Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. November 2008
Aktenzeichen: 14 W (pat) 48/05

(BPatG: Beschluss v. 03.11.2008, Az.: 14 W (pat) 48/05)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent erteilt. Bezeichnung: Verfahren zum Herstellen eines Bauteils und Bauteil Anmeldetag: 10. August 2004 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde: Patentansprüche 1 bis 18, eingegangen am 28. August 2008, Beschreibung Seiten 1, 2 und 2A, eingegangen am 28. August 2008, Beschreibung Seiten 3 bis 5, eingegangen am 10. August 2004, 1 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 und 2, eingegangen am 10. August 2004.

Gründe

I Mit Beschluss vom 29. Juli 2005 hat die Prüfungsstelle für Klasse B44C des Deutschen Patentund Markenamts die Patentanmeldung 10 2004 038 675.7 -45 mit der Bezeichnung

"Bauteil"

zurückgewiesen.

Die Zurückweisung ist im Wesentlichen damit begründet, dass der Gegenstand des dem Beschluss zu Grunde liegenden Patentanspruchs 1 gegenüber den Druckschriften

(1)

DE 100 06 359 C1 und

(2)

DE4344169A1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Ausgehend davon, dass das Herstellen von Bauteilen durch Hinterspritzen oder Hinterpressen von äußerst empfindlichen, hochwertigen Dekormaterialien, wie Leder und ähnlich genarbten Strukturen, mit thermoplastischen Kunststoffen bekannt sei, und auch die Verwendung von ungegerbten Tierhäuten -Pergament -zur Herstellung von Gegenständen des täglichen Lebens vorbeschrieben sei, habe es für den Fachmann nahe gelegen, anstelle von Leder ein Pergament bei der Herstellung von Bauteilen durch Hinterspritzen einzusetzen.

Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie verfolgt ihr Patentbegehren mit den im Tenor genannten Unterlagen weiter.

Die Patentansprüche 1 bis 18 lauten:

"1. Verfahren zum Herstellen eines Bauteils mit mindestens einem auf einer Außenfläche aufgebrachten Dekormaterial, wobei das Dekormaterial Pergament (3) ist, dadurch gekennzeichnet, dass das aus Pergament (3) bestehende Dekormaterial mit einem Trägermaterial (1) aus einem thermoplastischen oder einem duroplastischen Werkstoff hinterspritzt, hinterpresst oder hinterblasen wird.

2.

Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das aus Pergament (3) bestehende Dekormaterial mit einer äußeren Schutzschicht (4) versehen wird.

3.

Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Schutzschicht (4) mittels einer Versiegelung mit einem Decklack gebildet wird.

4.

Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Decklack mittels eines selbstheilenden Lacksystems auf Polyurethanbasis gebildet wird.

5.

Verfahren nach Anspruch , dadurch gekennzeichnet, dass der Decklack mittels eines mit Nanopartikeln ausgerüsteten Lacksystems gebildet wird.

6.

Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Schutzschicht (4) mittels einer Versiegelung mit einer Schutzfolie gebildet wird.

7.

Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass das Trägermaterial (1) zumindest partiell aus einem transparenten oder transluzenten Werkstoff gebildet wird.

8.

Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch ekennzeichnet, dass das Dekormaterial mittels einer Kombination von Pergamenten (3) verschiedener Tierarten gebildet wird.

9.

Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass der thermoplastische oder duroplastische Werkstoff verstärkt wird.

10.

Bauteil mit mindestens einem auf einer Außenfläche aufgebrachten Dekormaterial, wobei das Dekormaterial aus Pergament

(3) besteht, dadurch gekennzeichnet, dass ein Trägermaterial (1) für das aus Pergament (3) bestehende Dekormaterial mittels Hinterspritzen, Hinterpressen oder Hinterblasen aus einem thermoplastischen oder einem duroplastischen Werkstoff gebildet ist.

11.

Bauteil nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass das aus Pergament (3) bestehende Dekormaterial mit einer äußeren Schutzschicht (4) versehen ist.

12.

Bauteil nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Schutzschicht (4) mittels einer Versiegelung mit einem Decklack gebildet ist.

13.

Bauteil nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass der Decklack mittels eines selbstheilenden Lacksystems auf Polyurethanbasis gebildet ist.

14.

Bauteil nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass der Decklack mittels eines mit Nanopartikeln ausgerüsteten Lacksystems gebildet ist.

15.

Bauteil nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Schutzschicht (4) mittels einer Versiegelung mit einer Schutzfolie gebildet ist.

16.

Bauteil nach einem der Ansprüche 10 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass das Trägermaterial (1) zumindest partiell aus einem transparenten oder transluzenten Werkstoff gebildet ist.

17.

Bauteil nach einem der Ansprüche 10 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass das Dekormaterial mittels einer Kombination von Pergamenten (3) verschiedener Tierarten gebildet ist.

18.

Bauteil nach einem der Ansprüche 10 bis 17, gekennzeichnet durch die Verwendung im Innenausbau von Fahrzeugen.

Die Anmelderin hat zur Begründung ihrer Beschwerde vorgetragen, im entgegengehaltenen Stand der Technik sei zwar beschrieben, Leder oder ähnlich genarbte Strukturen als Dekormaterial zur Herstellung eines Bauteils zu verwenden oder abgezogene Fischhaut mit einer Schicht aus durchsichtigem Material zu bekleben und als Lederersatz einzusetzen, ein Hinweis auf die Verwendung von Pergament könne ihm aber nicht entnommen werden. Leder und Pergament seien jedoch auf Grund der unterschiedlichen Herstellungsverfahren hinsichtlich der Weiterverarbeitung durch Hinterspritzen, Hinterpressen oder Hinterblasen nicht vergleichbar, da das Feuchtigkeits-, Wärmeund Schrumpfverhalten des Pergaments sehr viel schwieriger zu steuern sei als das von Leder, welches durch gezielte Vorbehandlung für die weitere Verarbeitung konditioniert werden könne. Pergament könne aber mit wesentlich weniger Aufwand als Leder hergestellt werden und biete zudem den Vorteil, dass es von Natur aus lichtdurchlässig sei und dadurch hinterleuchtet werden könne. Im Übrigen ließe es sich im nassen Zustand vorformen, während Leder ein vergleichweise flexibles Produkt sei, dem lediglich mit größerem Aufwand genügend hohe Eigensteifigkeit verliehen werden könne. Zur Stützung dieses Argumentes hat die Anmelderin noch auf weiteren Stand der Technik hingewiesen, dem zu entnehmen sei, mit welchem Zusatzaufwand einem Belederungsteil eine bestimmte Eigensteifigkeit verliehen werden könne. Daher sei mit der Kombination der Entgegenhaltungen des Standes der Technik die Verwendung von Pergament zur Herstellung eines Bauteils durch Hinterspritzen, Hinterpressen oder Hinterblasen nicht nahe gelegt.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den im Beschlusstenor aufgeführten Unterlagen zu erteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II 1.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 73 PatG); sie hat auch Erfolg.

2.

Bezüglich der Offenbarung des Verfahrens zum Herstellen eines Bauteils nach Anspruch 1 bestehen keine Bedenken, da dessen Merkmale aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1 und 9 i. V. m. Seite 3, Absatz 3 der ursprünglichen Beschreibung herleitbar sind. Die rückbezogenen Verfahrensansprüche 2 bis 9 und die auf das Erzeugnis gerichteten Ansprüche 10 bis 17 als auch der Verwendungsanspruch 18 lassen sich aus den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 3 bis 12 ableiten.

3.

Die Neuheit des Verfahrens nach dem geltenden Patentanspruch 1, des Bauteils nach Anspruch 10 und dessen Verwendung nach Anspruch 18 sind gegeben.

Das Verfahren zum Herstellen von Formteilen aus hinterspritztem oder hinterpresstem Dekormaterial gemäß Druckschrift (1) verwendet thermoplastisches Material als Trägermaterial für die Dekormaterialien, vorzugsweise für solche mit strukturierter Oberfläche (Anspruch 1 i. V. m. Abs. 0004 und 0016), wobei ein Tierhautpergament im Unterschied zum Verfahren nach Anspruch 1 nicht genannt wird. Die Verwendung danach hergestellter Formteile im Fahrzeugbau wird in (1) nicht angesprochen.

Die Entgegenhaltung (2) betrifft ein Verfahren zum Herstellen von Materialien unter Verwendung von Tierhäuten, bei dem auf einer oder beiden Seiten eine dünne Schicht aus einem durchsichtigen Material aufgebracht wird (Anspruch 1). Das Verfahren (2) unterscheidet sich somit vom Verfahren nach Anspruch 1 dadurch, dass kein Trägermaterial hinterspritzt, hinterpresst oder hinterblasen wird, so dass das Material so flexibel bleibt, dass es zur Herstellung von Kleidungsstücken und als Überzugsmaterial für Knopfgrundkörper dienen kann (Sp. 1, Z. 31 bis 39). Auch ein Bauteil mit den Merkmalen des Anspruchs 10 ist nicht beschrieben.

Die übrigen im Prüfungsverfahren noch entgegengehaltenen Druckschriften liegen ferner und können die Neuheit der Gegenstände nach den Ansprüchen 1, 10 und 18 ebenfalls nicht Frage stellen.

4. Das Verfahren zum Herstellen eines Bauteils nach Anspruch 1, das Bauteil nach Anspruch 10, sowie dessen Verwendung nach Anspruch 18 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Anmeldung liegt nach den Angaben von Seite 2, Absatz 5 der geltenden Unterlagen die Aufgabe zu Grunde, ein Bauteil mit hochwertiger Oberfläche sowie ein Verfahren zur Herstellung des Bauteils zu schaffen, das ohne zusätzliche Maßnahmen den gestellten Anforderungen in optischer, haptischer und sicherheitstechnischer Hinsicht genügt und zusätzlich in optischer Hinsicht neue Akzente ergibt.

Gelöst wird diese Aufgabe durch ein Verfahren nach Anspruch 1 und ein Bauteil nach Anspruch 10. Das beanspruchte Verfahren macht sich dabei dem Vorbringen der Anmelderin zufolge mehrere Eigenschaften des Pergaments -wie geringerer Zeitund Arbeitsaufwand bei der Herstellung, Lichtdurchlässigkeit und Eigensteifigkeit durch Vorformung beim Trocknen -zunutze, die in dem im Prüfungsverfahren genannten Stand der Technik (1) und (2) kein Vorbild finden oder -wie aus dem mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Stand der Technik DE 100 10 862 A1 ersichtlich -durch zusätzlichen Aufwand realisiert werden müssen (vgl. DE 100 10 862 A1, Ansp. 1 i. V. m. Fig. 1 bis 3, BZ 16).

Den nächst kommenden Stand der Technik beschreibt die Entgegenhaltung. Sie strebt an, bei einem Verfahren zum Herstellen von Formteilen aus hinterspritztem oder hinterpresstem Dekormaterial, welches Leder, ähnlich genarbte Strukturen, Textil oder textilähnliche Strukturen sein kann, die Dekorfläche des Dekormaterials beim Hinterspritzen oder Hinterpressen mit einfachen Mitteln weiter zu verbessern (Sp. 1, Abs. [0004 und 0009] und Ansp. 1). Zur Lösung der Aufgabe ist dort angegeben, spätestens ab Beginn der Formhohlraumfüllphase einen Gasdruck auf die Dekor-Oberfläche auszuüben, der der Schonung der Oberfläche dient, wenn in den Formfüllraum die formgebende thermoplastische Kunststoffmasse eingefüllt wird (Ansp. 1 i. V. m. Sp. 2, Abs. [0017]). Eine Anregung dahingehend, ein Tierhautpergament als Dekormaterial anstelle von Leder oder Textilien einzusetzen, erhält der Fachmann aus der Entgegenhaltung (1) indessen nicht.

Eine solche Anregung ist auch der Druckschrift (2) nicht zu entnehmen. Die Entgegenhaltung (2) beschreibt zwar die Herstellung von Materialien unter Verwendung von abgezogenen Tierhäuten, insbesondere von Fischhaut, die noch mit Schuppen besetzt und daher farbig ist (Sp. 1, Z. 21/22 i. V. m. Ansp. 1). Die Tierhaut, insbesondere die Schuppen tragende Fischhaut, bei der die Schuppen gerade das Dekor ausmachen, wird mit durchsichtigem Material mindestens einseitig beschichtet und nach dem Trocknen als flexibles Material zur Herstellung von Kleidung oder Überzügen verwendet (Sp. 1, Z. 22 bis 39 und 54 bis 58). Die Aufbereitung der Tierhäute zu einem Pergament unter Entfernung des Haarkleids wie bei dessen Herstellung aus Tierhaut von Rind, Schwein oder Ziege oder dementsprechend die Entfernung der Schuppen bei der Fischhaut -ist dagegen bei (2) nicht beschrieben. Auch wird die einoder beidseitige Beschichtung der Tierhäute bei (2) nicht durch Hinterspritzen, Hinterpressen oder Hinterblasen vorgenommen, sondern durch Auftrag in einer Form, vorzugsweise einer Springform, so dass kein Bauteil, sondern ein flexibles Material zur Herstellung von Artikeln, die bisher aus Leder gefertigt werden, erzeugt wird (Sp. 1, Z. 31 bis 39 und Ansp. 3).

Ausgehend von (1) erhält der Fachmann daher auch in der Zusammenschau mit

(2) keinen Hinweis zur Lösung der vorstehend genannten Aufgabe. Auch die Lehren der übrigen im Prüfungsverfahren noch abgehandelten Druckschriften vermitteln dem Fachmann keine diesbezüglichen Anregungen.

Nach alledem ist der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass der Anspruch gewährbar ist.

5. Der nebengeordnete Anspruch 10 ist auf das in den vorhergehenden Ansprüchen beschriebene Bauteil gerichtet. Bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gelten für ihn die oben dargelegten Gesichtspunkte gleichermaßen, so dass dieser Anspruch ebenfalls gewährbar ist. Patentanspruch 18 ist auf die Verwendung des Bauteils im Innenausbau von Fahrzeugen gerichtet; sie ist durch den Stand der Technik ebenfalls nicht nahe gelegt, und der Anspruch daher ebenfalls gewährbar.

Das Gleiche gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 9 sowie für die auf den Patentanspruch 10 rückbezogenen Ansprüche 11 bis 17, die jeweils weitere, über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausführungsformen betreffen.

Schröder Harrer Gerster Schuster Na






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Az: 14 W (pat) 48/05


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