Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. März 2009
Aktenzeichen: 12 W (pat) 348/03

(BPatG: Beschluss v. 05.03.2009, Az.: 12 W (pat) 348/03)

Tenor

Das Patent wird aufrechterhalten.

Gründe

I Gegen das am 18. April 1998 angemeldete und am 27. Februar 2003 veröffentlichte Patent 198 17 414 der S... GmbH in W..., mit der Bezeichnung

"Verfahren zum Betreiben einer Heizungsanlage und Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens"

hat die V... GmbH in R..., am 23. Mai 2003 Einspruch erhoben. Das Patent umfasst 4 Patentansprüche. Die erteilten Ansprüche lauten:

1.

Verfahren zum Betreiben einer Heizungsanlage, mit einem durch alternative, insbesondere solare Energie beheizten Pufferspeicher (2), einem durch fossile Brennstoffe befeuerten Heizkessel (3) und mindestens einem Wärmeverbraucher (4), bei demder Rücklauf des Wärmeverbrauchers (4) mittels eines temperaturabhängig steuerbaren Strömungselementes nur bei ausreichendem Wärmepotential im Pufferspeicher (2) durch diesen und im anderen Fall direkt durch den Heizkessel (3) geleitet wird, dadurch gekennzeichnet, dass von zwei übereinander angeordneten Temperaturfühlern (12, 13) im oberen Bereich des Pufferspeichers (2) der untere Temperaturfühler (12) gemeinsam mit einem Temperaturfühler (9) im Rücklauf (10) des Wärmeverbrauchers (4) ab einer etwa 4K höheren Temperatur im Pufferspeicher (2) als im Rücklauf (10) des Wärmeverbrauchers (4) das vor dem Pufferspeicher (2) angeordnete Strömungselement in Form eines Dreiwegeventils (11) in Richtung Pufferspeicher (2) und der obere Temperaturfühler (13) gemeinsam mit dem Temperaturfühler (9) unter diesem Wert das Dreiwegeventil (11) direkt in Richtung Heizkessel (3) schaltet (Rücklaufüberwachung).

2.

Verfahren zum Betreiben einer Heizungsanlage, mit einem durch alternative, insbesondere solare Energie beheizten Pufferspeicher (2), einem durch fossile Brennstoffe befeuerten Heizkessel (3) und mindestens einem Wärmeverbraucher (4), bei dem der Rücklauf des Wärmeverbrauchers (4) mittels eines temperaturabhängig steuerbaren Strömungselementes bei einem für den Wärmeverbraucher bereits ausreichenden Wärmepotential im Pufferspeicher (2) von diesem direkt in den Vorlauf zum Wärmeverbraucher (4) und im anderen Fall zusätzlich auch durch den Heizkessel (3) geleitet wird, dadurch gekennzeichnet, dass von zwei übereinander angeordneten Temperaturfühlern (12, 13) im oberen Bereich des Pufferspeichers (2) der untere Temperaturfühler (12) ab einer Temperatur im Pufferspeicher über einem festgelegten Sollwert das hinter dem Pufferspeicher (2) angeordnete Strömungselement in Form eines Dreiwegeventils (14)

direkt in Richtung Wärmeverbraucher (4) und der obere Temperaturfühler (13) unter diesem Wert das Dreiwegeventil (14) in Richtung Heizkessel (3) schaltet (Vorlaufüberwachung).

3.

Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch ein temperaturabhängig steuerbares Strömungselement in Form eines Dreiwegeventils (11) vor dem Pufferspeicher (2) und durch zwei übereinander angeordnete Temperaturfühler (12, 13) im oberen Bereich des Pufferspeichers

(2) und einen zusätzlichen Temperaturfühler (9) im Rücklauf (10) des Wärmeverbrauchers (4) zum Ermitteln einer Temperaturdifferenz als Steuergröße für das Dreiwegeventil (11).

4. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach den Ansprüchen 1 oder 2, gekennzeichnet durch ein temperaturabhängig steuerbares Strömungselement in Form eines Dreiwegeventils

(14) hinter dem Pufferspeicher (2) und durch zwei übereinander angeordnete Temperaturfühler (12,13) im oberen Bereich des Pufferspeichers (2) zum Ermitteln absoluter Temperaturwerte als Steuergröße für das Dreiwegeventil (14).

Im Verfahren sind folgende Entgegenhaltungen:

D1 DE 2901820A1 D2 DE 197 05 040 A1 und D3 DE 297 23 704 U1, Anmeldetag 18. Dezember 1997 aus Patentanmeldung DE 197 56 331.7; Eintragung 11. März 1999 Die Druckschriften D1 und D2 waren im Prüfungsverfahren berücksichtigt worden.

Die Einsprechende hat innerhalb der Einspruchsfrist vorgetragen, das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 sei gegenüber der deutschen Patentanmeldung DE 197 56 331.7 mit älterem Zeitrang nicht mehr neu. Der Inhalt dieser Anmeldung sei gemäß PatG § 3 Abs. 2 in Form des deutschen Gebrauchsmusters 297 23 704 der Öffentlichkeit zugänglich geworden, und zwar als zu den der freien Einsicht unterliegenden Akten des Gebrauchsmusters gereichtes Prioritätsdokument. Da das Gebrauchsmuster durch Abzweigung aus der deutschen Patentanmeldung DE 197 56 331.7 entstanden sei, blieben die Rechte aus der deutschen Patentanmeldung bestehen. Nachträglich stützt sie ihren Einspruch auch auf die Druckschrift D1.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat sich im Verfahren nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt. Wie von ihr mit Eingabe vom 9./11. Februar 2009 angekündigt, ist sie zur mündlichen Verhandlung am 5. März 2009 nicht erschienen.

Der Senat hat in einem Hinweis vom 17. Februar 2009 den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt, dass nach vorläufiger Auffassung des Senats durch die von der Einsprechenden zuvor allein diskutierte Gebrauchsmusterschrift D3, DE 297 23 704 U1, die deutsche Anmeldung DE 197 56 331.7 nicht zum Stand der Technik gemäß PatG § 3 Absatz 2 geworden sei.

Wegen Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II 1.

Der Einspruch ist zulässig, insbesondere substantiiert begründet. Die Einsprechende hat im Einzelnen dargelegt, warum ihrer Rechtsauffassung nach die deutsche Patentanmeldung DE 197 56 331.7 zum Stand der Technik nach PatG § 3 Abs. 2 zählt. Auch wenn dem nicht gefolgt werden kann, führt dies nicht zur Unzulässigkeit des Einspruchs, sondern kommt im Rahmen der Begründetheit des Einspruchs zum Tragen.

2.

Das angefochtene Patent ist aufrechtzuerhalten.

2.1. Die deutsche Patentanmeldung DE 197 56 331.7 zählt nicht zum Stand der Technik nach PatG § 3 Abs. 2. Zwar ist sie eine nationale Patentanmeldung mit älterem Zeitrang. Aber sie ist nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Dieses gesetzliche Erfordernis in PatG § 3 Abs. 2 ist einschränkend dahin zu verstehen, dass nur eine Veröffentlichung im Rahmen des Anmeldeverfahrens diesen Erfordernissen genügt, sei es nach PatG § 31 Abs. 2 i. V. m. § 32 Abs. 5, sei es nach PatG § 58 Abs. 1 (Melullis in Benkard, PatG, 10. Aufl., § 3 Rdnr. 74 e; Schulte, PatG, 8. Aufl., § 3 Rdnr. 76; Keukenschrijver in Busse, PatG, 6. Aufl., § 3 Rdnr. 184). Dafür spricht, dass nach dem Wortlaut des PatG § 3 Abs. 2 Satz 1 nicht nur der Inhalt der Patentanmeldung mit älterem Zeitrang, sondern die Patentanmeldung selbst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden muss. Dieses Verständnis des PatG § 3 Abs. 2 Satz 1 folgt auch aus dem Sinn dieser Regelung, die verhindern will, dass etwas patentiert wird, was bereits Gegenstand eines anderen Patents ist oder werden könnte (Schulte a. a. O. § 3 Rdnr. 68). Das ist hier sichergestellt, weil die nicht veröffentlichte und nicht mehr anhängige Patentanmeldung DE 197 56 331.7 nicht mehr zu einem Patent führen kann.

Soweit die Einsprechende geltend macht, auch Geheimanmeldungen würden gemäß PatG § 50 Abs. 1 Satz 1 nicht veröffentlicht, ist dem PatG § 3 Abs. 2 Satz 3 entgegen zu halten. Diese Regelung fingiert, dass die Geheimanmeldung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

Dass der Inhalt der Patentanmeldung im Rahmen des durch Abzweigung am 30. Oktober 1998 entstandenen Gebrauchsmusterverfahrens 297 23 704 am 11. März 1999 (Eintragungstag) der Öffentlichkeit gemäß GebrMG § 8 Abs 5 durch die Möglichkeit freier Akteneinsicht zugänglich geworden ist, erfüllt dagegen nicht den Tatbestand des PatG § 3 Abs. 2. Dies ist eine Veröffentlichung außerhalb des Patentanmeldeverfahrens im Rahmen des davon zu unterscheidenden selbständigen Gebrauchsmusterverfahrens (Bühring, GbmG, 7. Aufl., § 5 Rdnr. 2). In diesem Verfahren ist der Inhalt der Patentanmeldung nur Aktenbestandteil als Abschrift der Voranmeldung geworden, deren Anmeldetag in Anspruch genommen wird. Dieser Umstand führt im vorliegenden Fall nur zu einem angesichts von PatG § 3 Abs. 1 nachveröffentlichten Stand der Technik.

Da die deutsche Patentanmeldung DE 197 56 331.7 nicht zum Stand der Technik nach PatG § 3 Abs. 2 zählt, kann es im Ergebnis zu einem Doppelschutz durch Patent und Gebrauchsmuster kommen. Da ein nationales Gebrauchsmuster nicht in PatG § 3 Abs. 2 Satz 1 aufgeführt ist, ging der Gesetzgeber aber ersichtlich davon aus, dass ein nationales Gebrauchsmuster und ein nationales Patent nebeneinander bestehen können. Die folgt z. B. auch aus der Regelung der inneren Priorität in PatG § 40 Abs. 5 Satz 2. Betrifft die frühere Anmeldung ein Gebrauchsmuster, gilt sie nicht mit Abgabe der Prioritätserklärung als zurückgenommen.

Es bleibt somit hier bei dem Grundsatz, dass eine nicht veröffentlichte ältere Patentanmeldung aus dem Stand der Technik völlig ausscheidet (Melullis in Benkard, a. a. O. § 3 Rdnr. 74 c).

2.2. Fachmann: Als Fachmann ist vorliegend ein Dipl.-Ing. (FH) des Maschinenbaus, Fachrichtung Heizungs-, Klima-, Lüftungstechnik mit Erfahrungen in der Konstruktion und Entwicklung von (Warmwasser-) Heizungsanlagen, speziell von solchen, bei denen auch alternative, insbesondere solare Energie ausgenutzt wird.

2.3. Zum Verständnis des angegriffenen Patents: Aus den im Oberbegriff des Anspruchs 1 vorausgesetzten Merkmalen, dass der Rücklauf des Wärmeverbrauchers (4) mittels eines temperaturabhängig steuerbaren Strömungselementes nur bei ausreichendem Wärmepotential im Pufferspeicher (2) durch diesen und im anderen Fall direkt durch den Heizkessel (3) geleitet wird, ergibt sich, dass Wärmeverbraucher, Strömungselement, Pufferspeicher und Heizkessel an einund denselben (hydraulischen) Wärmeträgerkreislauf angeschlossen sind. Bei den weiteren Ansprüchen gilt dies entsprechend.

Im letzten Merkmal des Anspruchs 1, dass der obere Temperaturfühler 13 gemeinsam mit dem Temperaturfühler 9 unter diesem Wert das Dreiwegeventil 11 direkt in Richtung Heizkessel 3 schaltet, ist mit "Wert" der vom Temperaturfühler 9 im Rücklauf gemessene Temperaturwert gemeint.

Das Bezugszeichen 12 ist in den Ansprüchen und der Beschreibung dem unteren Temperaturfühler, das Bezugszeichen 13 dem oberen Temperaturfühler zugeordnet. In den Ausführungsbeispiele zeigenden Figuren 1 und 2 ist die Zuordnung umgekehrt. Dem Argument der Einsprechenden, dass dadurch bewusst eine Beliebigkeit der Anordnung der beiden Fühler ausgedrückt werden sollte, kann der Senat nicht folgen. Er sieht diese Diskrepanz vielmehr als offensichtlichen Fehler, den der die Patentschrift lesende Fachmann ohne Schwierigkeiten als solchen erkennt.

2.4. Die Gegenstände der Ansprüche 1 bis 4 sind neu, da keine der Druckschriften D1 oder D2 ein Verfahren zum Betreiben einer Heizungsanlage oder eine Vorrichtung zur Durchführung eines solchen Verfahrens mit einem durch alternative Energie beheizten Pufferspeicher offenbart, wobei der Pufferspeicher mit zwei übereinander angeordneten Temperaturfühlern in dessen oberem Bereich ausgerüstet ist.

2.5. Die Verfahren zum Betreiben einer Heizungsanlage nach den Ansprüchen 1 und 2 und die Vorrichtungen zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 bzw. nach den Ansprüchen 1 oder 2 entsprechend den Ansprüchen 3 und 4 sind gewerblich anwendbar und beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.5.1. Zu Anspruch 1: Nächstkommende Entgegenhaltung ist die Druckschrift D1, DE 29 01 820 A1, von der gemäß der Beschreibung des angegriffenen Patents bei der Formulierung des Oberbegriffs des Anspruchs 1 ausgegangen wurde.

Als wesentlicher Unterschied des Gegenstands des Anspruchs 1 zum Gegenstand der D1 ist zu sehen, dass patentgemäß für die Umschaltung zwischen den Betriebsarten bivalenter Betrieb oder reiner Heizkesselbetrieb, die Signale von zwei getrennten, an spezieller Stelle, nämlich im oberen Bereich des Pufferspeichers, übereinander angeordneten Temperaturfühlern in Verbindung mit dem Signal eines Temperaturfühlers im Rücklauf des Wärmeverbrauchers ausgewertet werden. Bei dem Gegenstand der Druckschrift D1 ist dagegen nur ein Temperaturfühler im Speicher 11 angeordnet und zwar, gemäß Figur 1 der Entgegenhaltung, in dessen unterem Bereich. Die Umschaltung zwischen den Betriebsarten bivalenter Betrieb oder reiner Heizkesselbetrieb erfolgt aufgrund der Signale dieses über Leitung 30 angeschlossenen Temperaturfühlers im Pufferspeicher 11 und eines über Leitung 29 angeschlossenen Temperaturfühlers im Rücklauf. Die beanspruchte Lösung wird dadurch nicht nahegelegt. Angesichts der in der D1 offenbarten, fertigen und offenbar funktionierenden Lösung bestand für den die Schrift studierenden Fachmann kein Anlass, den einzigen Temperaturfühler im Pufferspeicher aus dem unteren Bereich weiter nach oben zu verlegen und zusätzlich einen weiteren Temperaturfühler noch darüber im Pufferspeicher anzuordnen.

Die Entgegenhaltung D2, DE 197 05 040 A1, liegt weiter ab. Bei den Heizungsanlagen nach dieser Schrift ist bei den Ausführungsbeispielen nach den Figuren 3 bis 5 jeweils ein Pufferspeicher offenbart. Der Heizkessel ist dabei jedoch immer über einen Wärmetauscher 9 an den Pufferspeicher 8 angeschlossen, vgl. Ansprüche 6 ff. Somit sind Wärmeverbraucher, Pufferspeicher und Heizkessel schon nicht an einund denselben (hydraulischen) Wärmeträgerkreislauf angeschlossen, wie im Anspruch 1 des angegriffenen Patents gefordert. In den gezeigten Pufferspeichern der D2 ist überdies auch nur ein Temperaturfühler angeordnet, siehe jeweils Nr. 45.

2.5.2. In den Ansprüchen 2, 3 und 4 ist ebenfalls beansprucht, dass der Pufferspeicher mit zwei übereinander angeordneten Temperaturfühlern im dessen oberem Bereich ausgerüstet ist. Das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit bei den Gegenständen dieser Ansprüche ergibt sich daher entsprechend den Überlegungen zu Anspruch 1 in analoger Weise.

Dr. Ipfelkofer Hövelmann Dr. Frowein Dr. Baumgart Me






BPatG:
Beschluss v. 05.03.2009
Az: 12 W (pat) 348/03


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