Landgericht Münster:
Urteil vom 17. März 2011
Aktenzeichen: 024 O 129/10

(LG Münster: Urteil v. 17.03.2011, Az.: 024 O 129/10)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd für eine

Hörsystemversorgung mit der Aussage zu werben "Ohr-HiFi macht

herkömmliches Hörgerät überflüssig", wenn dies geschieht wie mit Anlage 1 zur

Klageschrift.

2. Für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen das

Unterlassungsgebot gemäß Ziffer 1) wird dem Beklagten ein Ordnungsgeld in

Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von

bis zu sechs Monaten angedroht.

3. Der Beklagte wird außerdem verurteilt, an den Kläger 208,65 € nebst 5

Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.11.2010 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger, die A, begehrt von dem Beklagten die Unterlassung einer Werbung für Hörgeräte sowie Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten.

Der Beklagte ist Hörakustikmeister.

Er ließ im Sommer 2010 in der in N vertriebenen Gratiszeitung "I" eine Anzeige mit folgendem Inhalt veröffentlichen:

Der Kläger forderte den Beklagten mit Abmahnschreiben vom 01.07.2010 (Anlage A 3 zur Klage, Blatt 20 f. der Akte) zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.

Der Beklagte gab die geforderte Erklärung nicht ab. Der Kläger verfolgt in dem vorliegenden Verfahren das Unterlassungsbegehren weiter.

Er ist der Auffassung, die Werbung sei wettbewerbswidrig. Sie verstoße insbesondere gegen das Irreführungsverbot aus § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Dazu behauptet der Kläger, die in der Überschrift der Anzeige hervorgehobene Werbeaussage "Ohr-HiFi macht herkömmliches Hörgerät überflüssig" sei falsch.

Bei der Hörsystemversorgung sei nämlich zwischen sogenannter offener und geschlossener Versorgung zu unterscheiden. Bei der offenen Versorgung bleibe der Gehörgang des Schwerhörigen im Gesamtquerschnitt möglichst weit offen. Bei der geschlossenen Versorgung sei aber der Gehörgang durch das Hörsystem vollständig zu verschließen. Bei beiden Varianten handele es sich um herkömmliche Arten der Versorgung. Der Beklagte trage mit seinem Hinweis auf das System "Ohr-HiFi", welches ein System der offenen Versorgung sei, nicht der Tatsache Rechnung, dass diese offene Versorgung nicht bei jedem Hörverlust möglich sei. Bei Tieftonschwerhörigkeit sei nämlich die offene Versorgung nur schwer realisierbar. Je breitbandiger und damit tieftoniger der Hörverlust sei, desto mehr müsse der Gehörgang verschlossen werden.

In diesem Zusammenhang verweist der Kläger auf die von der Akademie für Hörgeräte-Akustik herausgegebenen "Informationen für die tägliche Praxis - Offene Anpassung - Teil 1", die als Anlage 2 mit der Klageschrift (Blatt 7 ff der Akte) vorgelegt worden ist.

Auch aus dieser Information, so meint der Kläger, ergebe sich die Unrichtigkeit der Werbung, weil eben das beworbene System "Ohr-HiFi" auch danach nicht geeignet sei, im Falle einer erforderlich werdenden geschlossenen Versorgung herkömmliche Hörgeräte überflüssig zu machen.

Der Kläger beantragt, wie folgt zu entscheiden:

1.

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd für eine Hörsystemversorgung mit der Aussage zu werben "Ohr-HiFi macht herkömmliches Hörgerät überflüssig", wenn dies geschieht wie mit Anlage 1 zur Klageschrift.

2.

Für jeden Fall der zukünftigen schuldhaften Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot gemäß Ziffer 1) wird dem Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht.

3.

Der Beklagte wird außerdem verurteilt, an den Kläger 208,65 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.11.2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, weder das Unterlassungsbegehren noch der Zahlungsanspruch seien begründet.

Der Beklagte meint, die beanstandete Werbeaussage sei nicht irreführend.

Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich um eine reine Werbeaussage handele, die nicht ausschließlich fachbezogen verstanden werden dürfe. In dem Text der Anzeige werde auch hinreichend erläutert, dass unter herkömmlichen Hörgeräten klobige Geräte zu verstehen seien, wie sie vor dreißig, vierzig Jahren noch gängig und üblich gewesen seien. Es werde klar herausgestellt, dass damit fleischfarbene Geräte gemeint seien, die hinter der Ohrmuschel hervorschauen und über einen dicken Plastikschlauch mit dem Ohr verbunden sind. Die Werbeaussage sei inhaltlich zutreffend, da große Hörgeräte heute nicht mehr erforderlich seien. Zudem werde in dem nachfolgenden Text auch erläutert, dass nur 75 Prozent der Hörgeräteträger durch ein reines Ohr-HiFi eine offene Versorgung erhalten können. Mit der Schlagzeile solle der interessierte Leser ja auch nur dazu gebracht werden, den gesamten Text zu lesen und damit die ausführlichen Erläuterungen zur Kenntnis zu nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gemäß §§ 3, 5, 8 UWG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu.

Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG hat der Beklagte dem Kläger deshalb auch die durch die berechtigte Abmahnung vom 01.07.2010 entstandenen - in üblicher Höhe angesetzten - Abmahnkosten von 208,65 € zu erstatten. Aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288 BGB sind diese 208,65 € ab dem 02.11.2010, wie beantragt, zu verzinsen.

Die streitgegenständliche Anzeige mit der optisch hervorgehobenen Aussage "Ohr-HiFi macht herkömmliches Hörgerät überflüssig" stellt sich als irreführende Werbung im Sinne von § 5 UWG dar.

Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 5 UWG ist, wie die angesprochenen Verbraucher aufgrund des Gesamteindrucks der Anzeige die Angaben verstehen (vergleiche Köhler/Bornkamm, Kommentar zum Wettbewerbsrecht, § 5 UWG Randnummer 2.90 mit weiteren Nachweisen). Da in der streitgegenständlichen Anzeige die Aussage "Ohr-HiFi macht herkömmliches Hörgerät überflüssig" als Überschrift in Großbuchstaben schlagwortartig herausgestellt wird, sind bei dieser Beurteilung die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur sogenannten Blickfangwerbung zu berücksichtigen.

Danach darf der Blickfang selbst keine objektive Unrichtigkeit enthalten. In Fällen, in denen der Blickfang zwar nicht objektiv unrichtig ist, aber nur die halbe Wahrheit enthält, muss der Betrachter hinreichend deutlich zu aufklärenden Hinweisen geführt werden (Köhler/Bornkamm a.a.O. Randnummern 2.97 und 2.98).

Diesen Anforderungen genügt die Werbung des Beklagten nicht.

Wie der Kläger dargelegt hat und von dem Beklagten auch nicht in Abrede gestellt wird, ist die offene Versorgung bei Tieftonschwerhörigkeit nicht immer möglich. So heißt es in der - inhaltlich nicht angegriffenen - Stellungnahme der Akademie für Hörgeräte-Akustik (Anlage 2 zur Klage):

"Aus diesem Grunde ist die offene Versorgung einer Tieftonschwerhörigkeit nur schwer realisierbar. Je breitbandiger und damit tieftoniger der Hörverlust, desto mehr muss der Gehörgang leider verschlossen werden. Wie offen versorgt werden kann, hängt vom jeweiligen Hörverlust, dem angepassten Hörsystem und den anatomischen Gegebenheiten ab".

Die Aussage des Beklagten, ein "herkömmliches Hörgerät" sei überflüssig, legt aber für Verbraucher den Schluss nahe, dass die bisher eingesetzten Hörgeräte, wie sie bei geschlossener Versorgung angeboten werden, nicht erforderlich sind.

Entgegen der Auffassung des Beklagten kann man nicht davon ausgehen, der angesprochene Verkehr verstehe unter "herkömmlichen Hörgeräten" klobige Geräte, wie sie vor dreißig, vierzig Jahren noch gängig und üblich waren, die Werbeaussage beinhalte lediglich, dass ein klobiges Hörgerät durch ein kleines Hörgerät ersetzt werden könne.

Die Aussage enthält vielmehr, auch mit der Formulierung "neue Lösung" in der zweiten Überschrift, das Versprechen, der Verbraucher könne jetzt eine "HiFi"-Lösung erhalten, die ausgehend von dem bis zum Jahre 2010 gängigen Standard eine Verbesserung enthalte.

Dass diese Verbesserung, nämlich die Möglichkeit auf herkömmliche Hörgeräte zu verzichten, bei einer Tieftonschwerhörigkeit nicht unbedingt erreicht werden kann, lässt die Werbung nicht ausreichend klar erkennen.

Der in kleineren Buchstaben gedruckte Text der Anzeige enthält weder durch optische Bezugnahmen zur Überschrift noch inhaltlich eine hinreichende Erläuterung. Mit der Formulierung "Über 75 Prozent der Hörgeräteträger haben Defizite in den hohen Tönen" und der weiteren Beschreibung zu den an ein Gerät zu stellenden Bedingungen "Die Wiedergabe in den hohen Tönen liegt deutlich über der Leistung von herkömmlichen Hörgeräten" wird lediglich angedeutet, dass die "HiFi"-Lösung wohl eher auf Hochtonschwerhörigkeit abziele. Klar und verständlich herausgestellt wird dieses aber nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbar beruht auf § 709 ZPO.






LG Münster:
Urteil v. 17.03.2011
Az: 024 O 129/10


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