Oberlandesgericht Oldenburg:
Beschluss vom 13. Januar 2011
Aktenzeichen: 13 WF 166/10

(OLG Oldenburg: Beschluss v. 13.01.2011, Az.: 13 WF 166/10)

Die anwaltliche Vertretung in einer ausgesetzten und wieder aufgenommenen Folgesache Versorgungsausgleich stellt auch dann keine neue Angelegenheit nach § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG dar, wenn zwei Kalenderjahre seit dem Erlass des Scheidungsurteils und der Aussetzung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich vergangen sind (Bestätigung von KG, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - 19 WF 174/10).

Tenor

Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meppen vom 8. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Ehe der Beteiligten ist durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Meppen vom 5. Juli 2005 rechtskräftig geschieden worden. Das Familiengericht hat im Scheidungsurteil die Entscheidung über den Versorgungsausgleich gemäß § 2 VAÜG ausgesetzt. Dem Antragsgegner war durch Beschluss vom 20. Januar 2005 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers bewilligt worden. Auf Antrag des Beschwerdeführers wurde am 19. Juli 2005 eine dem beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung von 614,80 € (einschließlich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) festgesetzt. Der Beschwerdeführer hatte die Gebühren nach einem Gegenstandswert von 4.000 € berechnet. Dem lag die Wertfestsetzung des Familiengerichts zugrunde, das den Streitwert durch Beschluss vom 5. Juli 2005 mit 4.000 € (Scheidung: 3.000 €, Versorgungsausgleich: 1.000 €) bemessen hatte.

Das Familiengericht hat das Verfahren über den Versorgungsausgleich mit Verfügung vom 5. Juli 2010 wieder aufgenommen und - nach Einholung neuer Auskünfte von den Versorgungsträgern - durch Beschluss vom 18. Oktober 2010 über den Versorgungsausgleich entschieden. Der Beschwerdeführer hat (nach - erneuter - Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Antragsgegner) am 28. Oktober 2010 die Festsetzung einer Vergütung von 155,30 € (einschließlich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer) für das Versorgungsausgleichsverfahren nach einem Gegenstandswert von 1.000 € beantragt. Die Festsetzung ist abgelehnt worden. Die dagegen gerichtete Erinnerung hat das Familiengericht zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen.

II.

Das gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 und 3 in Verbindung mit § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Familiengericht die beantragte Vergütungsfestsetzung abgelehnt, weil die Tätigkeit des Beschwerdeführers im Versorgungsausgleichsverfahren gemäß § 15 Abs. 1, 2 und 5 RVG durch die bereits im Jahr 2005 gezahlte Vergütung abgegolten ist.

51. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Die Scheidung und die Folgesache Versorgungsausgleich sind gemäß § 16 Nr. 4 RVG dieselbe Angelegenheit; das gilt gemäß § 21 Abs. 3 RVG auch dann, wenn die Folgesache als selbständige Familiensache fortgeführt wird. Demzufolge kann der Beschwerdeführer nach Zahlung der Vergütung im Jahr 2005 keine weitere Vergütung verlangen.

62. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht aus § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG. In § 15 Abs. 5 Satz 1 RVG wird zunächst bestimmt, dass der Rechtsanwalt, der, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt wird, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, nicht mehr an Gebühren erhält, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG gilt aber die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift liegen nicht vor.

7a) Es fehlt bereits an einem neuen Auftrag des Antragsgegners (so auch KG, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - 19 WF 174/10, juris, Rn. 3). Denn die Fortführung des Versorgungsausgleichsverfahrens gilt gebührenrechtlich - wie bereits ausgeführt - nicht als neue Angelegenheit. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass zwischenzeitlich das Mandat niedergelegt oder der Auftrag gekündigt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2010 - XII ZB 60/08, FamRZ 2010, 1723, Rn. 15).

b) Abgesehen davon ist der frühere Auftrag auch nicht im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt. Zwar sind von der Aussetzung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bis zur Wiederaufnahme des Verfahrens vier Kalenderjahre vergangen. Das Ruhen des Verfahrens in diesem Zeitraum hat jedoch nicht zu einer Erledigung des Auftrages im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG geführt. Der Auftrag war noch nicht erledigt, weil über den Versorgungsausgleich noch nicht entschieden, sondern das Verfahren insoweit ausgesetzt worden war. Bei einer Aussetzung des Verfahrens muss der Rechtsanwalt mit dessen Fortführung rechnen und darf die Angelegenheit nicht ohne weiteres ablegen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2010, aaO, Rn. 29).

Entgegen einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum verbreiteten Auffassung ist eine Erledigung im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG vorliegend auch nicht deshalb anzunehmen, weil die Voraussetzungen für die Fälligkeit der Vergütung gemäß § 8 Abs. 1 RVG vorgelegen haben (so z. B. OLG Stuttgart, MDR 2003, 117, zitiert nach juris, Rn. 8 f.; OLG Brandenburg, AGS 2009, 432, zitiert nach juris, Rn. 22; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., § 15 RVG Rn. 97; jeweils m.w.N.). Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG wird die Vergütung fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Ist der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, wird die Vergütung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG unter anderem auch dann fällig, wenn das Verfahren länger als drei Monate ruht. Das war hier aufgrund der Aussetzung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich der Fall; die Vergütung ist im Oktober 2005 fällig geworden.

Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 RVG hat der Gesetzgeber aber das Ruhen des Verfahrens über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten gerade nicht als Erledigung des Auftrags angesehen. Vielmehr hat er das Ruhen des Verfahrens lediglich unter dem Gesichtspunkt der Fälligkeit der Erledigung gleichgestellt.

Auch aus dem Regelungszweck des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG ergibt sich keine andere Beurteilung. In der Gesetzesbegründung heißt es, es sei "für den Rechtsanwalt unbillig, wenn bis zur Erteilung eines weiteren Auftrages in derselben Angelegenheit eine lange Zeit vergangen ist und er sich deswegen vollkommen neu einarbeiten muß. Durch (€) Satz 2 soll Abhilfe geschaffen werden für den Fall, daß der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist. Zur Festlegung des Zeitpunktes, zu dem der Lauf der Zwei-Jahres-Frist beginnt, bietet sich der Zeitpunkt der Erledigung des Auftrags an, der auch die bis dahin entstandenen Gebühren fällig werden lässt" (BT-Drucks. 12/6962, S. 102 zu § 13 Abs. 5 Satz 2 BRAGO, der durch § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG im Wesentlichen inhaltsgleich übernommen worden ist, vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 190). Der Hinweis der Gesetzesbegründung, dass die Erledigung des Auftrags die bis dahin entstandenen Gebühren fällig werden lässt, rechtfertigt nicht den Schluss, der Gesetzgeber habe - entgegen dem Wortlaut des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG - die darin geregelte Rechtsfolge nicht allein bei Erledigung des Auftrags, sondern auch bei Vorliegen anderer die Fälligkeit der Vergütung auslösenden Tatbestände eintreten lassen wollen und diesen Willen nur unvollkommen zum Ausdruck gebracht (BGH, Beschluss vom 30. März 2006 - VII ZB 69/95, NJW 2006, Rn. 7 f. zu § 13 Abs. 5 Satz 2 BRAGO; ferner BGH, Beschluss vom 11. August 2010, aaO, Rn. 19, und KG, aaO, Rn. 5, jeweils m.w.N. zu § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG).

Bei dieser Beurteilung verkennt der Senat nicht, dass der Gesetzeszweck im vorliegenden Fall insoweit erfüllt ist, als zwischen der Aussetzung und der Wiederaufnahme des Verfahrens ein langer Zeitraum liegt, der für den Rechtsanwalt eine neue Einarbeitung erforderlich macht. Gleichwohl kommt eine Anwendung des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG über seinen Wortlaut hinaus nicht in Betracht, denn es handelt sich um eine aus Gründen der Billigkeit geschaffene, eng auszulegende Ausnahmevorschrift (BGH, Beschluss vom 11. August 2010, aaO, Rn. 26).






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Beschluss v. 13.01.2011
Az: 13 WF 166/10


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