Landesarbeitsgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 8. November 2005
Aktenzeichen: 16 Ta 596/05

(LAG Düsseldorf: Beschluss v. 08.11.2005, Az.: 16 Ta 596/05)

Wird eine Berufung eingelegt, diese aber vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist wieder zurückgenommen, beträgt die dem Rechtsmittel-Beklagten erstattungsfähige Verfahrensgebühr für seinen zu diesem Zeitpunkt bereits beauftragten und tätig gewordenen Rechtsanwalt weder 0,8 noch 1,6, sondern gemäß Nr. 3201 VV RVG 1,1.

Tenor

1.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 21.07.2005 wird der Kostenfestsetzungs-Beschluss des Arbeitsgerichts Solingen vom 21.06.2005 - 1 Ca 1937/04 -, der Antragstellerin zugestellt am 11.07.2005, (teilweise) abgeändert, soweit das Arbeitsgericht die Verfahrensgebühr lediglich in Höhe von 0,8 anstelle von 1,1 festgesetzt hat.

2.

Die weitergehende sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

3.

Das Verfahren wird zur Neufestsetzung der Kosten an das Arbeitsgericht Solingen (Rechtspfleger/in) zurückverwiesen.

4.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beschwerdeführerin zu 2/3 und der Beschwerdegegner zu 1/3.

5.

Beschwerdewert: (925,21 € ./. 474,21 € =) 451,00 €.

Gründe

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO statthaft und auch fristgerecht (§ 569 Abs. 1 ZPO) eingelegt worden.

2. In der Sache hat sie nur teilweise Erfolg. Die vom Antragsgegner an die Antragstellerin zu erstattende Verfahrensgebühr beträgt nicht 1,6 oder 0,8, sondern 1,1.

a) Bereits im Anwendungsbereich der bis 30.06.2004 geltenden Bundesrechtsanwalts-Gebührenordnung (BRAGO) entsprach es ganz herrschender Meinung (BGH vom 17.12.2002 X ZB 9/02 NJW 2003, 756; BGH vom 03.06.2003 VIII ZB 19/03 JurBüro 2003, 595 = MDR 2003, 1140; Madert, NJW 2003, 1496 m. w. N.; Enders, JurBüro 2003, 561 m. w. N.) und ebenso der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Beschwerdekammer (Beschluss vom 03.02.2003 16 Ta 10/03 und vom 06.02.2003 16 Ta 16/03 m. w. N.), dass auch bei einer zunächst eingelegten und vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist wieder zurückgenommenen Berufung dem Berufungsbeklagten eine 13/20-Prozessgebühr (§§ 11 Abs. 1 Satz 4, 31 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 1 BRAGO) für seinen zu diesem Zeitpunkt bereits beauftragten zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zu erstatten war. Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei ist in aller Regel berechtigt, auch schon vor Vorliegen der Berufungsanträge und der Berufungsbegründung einen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen für die Rechtsmittelinstanz zu beauftragen (BGH vom 17.12.2002, a. a. O.; Enders, a. a. O.). Ein derartiger Auftrag lag hier vor. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hatte sich nach Einlegung der Berufung des Klägers vom 25.02.2005, der Beklagten zugestellt am 04.03.2005, mit Schriftsatz vom 07.03.2005 im Auftrag der Beklagten für diese bestellt.

b) An der vorbezeichneten Rechtslage hat sich mit dem durch Art. 3 KostRMoG vom 05.05.2004 eingeführten und ab 01.07.2004 geltenden Rechtsanwaltsvergütungsgesetz RVG im Prinzip nichts geändert (Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl., § 91 Rdn. 13 Stichw. Berufung ; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG 16. Aufl. Nr. 3200 VV Rdn. 48). Der mit einem Rechtsmittel überzogene Rechtsmittel-Beklagte muss mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts für die Rechtsmittel-Instanz nicht abwarten, bis ihm die Rechtsmittel-Begründung zugegangen ist. Gemäß Nr. 3201 VV RVG beträgt bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags die Verfahrensgebühr aus Nr. 3200 VV jedoch nicht 0,8, sondern 1,1. Diese gesetzliche Regelung wird bei Zöller/Herget (a. a. O.), die von 0,8 ausgehen, offensichtlich übersehen.

c) Die von der Antragstellerin in der Beschwerdeinstanz geltend gemachte weitergehende Verfahrensgebühr aus Nr. 3200 VV in Höhe von 1,6 ist jedoch nicht erstattungsfähig. Nach der zutreffenden, ganz herrschenden und auch von der erkennenden Beschwerdekammer ständig vertretenen Meinung (Beschl. vom 06.02.2003 16 Ta 16/03 - n. w. N.; zuletzt Beschl. vom 10.08.2005 - 16 Ta 386/05 -) ist es nicht notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, dass der vom Rechtsmittel-Beklagten beauftragte Rechtsanwalt schon einen Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels einreicht, bevor das Rechtsmittel vom Rechtsmittel-Kläger begründet worden ist. Erst nach Rechtsmittel-Begründung, auch bei Verlängerung der Rechtsmittel-Begründungsfrist (BHG vom 17.12.2002 X ZB 9/02 a. a. O.; KG vom 16.09.2003, JurBüro 2004, 91), besteht Anlass für den Rechtsmittel-Beklagten, sich mit den vom Rechtsmittel-Kläger gestellten Anträgen und der dazu erfolgten Begründung inhaltlich aus- einanderzusetzen (ebenso BGH vom 17.12.2002 X ZB 27/02 NJW 2003 1324; BGH vom 03.06.2003, NJW 2003 VIII ZB 19/03 a. a. O., BAG vom

16.07.2003 2 AZB 50/02 NJW 2003, 3796 = NZA 2003, 1293; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, a. a. O. Rdn. 50; Enders, JurBüro 2003, 561 m. w. N.).

d) Als erstattungsfähig ist die streitige Verfahrensgebühr dementsprechend aus Nr. 3200, 3201 VV RVG mit 1,1 festzusetzen. Die weitergehende sofortige Beschwerde der Antragstellerin, soweit sie auf 1,6 bezogen ist, war zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung über die Kostenfestsetzung erfolgt nach § 572 Abs. 3 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht dem geltend gemachten Betrag. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.

Dr. Kaup






LAG Düsseldorf:
Beschluss v. 08.11.2005
Az: 16 Ta 596/05


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