Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 29. März 2012
Aktenzeichen: I-2 U 1/12

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 29.03.2012, Az.: I-2 U 1/12)

Tenor

I.

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 27. Oktober 2011 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II.

Die Verfügungsklägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Absatz 2, 313 a Absatz 1 Satz 1, 542 Absatz 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die dortigen Ausführungen macht sich der Senat in vollem Umfang zu eigen machen und nimmt darauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Das Berufungsvorbringen der Verfügungsklägerin veranlasst lediglich noch folgende ergänzenden Bemerkungen:

1. Der Senat verkennt nicht, dass Gegenstand des Verfügungsangriffs nicht die Versendung des im Antrag angegebenen Schreibens vom 13. Juli 2011 an die Verfügungsklägerin selbst ist, sondern die Übersendung einer Kopie dieses Schreibens an die A GmbH, mit der die Verfügungsklägerin bei der geplanten Inbetriebnahme einer nach Ansicht der Verfügungsbeklagten patentverletzenden A-Anlage in Nordrhein-Westfalen zusammen arbeitet. Das hat die Verfügungsklägerin im Berufungsverfahren ausdrücklich klar gestellt; dies kommt auch in der Fassung des Verfügungsantrages hinreichend zum Ausdruck, der sich nur auf das Anschreiben an die A GmbH mit der Kopie des Schreibens an die Verfügungsbeklagte bezieht.

2. Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass das angegriffene Verhalten keine irreführenden geschäftlichen Handlungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 UWG enthält.

a) Die Verfügungsbeklagte hat das Drittunternehmen A nicht abgemahnt. An einer Abmahnung fehlt es schon deshalb, weil auch das an die Verfügungsklägerin gerichtete Schreiben keine Abmahnung aus den im Betreff genannten Schutzrechten darstellt, sondern eine Berechtigungsanfrage. Eine Abmahnung enthält das Schreiben schon deshalb nicht, weil die Verfügungsbeklagte darin an die Verfügungsklägerin kein ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsbegehren, sondern lediglich die Anfrage richtet, inwieweit diese sich für berechtigt hält, das Schutzrecht der Verfügungsbeklagten ohne Erlaubnis zu benutzen, und am Ende des Schreibens um Stellungnahme hierzu innerhalb der bis zum 15. August 2011 gesetzten Frist bittet. Dass und aus welchem Grund die Verfügungsbeklagte mit dieser Anfrage zum Ausdruck gebracht haben soll, sie erwarte die Unterlassung des beschriebenen Verhaltens, ist nicht ersichtlich; wie sie auf eine tatsächlich eingehende Stellungnahme der Verfügungsklägerin reagieren werde, hat sie nicht angekündigt. Lediglich für den Fall, dass die Verfügungsklägerin überhaupt nicht reagiert und keine fristgerechte Stellungnahme vorlegt, hat sich die Verfügungsbeklagte gerichtliche Schritte vorbehalten. Welcher Art diese Schritte sind und worauf sie bei Gericht ihren Antrag richten will, ist ebenfalls nicht angekündigt.

Ist das im Verfügungsantrag angegebene an die Verfügungsklägerin gerichtete Schreiben keine Abmahnung, so kann auch die Übersendung einer Kopie an deren Partnerunternehmen A keine Abmahnung sein, denn auch gegenüber diesem Unternehmen fehlt es an einem - sei es auch nur konkludenten - Unterlassungsbegehren. Daran ändert der Umstand nichts, dass A im Gegensatz zur Verfügungsklägerin nicht zur Stellungnahme aufgefordert wird, denn auch vom Empfängerhorizont aus unmissverständlich wird ihr mit der Übersendung des Schreibens lediglich zur Kenntnis gebracht, dass die Verfügungsbeklagte durch das Verhalten der Verfügungsklägerin die im Betreff genannten Schutzrechte für verletzt hält und sie zur Stellungnahme dazu auffordert, aus welchem Grund sie sich zur Benutzung der darin unter Schutz gestellten technischen Lehre berechtigt ansieht. Daraus ist auch für die Empfängerin A klar ersichtlich, dass von ihr abgesehen von der Kenntnisnahme des Vorgangs keinerlei Reaktion gefordert wird, dass sie aber gewärtigen muss, im Falle einer Schutzrechtsverletzung ebenso wie die Verfügungsklägerin aus den betreffenden Schutzrechten in Anspruch genommen zu werden, und dass es ihr freisteht, sich selbst etwa durch Nachfrage bei der Verfügungsklägerin über den Stand der Korrespondenz mit der Verfügungsbeklagten Informationen zu beschaffen.

Die Verfügungsklägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, es sei zu erwarten bzw. zumindest bestehe die Gefahr, A könne die Übersendung des an die Verfügungsklägerin gerichteten Anfrageschreibens als Abmahnung ihres Unternehmens verstehen. Unabhängig davon, ob A eine eigene Patentabteilung unterhält oder nicht, ist sie, wie auch die Verfügungsklägerin, ein einschlägig tätiges Fachunternehmen, an dessen Verständnishorizont nicht dieselben geringen Maßstäbe angelegt werden dürfen wie an den im Umgang mit gewerblichen Schutzrechten in aller Regel unerfahrenen privaten Endverbraucher. Von Fachunternehmen muss vielmehr erwartet werden, dass sie eine Berechtigungsanfrage von einer Abmahnung unterscheiden und auch sachgerecht darauf reagieren können.

b)

Das Schreiben hat für die Empfängerin A auch keinen irreführenden Inhalt.

aa)

Soweit die Verfügungsklägerin geltend macht, die Verfügungsbeklagte habe in dem Schreiben nicht berücksichtigt, dass das Gebrauchsmuster einen engeren Schutzumfang als das Patent habe, hat bereits das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass im Zeitpunkt der Absendung des Schreibens am 13. Juli 2011 die Schutzansprüche des Gebrauchsmusters noch in der ursprünglich eingetragenen Form bestanden und erst mit Schreiben vom 29. Juli 2011 eingeschränkt worden sind.

bb)

Auch der Umstand, dass in dem Anfrageschreiben auf die parallele europäische Patentanmeldung hingewiesen wird, ohne zu erwähnen, dass hier die angemeldeten Ansprüche ebenfalls eingeschränkt worden sind, und diese Einschränkung auch im Zeitpunkt der Absendung des Schreibens schon vorhanden war, begründet keine Irreführung. Die Verfügungsbeklagte war bei dem hier gegebenen Inhalt des Schreibens nicht verpflichtet, weitere Einzelheiten zum Stand des europäischen Erteilungsverfahrens mitzuteilen. In der Rechtsprechung wird allerdings die Auffassung vertreten, es sei irreführend, in der Berechtigungsanfrage einerseits die Erteilungsdaten des betreffenden Schutzrechts im Einzelnen mitzuteilen, andererseits aber nur auf dessen Inkraftstehen hinzuweisen, ohne ein anhängiges Einspruchsverfahren zu erwähnen (OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2008, 197). Ob dem zu folgen ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Die Verfügungsbeklagte hat Erteilungsdaten weder der geltend gemachten Schutzrechte noch der parallelen europäischen Patentanmeldung im Einzelnen mitgeteilt. Sie war daher auch auf der Grundlage der genannten Rechtsprechung nicht gehalten, Einzelheiten zum Stand des europäischen Erteilungsverfahrens anzugeben, sondern durfte sich, wie im Allgemeinen bei Berechtigungsanfragen, auf eine Benennung der geltend gemachten Schutzrechte anhand der Veröffentlichungsnummer beschränken (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Aufl., Rdnr. 634). Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass A durch den zusätzlichen Hinweis auf die europäische Patentanmeldung zu der Annahme verleitet wird, die Schutzrechtsposition der Verfügungsbeklagten sei hierdurch in besonderem Maße valide und unangreifbar. Auch insoweit gilt, dass von einem einschlägig tätigen Fachunternehmen erwartet werden muss, den Inhalt einer Berechtigungsanfrage zutreffend erfassen zu können. Dadurch, dass Einzelheiten zum Schutzumfang des geltend gemachten Gebrauchsmusters und der ergänzend angegebenen europäischen Patentanmeldung nicht - und damit auch nicht teilweise unvollständig - ausgeführt wurden, ergab sich keine konkrete Gefahr, A werde sich nach dem Erhalt des Schreibens verhalten wie der Empfänger einer "echten" Abnehmerverwarnung und sich aus dem gemeinsam mit der Verfügungsklägerin betriebenen Vorhaben zurückziehen. Zu dieser Befürchtung bestand umso weniger Veranlassung, als A in Bezug auf die hier in Rede stehende A-Anlage kein Kunde bzw. Abnehmer der Verfügungsklägerin ist, sondern deren deutsches Partnerunternehmen für die geplante gemeinsame Inbetriebnahme. Mit Blick darauf stand eher zu erwarten, A werde sich entweder durch eigene Korrespondenz mit der Verfügungsbeklagten und entsprechende Schutzrechtsrecherchen ein eigenes Bild von der Schutzrechtslage machen oder werde sich zumindest, um die weitere Entwicklung der Angelegenheit zu verfolgen, an die Verfügungsklägerin wenden und sich von dieser über den weiteren Gang der Dinge in Kenntnis setzen lassen.

cc)

Irreführend ist das Schreiben auch nicht deshalb, weil die beiden geltend gemachten Schutzrechte, nämlich das deutsche Patent und das parallele deutsche Gebrauchsmuster als "rechtswirksam" bezeichnet werden. Wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, besagt "rechtswirksam" nichts anderes, als dass die betreffenden Schutzrechte in Deutschland in Kraft stehen. Die Behauptung einer erhöhten Bestandsgarantie wird mit diesem Ausdruck im Rechts- und Wirtschaftsleben in aller Regel nicht verbunden. Warum das hier anders sein soll, legt die Verfügungsklägerin nicht näher dar.

c)

Ob und unter welchen Umständen im Rahmen einer Berechtigungsanfrage auf gegen die geltend gemachten Schutzrechte eingeleitete Rechtsbestandsverfahren hingewiesen werden muss, bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung, weil im Zeitpunkt der Absendung des Schreibens unstreitig weder das deutsche Patent mit einem Einspruch oder einer Nichtigkeitsklage noch das parallele Gebrauchsmuster mit einem Löschungsantrag angegriffen war. Die Verfügungsbeklagte kannte zwar aus dem europäischen Patenterteilungsverfahren zwei weitere dort für neuheitsschädlich gehaltene Entgegenhaltungen. Selbst wenn die Einwände des europäischen Patentprüfers objektiv berechtigt gewesen sein sollten, traf die Verfügungsbeklagte aber keine Verpflichtung, im Rahmen ihrer Berechtigungsanfrage darauf hinzuweisen. Solange das deutsche Patent und das parallele Gebrauchsmuster nicht angegriffen waren, war der Stand der Technik rechtlich unbeachtlich, mag er auch noch so relevant gewesen sein. Im Falle der Berechtigungsanfrage an die Verfügungsklägerin musste sich die Verfügungsbeklagte weder daran gehindert sehen, überhaupt eine solche Anfrage dorthin zu richten, noch musste sie auf die betreffenden im europäischen Patenterteilungsverfahren entgegengehaltenen Druckschriften hinweisen. Die Übersendung der an die Verfügungsklägerin gerichteten Berechtigungsanfrage an A zur Kenntnisnahme kann keinen anderen Regeln folgen.

III.

Da die Berufung der Verfügungsklägerin erfolglos geblieben ist, hat sie gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

X Y Z






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 29.03.2012
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