Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Juli 2010
Aktenzeichen: 20 W (pat) 3/07

(BPatG: Beschluss v. 14.07.2010, Az.: 20 W (pat) 3/07)

Tenor

BPatG 154 Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 30. August 2000 eingereichte Patentanmeldung trägt die Bezeichnung "Lautsprecherspinne mit regressiven Rollen".

Mit Bescheid vom 28. Januar 2004 hat die Prüfungsstelle des Deutschen Patentund Markenamts für Klasse H 04 R die Anmeldung u. a. hinsichtlich der Klarheit eines Merkmals des Patentanspruches 1 sowie hinsichtlich mangelnder Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 in Ansehung der D1 (DE 892 145 B) gerügt.

Die Anmelderin erwiderte hierzu mit Schriftsatz vom 10. August 2004 und legte überarbeitete Patentansprüche 1 bis 16 vor.

Die Prüfungsstelle für Klasse H 04 R des Deutschen Patentund Markenamts hat die Anmeldung daraufhin mit Beschluss vom 16. August 2006 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Patentanspruch 1 ein unklares Merkmal enthalte.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde, die die Anmelderin am 20. November 2006 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht hat. Mit der Beschwerdeschrift stellte die Anmelderin sinngemäß den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 04 R des Deutschen Patentund Markenamts vom 16. August 2006 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche:

Patentansprüche 1 bis 16 aus der Beschwerdeschrift der Anmelderin vom 20. November 2006, Bl. 10 bis 12 der Gerichtsakte, Beschreibung:

Seiten 1 und 6 aus der Beschwerdeschrift der Anmelderin vom 20. November 2006, Bl. 13 und 14 der Gerichtsakte, sowie Seiten 2 bis 5 und 7 der Anmeldeunterlagen vom 30. August 2000 Zeichnungen:

Figuren 1 und 2 gemäß Anmeldeunterlagen vom 30. August 2000;

hilfsweise:

das Prüfungsverfahren wieder aufzunehmen und einen weiteren Prüfungsbescheid zu erlassen oder eine Anhörung anzuberaumen, falls dem Hauptantrag nicht stattgegeben werden sollte.

Die Anmelderin wurde mit richterlichem Hinweis vom 11. Juni 2010 darauf hingewiesen, dass sich der Senat vor einer abschließenden Entscheidung über die Beschwerde sowohl mit der von der Prüfungsstelle eingeführten Druckschrift D1 DE892145B als auch mit den von der Anmelderin in ihren Anmeldeunterlagen bezüglich des Standes der Technik genannten Druckschriften D2 US 2 201 059, D3 US 5 715 324 und D4 US 2 295 483 auseinandersetzen wird.

Die ordnungsgemäß geladene Anmelderin ist, wie mit Schriftsatz vom 8. Juli 2010 angekündigt, zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Der geltende Patentanspruch 1 lautet unter Hinzufügung einer Merkmalsgliederung: "Wandler (9), enthaltend M1 einen Stützrahmen (10), M2 eine Magnetanordnung (12, 13, 14) die ein magnetisches Feld über einem Luftspalt (15) bildet, M3 einen Spulenkörper (16), welcher eine Schwingspule (17)

in dem magnetischen Feld trägt, M4 eine an dem Spulenkörper (16) befestigte Membran, diedurch eine Einfassung (19) an ihrem äußeren Umfang mitdem Rahmen (10) gekoppelt ist, und M5 eine Spinne (20)

M5.1 mit einem inneren Durchmesser, der mit dem Spulenkörper (16) gekoppelt ist, und M5.2 einem äußeren Durchmesser, der wenigstens mit dem Rahmen (10) oder der Magnetanordnung (12, 13, 14) gekoppelt ist, wobei M6 die Spinne (20) mehrere Rollen (Rillen) (36) aufweist, wobei M6.1 die dem inneren Umfang am nächsten liegende Rolle (36 1) eine erste Höhe hat, M6.2 die dem äußeren Durchmesser am nächsten liegende Rolle (36-n) eine zweite Höhe hat, die geringer als dieerste Höhe ist."

Der geltende nebengeordnete Patentanspruch 4 lautet unter Hinzufügung einer Merkmalsgliederung:

"Wandler (9), enthaltend M2.1 einen Lautsprecherrahmen (10), M2.2 einen mit dem Lautsprecherrahmen (10) gekoppelten Kegel (18), M2.3 einen mit dem Kegel (18) gekoppelten Spulenkörper (16)

und M2.4 eine mit dem Spulenkörper (16) und dem Lautsprecherrahmen (10) gekoppelte Spinne (20), die sichkonzentrisch von dem Spulenkörper (16) zu dem Lautsprecherrahmen (10) erstreckt, wobei M2.5 zumindest drei Rollen (36-1 bis 36-n) konzentrisch zu dem Spulenkörper (16) in der Spinne (20) ausgebildet sind, wobei M2.6 drei der zumindest drei Rollen (36-1' bis 36-n) abnehmende Radien von dem Spulenkörper (16) zu dem Lautsprecherrahmen (10) hin aufweisen."

Der geltende nebengeordnete Patentanspruch 10 lautet unter Hinzufügung einer Merkmalsgliederung:

"Wandler (9), enthaltend M3.1 einen Lautsprecherrahmen (10), M3.2 einen mit dem Lautsprecherrahmen (10) gekoppelten Kegel (18), M3.3 einen mit dem Kegel (18) gekoppelten Spulenkörper (16) und M3.4 eine Spinne (20), die M3.4.1 an ihrer Innenseite mit dem Spulenkörper (16) und M3.4.2 an ihrer Außenseite mit dem Lautsprecherrahmen (10) gekoppelt ist, wobei M3.5 die Spinne (20) zumindest drei Rillen aufweist, die zwischen dem Innendurchmesser und dem Außendurchmesser der Spinne (20) ausgebildet sind, so dass sie den Spulenkörper (16) umgeben, wobei M3.6 jede der zumindest drei Rillen eine Seitenwand mit vorbestimmter Länge hat, und M3.7 die Seitenwände von drei der zumindest drei Rillen eineabnehmende Länge von dem Innendurchmesser zum Außendurchmesser hin aufweisen."

Bezüglich der abhängigen Patentansprüche wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da der Gegenstand gemäß Anspruch 1 der Patentanmeldung nach den §§ 1 und 4 PatG nicht patentfähig ist; er ist am Anmeldetag dem Fachmann durch die Druckschrift D1 und sein allgemeines Fachwissen nahegelegt.

1.

Der für die Beurteilung der Lehre der Anmeldung zuständige Fachmann ist nach Überzeugung des Senats ein Fachhochschul-Ingenieur bzw. Bachelor der Elektrotechnik mit Kenntnissen der Elektroakustik und Erfahrungen auf dem Gebiet der Entwicklung und Herstellung von elektrodynamischen Wandlern.

Er versteht unter einer Lautsprecherspinne ein Bauteil, das die Schwingspule eines elektrodynamischen Wandlers im Luftspalt der Magnetanordnung des Wandlers zentriert haltert und gemeinsam mit der Lautsprechermembran eine weitgehend lineare Bewegung der Schwingspule im Luftspalt ermöglicht.

2.

Die D1 offenbart eine Zentriermembran für die Zentrierung akustischer Schwinger (vgl. Titel). Sie geht aus von bekannten Zentriermembranen, welche mit konzentrischen, kreisförmigen Rillen versehen sind, und weist auf Nachteile hin, die sich durch die Nicht-Beachtung einer bestimmten Querschnittslinie der Rillenform ergeben würden (vgl. Seite 2, Zeilen 9 -16). Ausgehend hiervon stellt sie sich die Aufgabe, durch besondere Formgebung der Zentriermembran deren Eigenschaften zu verbessern (vgl. Seite 2, Zeilen 17 -20). Die D1 möchte dies erreichen durch (vgl. Seite 2, Zeilen 20 -30)

eine Formung der Zentriermembran dergestalt, dass ihre radiale Querschnittslinie einer stehenden Sinusschwingung entspricht, eine Befestigung (unmittelbar oder mittelbar) des Schwingungsbauches der letzten (innersten) Sinusschwingung ringförmig starr an einem Schwingspulenkörper undeine Befestigung (unmittelbar oder mittelbar) des ersten (äußersten) Schwingungsknoten der Sinuswelle starr am Lautsprecherkorb.

Auf diese Weise sei ein gleichmäßiges Ablaufen der von der Schwingspule angefachten Schwingungen der Zentriermembran über ihre gesamte Fläche hinweg erreichbar (vgl. Seite 2, Zeilen 31 -38).

Die D1 lehrt zudem, dass die radiale Querschnittslinie der Zentriermembran in Form einer vom Zentrum (also der Schwingspule bzw. dem Spulenkörper) ausgehenden gedämpft abklingenden Welle verlaufen kann (vgl. Patentanspruch 8 und Figur 3). Soweit die Beschreibung der Figur 3 dem wortsinngemäß entgegensteht, erkennt der Fachmann hierin einen offensichtlichen Fehler, der ihm im Vergleich der Beschreibung der Figuren 3, 4 und 5 (vgl. Seite 2, Zeile 114 -Seite 3, Zeile 6), der Figuren 3, 4 und 5 selbst sowie der Patentansprüche 8, 9 und 10 augenfällig wird.

Der Fachmann entnimmt somit der D1 einen Wandler, enthaltend M1 einen Stützrahmen (vgl. Seite 2, Zeile 29: Lautsprecherkorb), M2 eine Magnetanordnung, die ein magnetisches Feld über einem Luftspalt bildet (diese setzt der Fachmann in einem dynamischen System mit Schwingspule und durch einen Magneten hervorgerufenen Feldverlauf [vgl. Seite 1, Zeilen 14 -15; Seite 1, Zeilen 30 -32] als funktionsnotwendig voraus, denn aus der Sicht des Fachmanns ist dies für die Ausführung der Lehre der D1 selbstverständlich und bedarf deshalb keiner besonderen Offenbarung, sondern wird "mitgelesen"; vgl. BGHZ 179, 168 -Olanzapin), M3 einen Spulenkörper (vgl. Seite 2, Zeile 27), welcher eine Schwingspule in dem magnetischen Feld trägt (vgl. ebenda, insb. die Bezeichnung "Schwingspulenkörper"), M4tlw eine an dem Spulenkörper befestigte Membran (vgl. Figur 7), die durch eine Einfassung an ihrem äußeren Umfang mit dem Rahmen gekoppelt ist, und M5 eine Spinne (in der D1 mit "Zentriermembran" bezeichnet, z. B. Seite 2, Zeile 22) M5.1 mit einem inneren Durchmesser, der mit dem Spulenkörper gekoppelt ist (vgl. Seite 2, Zeilen 24 -30) und M5.2 einem äußeren Durchmesser, der wenigstens mit dem Rahmen oder der Magnetanordnung gekoppelt ist (vgl. ebenda), wobei M6 die Spinne mehrere Rollen (Rillen) aufweist (vgl. Patentanspruch 1 und Figur 3), wobei M6.1 die dem inneren Umfang am nächsten liegende Rolle eine erste Höhe hat (vgl. Figur 3), M6.2 die dem äußeren Durchmesser am nächsten liegende Rolle eine zweite Höhe hat, die geringer als die erste Höhe ist (vgl. Patentanspruch 8 und Figur 3).

Die D1 offenbart damit dem Fachmann einen Wandler mit allen Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 mit Ausnahme einer Kopplung der Membran mit dem Rahmen durch eine Einfassung an ihrem äußeren Umfang (Merkmal M4Rest). Die D1 lässt vielmehr die umfangsmäßige Festlegung der Membran völlig offen.

Beim Nacharbeiten der Lehre der D1 muss der Fachmann daher notwendigerweise eine Entscheidung treffen, in welcher Weise er diese -für ihn erkennbar funktionsnotwendige -umfangsmäßige Festlegung der Membran realisieren möchte.

Eine dem Fachmann geläufige und übliche Ausführungsform stellt hierbei die beanspruchte Kopplung der Membran mit dem Rahmen durch eine Einfassung an ihrem äußeren Umfang dar, wie dies die D2, D3 und D4 jeweils belegen (vgl. die dortigen Figuren 1). Greift der Fachmann zu dieser ihm geläufigen Ausführungsform, hat er bereits einen Gegenstand mit allen Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 realisiert.

Damit war dem Fachmann mit dem Stand der Technik zum Anmeldezeitpunkt der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nahegelegt.

Der Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung ist daher nicht patentfähig.

3. Da der Patentanspruch 1 nach dem geltenden Antrag der Anmelderin schutzunfähig ist, war die Beschwerde insgesamt zurückzuweisen. Im Anmeldeverfahren steht immer der gesamte Antrag auf Erteilung eines Patents zur Entscheidung. Dem liegt der Grundsatz zugrunde, dass ein Patent nur so erteilt werden kann, wie es vom Patentanmelder zumindest hilfsweise beantragt ist. Es obliegt allein dem Anmelder anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG). Er kann dabei innerhalb seiner Anmeldung mehrere Begehren im Eventualverhältnis verfolgen. Hingegen darf das Patent nicht in einer Fassung erteilt werden, die der Anmelder nicht gebilligt hat. Ohne seine Zustimmung darf daher das Patent auch nicht mit einzelnen Patentansprüchen aus einem vom Anmelder zu Entscheidung gestellten Anspruchssatz erteilt werden (BGHZ 173, 47 Tz. 18 -Informationsübermittlungsverfahren II). Hier hatte die Anmelderin nur einen einzigen Satz von Patentansprüchen zur Entscheidung gestellt und weder diesbezügliche Hilfsanträge gestellt noch anderweitige schriftsätzliche Mitteilungen gemacht, dass sie ihre Anmeldung hilfsweise in -von ihr bestimmten -Eventualfassungen weiter verfolgen wollte. An der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin nicht teilgenommen. Zweifel an dem prozessualen Begehren der Anmelderin ergeben sich weder aus dem schriftsätzlich mitgeteilten Antrag noch aus dem sonstigen schriftsätzlichen Vortrag, mit dem die Anmelderin ihre Anmeldung verteidigt hat (vgl. zur Antragsauslegung BGH, Beschluss vom 22. September 2009 -Xa ZB 36/08, GRUR 2010, 87 -Schwingungsdämpfer). Hinsichtlich der nebengeordneten Patentansprüche 4 und 10 ist ein eigenständiger erfinderischer Gehalt weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Bei dieser Sachlage konnte der Senat daher nur über den einen schriftsätzlich zur Entscheidung gestellten Satz von Patentansprüchen entscheiden und die Beschwerde war aus den dargetanen Gründen zurückzuweisen.

4. Der Hilfsantrag aus der Beschwerdeschrift stand nicht zur Entscheidung des Senats. Dieser Antrag der anwaltlich vertretenen Anmelderin war eindeutig auf das patentamtliche Abhilfeverfahren gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 PatG gerichtet und hat sich erledigt mit der Vorlage des Verfahrens durch das Patentamt beim Bundespatentgericht nach § 73 Abs. 3 Satz 3 PatG.

Dr. Mayer Werner Kleinschmidt Musiol Pr






BPatG:
Beschluss v. 14.07.2010
Az: 20 W (pat) 3/07


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