Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Urteil vom 22. August 2012
Aktenzeichen: 20 K 4812/11

(VG Düsseldorf: Urteil v. 22.08.2012, Az.: 20 K 4812/11)

1. Einkünfte, die ein Rechtsanwalt als Ratsmitglied aus einer Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied einer Stadtsparkasse oder als Aufsichtsratsmitglied von kommunalen Versorgungs- oder Nahverkehrsunternehmen erzielt, sind bei der Bemessung des Mitgliedsbeitrags im Rechtsanwaltsversorgungswerk zugrunde zu legen.

2. Diese Einkünfte sind als Arbeitseinkommen im Sinne von § 30 Abs. 2 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Verbindung mit § 15 Abs. 1 SGB IV und § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu bewerten.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der im Juli 1966 geborene Kläger ist seit dem 19. Mai 1995 Mitglied des beklagten Versorgungswerks. Er ist als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Seit September 2009 ist er Vorsitzender der Fraktion der SPD im Rat der Stadt E. Außerdem ist er seit 2009 Mitglied des Verwaltungsrats der Sparkasse E, des Aufsichtsrats der S AG als kommunalem Nahverkehrsunternehmen und des Aufsichtsrats der Stadtwerke E AG als kommunalem Versorgungsunternehmen.

Zwecks Bemessung seines Mitgliedsbeitrags für das Jahr 2011 reichte der Kläger mit Schreiben vom 6. Juli 2011 beim Beklagten seinen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 sowie eine Bescheinigung der Stadt E über die Höhe der 2009 an ihn als Ratsmitglied geleisteten Sitzungsgelder und der Aufwandsentschädigung ein. Die Summe der Entschädigungen für seine Verwaltungsrats- bzw. Aufsichtsratstätigkeit bezifferte er mit 2.762,43 Euro. Im Einkommensteuerbescheid sind Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit mit 39.444,-- Euro und Einkünfte aus anderer selbständiger Tätigkeit mit 9.122, Euro veranschlagt.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2011 setzte der Beklagte die vom Kläger ab 1. Januar 2011 zu leistenden Beiträge für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Jahr 2009 auf 654,11 Euro im Monat fest. Dabei brachte er die für die Ratstätigkeit gezahlte Entschädigung in Abzug, während er die Vergütung für Verwaltungsrats- bzw. Aufsichtsratsmitgliedschaften bei der Beitragsbemessung berücksichtigte.

Unter dem 13. Juli 2011 wandte der Kläger ein, jene Vergütung habe nicht in die Beitragsbemessung einfließen dürfen. Er legte eine Bestätigung seines Steuerberaters vor, ausweislich derer er einen Betrag von 2.660,17 Euro (Sitzungsgelder für vier Verwaltungsratssitzungen der Sparkasse E von je 550,-- Euro und eine Aufwandsentschädigung für die Aufsichtsratstätigkeit bei der S AG von 460,17 Euro), zuzüglich Umsatzsteuer insgesamt 3.165,60 Euro, erhalten hatte. Der Beklagte lehnte eine Neufestsetzung des Beitrags mit Schreiben vom 21. Juli 2011 ab und berief sich zur Begründung die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, nach der sämtliche Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit in die Bemessungsgrundlage eingingen.

Der Kläger hat am 12. August 2011 Klage erhoben, mit der er sich gegen die Einbeziehung der Aufwandsentschädigungen aus seinen Verwaltungsrats- bzw. Aufsichtsratsmitgliedschaften in die Bemessungsgrundlage für seine Mitgliedsbeiträge wendet. Er macht geltend, dass die vom Beklagten herangezogene Entscheidung des OVG NRW, die sich zu Einkünften aus einer Tätigkeit als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft verhalten habe, auf seinen Fall nicht übertragbar sei. Da er die Mandate auf Grund seiner Ratsmitgliedschaft wahrnehme, könnten die Aufwandsentschädigungen nicht als Einkommen angesehen werden.

Der Kläger beantragt,

den Beitragsbescheid des Beklagten vom 12. Juli 2011 insoweit aufzuheben, als darin ein den Betrag von 601,61 Euro übersteigender Monatsbeitrag festgesetzt worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass der Einkommensteuerbescheid Einkünfte aus freiberuflicher Tä-tigkeit in einer Größenordnung von 39.444,-- Euro ausweise. Damit handele es sich um Einnahmen aus einer Erwerbstätigkeit und folglich um Arbeitseinkommen im Sinne der Satzung und des § 15 SGB IV. Nach der Rechtsprechung des OVG NRW seien auch Einkünfte aus einer berufsfremden Erwerbstätigkeit in die Beitragsbemessungsgrundlage einzubeziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angegriffene Verwaltungsakt vom 12. Juli 2011 ist im angegriffenen Umfang rechtmä-ßig und verletzt den Kläger insoweit nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat den monatlichen Mitgliedsbeitrag des Klägers für das Kalenderjahr 2011 zu Recht auf 654,11 Euro festgesetzt.

Die Verpflichtung der Mitglieder des Beklagten zur Zahlung von Beiträgen richtet sich nach § 30 der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen - im Folgenden: SVR -, bekannt gemacht am 16. Juli 1985 (JMBl. NRW S. 172), i.d.F. der bei Erlass des angefochtenen Bescheides geltenden 22. Satzungsänderung, bekannt gemacht am 7. Juli 2010 (JMBl. NRW 2010 S. 249).

Nach Abs. 1 der Bestimmung sind die Mitglieder grundsätzlich verpflichtet, einen Beitrag, der mit dem Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung übereinstimmt (Regelpflichtbeitrag), zu zahlen. Gemäß Abs. 2 Satz 1 zahlen Mitglieder, deren Einkommen (Arbeitseinkommen und Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 und 15 SGB IV) die Beitragsbemessungsgrenze nicht erreicht, den Beitrag nach ihrem Einkommen gemäß dem Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung, sofern die Vertreterversammlung nicht einen anderen Beitragssatz festsetzt. Die Vorschrift stimmt mit § 7 Abs. 1 Satz 3 RAVG NRW überein, der die entsprechende Geltung der §§ 14 und 15 SGV IV regelt, soweit für die Höhe der Beiträge das Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen maßgebend sind. §§ 7 Abs. 1 Satz 3 RAVG NRW und 30 Abs. 2 Satz 1 SVR verweisen auf die allgemeinen Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung und übernehmen deren Einkommensbegriff. Von einer Eingrenzung auf bestimmte Tätigkeiten wird bewusst und erkennbar abgesehen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Dezember 2003 - 4 A 4643/02 -; Beschluss vom 2. März 2011 17 B 1505/09 - Juris; Kammer, Urteil vom 12. Mai 2009 - 20 K 4345/08 -; Urteil vom 19. Juli 2011 20 K 7758/10 .

Dementsprechend war der Satzungsgeber berechtigt vorzusehen, dass das gesamte Einkommen des Mitglieds unabhängig davon, ob es aus nichtselbständiger oder selbständiger anwaltlicher Tätigkeit oder aus berufsfremder Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung erwirtschaftet worden ist, der Bemessung des Beitrags zugrunde zu legen ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2011, a.a.O.; Beschluss vom 12. April 2011 - 17 B 372/11 - Juris; Kammer, Urteile vom 12. Mai 2009 und 19. Juli 2011, a.a.O.

Die Leistungen, die der Kläger im Jahr 2009 als Mitglied des Verwaltungsrats der Sparkasse E und des Aufsichtsrats der S AG erhalten hat, unterfallen dem Einkommensbegriff des § 30 Abs. 2 Satz 1 SVR, weil es sich um Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 Abs. 1 SGB IV handelt. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sieht vor, dass Einkommen als Arbeitseinkommen zu werten ist, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Das Einkommensteuergesetz regelt die Einkünfte aus selbständiger Arbeit in § 18. Der aus dieser Tätigkeit erzielte Gewinn unterliegt der Einkommensteuer (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 EStG). Nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind als Einkünfte aus selbständiger Arbeit auch solche aus sonstiger selbständiger Arbeit zu verstehen, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermö-gensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Da es sich nur um beispielhafte Tätigkeiten handelt, reicht es für die Anwendung der Bestimmung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs aus, dass die Betätigung den im Gesetz genannten Tä-tigkeiten ähnlich ist. Insbesondere sind Einkünfte aus gelegentlichen Tätigkeiten erfasst. Den explizit genannten Aufsichtsratsmitgliedern sind Mitglieder von Verwaltungsräten oder andere Personen gleichzustellen, die mit der Überwachung der Geschäftsführung beauftragt sind.

Vgl. BFH, Urteil vom 28. August 2003 - IV R 1/03 -; Urteil vom 31. Januar 1978 - VIII R 159/73 -, beide zitiert nach Juris; Schmidt/Wacker, EStG, 30. Aufl. 2011, § 18 Rn. 140 ff.; Blümich/Hutter, EStG, 112. Erg.-Lfg. 2011, § 18 Rn. 171 ff.

Dementsprechend gehören Vergütungen, Sitzungsgelder und Aufwandsentschädigungen zu den Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

Vgl. Schmidt/Wacker, EStG, 30. Aufl. 2011, § 18 Rn. 144; Blümich/Hutter, EStG, 112. Erg.-Lfg. 2011, § 18 Rn. 180.

Als Mitglied in den Aufsichtsräten der Stadtwerke E AG und der S AG hat der Kläger gemäß § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung zu überwachen. Gleiches gilt für seine Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied der Sparkasse E: § 15 Abs. 1 Sparkassengesetz NRW bestimmt, dass der Verwaltungsrat die Geschäftsführung überwacht. Die Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder, die der Kläger für diese Tätigkeit erhält, sind mithin nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG als Einkommen aus selbständiger Arbeit zu bewerten und unterfallen damit zugleich dem Einkommensbegriff des § 15 Abs. 1 SGB IV. Auf Grund dieses ausdrücklich in § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV geregelten Gleichklangs zwischen sozialversicherungsrechtlichem und steuerrechtlichem Einkommensbegriff ist nicht maßgebend, dass es sich jedenfalls auf den ersten Blick auf Grund der geringen Höhe der an den Kläger geleisteten Zahlungen nicht um Einnahmen aus einer typischen selbständigen Tätigkeit handelt. Denn der sozialversicherungsrechtliche Begriff der selbständigen Tätigkeit in § 15 SGB IV umfasst alle typischerweise mit persönlichem Einsatz verbundenen Einkunftsarten; das sind namentlich die in § 18 EStG aufgeführten Einkünfte.

Vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 2004 - B 5 RJ 56/02 R -, Juris (m.w.N.); Fischer, in: jurisPK-SGB IV, 1. Aufl. 2006, § 15 Rn. 34.

§ 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV stellt gerade auf die einkommensteuerrechtliche Bewertung der Betätigung ab. Ausnahmen lässt die Vorschrift nicht zu. Sinn und Zweck der Regelung ist es, eine volle Parallelität von Einkommensteuerrecht und Sozialversicherungsrecht sowohl bei der Zuordnung von Arbeitseinkommen als auch bei der Höhe dieses Einkommens herzustellen. Dies beabsichtigte der Gesetzgeber mit der Einfügung des Satzes 2 mit Wirkung vom 1. Januar 1995.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. April 2011, a.a.O.; BSG, Urteil vom 25. Februar 2004, a.a.O.; Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 12/5700, S. 92; Fischer, in: jurisPK-SGB IV, § 15 Rn. 21.

Es kommt auch nicht darauf an, ob es sich bei der Aufsichtsrats- bzw. Verwaltungsratstä-tigkeit des Klägers um anwaltstypische Tätigkeiten handelt oder nicht.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2011, a.a.O.; Beschluss vom 12. April 2011, a.a.O.

Waren die Einkünfte des Klägers aus jener Betätigung mithin in die Beitragsbemessung einzubeziehen, ist gegen die Berechnung des Beitrags im Übrigen durch den Beklagten ebenfalls nichts einzuwenden. Nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 SVR ist beim Arbeitseinkommen das Einkommen des vorletzten Kalenderjahres maßgebend. Der Einkommensnachweis wird für Arbeitseinkommen gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a) SVR durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das vorletzte Kalenderjahr erbracht. Für die Berechnung des Beitrags des Klägers im Jahr 2011 kam es folglich auf sein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit aus dem Jahr 2009 an. Dieses hat der Beklagte zutreffend seinem Beitragsbescheid zugrunde gelegt und den Beitrag entsprechend berechnet.

Da gegen die Höhe des streitgegenständlichen Beitrags sonstige rechtliche Bedenken weder erhoben noch sonst ersichtlich sind, unterlag die Klage der Abweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.






VG Düsseldorf:
Urteil v. 22.08.2012
Az: 20 K 4812/11


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