4) PatG).

Als zuständiger Durchschnittsfachmann ist ein Diplomingenieur (Universitätsabschluss) mit Erfahrungen in der Entwicklung von numerischen Steuerungen für Werkzeugmaschinen anzusehen.

Gemäß § 34 (4) PatG muss eine Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart sein, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

Sinn dieser Vorschrift ist es, die Anmelderin zu veranlassen, die Lehre, für die er die Erteilung eines Patents erstrebt, in einem solchen Umfang zunächst der Erteilungsbehörde und durch deren Vermittlung später der Öffentlichkeit aufzudecken, dass es einem Fachmann möglich ist, diese Lehre praktisch zu verwirklichen (vgl. BGH, GRUR 1984, 272, 273 re. Sp. Abs. 4 - Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung).

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine ausreichende Offenbarung einer technischen Lehre schon dann zu verneinen, wenn der Durchschnittsfachmann diese nur unter großen Schwierigkeiten und nicht oder nur zufällig ohne vorherige Misserfolge zur Erreichung des angestrebten Erfolges praktisch verwirklichen kann (vgl. BGH, GRUR 1980, 166, 168 re. Sp. vorletzter Abs. - Doppelachsaggregat).

Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob der Durchschnittsfachmann durch die Angaben, wie sie im einzigen Patentanspruch angegeben sind, mit Hilfe der Beschreibung in die Lage versetzt ist, ohne große Schwierigkeiten widerspruchsfrei anzugeben, wie im Merkmal f ein Bearbeitungshub f pro Zeiteinheit nach Maßgabe der zweiten Bearbeitungswegdaten Pex und der ersten Vorschubgeschwindigkeitsdaten Fc berechnet werden kann.

Nach Überzeugung des Senats ist diese Frage zu verneinen.

Denn gemäß Beschreibung, insbesondere zu Figur 5, die das Verfahren des Anspruchs erläutern soll, werden für diese Berechnung die ersten Vorschubgeschwindigkeitsdaten Fc nur mittelbar herangezogen, da diese im Vorschubgeschwindigkeitsberechnungsabschnitt 11 zunächst in die Vorschubgeschwindigkeit Ft und im Vorschubgeschwindigkeitskorrekturabschnitt 9' in die Vorschubgeschwindigkeit Fex umgerechnet werden, die dann unmittelbar für die Berechnung des Bearbeitungshubs f verwendet wird.

Die Anmelderin verwies im Rahmen der mündlichen Verhandlung darauf, dass der Fachmann wisse, wie der diese Berechnungen auszuführen habe, wenn er das Ziel des Verfahrens kenne. Die vorliegende Beschreibung enthält hierzu, wie die Anmelderin auch eingeräumt hat, keine Angaben.

Für den Durchschnittsfachmann ist kein Ansatz erkennbar, welche notwendigen Berechnungsschritte er angeben soll, um aus den ersten Vorschubgeschwindigkeitsdaten Fc die Vorschubgeschwindigkeit Ft und hieraus die Vorschubgeschwindigkeit Fex zu berechnen. Denn für die Berechnung der Vorschubgeschwindigkeit Ft werden im Vorschubgeschwindigkeitsberechnungsabschnitt 11 die ersten Vorschubgeschwindigkeitsdaten Fc, die Formdaten SD und die Vorschubgeschwindigkeitsberechnungsfehler Ev verarbeitet. Für die Berechnung der Vorschubgeschwindigkeit Fex werden dann im Vorschubgeschwindigkeitskorrekturabschnitt 9' die Positionskorrektur DC, der tolerierbare Wegfehler Et, korrigierte Formdaten SD', die Vorschubgeschwindigkeit Ft, der Bearbeitungshub f pro Zeiteinheit und der aktuelle Bearbeitungsweg des Werkzeugs verarbeitet.

Der Durchschnittsfachmann kann dieses Problem nicht mit Hilfe des Anspruchs in Verbindung mit der Beschreibung lösen, da die im Einzelnen notwendigen Berechnungsschritte nicht angegeben sind.

Daher ist der erkennende Senat zur Überzeugung gekommen, dass das Verfahren zum Steuern des Bearbeitungswegs eines Werkzeugs in einer numerisch gesteuerten Werkzeugmaschine des einzigen Anspruchs nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Durchschnittsfachmann es ausführen kann.

Der einzige Anspruch ist somit nicht gewährbar.






BPatG:
Beschluss v. 27.03.2006
Az: 19 W (pat) 63/03


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