Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Juli 2000
Aktenzeichen: 20 W (pat) 51/99

(BPatG: Beschluss v. 26.07.2000, Az.: 20 W (pat) 51/99)

Tenor

Der Beschluß des Patentamts vom 9. März 1999 wird aufgehoben. Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I Das Patentamt - Patentabteilung 35 - hat das Patent im Einspruchsverfahren mit Beschluß vom 9. März 1999 in der erteilten Fassung aufrechterhalten. Die Einsprechende hatte ua die folgenden Druckschriften zitiert:

(1) DE 28 34 231 A1,

(2) DE 28 14 577 A1.

Im Beschwerdeverfahren beantragt die Einsprechende, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die Aufrechterhaltung gemäß Hilfsanträgen 1 und 2, bereits im Einspruchsverfahren vor dem Patentamt überreicht, weiterhin hilfsweise mit der Einfügung in den bisherigen Anträgen (Hauptantrag, Hilfsantrag 1, Hilfsantrag 2) "für jeden gewählten Kanal individuell" nach dem Wort "Abgleichsignale" im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"1. Abstimmsystem für einen HF-Empfänger mit Abstimmelemente und Abgleichelemente enthaltenden Frequenzselektions- bzw. Filterschaltungen und einem ebenfalls Abstimmelemente und Abgleichelemente enthaltenden Oszillator, deren Abstimmelemente mit Hilfe von Abstimmsignalen auf eine gewünschte Empfangsfrequenz bzw. die zugehörige Oszillatorfrequenz abzustimmen sind, ferner mit einem Mischer zur Überlagerung der Empfangsfrequenz mit der Oszillatorfrequenz zur Zwischenfrequenz und mit einem Abstimmsignalgenerator zur Erzeugung der Abstimmsignale, dadurch gekennzeichnet, daß die Abgleichelemente (CD1, CD2, CD3) der Selektionsschaltung (TC-1, TC-2, LV-DTF, HV-DTF, UHF-DTF) und/oder des Oszillators (LO-1) durch Abgleichsignale einstellbar sind, die von einem Abgleichsignalgenerator (PROM) mit vorbestimmten Werten für die jeweiligen Frequenzbereiche erzeugt werden."

Die hilfsweisen Fassungen des Patentanspruchs 1 unterscheiden sich von der nach Hauptantrag dadurch, daß jeweils Merkmale hinzugefügt sind.

So sind sowohl beim Hilfsantrag 1 wie auch beim Hilfsantrag 2 das Merkmal "zusätzlich zur Einstellung der Abstimmelemente durch die Abstimmsignale" vor den Worten "die Abgleichelemente" und weiter das Merkmal "ihnen separat zugeführte" vor dem Wort "Abgleichsignale" jeweils im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 hinzugefügt. Gemäß Hilfsantrag 2 sind die Ansprüche 1 bis 8 zusätzlich durch einen weiteren Unteranspruch 9 ergänzt. Bei den Fassungen des Patentanspruchs 1 nach den Hilfsanträgen 3, 4 und 5 ist jeweils im Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 das Merkmal "für jeden gewählten Kanal individuell" nach dem Wort "Abgleichsignale" im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 zusätzlich eingefügt.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 lautet demnach identisch zum Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5 (zum Patentanspruch 1 nach Hauptantrag hinzugefügte Merkmale sind fett dargestellt):

"1. Abstimmsystem für einen HF-Empfänger mit Abstimmelemente und Abgleichelemente enthaltenden Frequenzselektions- bzw. Filterschaltungen und einem ebenfalls Abstimmelemente und Abgleichelemente enthaltenden Oszillator, deren Abstimmelemente mit Hilfe von Abstimmsignalen auf eine gewünschte Empfangsfrequenz bzw. die zugehörige Oszillatorfrequenz abzustimmen sind, ferner mit einem Mischer zur Überlagerung der Empfangsfrequenz mit der Oszillatorfrequenz zur Zwischenfrequenz und mit einem Abstimmsignalgenerator zur Erzeugung der Abstimmsignale, dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich zur Einstellung der Abstimmelemente durch die Abstimmsignale die Abgleichelemente (CD1, CD2, CD3) der Selektionsschaltung (TC-1, TC-2, LV-DTF, HV-DTF, UHF-DTF) und/oder des Oszillators (LO-1) durch ihnen separat zugeführte Abgleichsignale für jeden gewählten Kanal individuell einstellbar sind, die von einem Abgleichsignalgenerator (PROM) mit vorbestimmten Werten für die jeweiligen Frequenzbereiche erzeugt werden."

Die Patentinhaberin macht geltend, keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften beschreibe - zusätzlich zu Abstimmelementen von diesen körperlich getrennte - Abgleichelemente, die durch separat zugeführte Abgleichsignale zusätzlich zur Einstellung der Abstimmelemente durch Abstimmsignale einstellbar seien.

Nach Auffassung der Einsprechenden beruhen die dem Patentanspruch 1 in allen beantragten Fassungen entsprechenden Gegenstände nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Auch der Stand der Technik beschreibe Abgleichvorgänge mit Abgleichelementen, auch wenn letztere zusätzlich bei der Abstimmung des HF-Empfängers benutzt würden. Abstimmelemente in Form von Kapazitätsdioden könnten auch als Abgleichelemente dienen.

II Die Beschwerde führt zum Erfolg, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in keiner der beantragten Fassungen patentfähig ist. Es fehlt die erfinderische Tätigkeit (§ 4 PatG).

1. Zum Hilfsantrag 4 Das Abstimmsystem nach Patentanspruch 1 des Hilfsantrages 4 mag zwar neu sein; ihm liegt jedoch keine erfinderische Tätigkeit zugrunde.

Abstimmsysteme für einen HF-Empfänger mit Abstimmelemente und Abgleichelemente enthaltenden Frequenzselektions- bzw. Filterschaltungen und einem ebenfalls Abstimmelemente und Abgleichelemente enthaltenden Oszillator, deren Abstimmelemente mit Hilfe von Abstimmsignalen auf eine gewünschte Empfangsfrequenz bzw. die zugehörige Oszillatorfrequenz abzustimmen sind, ferner mit einem Mischer zur Überlagerung der Empfangsfrequenz mit der Oszillatorfrequenz zur Zwischenfrequenz und mit einem Abstimmsignalgenerator zur Erzeugung der Abstimmsignale gemäß den Merkmalen im Oberbegriff des in Rede stehenden Patentanspruchs 1 waren am Prioritätstag des Patents dem Fachmann - hier ein Entwickler mit elektrotechnischer Hoch- oder Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der HF-Empfänger, insbesondere befaßt mit deren Abstimmung und Abgleich - bereits aus dem Stand der Technik bekannt, vergleiche in (1) den Wortlaut des Anspruchs 1 in Verbindung mit der Zeichnung mit Abstimmelementen 14, 15, Vorkreis 11, Oszillator 13, Mischer 12, weiter in Verbindung mit Seite 2, erster und zweiter Absatz, und Seite 4, zweiter Absatz, und in (2) ebenfalls den Wortlaut des Anspruchs 1 in Verbindung mit der Abbildung mit Abstimmelementen 2, 11, Vorkreis 1, Oszillator 10, Mischer 8, und weiter insbesondere Seite 4, zweiter Absatz, und Seite 7, zweiter und letzter Absatz.

Auch wenn in den zitierten Druckschriften (1) und (2) Abgleichelemente nicht explizit als von Abstimmelementen körperlich getrennte Bauteile genannt oder dargestellt sind, setzen sowohl die Druckschrift (1) wie auch die Druckschrift (2) das Vorhandensein solcher Abgleichelemente bei den damals bekannten und zum Stand der Technik zu rechnenden HF-Empfängern voraus, nachdem sowohl in (1) als auch in (2) Probleme bisheriger Abgleichverfahren bzgl. Frequenzselektions- und Filterschaltungen und Oszillatoren beschrieben werden (vgl (1), S 2, 2. Abs, und (2), S 4, 2. Abs). Außerdem nimmt Druckschrift (1) Bezug auf Kreiselemente, die für einen Abgleich notwendig, aber nicht durchstimmbar sind, dh während der Durchstimmung des HF-Empfängers nicht steuerbar sind (vgl S 2, Mitte 2. Abs, "... kann ein Gleichlauf zwischen Oszillator und Vorkreis nur durch einen iterativen Abgleich der nicht durchstimmbaren, dh während der Durchstimmung nicht gesteuerten, Kreiselemente im Oszillator und Vorkreis erreicht werden"). Das Vorhandensein von (zusätzlichen, von Hand oder mechanisch einstellbaren) Abgleichelementen bei den am Prioritätstag des Patents bekannten HF-Empfängern gehörte deshalb zum Grundwissen des Fachmanns, ohne daß es dafür eines weiteren druckschriftlichen Nachweises bedurfte. Im übrigen setzt auch die Patentinhaberin in ihrer Darstellung des Standes der Technik das Vorhandensein solcher Abgleichelemente voraus (vgl Patentschrift DE 32 34 236 C2, Sp 1, Z 54, bis Sp 2, Z 14, iVm Sp 8, Z 61, bis Sp 9, Z 63, und den Fig 2 und 3).

Nachdem nun der durch die Druckschriften (1) und (2) belegte Stand der Technik dem Fachmann überdies die Problematik des Abgleichs von Frequenzselektions- bzw. Filterschaltungen und Oszillatoren, insbesondere hinsichtlich deren Gleichlaufs bei der Abstimmung des HF-Empfängers, aufzeigte und zur Lösung dieser Problematik einen selbsttätigen Abgleich mit Hilfe elektronischer Mittel in Anschlag bringt, um das bisher übliche (mechanische oder händische) Abgleichen zu vereinfachen oder ganz überflüssig zu machen, (vgl (1), S 2, 3. Abs, S 4, 2. Abs, Wortlaut des Anspruchs 1, und (2), S 3, 2. Abs, S 4, 2. Abs und ebenfalls Wortlaut des Anspruchs 1), außerdem bei den bekannten HF-Empfängern ohnehin Abstimmsysteme vorgesehen waren, die zur (elektronischen) Abstimmung von Frequenzselektions- bzw. Filterschaltungen und Oszillatoren Kapazitätsdioden benutzten, lag es durchaus im Erwägungsbereich des Fachmanns, anstelle der bei den bekannten HF-Empfängern vorhandenen (von Hand oder mechanisch einstellbaren) Abgleichelemente ebenfalls (elektronisch einstellbare) Kapazitätsdioden zu benutzen und diese anstelle einer händischen oder mechanischen Einstellung, analog zur Einstellung der Abstimmelemente durch mittels eines "Abstimmsignalgenerators" (vgl (1), Speicher- und Steuerschaltkreis 16, (2), Mikro-Computer 3) erzeugte Abstimmsignale, mittels separat zugeführter Abgleichsignale einzustellen.

Im Vergleich zu einem Abgleich mittels von Hand oder mechanisch einstellbarer Abgleichelemente, der sich jeweils nur auf zwei, maximal drei Abgleichpunkte eines Frequenz- oder Wellenbereichs bezieht ((1), S 2, 2. Abs, (2), S 1, 4. Abs), bietet darüber hinaus ein Abgleich mit elektronisch gesteuerten Kapazitätsdioden dem Fachmann die Möglichkeit, pro Frequenz- oder Wellenbereich mehr als drei Abgleichpunkte nach Bedarf auszuwählen und die vorbestimmten Werte für die jeweiligen Bereiche abzuspeichern. Bei Bedarf wird der Fachmann ein solches Vorgehen auch für jeden gewählten Kanal individuell vorsehen ((1), S 2, 3. Abs, S 4, 1. Abs, (2), S 4, 2. Abs, S 7, 2. Abs).

Die in den Druckschriften (1) und (2) gemäß den dort beschriebenen Ausführungsbeispielen aufgezeigten Lösungswege für einen verbesserten Abgleich von HF-Empfängern, die letztlich darauf hinauslaufen, Abgleich und Abstimmung mittels ein und derselben Kapazitätsdiode vorzunehmen, stellten für den Fachmann kein gedankliches Hindernis dar, eine Verbesserung des Abgleichs zunächst in einem ersten Schritt zu suchen, der darin bestand, die bei den notwendigen Abgleichverfahren bisher verwendeten händischmechanisch einzustellenden Abgleichelemente durch elektronische Abgleichelemente zu ersetzen. Die in den Druckschriften (1) und (2) aufgezeigten Lösungen beruhen vielmehr beide, wie oben aufgezeigt, auf einem Abgehen vom üblichen mechanischen Abgleich und wenden sich einem elektronischen Abgleich zu und legen daher dem Fachmann zunächst die Verwendung elektronischer Abgleichelemente anstelle der üblichen mechanischen nahe. Ob der Fachmann darüber hinaus noch weitere Vereinfachungen oder Einsparungen hinsichtlich der Anzahl der notwendigen Abgleich- und Abstimmelemente ins Auge faßt, kann dahinstehen.

2. Zum Hauptantrag und zu den Hilfsanträgen 1 bis 3 und 5 Die den Fassungen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 und 5 entsprechenden Abstimmsysteme sind ebenfalls nicht patentfähig, weil die Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 5 ohnehin identisch ist mit der Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 und weil sich die Fassungen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 von der vorstehend erörterten Fassung nach Hilfsantrag 4 sachlich jeweils nur dadurch unterscheiden, daß Merkmale weggelassen sind. Ein der Fassung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 resp. 5 entsprechendes Abstimmsystem, dessen mangelnde Patentfähigkeit vorstehend begründet wurde, stellt somit einen unter die Anspruchsfassungen nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 fallenden Spezialfall dar.

Dr. Anders Richter Obermayer ist in Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. Dr. Anders 11. August 2000 Dr. Hartung Dr. van Radenbe






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