Finanzgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 14. September 2011
Aktenzeichen: 12 K 12136/08

(FG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 14.09.2011, Az.: 12 K 12136/08)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von gewinnunabhängigen Entgelten an stille Gesellschafter.

Die Klägerin ist im Bereich der kommerziellen Biotechnologie/Proteom-Forschung tätig. Im streitigen Zeitraum war die X - gesellschaft mbH (X), die selbst gemäß § 3 Nr. 24 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) von der Gewerbesteuerpflicht befreit ist, als stille Gesellschafterin an dem Unternehmen der Klägerin beteiligt. Nach dem Vertrag über die Errichtung der stillen Gesellschaft hatte die X eine Einlage in Höhe von € € zu leisten, die für ein bestimmtes Investitionsvorhaben zu verwenden war. Die stille Gesellschaft begann am Tage der Unterzeichnung des Vertrages im August 2003; sie ist bis zum 31. Dezember 2013 befristet; nach Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses sind die gewährte Einlage sowie nicht ausgezahlte Gewinnanteile an die X auszuzahlen. Die X erhält eine gewinnunabhängige Mindestvergütung in Höhe von 8 % p.a. auf die geleistete Einlage sowie ein gewinnabhängiges Entgelt in Höhe von 12 % der erwirtschafteten Jahresüberschüsse. Die Beteiligung der X am Verlust wurde ausgeschlossen.

In den Streitjahren erwirtschaftete die Klägerin keine Gewinne. Sie leistete Zahlungen in Höhe von € € (2004), € € (2005) bzw. € € (2006) an die X. Der Beklagte behandelte die Zahlungen als Gewinnanteile des stillen Gesellschafters gemäß § 8 Nr. 3 GewStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass diese Zahlungen ihrem Gewerbeertrag als Dauerschulden gemäß § 8 Nr. 1 GewStG und somit nur zur Hälfte hinzuzurechnen seien. Sie macht geltend, dass die Zahlungen an die X nicht als Gewinnanteil des stillen Gesellschafters gewertet werden dürften, weil sie auch dann zu leisten waren, wenn € wie in den Streitjahren € ein Gewinn tatsächlich gar nicht erzielt wurde. Es könne sich demgemäß nicht um einen Gewinnanteil handeln. Die vereinbarte Festvergütung sei in der Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwand zu behandeln. Daran zeige sich, dass die Ebene der Gewinnermittlung und nicht die der Gewinnverwendung betroffen sei. Zudem laufe die Interpretation des Beklagten der Intention des § 3 Nr. 24 GewStG zuwider, weil der Förderzweck dieser Vorschrift durch die volle Hinzurechnung der Zahlungen an die stille Gesellschafterin beeinträchtigt werde. Auch der Gleichheitssatz spreche für eine Behandlung der Zahlungen an die X als Dauerschulden i.S.d. § 8 Nr. 1 GewStG. Es könne keinen Unterschied machen, ob ein Darlehensvertrag mit fester Verzinsung und eine stille Beteiligung mit ausschließlich gewinnabhängiger Vergütung jeweils als einzelne Verträge oder in einer einheitlichen Urkunde abgeschlossen würden. Hätte man den Abschluss zweier getrennter Verträge gewählt, so wäre die Festvergütung zweifelsfrei als Dauerschuld anzusehen gewesen. Der hier zu entscheidende Fall dürfe nicht anders behandelt werden. Schließlich verstoße § 8 Nr. 3 GewStG gegen das Diskriminierungsverbot. Der Fall sei vergleichbar dem Fall, dass ein Empfänger von Gewinnanteilen deshalb nicht zur Gewerbesteuer heranzuziehen sei, weil er nicht im Inland ansässig sei. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei eine solche Ungleichbehandlung nur dann zu rechtfertigen, wenn der von dem Angehörigen eines Mitgliedstaates erlittene steuerliche Nachteil durch eine entsprechende steuerliche Begünstigung desselben Staatsangehörigen kompensiert würde. Ein solcher Ausgleich werde jedoch weder im Rahmen des § 8 Nr. 7 Satz 2 GewStG € zu dem die EuGH-Rechtsprechung ergangen ist € noch im Rahmen von § 8 Nr. 3 GewStG gewährt. Diese Diskriminierung bestehe auch im Streitfall. Sie, die Klägerin, werde diskriminiert, weil der Empfänger der Zahlungen von der Gewerbesteuerpflicht befreit sei. Die Diskriminierung bestehe darin, dass die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 3 GewStG bei wortgleichem Abschluss des stillen Beteiligungsvertrages mit einem im Inland steuerpflichtigen stillen Beteiligten nicht stattfinden würde. Die Klägerin verweist weiter darauf, dass im steuerrechtlichen Schrifttum (Rehm/Nagler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011 € Rs. C-397/09, GmbH-Rundschau [GmbHR] 2011, 937, 938) die Ansicht vertreten werde, dass die Hinzurechnungen nach § 8 GewStG einen Verstoß gegen den Inländergleichbehandlungsgrundsatz der Niederlassungsfreiheit nach Artikel 49 AEUV bedeuten (könnten).

Die Klägerin verweist zudem auf ein Urteil des Landgerichts Bonn vom 15. November 2005 (Aktenzeichen 11 O 79/05) sowie auf diverse Äußerungen im Schrifttum, nach denen § 301 des Aktiengesetzes (AktG) auf Festvergütungen eines stillen Gesellschafters keine Anwendung finde, weil diese Vorschrift voraussetze, dass etwas aus dem Gewinn abgeführt werde. Das sei bei gewinnunabhängigen Vergütungen nicht der Fall.

Die Klägerin beantragt, die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2004, über Gewerbesteuer 2004, 2005 und 2006 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag 2005 und 2006 dahingehend zu ändern, dass die an die stille Gesellschafterin gezahlten Beträge (Festvergütungen) dem Gewerbeertrag nur zur Hälfte zugerechnet werden, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob § 8 Nr. 3 GewStG die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV verletzt, sowie, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Gründe

1.Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung [FGO]).a)Nach § 8 Nr. 3 GewStG sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 GewStG) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Gewinnanteile eines stillen Gesellschafters hinzuzurechnen, wenn sie beim Empfänger nicht zur Steuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind. Letzteres ist u.a. dann der Fall, wenn der Gewinnanteil des stillen Gesellschafters nach § 3 Nr. 24 GewStG von der Gewerbesteuer befreit ist. § 3 Nr. 24 GewStG befreit die dort genannten Kapitalbeteiligungsgesellschaften von der Gewerbesteuer, soweit sich ihr Geschäftsbetrieb darauf beschränkt, im öffentlichen Interesse Beteiligungen zu erwerben. Weitere Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass der von der Gesellschaft erzielte Gewinn ausschließlich und unmittelbar für die satzungsmäßigen Zwecke der Beteiligungsfinanzierung verwendet wird.b)Die Voraussetzungen des § 8 Nr. 3 GewStG liegen hier vor.aa)Die X war unstreitig stille Gesellschafterin des Unternehmens der Klägerin; sie hat dieser also kein partiarisches Darlehen gegeben. Die X war zudem gemäß § 3 Nr. 24 GewStG von der Gewerbesteuer befreit.bb)Die Zahlungen der Klägerin an die X stellten auch Gewinnanteile i.S.d. § 8 Nr. 3 GewStG dar. Zwar werden als Gewinnanteile im Sinne der Vorschrift allgemein alle gewinnabhängigen Bezüge des stillen Gesellschafters angesehen (Schuster in Lenski/Steinberg, GewStG, Kommentar, § 8 Nr. 3 Rn. 33). Damit wird jedoch lediglich der als Normalfall empfundene Fall beschrieben, dass der stille Gesellschafter einen Auszahlungsanspruch tatsächlich nur in Abhängigkeit vom Gewinn erhält. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung sieht als Gewinnanteile i.S.d. § 8 Nr. 3 GewStG hingegen auch gewinnunabhängige Vergütungen des stillen Gesellschafters an (so Urteil des Bundesfinanzhofes [BFH] vom 19. Oktober 2005 € I R 48/04, Bundessteuerblatt € BStBl. € II 2006, 334; ebenso Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 07. Dezember 2009 € 5 K 669/06, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst [DStRE] 2011, 297). Dies ist zutreffend.Auch wenn § 8 Nr. 3 GewStG von dem €Gewinnanteil€ spricht, schließt der Wortlaut der Vorschrift es nicht aus, gewinnunabhängige Vergütungen des stillen Gesellschafters darunter zu fassen. Die Wortwahl knüpft ersichtlich an die handelsrechtliche Lage an, nach der der stille Gesellschafter gemäß § 231 des Handelsgesetzbuches (HGB) grundsätzlich am Gewinn und Verlust der Gesellschaft beteiligt ist. § 231 HGB erlaubt es aber, die Gewinnbeteiligung abweichend auszugestalten, namentlich indem dem stillen Gesellschafter neben der gewinnabhängigen Beteiligung eine feste Verzinsung seiner Einlage zugesagt wird (K. Schmidt in Münchener Kommentar zum HGB, § 231 Rn. 9). Alles, was demnach €Gewinnanteil€ des stillen Gesellschafters im handelsrechtlichen Sinne sein kann, stellt auch €Gewinnanteil€ i.S.d. § 8 Nr. 3 GewStG dar. Eine gewinnunabhängige Mindestvergütung gehört dazu.

Ohne Erfolg weist die Klägerin darauf hin, dass die gewinnunabhängige Vergütung bei ihr in der Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwand behandelt wird. Dies wäre bei Zahlung der gewinnabhängigen Vergütung € die auch nach Auffassung der Klägerin als Gewinnanteil i.S.d. § 8 Nr. 3 GewStG anzusehen wäre € nicht anders. Die Gewinnanteile eines (typischen) stillen Gesellschafters stellen grundsätzlich Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dar und mindern daher den Gewinn des Unternehmens, mit dem die stille Gesellschaft besteht (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 2000 € IV R 50/99, BStBl II 2001, 299, unter I.1. der Gründe). Gerade weil die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters den Gewinn aus Gewerbebetrieb als Betriebsausgaben mindern, aber als Teil des objektiven Gewerbeertrags angesehen werden, müssen sie dem Gewerbeertrag gemäß § 8 Nr. 3 GewStG wieder hinzugerechnet werden, wenn sie bei dem Empfänger nicht der Gewerbesteuer unterliegen (Schuster aaO. Rn. 2).

Eine gedankliche Aufspaltung des von der Klägerin mit der X abgeschlossenen einheitlichen Vertrages über eine stille Beteiligung in eine stille Beteiligung einerseits und ein Darlehensverhältnis andererseits kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin eine entsprechende Aufspaltung auf der Seite des Empfängers ersichtlich nicht für richtig hält. Die Klägerin weist selbst darauf hin, dass die X gemäß § 3 Nr. 24 GewStG von der Gewerbesteuer befreit ist. § 3 Nr. 24 GewStG setzt voraus, dass der Geschäftsbetrieb der X sich darauf beschränkt, im öffentlichen Interesse mit Eigenmitteln oder mit staatlicher Hilfe Beteiligungen zu erwerben. Die X darf demnach nur Beteiligungserträge, nicht aber Erträge aus der Hingabe von Darlehen erwirtschaften (vgl. Sächsisches FG in DStRE 2011, 297, unter 3. der Gründe). Die Klägerin setzt sich aber in Widerspruch zu ihrem eigenen Vortrag, wenn sie auf Seiten der X von € einheitlichen € Beteiligungserträgen, auf ihrer eigenen Seite hingegen von einer Kombination einer stillen Beteiligung und eines Darlehens ausgeht.

Letztlich erstrebt die Klägerin somit offenbar die für sie günstige Kombination der nur hälftigen Hinzurechnung von Zahlungen an die X zu ihrem Gewerbeertrag bei gleichzeitig vollständiger Gewerbesteuerfreiheit dieser Erträge bei der X. Diese Kombination sieht das Gesetz in seinem Zusammenspiel von § 8 Nr. 3 und § 3 Nr. 24 GewStG aber ersichtlich nicht vor.

c)Diese rechtliche Einschätzung beinhaltet keinen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot. Mag § 8 Nr. 3 GewStG auch in Bezug auf Auslandssachverhalte unter europarechtlichen Gesichtspunkten problematisch sein (vgl. FG Münster, Urteil vom 13. Juli 2007 € 9 K 1080/04 K, G, F, 9 K 4302/04 K, F, EFG 2007, 1976), so ist die Vorschrift bezogen auf reine Inlandssachverhalte nach dem oben Gesagten gleichwohl als sachgerecht und folgerichtig anzusehen.Ohne Erfolg verweist die Klägerin im Hinblick auf eine im steuerrechtlichen Schrifttum vertretene Auffassung im Hinblick auf einen € auch nach der genannten Auffassung lediglich für möglich, aber nicht für sicher gehaltenen € Verstoß des € hier nicht einschlägigen € § 8 Nr. 1 GewStG gegen den Inländergleichbehandlungsgrundsatz. Die Klägerin kann sich im Streitfall schon deshalb nicht mit Erfolg auf die Grundfreiheiten berufen, weil diese nach ständiger Rechtsprechung des EuGH auf rein interne Sachverhalte eines Mitgliedstaats nicht anwendbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 2003 € X R 2/00, BStBl. II 2004, 17, unter II.3.b)cc) der Gründe m.w.N.). Soweit die Grundfreiheiten darauf abzielen, die Inländergleichbehandlung sicherzustellen, gelten sie in jedem Mitgliedstaat nur für die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten und können auch nur für diese gelten, da die Angehörigen des Aufnahmestaats bereits zwangsläufig unter die genannten Bestimmungen fallen (BFH in BStBl. II 2004, 17 aaO.). Das Aussetzen des Verfahrens zum Zwecke der Vorlage an den EuGH kommt daher nicht in Betracht.

2.Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.






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